Mittwoch, der 25. Oktober 1978

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Mittwoch, den 25. Oktober 1978

Bei der Klubtagung berichtete Klubobmann Fischer über die nächste
Arbeit, das Hauptproblem wird die Budgetdebatte. Die Österreichische
Volkspartei hat den Fehler gemacht, ein alternatives Budget vor-
zulegen. Seinerzeit hatte die SPÖ dieselbe Absicht, nur hat damals
Waldbrunner sich ganz entschieden dagegen ausgesprochen, weshalb
auch dann mit konkreten Zahlen ein eigenes Alternativbudget unter-
blieb. Immer nur hatte man verbale Aussagen gemacht. Die ÖVP
glaubt nun, wenn sie gleichzeitig ein Budgetkonzept vorlegt, wo
sie gegen die Repräsentationskosten, gegen die Ausgabe der Bundes-
theater, Schulbücher und selbst Beamtenabbau fordert, damit ihr
Auslangen finden können. Selbst wenn sie die Repräsentations-
kosten auf Null reduziert, die Bundestheater sperrt, 5.000 Beamte
sofort abbaut und dann sie trotzdem nicht das Budget nach ihren
Gesichtspunkten reduzieren, denn gleichzeitig verlangt die Ab-
geordnete Hubinek 1.000 S Familiengehalt, kostet 2 1/2 Mrd S,
ist gegen den Stützungsabbau, 750 Mio S, möchte die 30,– S Wohnungs-
beihilfe auf 60,– S erhöhen, 800 Mio S, so daß sich nach proximativen
Berechnungen ein Fehlbetrag von 12 1/2 Mrd S, wenn man all die
Forderungen, die gleichzeitig eben von der ÖVP zusammenrechnet,
ergibt.

Die notwendigen gesetzlichen Änderungen bezüglich Privilegien-
abbau werden erst nach genauer Untersuchung vorgelegt werden.
Die Immunität muß aufgegliedert werden in eine parlamentarische,
die Verfolgungshindernisse gegen die Regierung resp. gegebenen-
falls den Polizeiminister und insbesondere die politische Immunität.
Das Abgeschafftwerden wird ist Immunitätsschutz, der eigentlich
nicht eine Schutzregelung der Demokratie ist, sondern gegebenen-
falls des Einzelnen, wenn er sich z.B. gegen die Kraftfahrver-
ordnung verstößt. In diesem Fall sollte er keine Immunität ge-
nießen. Bezüglich der Unvereinbarkeit wird man abwarten, was
Minister Pahr mit seiner Kommission vorschlägt, genau dasselbe
gilt für die Privilegien-Kommission, die jetzt sich mit der
Steuerprivilegien der Abgeordneten neuerdings befaßt.



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Da Broda nicht anwesend war, hat Fischer ganz besonders auf die
Aktivitäten des Justizausschusses verwiesen. Das Mediengesetz
sollte jetzt fertiggestellt werden, doch muß man insbesondere
den § 14, welcher den Rechtsschutz des Privat- und Familien-
leben betrifft, besonders beachten. Hier wird es auch wahrschein-
lich den größten Widerstand von seiten der Journalisten und damit
der Massenmedien geben. Diese wollen im Mediengesetz nämlich
primär ihren größeren Schutz haben, sind aber nicht bereit, auch
für die anderen eine wirklich größere Schutzsphäre zu errichten.
Das Konsumentenschutzgesetz sollte in keinen Unterausschuß kommen,
sondern gegebenenfalls durch Fristsetzung im Handelsausschuß
noch heuer beschlossen werden können. Offen ist auch noch das
Ges.m.b.H.-Gesetz und Änderung über die Bewährungshilfe. Die
Wiener verlangen jetzt ein neues Bodenbeschaffungsgesetz, wonach
ein Eintrittsrecht der Gemeinde vorgesehen werden soll. Das jetzige
bestehende gibt der Gemeinde eine gewisse Möglichkeit, wenn sie
an das Land um eine diesbezügliche Genehmigung herantritt. In
Salzburg hat sich nun gezeigt, daß das Land Salzburg, sprich
Haslauer nicht bereit ist, dem Antrag der Gemeinde Salzburg zu
entsprechen. Auch hier müßte eine Änderung Platz greifen.

Zum Schluß ging er noch auf den Bundesparteiobmann Taus bezüglich
seiner Aussage, er würde sich heute die Volksabstimmung über-
legen, ein. Im März 77 hat Taus dies das erstmal selbst ge-
fordert, im Nationalrat hat er sich noch sehr stark dafür ge-
macht. Jetzt dürfte er als neue Linie die Volksabstimmung in
dieser Frage als unsinnig hinstellen, was bedeutet, daß weitere
Nicht-Wähler daraus resultiert werden. Bezüglich des Vorwurfes
Kreisky als Verfassungsbrecher ist festzustellen, daß der Bundes-
präsident das bundesverfassungsmäßige Zustandekommen bestätigt.
Daß überhaupt niemand berechtigt ist, dann eine Verfassungs-
widrigkeit festzustellen als der Verfassungsgerichtshof. Dieser
hebt aber bei jeder Regierung bis jetzt ca 3 bis 5 Gesetze
pro Jahr auf, es liegt also daher auch dann, wenn ein Gesetz
vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wird, ebenfalls kein
Verfassungsbruch vor, sondern es wurde eben die Fassung falsch
ausgelegt.



