Dienstag, der 9. Jänner 1979

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Dienstag, 9. Jänner 1979

Der ÖAAB im Handelsministerium hat ein Flugblatt herausgegeben, das
sich mit dem Kurierartikel von Payrleitner, "kein Minister – nur Bauxl"
beschäftigt. Darin stellt er mit sichtbarer Schadenfreude fest, dass
ich versagt habe und dass meine Tage gezählt sind. Das wirklich ent-
scheidende ist aber, dass in diesem Flugblatt behauptet wird, ich
gäbe keine Weisungen Beamten und verunsichere daher die leitenden Be-
amten. Ich habe sofort die Sektionschefs zu mir gebeten, um sie zu
fragen, wie weit sie verunsichert sind, was diese natürlich nur mit
Verwunderung zur Kenntnis nahmen. Über die Taktik, wie wir aber jetzt
gegen dieses Flugblatt auftreten sollen, konnten wir uns auch nicht
so schnell einigen. Die einen meinten vollkommen negieren, das ist
gar nicht der Rede wert, mich damit zu beschäftigen, die anderen aber
meinten die sozialistische Fraktion müsste darauf entsprechend ant-
worten. In dieser erfuhr ich, konnte man sich dann letzten Endes
auch wieder nicht sofort auf die Gegenmassnahmen einigen. Am liebsten
würde ich mit der Personalvertretung zusammen eine geheime Abstimmung
zwischen den leitenden Beamten – sagen wir ab Abteilungsleiter –
durchführen, ob tatsächlich mein Führungsstil wirklich den Beamten
verunsichert. Ich hatte bis jetzt immer geglaubt, dass die Kooperation
mit den heutigen Beamten, wo jeder die Möglichkeit hat mit mir zu
reden und wo ich ihn von der Richtigkeit seiner Vorgangsweise über-
zeuge, Anklang findet und nicht wie der ÖAAB behauptet, Unsicherheit
verursacht. Wenn nämlich meine Auffassung richtig ist, dann müsste bei
so einer geheimen Abstimmung ein überwältigender Erfolg zu verzeichnen
sein. Dies würde der grösste politische Erfolg gegen dieses Flugblatt
dann sein. Sollte aber wider Erwarten sich doch herausstellen, dass die
leitenden Beamten lieber, nach den meiner Meinung veralteten Weisungs-
prinzip arbeiten wollen, dann müsste ich mich auf diese – in meinen
Augen vollkommen veraltete Regierungsmethode – wieder umstellen.
Am interessantesten für mich war es, dass die Meinung vertreten wurde –
und dies sogar noch von einem Nichtparteigenossen – das Flugblatt sei
eine Frage der Disziplinarkommission. So könne und dürfte kein Beamter
gegen den Minister auftreten. Das wirkliche Dilemma in dem ich mich
befinde ist, dass wie immer ich auf dieses Flugblatt reagiere, indirekt
natürlich den Kurier Artikel entweder wieder ins Gespräch bringe oder
vielleicht sogar noch einer grösseren Bedeutung beimesse und in der
Öffentlichkeit bekommt, als ich dies beabsichtige.



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Im Ministerrat berichtete Weissenberg über die Beschäftigungssituation.
Das erfreuliche über die nur 78.000 Arbeitslosen ist, dass wir dadurch
im Jahre 78 unter die prognostizierte Arbeitslosenrate kommen. Da die
Gastarbeiter in stärkerem Masse nicht mehr nach Österreich kommen
können, wurden im vergangenen Jahr über 30.000 Arbeitsplätze für
Inländer geschaffen. Der Polster für eine weitgehende Beschäftigung
der Inländer durch Nichtzulassung von Gastarbeitern, ist für die Ar-
beitsmarktverwaltung ideal, für die Gastarbeiter im wahrsten Sinne des
Wortes aber nicht sozial.

