Mittwoch, der 10. Jänner 1979

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Mittwoch, 10. Jänner 1979

Den Zusammenbruch des Wiener Netzes konnte sich niemand erklären.
Die Frequenz ist auf 51.8 gestiegen. Ing. Wiedmann von den Stadt-
werken erklärte mir, dass es sich um eine Lastumkehr handeln
muss, die für sie nicht erklärlich ist. In der Früh konnte ich be-
reits beim Bundeslastverteiler feststellen, dass man dort nur
eine einzige Erklärung hatte, es musste im Wiener Bereich irgend
etwas geschehen sein. Auch der Direktor Popper konnte mir dann
spät abends noch immer nicht die genaue Ursache erklären. Er ver-
sprach mir, wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind einen genauer
Bericht zu geben.

ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Vielleicht kann man bei uns eine Er-
klärung nach vorlegen der Daten mir zukommen lassen.

Bei der Regierungsklausur hat Kreisky in seinen Einleitungsreferat
2 Punkte herausgestrichen. Erstens ist die wirtschaftliche Lage
nach seiner Meinung nach wie vor wenig optimistisch. Die Wirt-
schaftskrise von der er seit eh und je spricht, hat teilweise
eingesetzt.Zwischenzeitlich kann es zu Verbesserungen kommen, aber
nach wie vor bleibt die Weltwirtschaftssituation äusserst kritisch.
Zweitens in der Frage der Energiesituation meint er, hier müssten
alle Kräfte zusammenarbeiten. Die Energieagentur, die extra
geschaffen wurde um Energiefragen mit uns zu lösen, dürfte nicht
abseits agieren. Eine Bemerkung von ihm ist mir unerklärlich, er
meinte, er kann nicht jeder seinen eigenen Journalisten informie-
ren und dies bezog er auf die Energieagentur. Mit den Landeshaupt-
leuten müsste man jetzt zusammenarbeiten, weshalb er diese anfangs
Feber einladen wird. Dort soll Prof. Häfele einen Bericht über die
Energiesituation geben, die er am besten beurteilen kann. Anschlies-
send daran soll ich den Landeshauptleuten erklären, was jetzt ge-
schehen soll. Unmittelbar wäre dann ein Beamtenkomitee einzusetzen
dessen Ergebnisse im Herbst vorliegen sollen. Er erwähnte wieder,
dass es in Finnland eine Energierückgewinnung durch Recycling gibt,
die bis zu 30 % Energie sparen sollte. Ganz entschieden wehrte er
sich aber gegen eine Austerity-Politik. Es darf nicht der Eindruck
entstehen, dass wir jetzt einen gewissen Wohlstand erreicht haben
und womöglich die Arbeiterfamilien die Waschmaschinen und Fernseher


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nicht verwenden dürfen, oder sich die nicht anschaffen sollten.
Dies sei eine falsche Politik der Agentur. Gespart sollte werden
bei den Energieverlusten der Industrie.

Ein weiterer Punkt den Kreisky dann mit den Ländern besprechen möchte
ist, dass sie sich nicht gegenseitig und dann womöglich noch gegen
den Bund rauflizitieren sollten bei ihrer Wirtschaftsförderung.
Er könnte sich einen Schlüssel 2/3, 1/3 vorstellen. Insbesondere
hat Kreisky natürlich dann auf die einzelnen Projekte wie Ford
und auch Zellulose in NÖ verwiesen. Bei Ford erklärte er, es gibt
nur einen Standort, wo drei Länder ihre Arbeitsreserven ein-
setzen können, nämlich Wien, NÖ und Burgenland, weshalb die Firma,
wenn der Vertrag zustande kommt, nach Wien kommen würde. Hier sei
auch die Infrastruktur bezüglich des Personentransportes, es
werden 8.000 Beschäftigte bei Ford sein und 12.000 bei der Zuliefer-
industrie, die Ziffern variieren ständig, der Flughafen liegt in
der Nähe und er erörterte noch viele andere positive Seiten. Dies
war deshalb notwendig, weil er genau wusste, dass die anwesenden
Landeshauptleute und Stellvertreter natürlich darauf drängen, eben-
falls womöglich in ihrem Land ein so grosses Projekt zu bekommen.

