Donnerstag, 21. Dezember 1978
Am Schlachthof im Mistelbach überreichte ich der WÖV die Ge-
nehmigung zur Führung des Staatswappens. Dort wurde seit der
Inbetriebnahme 1971 das millionste Schwein geschlachtet. Die
WÖV hat diesen Schlachthof zur besseren Nutzung der Bauern-
Tierverwertung und vor allem aber als Konkurrenz zum Wiener
Markt errichtet. Natürlich berichtete der Vorstand Stolz über
die Ergebnisse der WÖV. Ich hatte ziemlich brutal darauf ver-
wiesen, dass zwei Seiten für mich dieses Problem charakterisieren.
Auf der einen Seite die starke Ausdehnung der Landwirtschaft in
die Produktionsbetriebe der Industrie, am typischsten jetzt bei
Zucker, die genossenschaftliche Leistung, also gerade in den
letzten 10 Jahren sehr beachtlich. Ich als Konsumgenossenschaft-
ler stehe mit meinem Herzen auf der Genossenschaftsseite. Anderer-
seits aber die berechtigte Beschwerde von Industrie, Gewerbe und
Handel über diese expansive Entwicklung, die mit allen Arten Kon-
kurrenzmethoden sich auf den Markt ausbreitet. Jetzt wird jeder-
mann erkennen, wie wichtig es war, dass wir Anfang der 70er Jahre
die Gewerbeordnung geschaffen haben und eine saubere rechtliche
Grundlage für die Genossenschaften, aber auch für die Privatindustrie,
Gewerbe und Handelsbetriebe geschaffen haben. GD Lunacek versicherte
mir neuerdings, dass er im Frühjahr bereit ist, das Ölsaatenpro-
blem gemeinsam mit Unilever, Landwirtschaftsminister und mir anzu-
gehen.
Die sozialistischen Betriebsräte der Agrarindustrie, Gmünd, mit dem
sozialistischen Abg. Haas, beschwerten sich bitter über die schlechte
Behandlung durch Wohlmeyer. Direktor Wohlmeyer hat auf der einen
Seite versucht eine gemeinsame Liste für die Betriebsratswahlen zu
erstellen, ist damit aber bei unseren Leuten nicht durchgedrungen.
Das Stärkeverhältnis ist 3:3. Seit einem Betriebsbesuch von Gewerk-
schafter Gassner wird nun ganz einseitige Personalpolitik für den
ÖAAB betrieben. Wer aufgenommen wird, muss dieser Organisation bei-
treten. Selbst sozialistische Betriebsräte wurden auf schlechtere
Arbeitsplätze versetzt. Andererseits geben aber die sozialistischen
Betriebsräte zu, dass Wohlmeyer sich für die Gmünder sehr einsetzt
und stets neue Ideen hat. Ich selbst habe ihnen dann, unsere letzte
Aussprache, wo Wohlmeyer mir dann eine ganze neue Reihe von Projekten
45-1512
mitgeteilt hat, ihnen ebenfalls mitgeteilt. Ich habe ihnen ver-
sprochen, dass sie nicht nur jederzeit zu mir kommen können – was
selbstverständlich ist – sondern, dass wir sie auch stets informiere
werden.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Goldmann soll jetzt die Kontakte anstelle
von Plesch mit allen Betriebsräten auch aufnehmen.
Direktor Hübl von den Entsorgungsbetrieben Simmering hat die
Idee, Eiweissfuttermittel und Alkohol aus Mais zu erzeugen. Er
hat 21 Projekte, u.a auch die Ölmühle prüfen lassen, da er von
900.000 Tonnen Dampf 450.000 Tonnen Überschuss hat, den er aus
der Verbrennung und Verwertung von Kehrschlamm erzeugt. Wenn er
diesen Überschussdampf der Fernwärme der Stadt Wien anbietet,
so kann diese ihm nur im Winter verwerten. Im Sommer braucht er
Energie, um den Dampf zu kompensieren und in die Luft abzulassen.
Deshalb wird er auf alle Fälle einen nachfolgenden Betrieb, der
Energie braucht, anschliessen. Die optimalste Lösung wäre, Alkohol
zu Benzin zuzusetzen und den Eiweissfuttermitteln aus Mais. Die Land-
wirtschaft, aber auch ich als Energieverwertung bin sehr für ein
solches Projekt. Die ÖMV wehrt sich aber dagegen und will wahr-
scheinlich diesen Alkohol als Benzinzusatz, wodurch das Benzin
bleifreier gemacht werden kann, allerdings teurer wird, nicht
akzeptieren. Hübl ist mit der ÖMV in einem Rechtsstreit und daher
gerade nicht die richtige Person, diese Verhandlungen zu führen.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER UND HAFFNER: Wanke kennt das Projekt,
bitte weiterverfolgen.