Mit den Ministerialräten Obermair, Burian, Zluwa, Marsch und vor
allem GD Fremuth als Obmann des Vereins für Kleinkraftwerke, wie
Satzinger bearbeiten wir unser Energiepapier für die Regierungs-
klausur. Nach mehreren Fassungen – die ersten waren, wie es halt
Beamten verständlicher Weise entspricht – sehr vage gehalten, finden
wir eine ziemlich gute Formulierung über die nächsten Massnahmen die
gesetzt werden müssen. Meine Aufgabe besteht ja in dieser Arbeits-
gruppe primär darin, die politische Linie genauer festzulegen. Auf
der einen Seite beabsichtige ich nicht einen anderen Minister, schon gar
nicht den Finanzminister, durch entsprechende Forderung budgetär in
Schwierigkeiten zu bringen. Auf der anderen Seite aber müssen natürlich
auch konkretere Aussagen gemacht werden. Vage Andeutungen würde heute
niemand verstehen. Die Formulierungen über die Massnahmen, die in
nächster Zeit gesetzt werden sollen, sind daher dann letzten Endes ver-
hältnismässig sehr konkret und bauen natürlich auf die bisher ge-
leistete Vorarbeit auf. Einigermassen überrascht bin ich, als ich dann
letzten Endes doch die 11 Punkte der Energieverwertungsagentur von
Weiser bekomme. Er hat aus seinem Energiekonzept die grössten Schnitzer
weggelassen und daraus jetzt 11 Punkte formuliert, welche teils in
unserem Konzept ebenfalls schon aufgrund unserer Arbeiten verankert
sind, teils aber noch immer weitestgehend Utopie bleiben, wie z.B.
stromintensive Betriebe sollten eben Urlaub machen und vor allem ent-
sprechende Forderungen an das Budget stellen. Hier wird sich primär der
Finanzminister damit auseinandersetzen müssen. Die finanziellen For-
derungen der Kleinkraftwerke hat Fremuth mit Androsch telefonisch be-
sprochen. Dieser hat wie erwartet auf der einen Seite konkrete For-
derungen verlangt, auf der anderen Seite aber natürlich bezüglich der
budgetären Auswirkungen sich nicht binden wollen. Ich werde daher meine
alte – und seit 9 Jahren – verfolgte Taktik fortsetzen, keine wie


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immer geartete budgetäre Forderung zu stellen.

Die Firma Kohmaier habe ich jetzt mit der Verleihung zur Führung
des Staatswappens ausgezeichnet. Bei dieser Gelegenheit hat mir der
Firmenchef mitgeteilt, dass er jetzt doch wegen des Rumänienprojektes,
wo er 20 Mio. Schilling Aufwand gehabt hat, bei der Internationalen
Handelskammer in Paris klagen wird. Seiner Auffassung nach seien
die Rumänen schliesslich daran schuld, dass es noch nicht zur Ab-
wicklung dieses Projektes einer gemeinsamen Fabrik in Rumänien gekommen
ist. Er ist sich darüber vollkommen klar, dass der Prozess jahrelang
dauern wird. Die Österreichische Kontrollbank sollte deshalb – nachdem
sie die Aufgabe hat, politische Versicherung abzugeben – diese 20 Mio.
Schilling für ihn jetzt neuerdings flüssig machen. Seine Hausbank, die
Giro-Zentrale, wo er ca. 100 Mio. Schilling Kredit hat, sollte dann ihm
diese 20 Mio. Schilling neuen Kredit sozusagen geben. Ich versprach nur
mit der Giro-Zentrale die Frage zu besprechen, damit diese eventuell
mit der Österreichischen Kontrollbank einen Ausweg sucht. Wie mir Dir.
Fremuth nachher versicherte, sieht er kaum eine Möglichkeit die Firma
auf diesem Wege zu sanieren. Für die über 400 Beschäftigten steht die
Situation gar nicht günstig.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Lass prüfen, ob wir hier irgendwie anders hel-
fen können.

Die Schwechater Mühle der Firma Schoeller-Vonwiller, feiert irgendeinen
Geburtstag und Philipp Schoeller sollte entsprechende Photos mit mir
selbst machen. Der Fotograf – und noch viel mehr Schoeller waren
sehr erfreut, dass ich sozusagen die Übergabezeremonie des Staatswappens
vorwegnehmend für ihr ........... bereit war zu stellen. Nachher ver-
suchte ich in einem 4-Augen-Gespräch zu klären, wieso das alte Bank-
und Industriehaus Schoeller immer mehr jetzt auch der landwirtschafts-
lichen Genossenschaft weichen muss. Schoeller meinte, es gäbe eine
Grenze – er verwendete den neudeutschen Ausdruck deadline – die
nicht überschritten werden dürfe. Seiner Meinung nach sei dies jetzt
gerade bei der Brotfabrik genau zu prüfen. Wenn er seinen Vertrauens-
mann Direktor Mailath-Pokorny wegschicken muss, dann sei dies ein
Zeichen, dass die landwirtschaftliche Genossenschaft den grössten oder
grösseren Einfluss hat als die Firma Schoeller, resp. er persönlich ihnen
zugestehen möchte. Die Ankerbrotfabrik arbeitet mit jährlich hohen
Defiziten und ist nur äusserst schwierig zu sanieren. Ich hoffe nur
dass daraus nicht eine zweite Vöslauer Textilfabrik wird. Gegen die


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Art der Sanierung hat sich Schoeller allerdings damals, als wir dies
mit dem anderen Familienmitglied Igler durchführten, tatsächlich aus-
gesprochen. Die Sanierungsmassnahme für Vöslau war nicht zuletzt
auch eine Prestigelösung für die Creditanstalt.

