Donnerstag, der 26. Oktober 1978

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Donnerstag, den 26. Oktober 1978

Nach der üblichen Zeremonie Kranzniederlegung, außerordentlicher
Ministerrat hat Kreisky dann noch zu einer Ministerbesprechung
gebeten. Er eröffnete mit aller Entschiedenheit und Deutlichkeit,
daß es sich bei seiner Erklärung, gegebenenfalls aus einer Nieder-
lage Konsequenzen zu ziehen, keine taktische Frage ist. Man
sollte nicht glauben, daß er hier als Zauberer irgendwie etwas
spielt. So wie er vor der Wahl 75 erklärt hat, wenn es keine ab-
solute Mehrheit gibt, kommt für ihn eine große Koalition in Frage,
so möchte er jetzt sein ganzes Prestige einsetzen, weil es sich
hier um einen entscheidenden Wahlkampf handelt. Es ist also keine
Taktik, die Erklärung, die er abgegeben hat, nach seiner Erinnerung,
ich kann mich allerdings darauf nicht erinnern, hat er bereits
bei dem Baubeschluß vor 6 Jahren darauf hingewiesen, daß es eine
große politische Auseinandersetzung geben wird. Insbesondere
hat er damals Zweifel an einem zweiten und dritten Kernkraft-
werk. Jetzt sei es aber notwendig sich mit allen Mitteln hinter
den Volksabstimmungsbeschluß zu stellen. Die Wiener Konferenz
war seiner Meinung nach lethargisch, die Niederlage, die Wien
erlitten hat, produziert weitere Niederlagen. Es ist ein Fehler
zu glauben, man kann eine Niederlage überwinden, außer durch
vielen Einsatz. Die Viertel der Mitglieder in Wien sind nicht
wählen gegangen, daraus muß eine Konsequenz gezogen werden. Er
hofft jetzt, daß mit der Volksabstimmung ein Umschwung kommt,
sonst sind auch die nächsten Nationalratswahlen verloren. Die
Wiener wollen alles verdrängen, alles abschieben, so geht es
aber nicht. Über die Konsequenz, die er angedeutet hat, kann nur
der Bundeskanzler allein entscheiden. Er wollte dies allen mit-
teilen, wenn jemand glaubt, das sei ein Trick, so irrt er. Auch
Regierungsmitglieder sind jetzt scheinbar Opfer der Zeitungs-
schwätzer, die Aufklärungskampagne war wirkungslos. Niemand
muß seiner Auffassung zustimmen, aber es ist seine Entscheidung,
die Situation ist ähnlich 1975 vor der Wahl. Damals ist Taus
auch vom Kurier als neuer Mann hochgelobt worden. Götz ist
derzeit scheinbar neuer Kennedy, damals hat Kreisky in


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Wörishofen selbst gezweifelt, ob es gelingt, die Entscheidung
so herbeizuführen, wie sie dann ausgefallen ist. Die Meinungs-
umfragen, soweit er sie kennt, die von Kienzl dürfte er noch
gar nicht gekannt haben, sind falsch. Die große Frage ist die
Beteiligung. Niemand sagt bei einer Meinungsumfrage, daß er sich
sich nicht beteiligen wird, in der Tat wird er dann aber weg-
bleiben. Zur parteipolitischen Wahl stellt sich jemand viel
lieber als wie jetzt zu dieser Volksabstimmung. Zum Schluß meinte
er noch einmal, die Zeitungen schreiben, der Zauberkünstler
macht wieder etwas. Er möchte nur sagen, der Zauberkünstler
macht gar nichts.

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Tagesprogramm, 26.10.1978

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hs. Notizen (Tagesprogram Rückseite)


Tätigkeit: Grazer Bürgermeister, FPÖ


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