Beim Jour-fixe mit AK und ÖGB wurde mit Befriedigung zur Kenntnis
genommen, dass die "blocpak", deutsche Firma Linnich, doch nach
St. Pölten gehen wird. Im Glanzstoffwerk werden sie allerdings
keine Halle gebrauchen können. Sie müssen sich eine eigene Be-
triebsstätte errichten. Wenn nur die Milch in Hinkunft beliefert
werden soll, wird der Betrieb mit 50 Beschäftigten beginnen. Sollte
es gelingen, Fruchtsäfte aber einzubeziehen oder für diese Ver-
packungsart zu gewinnen, dann werden weitere 50 Beschäftigte unter-
kommen. Dr. Schmidt, ÖGB, der sich auch von der Milchwirtschaft
her für dieses Projekt sehr interessierte, meinte, die Neusiedler
45-1513
müsste diese sulfatdoppelbeschichtete Papiere liefern können.
Derzeit wird es aus Amerika importiert, da es um 20% billiger
ist.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Gröger soll prüfen, ob wir hier die Neu-
siedler stärker einschalten können.
Mein Vorschlag für die Sicherung der Österreichischen Skiindustrie
das Nettopreissystem aufzuheben, wurde unisono von AK- und ÖGB-
Vertretern abgelehnt. Jahrelang hat dieses Nettopreissystem
nicht gewirkt, weil die Skiindustrie mit ihrem Kartell dieses
unterlaufen hat. Jetzt, wo es endlich wirkt und Raschek übergeht,
aber auch Zentrasport, ja auch Intersport, die ehemalige Dusika-
Firma, sich einen mörderischen Konkurrenzkampf liefern, kommt den
Konsumenten diese Entwicklung und damit das Nettopreissystem zugute.
ÖGB, Schmidt, möchte aber, dass in Hinkunft bei der Verlängerung des
Nettopreissystems Möbel nicht mehr aufgenommen werden.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte die entsprechenden Vorbereitungen tref-
fen.
Mein Vorschlag, die Buchmark gegebenenfalls ein wenig zu er-
höhen, wird vom ÖGB auf das Entschiedenste abgelehnt. Derzeit ist
bei einem Kurs von 7.33 Schilling die Vereinbarung, dass wenn der
Kurs nicht über 7.38 Schilling steigt, dann die Buchmark-Umrech-
nung 7.90 Schilling bleibt. Als der Schweizer Franken erhöht wurde,
haben sie ohne Kontrolle kartellartig sich verhalten und hätten
1 Mio Schilling Strafe zu zahlen gehabt, wenn die AK oder ÖGB
angeklagt hätten. Schmidt ist dann sehr bald draufgekommen, dass
die Gewerkschaft der Privatangestellten wegen einer individuellen
Lohnerhöhung in dieser Sparte, ohne dass die Paritätische Kommis-
sion damit beschäftigt werden soll, eine Anhebung des Buchmark-Kur-
ses wünscht. Eine solche Politik lehnt der ÖGB entschieden ab.
Schmidt hat mich insoferne für diese Massnahme gewonnen, weil er
mir sofort sagte, auch die Lebensmittelarbeiter haben niemals
versucht, auf Kosten einer Preiserhöhung, die sie den Unternehmern
zugestehen, ihre Lohnbewegung abzuschliessen.
Bezüglich der Ölpreise einigen wir uns, dass in absehbarer Zeit
nicht mit einer Benzinpreiserhöhung oder gar mit einer Heiz-
ölpreiserhöhung zu rechnen ist. Die Erdgasregelung von der RAG
wird zur Kenntnis genommen. Die AK erwartet, dass wir im nächsten
Jahr im Herbst, wenn der neue Vertrag der RAG mit den Abnehmern
abgeschlossen wird, dann letzten Endes doch zu einer Preisrege-
lung kommen. Ich mache keinerlei Zusagen, sondern erwähne nur, man
wird sehen, wie es nach den Mai-Wahlen weitergeht. Da jetzt sogar
der Vizepräsident der Arbeiterkammer Oberösterreichs Freyschlag
mit der Lösung einverstanden ist, kann auch die Arbeiterkammer in
Wien kaum etwas dagegen unternehmen.
Der Frachtkostenausgleich für Diesel und Ofenheizöl soll zu-
mindestens noch für die weiteren 3 Monate bleiben. Die Arbeiterkammer
hat zwar immer bei jeder Gelegenheit darauf verwiesen, dass der
Westen gegenüber dem Osten bevorzugt ist. Dr. Zöllner vertrat immer
die Meinung, der Westen hat einen billigeren Strompreis, weshalb
es gerecht wäre, dort höhere Ölproduktenpreise zu ertragen. Will
ich eine konkrete Massnahme wie z.B. die Abschaffung des Transport-
kostenausgleiches setzen, dann bekommt die AK scheinbar Angst vor
ihrem eigenen Mut und meint, man soll das Ganze doch noch hinaus-
schieben.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Lass die Auswirkungen genau prüfen.