Im Präsidium auf der Landstrasse, hatte Stadtrat Wurzer den Be-
zirksentwicklungplan, bzw. deren techn. und zeitliche Abwicklung erörtert.
Die Gemeinde möchte neben dem Stadtentwicklungsplan, der im Gemeinde-
rat verhandelt und letzten Endes beschlossen wird, auch für die 23
Bezirke entsprechend Entwicklungspläne erstellen lassen. Die Vorgangs-
weise von Wurzer ist meiner Meinung nach vollkommen richtig und wurde
auch vom Präsidium einhellig gebilligt. Ein freischaffender Architekt,
auf der Landstrasse wird es Potyka sein, soll all die Unsummen von
Planungen und Projekte einmal zusammentragen und dann eben mit der
Bezirksvertretung entsprechend koordinieren. Um Initiativen der Bevöl-
kerung auf der einen Seite auszulösen, auf der anderen Seite aber dann
zu kanalisieren, werden wir einen eigenen Verein gründen. Bei dieser
Gelegenheit lernte ich auch gleich die Methoden von Busek auf dem
Sektor der Planung kennen. Sehr geschickt wird er jetzt in jeden Be-
zirk wahrscheinlich Planungsvorschläge machen, die optisch ungeheuer
günstig sind. Am Beispiel Ottakrings konnte ich mich davon überzeugen,
dass seine Taktik sein wird, die Rosinen einer solchen Bezirksent-
wicklung herauszupicken, durch Grünflächen, Kindergartengestaltung,
Spielflächen, sonstige Einrichtungen für die Öffentlichkeit, sich die
Rosinen aus den Planungs- und Entwicklungskuchen herauszuholen und
den Teig, wie z.B. die Verkehrsfragen, d.h. alle unangenehmen Probleme
der anderen Seite überlassen.

Über die Kandidatenaufstellung für die Nationalratswahl, der vierte
Bezirk hat wieder vier, gab es dann eine lange Diskussion. Um den Genossen
Heindl als zweiten Landstrasser Kandidaten gegenüber den anderen Be-
zirken verteidigen zu können, werde ich als zentrale Notwendigkeit
geführt. Dies bedeutet dass, wie ich berichtete, den Bezirk eben auf-
gesetzt werde. Die Argumentation hat natürlich nur bei allen ent-
sprechendes Schmunzeln ausgelöst. Bezüglich unserer dritten Stelle,
die Genossin Tischler kandidiert seit einigen Malen darauf, berichtete
ich, dass die Frauenorganisation, die Frauensekretärin Dohnal aus-
drücklich mit mir telefonisch vorher gesprochen, grössten Wert darauf
legt, dass die Frau darauf bleibt. Im Präsidium war dieser Posten auch


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vollkommen unbestritten. Schwierigkeiten gibt es nur mit
dem vierten Platz, wo ein Gewerkschafter auch seit etlichen
Malen immer kandidierte. Das Verhältnis mit unserer Gewerkschafts-
fraktion hat sich zu meiner grössten Verwunderung in der letzten
Zeit sehr verschlechtert. Ich bin momentan der Einzige – habe ich das
Gefühl – der noch gute Kontakte hat und der auch in dieser Frage
von beiden Seiten unbestritten ist. Ich kann mir nicht vorstellen,
dass wir eine Liste erstellen, die letzten Endes nicht auch die
Gewerkschaftsfraktion akzeptiert. Als einzigen Ausweg wählten wir dann
ein Verhandlungskomitee aus drei Leuten, die selbst auch aus der
Gewerkschaft, resp. Betriebsorganisation gekommen sind, nämlich Heindl,
Seeböck und Berger, die jetzt mit der Gewerkschaftsgruppe Landstrasse
Verhandlungen führen sollen. Ich selbst werde als sozusagen Berufungsin-
stanz noch nicht in Erscheinung treten. Hoffentlich brauche ich wirk-
lich nicht in Erscheinung treten und es gelingt Heindl eine befriedigende
Lösung zu finden.

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Tagesprogramm, 9.1.1979

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)

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Tagesordnung 145. Ministerratssitzung, 9.1.1979

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Tätigkeit: Sozialminister
GND ID: 118806904


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: IV, GD Wr. Schwachstromwerke (WSW)


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Beamter HM


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Finanzminister
        GND ID: 118503049


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Büro des Bundesministers


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Journalist


            Einträge mit Erwähnung:
              GND ID: 115563237


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Beamter HM


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Vorst.-Vors. Ankerbrot, Präs. Handelsverband


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Obmann Sekt. Ind. BHK


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: MR HM


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Wr. Planungsstadtrat


                        Einträge mit Erwähnung:


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Abteilungsleiter Energiesektion HM


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: MR, Büro des Bundesministers


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: BV Landstraße


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: Bezirkssekretärin SPÖ-Landstraße


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: Energieverwertungsagentur


                                    Einträge mit Erwähnung:


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: SP Wien-Landstraße, ZBO Tabakregie


                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                                          GND ID: 102318379X


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