Androsch erörterte dann seine Massnahmen, die er jetzt setzen will.
Er hatte von Kausel sich eine Studie ausarbeiten lassen oder hat
diese Studie zeitgerecht bekommen, wonach Österreich äusserst
günstig liegt. Er meinte unter Achtung der Meinung Kreiskys, dass
Kausel eben ein Optimist ist und jetzt nachweisen kann, dass er bis
jetzt eigentlich immer recht gehabt hat. Ausserdem legte er den OECD-
Bericht vor und dann, was das wichtigste war, seine Konzeption.
Ziffernmässig stellt sich die Situation für mich aufgrund der Unter-
lagen folgendermassen dar. Der Finanzminister schlug vor, die In-
vestitionssteuern ab 1979 abzuheben. Diese 2 % als letzte Rate kosten
2,3 Mia. Schillinge, davon muss der Bund 70 % tragen. Für die Wirt-
schaftsförderung stellt er sich dann noch vor: 80 Mill. in BÜG ERP-
Ersatzaktion für 500 Mio. Schillinge Volumen. 50 Mio. für die Seilbahn
Volumen 350 Mio. Schilling. 20 Mio. Schilling Zinsenzuschuss für die
Hausaktion für die Erhöhung von 12 Jahren 1 Jahr zahlungsfrei um
sie der ERP-Ersatzaktion gleichzustellen. 10 Mio. für Incoming-
Aktivitäten, die die Buchung Start, ÖFVW, AUA. DDSG sollten sich be-
mühen zusammenzuarbeiten, um den arabischen Raum den amerikanischen,
lateinamerikanischen und japanischen Raum besser zu bearbeiten.



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40 Mio. Schilling für die Existenzgründung, wodurch Erhöhung der
Prämie von 12 auf 15 % durch Wegfall aller Branchenbeschränkungen
und durch Erhöhung des Rahmens von 500.000 auf 2 Mio. Schilling.
Er erwähnte dass Wien, Kärnten und Tirol bereit sind mit dem
Bund die Aktion zu führen und dadurch die Höchstgrenze zu ver-
doppeln. Er appellierte auch an Burgenland und Kärnten, damit wo-
möglich alle sozialistischen Länder mittun wenn Tirol dann
nicht ausspringt müssen auch dann die ÖVP-ler unbedingt mithalten.
115 Mio. Schilling für die Gewerbestrukturaktion, weil er dort die
Grenze von 3,750.000 auf 5 Mio. erhöht, damit der Anschluss an die
Zinsenzuschussaktion des Bundes gefunden wird. Die Zinsenzuschuss-
aktion hat seit Juni 78 ?? ungefähr 11 Mia. Schilling Volumen mit
Zinsenzuschuss bedacht und für 4.000 Beschäftigte neue Arbeitsplätze
geschaffen. Jetzt stellt er sich ähnlich wie die Papieraktion
vor, dass 80 Mio. Schilling durch 5 Jahre, also in der Summe 400 Mio.
für die Textilindustrie aufgewendet werden. Die Finanzierungs-
garantiegesellschaft soll Investitionszuschüsse für 600 Mio. durch
5 Jahre geben, was eine Summe von 3 Mia. ergeben würde. Das NÖ
Sulfatprojekt soll 800 Mio. Schillinge kosten. 25 % davon würden
die Bundesforste sich beteiligen, was 200 Mio dem Bund an Mitteln
abverlangt. Die Edelstahlwerke sollen durch 5 Jahre 200 Mio. Schil-
linge bekommen, insgesamt also 1 Mia. Die VÖEST hat bereits 2 Mia.
in der Vergangenheit bekommen mit 600 Mio. andere, so dass insge-
samt jetzt die ÖIAG 2,6 Mia. Schillinge erhalten hat. Androsch sprach
sich ganz entschieden dagegen aus, mit diesen Mitteln die Bilanzen
zu sanieren. Er meint, dieser Vorschlag von Grünwald sei für ihn un-
akzeptabel, denn er möchte ausschliesslich mit dem Geld neue sichere
Arbeitsplätze in der Verstaatlichten Industrie schaffen. Die Aus-
fuhrförderungshaftung für den Export ist von 150 Mia. auf 200 Mia.
erhöht. Das Ausfuhrfinanzierungsgesetz der Österreichischen Kon-
trollbank von 75 Mia. auf 100 Mia. Zinsausgleichszahlungen – was
er darunter versteht ist mir nicht ganz klar – wurde von 50 Mia.
auf 75 Mia. erhöht. 1978 wurden insgesamt 32.3 Mia. im Export aufge-
wendet, die Österreichische Kontrollbank 24 Mia., die ÖNB 6 Mia.
durch Rediskont von Wechseln und der Exportfond 2,3 Mia. Das
Stammkapital des Exportfond soll mit der Handelskammer gemeinsam
um 50 Mio. erhöht werden. In der Summe wären es dann 500 Mio. Die
ÖNB wird ihren Rediskontrahmen von 6 Mia. auf 7 Mia. erhöhen. Ins-
gesamt wird dieses Programm in den 5 Jahren 8,3 Mia. Schillinge