GD Kienzl hat jetzt natürlich ständig Kontakt mit seinem Präsident
Koren. Dieser lässt mich nicht nur sehr schön grüssen, was ich immer
wieder erwidere, sondern bekommt noch von der ÖVP-Seite alle In-
formationen, die sich auf die SPÖ beziehen. Deshalb kennt Kienzl
eine ganze Reihe von den verschiedensten – wie ich glaube – grössten-
teils Tratschgeschichten. Kienzl ist deshalb sehr besorgt, wie
Kreisky mit seinem Augenleiden den zu erwartenden Wahlkampf führen
wird. Sicher wird der kommende Wahlkampf, so wie die vergangenen
auch, ausschliesslich auf die Obleute der Parteien ausgerichtet sein.
Wir erleben die Personifizierung der Wahlen in immer stärkerem
Ausmass. Wie der Wahlkampf geführt wird, wird sich aber erst nach
den Weihnachtsfeiertagen herausstellen. Ebenso wird es dann ab-
hängen, wann der Wahltermin endgültig festgesetzt wird. Dass es eine
Frühjahrswahl wird, steht für mich schon eindeutig fest, nachdem
45-1515
sich die Sozialpartner jetzt dafür ausgesprochen haben und sofort
eine positive öffentliche Meinung über die Massenmedien scheinbar
festgestellt wurde. Ich hätte eigentlich nicht geglaubt, dass mit
so geringem, bis jetzt ja überhaupt keinem Widerstand für eine
Vorverlegung der Wahl zu rechnen ist. Das Argument, der Wirtschaft
soll der lange Wahlkampf erspart bleiben, hat ganz gut gezogen.
Natürlich kann ich mir sehr gut vorstellen, dass die Oppositions-
parteien sehr wohl früher Wahlen wünschen, auch dann, wenn vielleicht
die Frühjahrswahl, falls die wirtschaftliche Entwicklung nicht so
läuft wie prognostiziert, doch von einem besseren kleinen Aufschwung
geprägt werden.
Im Bundesrat, wo jetzt die ganzen Gesetze des Handelsausschusses
zur Debatte kamen, herrschte auch schon Vorkampfwahlstimmung . Ich
noch niemals so harte Schreiduelle zwischen den Parteien im Bundes-
rat gehört. Die ÖVP ist fest überzeugt, tritt auch danach auf, dass
sie die nächsten Jahre schon gewonnen hat und die Regierung Kreisky
dann abtritt. Bundesrat Löffler zum Gewerbestrukturverbesserungs-
gesetz behauptete, dass diese Regierung für die Klein- und Mittel-
betriebe nichts getan hat. Keine einzige Aktion kann man ihm nennen.
Natürlich musste ich mich zu Wort melden und habe ihm dann sofort
Komfortzimmer, warme Speisen, Schlechtwetterregelungen, Seeufer-
Beratung, Basisorganisation, Betriebsneugründung auf den Kopf gewor-
fen. Ausserdem konnte ich dann gleich über die Wirtschaftslage auf
Grund des OECD-Berichtes der ÖVP nachweisen, dass wir sehr wohl
noch immer im europäischen Spitzenfeld liegen.
Das Interessanteste war aber dann die Stellungnahme des Abg. Pisec
von der Wiener Handelskammer zum Antimarkt - und Antidumpinggesetz.
Dieser warf mir vor, ich verlasse die liberale Handelspolitik,
ich sollte mich mehr nach den internationalen Richtlinien, vor
allem z.B. kritisierte er, dass wir die Einfuhrscheine für Textilien
von der Freigrenze 4.000 Schilling nicht auf 10.000 erhöht haben.
In EURO II wird eine Grenze von 37.200 Schilling genannt. Natürlich
haben ich dann sofort darauf geantwortet und gemeint, Pisec hat als
Handelsvertreter sich in der Handelskammer mit dem Industrievertreter
Wolfsberger über ihre Gesetze sehr eingehend unterhalten. Die Lösung,
die aber der Handel der Industrie aufgezwungen hat, auf alle Fälle
eine Versandklausel von nicht 5 Monaten, aber doch dann immerhin
von etlichen Wochen zu akzeptieren, kann ich im Interesse einer ge-
45-1516
ordneten Industriepolitik nicht zur Kenntnis nehmen. Deshalb
hat auch der Handelsausschuss einstimmig, wie seit 1970 in allen
Gesetzen, diese Versandklausel jetzt aus dem Antidumping- und Anti-
marktstörungsgesetz herausgenommen. Auf der einen Seite wirft mir
der Bundesrat vor, dass ich zu wenig liberale Politik jetzt be-
treibe, auf der anderen Seite wird im Nationalrat das Handels-
ministerium und ganz besonders ich heftigst kritisiert, dass wir
Musterschüler in der Integrationspolitik sind und unsere öster-
reichischen Interessen gröblichst vernachlässigen. Die Rede Pisecs
werde ich ja noch im Frühjahr gut gebrauchen können.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte lass Dir die stenographischen Pro-
tokolle geben.
Tagesprogramm, 21.12.1978
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)