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In der Debatte kam zumindestens durch Abgeordneten Wille neuer-
dings das Problem Kernkraftwerk zur Sprache. Heindl mußte darauf
ebenfalls Wille wieder antworten und feststellen, daß man sich
jetzt nicht mehr über Details auseinandersetzen soll, sondern
daß es um die großen prinzipiellen und politischen Fragen geht.
Wille selbst ist Mitglied der Reaktorsicherheitskonferenz und
wird, davon bin ich überzeugt, mit den anderen Wissenschaftlern
gemeinsam dem Gesundheitsministerium und letzten Endes dann natür-
lich auch dem Handelsministerium große Schwierigkeiten bereiten.
Trotzdem glaube ich, daß die Reaktorsicherheitskonferenz gut
ist, weil letzten Endes die Bevölkerung, auch wenn die Volksab-
stimmung positiv ausgehen wird, immer wieder vor die Frage ge-
stellt wird, wie weit die Sicherheitsbestimmungen eingehalten
sind und wie weit die Sicherheitsbestimmungen ausreichen.

ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Lasse bitte die gesetzliche Grundlage
der Reaktorsicherheitskommission zusammenstellen.

Die Müller- und Bäcker-Delegation, die beim Tag des Brotes bei
mir vorsprach, verwies darauf, daß die Exportbemühungen, aber
auch die Inlandsverbilligung von Mehl für Exportwaren der Süß-
warenindustrie nicht so funktioniert, wie es eigentlich sollte.

ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte, laß mir jetzt eine Zusammenstellung
auch ziffernmäßig machen.

Bei der Unterzeichnung der Gemischten Kommission auf Beamtenebene
zwischen Jugoslawien und Österreich hat mich der Staatssekretär
Blacevic neuerdings daran erinnert, daß ein Besuch Jugoslawiens
längst überfällig ist. Ich habe ihn auf die mögliche Zusammen-
kunft mit seinem Außenhandelsminister Rotar im November ver-
wiesen. Die Jugoslawen haben jetzt große Kommissionen und Enqueten
über Energie, Ökologie, heuer Holzverarbeitung, chemische Industrie,
Transport, Donaufragen und im nächsten Jahr über Tourismus vor.
Ich bin nicht der Meinung, daß sich Österreich daran besonders
beteiligen sollte, weil kaum für uns etwas herauskommt.



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ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Laß Dir mal über die ganzen Jugoslawien-
Verbindungen berichten.

Die Österreichische Fremdenverkehrswerbung hat jetzt die Vorbe-
reitungsarbeit für die Aktion "Bergerlebnis" abgeschlossen. Es hat
zwar über ein Jahr gedauert, die Vorbereitungen sind aber wirk-
lich sehr umfangreich. Ich war darüber positiv beeindruckt, an
dieser Präsentation insbesondere auch die Vertreter der Handels-
kammer, Gast- und Schankgewerbe, Fremdenverkehr usw. teilnahmen,
sehe ich die große Möglichkeit mit dieser Organisation doch eine
gewisse Aktivität zu entfalten, die wir gerade im nächsten Jahr
dringend brauchen. Vom Fremdenverkehrsstandpunkt könnte viel-
leicht etwas herausschauen, vom politischen Standpunkt ist mir
jetzt jede gemeinsame Aktion im Wahljahr umso wertvoller. Ich
fürchte nämlich, daß durch die härtere Wahlkampfführung auf
beiden Seiten die Schwierigkeit der Kooperation im nächsten Jahr
gigantisch steigen wird. Für einen durchschlagenden Erfolg der
Aktion "Bergerlebnis" wird, wie ich den Teilnehmern auch aus-
einandersetzte, es aber notwendig sein, daß die Industrie hier
mehr mitmacht. Solange Schifahren nur eine Angelegenheit einer
kleinen Minderheit war und dort nur die kleinsten Betriebe sich
mit der Schi-Erzeugung und Ausrüstungsfragen, gab es ja damals
überhaupt keine Beschäftigten, konnte es kein Massensport werden.
Erst als die Industrie darin eine große Produktionsmöglichkeit
sah und sich darauf stürzte, kam es dann zu derart propagan-
distisch wichtigen Entwicklung. Österreich ist eine Nation von
Schifahrer. Wenn uns beim Bergwandern ein Bruchteil dessen ge-
lingt, so ist die Aktion "Bergerlebnis" ein voller Erfolg.

