Dienstag, 24. Oktober 1978
Die Klubtagung wurde eingeleitet mit einer Ausstellung für den
Tag des Brotes. Ich habe selten noch ein so optisch schönes, aber
noch viel besser schmeckendes Brot gegessen. In den ländlichen
Gemeinden werden doch noch in viel stärkerem Masse verschiedene
Brotsorten erzeugt und das Brotbäckergewerbe ist in Wirklichkeit
dort wesentlich leistungsfähiger, was die Qualität betrifft. Sofern
es sich um Fremdenverkehrsgebiete handelt, ist sicherlich auch
der Absatz während der Saison sehr günstig. Die Frage ist für mich
nur, wie sieht das eigentlich mit dem Ertrag in diesen Betrieben
aus.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Wann bekomme ich die kontrollierte Semmel-
preiskalkulation?
Bei der Klubtagung hat dann Androsch über die Budgetsituation, die
damit zusammenhängende Steuerreform und insbesondere den abgeschlos-
senen Finanzausgleich berichtet. Das letztere hörte ich zum ersten
Mal. Die Länder haben sich bereit erklärt, 2 Prozentpunkte Landes-
umlage den Gemeinden zu lassen. Dies ergibt für die Gemeinden
300 Mio S Mehreinnahmen. Die Projektkosten für den Strassenbau
bei den Ländern wurden wurd 9 auf 7 % gesenkt, dadurch stehen
160 Mio S für effektiven Strassenbau in Hinkunft zur Verfügung.
Die Finanzzuweisung von Bundesmitteln für Theatergemeinden, Fremden-
verkehrsgemeinden und ÖBB-Gemeinden, z.B. Knittelfeld, wurden erhöht.
Für diese Stadt bedeutet es statt 26 Mio S 70 Mio S Zuschuss. Die
Mittel für den Wasserwirtschaftsfonds wurden um 700 Mio S erhöht.
Dies konnte der Bundes deshalb übernehmen, weil in Hinkunft und
schon derzeit die Pflichtschulbauten-Zuschüsse wesentlich abge-
nommen haben, es werden fast nur mehr Mittelschulen gebaut, die
der Bund sowieso finanzieren muss. Durch diesen Finanzausgleich
haben die Gemeinden 160 Mio S mehr bekommen, die Länder um 666 weniger,
wenn tatsächlich die 300 Mio S, die die Länder als Ertragsanteile
den Gemeinden bis jetzt vorenthalten haben, durch die Landesumlage
wirklich durch weitere Gemeindezuschüsse vom Land an die Gemeinden
effektuiert werden. Den Bund kostet der Finanzausgleich 380 Mio S.
Durch den Finanzausgleich wurde, wie Androsch sagt, prüfen kann
ich es ja nicht, die notwendige Voraussetzung geschaffen, um
45-1242
den Gemeinden ein wenig zu helfen und doch bei der geringst
möglichen Belastung des Bundes Konjunkturmassnahmen setzen
zu können. Insbesondere der Strassenbau und der Hochbau wurden
von Androsch speziell erwähnt. Im Verteidigungsbudget werden
so wie heuer im nächsten Jahr die Unterkunftsverbesserungen
und Neubauten fortgesetzt. Nachdem im vergangenen Jahr und 1977
Bekleidung, die Fahrzeuge und Handfeuerwaffen modernisiert
und ausgebessert resp. neue angeschafft wurden, wird jetzt alles
auf Neubauten resp. Verbesserung der Unterkünfte gelegt.
Als nächstes berichtete Haiden über die Landwirtschaftssituation.
Er meint, es gäbe noch immer entsprechende Möglichkeiten, die
Agrarproduktion auszudehnen, ohne dass man zu den irrsinnigen
Überschüssen kommt. Als Beispiel erwähnte er die Getreidepro-
duktion, welche von Kälbermast teils abgelöst werden sollte,
resp. die Ölsaatenproduktion. Er versteht nicht, dass die Land-
wirtschaft, insbesondere der Bauernbund, jetzt ständig von Ver-
tragsbruch bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit spricht.