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ausmachen, 1979 mit 4 Mia. am meisten, weil darin ja der Weg-
fall der Investitionssteuer von 2,3 Mia. Schillingen steckt. In
der Pressekonferenz hat er dann allerdings andere Ziffern gesagt,
nämlich, dass es 1979 nur 3,7 Mia. Schillinge ausmacht, der Bund
selbst davon 3 Mia. zuschiessen muss resp. Verlust aus Steuer-
entgang hat.

Kreisky forderte dann unmittelbar mich auf, über die Energiesituation
zu sprechen resp. die Energiesparmassnahmenvorschläge zu machen.
Ich erörterte zuerst zur allgemeinen Heiterkeit, die allerdings
nicht boshaft gemeint war, dass das Netz zusammengebrochen ist,
weil wir eine Stromüberproduktion hatten, was sich niemand vor-
stellen konnte. Ich erörterte unser Papier ziemlich exakt, damit
ja niemand später sagen kann, er hätte den einen oder anderen
Punkt nicht gehört und hätte sonst dagegen argumentiert. Gut an-
gekommen – auch dann besonders bei der Pressekonferenz – ist meine
Vorschau über die Handels-und Zahlungsbilanz. Da noch niemand
l978er Ziffern hat, sind alle sehr begierig auf diese Unterlagen
gewesen. Zum Schluss berichtete ich noch, dass die Belastungswelle
0.236 % Indexsteigerung bringen wird, was alle mehr oder minder
befriedigte.

In der Pressekonferenz hat Kreisky dann verhältnismässig sehr
kurz nur eingeleitet. Androsch dann erklärt seine Unterlagen
liegen ja vor und sich auch nur auf grundsätzliche Bemerkungen
beschränkt. Ich musste aber auch dort unser Energiepapier genau
erörtern, denn die sozialistische Korrespondenz hat mich beim Rein-
gehen gefragt, warum nicht unsere Unterlagen verteilt wurden oder
ob es überhaupt keine gibt. Es war schon beim Wegfahren vom Mi-
nisterium so, dass wir bald die Unterlagen vergessen hätten, weil
sie zu spät ins Auto transportiert wurden. Dort ist dann schein-
bar passiert, dass sie irgendwo in einem Eck herumliegen werden
und die Presse sie nicht bekommen hat.

ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Du siehst, wir können gar nicht genug
vorsichtig sein bei der Kontrolle, was mit unseren Unterlagen
geschieht.