ANMERKUNG FÜR PLESCH: Die Industriesektion soll diesbezügliche
Aktivitäten entfalten.

Die Firma Dietzel beschäftigt derzeit 400 Arbeiter und Angestellte
bei einem Umsatz von 250 Millionen, 20 % Export und einer In-
vestition von 50 Mio S. Seit ihrer Übersiedlung von Margareten
in die Haidequerstraße hat sie die Produktion von 3.000 über
derzeit 8.000 auf 10.000 erhöhen, dadurch wird er weitere
150 Beschäftigte einstellen können.



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Die Elektrizitätsgesellschaften in ÖVP-Ländern kriegen jetzt
scheinbar die Weisung jedwede Aktivität für Pro-Zwentendorf
einzustellen. Ich habe mit Bandhauer vereinbart, daß wir nächste
Woche noch eine Besprechung haben, damit ich versuche keine Kontra-
Aktivität aufkommen zu lassen. Bandhauer wird Gen.Dir. Altziebler
und Gen.Dir. Wenzl und falls noch andere ausspringen, auch diese
zu mir einladen.

ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte besprich die Details mit Bandhauer
und stelle den Teilnehmerkreis fest.

Kienzl hat jetzt eine Erhebung seiner Sozialwissenschaftlichen
Studiengesellschaft über Kernfragen vom 8.–19. Oktober, 2.300
wurden gefragt, 64 % wollen daran teilnehmen, 17 % lehnen eine
Teilnahme an der Volksabstimmung ab, 5 % sind nicht wahlberechtigt,
von den 14 % "weiß nicht" sind 11 % Männer und 16 % Frauen. Nach
dem Ergebnissen seiner Erhebungen, die ich aber eigentlich als
zu optimistisch betrachte, sind 72 % Pro, 28 % Kontra. Von den
Pro-Stimmen 59 % männlich und 49 % sind weiblich, von den Kontra-
Stimmen 27 % männlich und 30 % weiblich. Nach Kienzls Meinung
müßte deshalb ein ungeheuer großer Wahlerfolg für Pro-Zwentendorf
sich ergeben, was ihn am meisten erschüttert ist, daß die Frage
"Auf wessen Urteil geben sie was?" Kreisky nur 29 % erreicht,
Benya 17 %, Taus 10 %, Sallinger 6 % und Götz 4 %. Mehr als 50 %
sagen entweder keinen Politiker oder "ich weiß nicht". Ebenso ist
die Frage verheerend beantwortet worden, welchen Institutionen
sie vertrauen, der Regierung 29 %, dem Parlament 14 %, den Sozi-
alisten 12 %, den Volksparteilern 9 %, den Landeshauptleuten 7 %,
den Bürgermeistern und der Kirche je 5 % und den Freiheitlichen
3 %. Kienzls Meinung ist die Fachleute-Beantwortung wesentlich
positiv, den Kernkraftwerktechnikern 63 %, den Erdbebenfachleuten
31 %, den Ärzten 29, den Biologen und Geologen jeweils 26, den
Wirtschaftsforschern und den Zukunftsforschern jeweils 19 %, die
Frage der Parteireferenzen antworteten die Sozialisten 42, Volks-
partei 28, Freiheitliche 6, Kommunisten 1 und keine 23 %. Von
den Sozialisten wollen 77 % Inbetriebnehmen, 14 Nein, von den
Volksparteien 32 %, 47 Nein, von den Freiheitlichen 34 %, 44 Nein,
und von den Kommunisten 27 %, 53 % Nein, von denen, die keiner Partei


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eine Präferenz geben, sind 46 % nicht engagiert. 29 % aber sagen
Nein. Diese Meinungsumfrage ist entgegen meiner bisherigen Auf-
fassung so günstig, daß ich es fast gar nicht glauben kann. Ich
rechne mit 64 % Teilnahme, sondern höchstens über 50 % und schon
gar nicht mit 70 % Pro-Stimmen, dies wäre nicht nur ein Traum-
ergebnis, sondern für die weitere politische Entwicklung äußerst ent-
scheidend.

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Tagesprogramm, 25.10.1978

45_1246_02

hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: jug. Außenhandelsminister


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
    GND ID: 119083906


    Einträge mit Erwähnung:
      GND ID: 119100339


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.
        GND ID: 102071865X


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg.


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Büro des Bundesministers


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: -obmann


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: GD Verbund


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: oö. LH (ÖVP), GD OKA
                  GND ID: 119017555


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Bundeskanzler
                    GND ID: 118566512


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: LH Sbg.


                      Einträge mit Erwähnung:
                        GND ID: 118756265


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Justizminister


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: MR HM


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: GD STEWEAG


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: Grazer Bürgermeister, FPÖ


                                Einträge mit Erwähnung:


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: Kabinett Staribacher


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                                      Tätigkeit: jug. Sts.


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                                        GND ID: 102318379X


                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          GND ID: 114650888


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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