In der Milch wurde im Juli und August die Anlieferung minus 1,7
festgestellt. In den letzten Dekaden aber September und teils
anfangs Oktober wurde sogar bis zu minus 7,1 % weniger Milch
angeliefert. Der Wirtschaftsforschungs-Agrarspezialist Schneider
hat vorgeschlagen, man soll die Lieferrechte der Bauern handlungs-
fähig machen, d.h. jeder Bauer soll die Möglichkeit haben, sein
Lieferrecht zu verkaufen. Haiden hält davon nichts. Andererseits
aber wird es notwendig sein, mit dem Bauernbund jetzt über die
sogenannte Wahrungsklausel zu verhandeln. Seinerzeit, als die
Milchregelung eingeführt wurde, hatte der Bauernbund die
Absicht flexibel zu sein und jährliche Anpassungen vorzunehmen.
Dadurch hätten nach ihrem System die Bauern die Möglichkeit,
wenn sie das Kontingent überschreiten, sich im nächsten Jahr dann
eine bessere Ausgangslage für die Neufestsetzung zu sichern. Genau
diese Politik wäre aber für die Einschränkung der Milchproduktion
verheerend. Deshalb soll jetzt zwar für den, der sich an die
Kontingenteinteilung hält, dieses Kontingent gewahrt bleiben.
Wer mehr liefert, soll in Hinkunft genauso wie jetzt schon
durch entsprechenden Preisabschlag gestraft werden. Haiden will
nicht anerkennen, dass durch den Stützungsabbau die Bauern zu Scha-
den kommen. 1967/68 wurde die Milchstützung von 90 Groschen
auf 52 Groschen reduziert, die Bauern haben sich damals überhaupt
45-1243
nicht gewehrt. Jetzt, wo der Stützungsabbau fortgesetzt wird
und im nächsten Jahr nur mehr 26 Groschen betragen soll, beginnen
sie mit entsprechenden Protestmassnahmen. Ähnlich verhält es
sich bei Getreide, wo seinerzeit der Roggen von 55 Gr. die Stützung
auf 20 Groschen, der Weizen von 52 Gr. auf 5 Gr. und der Kontrakt-
weizen von 52 gr auf 17 gr herabgesetzt wurde, jetzt wird es in
Hinkunft notwendig sein, den gesamten Stützungsbetrag womöglich
zu kürzen. Haiden ist sich vollkommen klar darüber, dass die Bau-
ern aber, glaube ich zumindestens, sich dies nicht gefallen lassen.
Da sie bei dem Abbau der Milchpreisstützung höhere Verbraucher-
preise sich errechnen und dadurch geringere Absatzchancen, sehen
sie indirekt eine Benachteiligung auch für sie, weil dadurch der
Inlandskonsum fällt und damit automatisch ihre vom Staat gewährten
Zuschüsse auch zurückgehen.
Der Weinbau wurde in den letzten Jahren um 6.000 ha auf ca.
60.000 ha ausgedehnt, dadurch kommt es zu einer ungeheuren
Überschussproduktion. Der Import ist nicht daran schuld,
dass die Bauern jetzt so wenig für ihre Trauben und dann
sicherlich auch für den Wein von den Händlern bezahlt bekommen.
Insgesamt wurde nur 198 Mio importiert bei einem Export von
312 Mio. Wenn daher die Bauern eine Einfuhrbeschränkung durch-
setzen würden, sie wünschen ja sogar ein Einfuhrverbot, dann
würde auch der Export, der wesentlich höher ist als der
Import, schwer darunter leiden. Dies trifft nur bedingt zu,
weil ja die Importweine aus den Billigstländern kommen,
während im Export gerade in die BRD der grösste Teil erfolgt.