Die Diskussion war nachmittags dann nicht sehr ergiebig. Vorher
hatten noch einzelne Minister über ihre Tätigkeit berichtet. Inte-
ressant war nur, dass Moser erklärt, die Wohnbauforschung wird


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jetzt für das Energiesparen einen grösseren Betrag von 100 Mio.
Schilling bereitstellen. Staatssekretär Nussbaumer hat Berechnungen
angestellt, wie sich die Investitionstätigkeit auswirkt. Von der
Zinsenzuschussaktion hat er 8.000 Beschäftigte zusätzlich errechnet,
die mit 3,7 Mia. Schilling durch die öffentliche Hand gefördert wurden.
Eine Steuerleistung, Lohnsteuer, Lohnsummensteuer und Verbrauch-
steuern aus dieser zusätzlichen Beschäftigung wird 932 Mio. ergeben.
150 Mio. Schilling 5 % für die Sozialversicherung. Von Steyr-Daimler-
Puch wurden 1.000 Beschäftigte zusätzlich geschaffen, die 300 Mio.
Schilling Öffentliche-Hand-Unterstützung bekommen, 93 Mio. die
Steuerleistung, 15 Mio. die Sozialversicherung. Philips Videorekorder,
wo auch 3.000 Beschäftigte, allerdings nicht zusätzlich, sondern ein
Teil davon nur zusätzlich mit 250 Mio. Schilling Öffentliche-Hand-
Unterstützung, wird 186 Mio. Schilling Steuerleistung bringen. Ähnlich
ist bei dem Geländefahrzeug H2, wo nur 1.000 Beschäftigte zusätz-
lich kommen und man aber nur ERP 160 Mio. zur Verfügung gestellt hat.
Hier wird die Steuerleistung 46 Mio. sein, 7 Mio. ungefähr die Sozial-
versicherung. Ich glaube, dass es dringend notwendig ist, mit
Nussbaumer über die Details von der Industriesektion zu verhandeln.
Mit der grossen Kreditaktion des Bundes seit Juni 1978 wurden
165 Projekte mit 3.600 neuen Arbeitsplätzen geschaffen. ERP hat
2.600 im vergangenen ERP-Jahr, im laufenden ERP-Jahr sind es bis
jetzt 800.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Die Industriesektion unbedingt mit Nussbaumer
diese Unterlagen besprechen.

In der Diskussion gab es in Wirklichkeit nur 2 Gesichtspunkte,
die für mich interessant waren. Erstens Sebastian, Kery und auch
andere Landeshauptleute oder Stellvertreter meinten, beim Energie-
sparen müsste man sehr vorsichtig sein, denn man dürfe ja nicht unsere
Häuselbauer durch zu starke Auflagen an ihrem Häuselerrichten hindern.
Für mich ist also klar, dass ein Staatsvertrag über diese Probleme
nur sehr schwer zustande kommen wird. Der zweite Punkt war, dass
natürlich jedes Bundesland womöglich ein grosses Projekt bekommen
möchte und vor allem die Ankündigungen sehr schlecht sind. Wegen des
Zellstoff-Sulfatprojektes hat mit Recht Sebastian gesagt müssen sie
jetzt die Arlander sperren. Die Pölser erwarten eine Unterstützung.
Wagner verwies darauf, dass Rechberg geschlossen wird und dass man


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dann nicht jetzt erklären kann, und in NÖ wird ein neues er-
richtet. Alle Landeshauptleute wollten für ihre Landtagswahlen
und auch für die Nationalratswahlen, dass jetzt, sowie in den
vergangenen Jahren die Leistungen des Bundes für das einzelne
Bundesland genau festgehalten wird. Zu diesem Zweck versprach
Kreisky und alle Regierungsmitglieder die Unterlagen sofort bereit-
zustellen.

ANMERKUNG FÜR ALLE: Bitte die Unterlagen sofort ausarbeiten lassen
und der Partei zusenden.

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Tagesprogramm, 10.1.1979

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: Finanzminister
GND ID: 118503049


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    Tätigkeit: Bautenminister


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        Tätigkeit: MR HM


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            Tätigkeit: Büro Staribacher; ÖIAG
            GND ID: 1053195672


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              Tätigkeit: Atomwissenschaftler


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                Tätigkeit: bgld. LH


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                  Tätigkeit: Staatssekretär BKA


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                        Tätigkeit: LH Kärnten, SPÖ


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