Der Grüne Plan ist von 750 Mio S 1969 auf 1,7 Mia S im nächsten
Jahr angewachsen. Für das Bergbausonderprogramm wird er
700 Mio S zur Verfügung haben, also fast soviel wie 1969 der
Grüne Plan in Summe ausgemacht hat. Der landwirtschaftliche
Ertrag ist von 1.660 S 1969 auf 5.043 S pro Kopf angewachsen,
das landwirtschaftliche Einkommen von 97.000 S auf 190.000 S
gestiegen, das Agrarinvestitionskreditvolumen von 1,3 Mia
auf 2,5 Mia. Die Bauern müssten also nach seiner Theorie mit
dieser Entwicklung sehr zufrieden sein, auch dann, wenn sie
im Jahre 1977 im Verhältnis zu dem guten Jahre 1976 natürlich
ein wenig an Position verloren haben. Über die beiden Referate
gab es nur eine sehr kurze Diskussion. Ich selbst konnte aber
45-1244
daran gar nicht teilnehmen, denn Klubobmann Fischer ersuchte mich,
mit den beiden Schweizer Kernkraftwerksdirektoren mich zu unter-
halten.
Der Verwaltungsdirektor Wiesler vom neuen Kernkraftwerk Gösgen
mit 970 Megawatt hat dann eigentlich in seinem Vortrag weniger
gesagt, als ich erwartete. Wesentlich besser war der Direktor
von Beznau, Küffer. Für mich interessant und teils auch neu waren
die guten Auslastungen. Kalkuliert wurde seinerzeit mit 6,5 bis
7.000 Betriebsstunden, tatsächlich haben die KKW, die jetzt
laufen, Beznau I, Beznau II und Mühleberg, 8.000 Stunden erreicht.
Theoretisch müsste deshalb die österreichische Auslastung, die
kalkuliert wurde von 6.000 Stunden erreicht werden. Noch interessan-
ter waren aber für mich dann die Kosten.
Für die jetzt laufenden Kernkraftwerke Kapitalkosten 42,2 %,
Betriebskosten: 22 %, Brennstoffkosten: 35,8 %. In absoluten
Ziffern 2,8 Rappen = 24 Groschen/kWh. Die Rückstellung für
Entsorgung, Nachrüsten und Produktionsausfall Mühleberg und
Beznau rechnet bei Ersatzenergie mit 2 Mio S pro Tag, die
sie brauchen würden, haben sie 1,5 Rappen zurückgestellt, d.
sind 13 Groschen/kWh. Dieses Kraftwerk ist 40 % billiger, als
wenn sie eine Wasserkraft in der Schweiz noch ausbauen würden,
von Öl- und Kohlekraftwerken ganz zu schweigen.
Die Brennstoffkosten gliedern sich: Wiederaufbereitung 51 %,
Natururan 16 %, Anreicherung 12 % und die reinen Brennstoff-
kosten 14 % und eine Verzinsung von 7 %.
Für Gösgen, dem 970 MW neuen Kraftwerk, rechnen sie bei einer
20-jährigen AfA und 6.500 Stunden Betriebsdauer mit 6 Rappen
Gestehungskosten ohne Stillegung, die 120 bis 150 Mill. Sfr.
kostet. Ein Laufkraftwerk würde jetzt 6,5 Rappen und ein
Ölkraftwerk 8 Rappen und ein Kohlekraftwerk sogar 11 Rappen/kWh
kosten. Insgesamt wurde ein Aktienkapital von 400 Mill. Sfr.
eingesetzt, Fremdmittel wurden von 1,5 Mia Sfr. gebraucht.
Aus dem Beispiel Beznau, Mühleberg auf der einen Seite und Gösgen
auf der anderen, kann man ersehen, wie Kernkraftwerke, die vor
45-1245
ein paar Jahren erst gebaut wurden, doch wesentlich billiger
im Betrieb sind als dies bei den jetzigen der Fall ist.
Über diese beiden Referate, insbesondere über die Sicherheits-
und Gesundheitsfragen, gab es eine ausführliche Diskussion.
Die Schweiz, so wurde dann festgestellt, hat gar keine Alarm-
pläne. Ihre Katastrophensicherung liegt im Rahmen ihrer Landes-,
d.h. Kantonkompetenzen und wird dort als ganz normaler Kata-
strophenfall behandelt. Erst jetzt bei Gösgen hat der Kanton ver-
langt, muss man die umliegende Bevölkerung ein wenig informieren.
Gösgen liegt 6 km von Olten, einer Stadt von 50.000 Bewohnern,
und Aarau, die auch nicht viel weniger Bevölkerung hat, entfernt.
Überhaupt ist die Schweiz mit ihren Kernkraftwerken immer ziem-
lich nahe einer grossen Stadt, Mühleberg bekanntlicherweise
18 km von Bern.
In einer anschliessenden Pressekonferenz mit Heindl, den beiden
Schweizer Direktoren und mir selbst gab dem Rundfunk und Fernsehen
und den Zeitungen die Möglichkeit, alle Fragen zu stellen.
Interessant war nur, dass man unbedingt wissen wollte, wie
die Entsorgung in der Schweiz gelöst ist und ob der Cogema-
Vertrag in der Schweiz als vertraulich behandelt wird. Der
Schweizer Direktor Küffer meinte, dies sein nicht der Fall,
denn selbstverständlich hat der Aufsichtsrat der Gesellschaft den
Vertrag gesehen. Er war sehr erstaunt von mir zu hören, dass es
nicht darum geht, dass die Organe den Vertrag kennen, sondern
dass man ihn der Presse zur Verfügung stellt. Dies hat er,
und ich habe wirklich keine Suggestivfrage an ihn gestellt,
sofort auch abgelehnt.
Das Fernsehen wollte von mir unbedingt eine Stellungnahme zur
Entscheidung LH Ratzenböck, die OKA anzuweisen, keine Propaganda-
Zahlungen mehr zu leisten. Abgesehen davon, dass dies gar nicht
möglich ist, denn die Vorstände sind v vim Aktienrecht unabhän-
gig und haben ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, sehe ich
darin nichts anderes als einen Propaganda-Gag. Ich erklärte
daher auch sofort, so wie seinerzeit Haslauer erklärt hat, die
Zahlungen nach Zwentendorf einzustellen, Kessler erklärt hat, er
wird aus dem Kernkraftwerk Stein austreten, jetzt Ratzenböck erklärt,
45-1246
für die von der Elektrizitätswirtschaft einstimmig beschlos-
sene und genau festgelegte Propaganda, nichts mehr zu
bezahlen, ist gar nichts anderes, als der dritte Landes-
hauptmann, der eben sich optisch distanzieren möchte. Da
jedermann wusste und erkennen konnte, dass die Propaganda
längst abgeschlossen ist, hat diese Entscheidung wirklich
nur deklaratorischen Wert. Rechtlich ist sie sowieso irrele-
vant.
Bei unserer Sektionsleiter-Sitzung auf der Landstrasse kam
natürlich die Frage, wieso wir nicht dieses Mal, wie ver-
sprochen, über die Gemeinderatswahlen sprechen werden. Da
wir innerhalb unseres Bezirkes, aber noch nicht im Präsidium,
Vorstand, letzten Endes dann natürlich bei den Sektionsleitern,
um zum Beschluss im Bezirksausschuss zu kommen, die notwendigen
Vorarbeiten geleistet haben, musste ich mich ausreden. Dies
war insofern leichter, als ich darauf verweisen konnte, durch
die Klubtagung und insbesondere Abwesenheit von Koll. Heindl
können wir eben erst nächste Woche das ganze Problem gründlich
beraten und dann auch entscheiden.