Donnerstag, den 19. Oktober 1978
Min.Rat Bachmayer war empört, als er in der Presse las, daß Außen-
minister Pahr von Abgeordneten Ettmayer attackiert wird, weil in
Rhodesien entgegen dem UNO-Beschluß immer noch ein Warenverkehr mit
Österreich besteht. Seinerzeit hat die Handelskammer ausdrücklich
verlangt, daß nur der direkte Warenverkehr verboten wird. Über
die Drittländer, wußte damals die Handelskammer ganz genau, werden
dann, so wie von vielen anderen Staaten auch, weiters Waren nach
Rhodesien kommen. Ich schlug Bachmayer vor, auf Grund des § 5 Aus-
landsgesetzes eine Verordnung zu entwerfen, wo auch dieses Loch ge-
stopft wird. Ich habe zwar nicht die Absicht, da die anderen
Länder genauso wenig ihren Warenverkehr über Drittländer verbieten,
diese Verordnung in Kraft zu setzen, doch werde ich sie beim
nächsten Jour fixe der Handelskammer präsentieren. Ich bin sehr
gespannt, was sie dazu sagen werden. Für mich wird dies ein Test
sein, ob die Handelskammer jetzt tatsächlich nur mehr den poli-
tischen Intentionen der ÖVP folgt oder ob sie noch wenigstens
einen gewissen Grad von Selbständigkeit und damit auch die Interes-
sen der Wirtschaft nicht allein nach parteipolitischen Gesichts-
punkten beurteilt. Direktor Nentwich, GKT, hat jetzt auch mindestens
ein halbes Dutzend von konkreten Vorschlägen bekommen, wie man
den Atommüll am besten lagern kann. Er hat insbesondere von der
Schweizer Firma Gatys Vorschläge entweder in Peru oder in der
Sowjetunion ein solches Atommüllager zu erreichen. Obwohl Kreisky
als auch ich versucht haben in der Sowjetunion einen Verhandlungs-
partner zu finden, war dies bis jetzt nicht möglich. Gatys hat
strengst vertraulich mitgeteilt, und Nentwich bittet mich, daß ich
darüber mit niemanden anderen spreche, daß er gegen ein Erfolgs-
honorar von 10 Mio DM und von Kosten von 3,6 Mrd S die abge-
brannten Brennelemente wegbringen könnte. Ich kann mir dies zwar
beim besten Willen nicht vorstellen, doch empfehle ich Nentwich
auch diese Möglichkeit weiter zu verfolgen. Unter allen Umständen
möchte ich, daß wir immer und wo immer solche Ideen auftauchen,
diese ernstlich verfolgt werden. Ich möchte mir niemals den
Vorwurf machen lassen, daß eine Gelegenheit nicht genützt wurde.
Die Aussprache mit Nentwich, Frank bei dem Gen.Dir. der Internatio-
nalen Atomenergie-Organisation Eklund wegen des Gutachtens war in-
sofern erfolgreich, als Eklund versicherte, nur die Kosten für die
Untersuchung zu verrechnen. Seinerzeit war vorgesehen, daß 20.000
Dollar dafür aufgewendet werden müßten. Eklund wird sich bemühen,
da er als ein Freund Österreich gilt und auch ist, für die nur auf-
gelaufenen effektiven Kosten eine feasibility study resp. das für
die Ägypter gewünschte Gutachten zu erstellen. Eklund erwartet
einen Brief von der österreichischen Bundesregierung.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte sieh, daß der Brief-Entwurf so
schnell als möglich von Frank vorgelegt wird.
Dir. Bandhauer, Verbund, und Ing. Janitschek, KKWP, sind erschienen,
um ihre Zweifel auszudrücken, daß der Umbau von Zwentendorf in
ein kalorisches Kraftwerk teurer käme, als wenn man gleich ein
neues Kraftwerk baut. Meine Ansicht dazu ist eindeutig, daß es
ein Wahnsinn wäre, wenn die Volksabstimmung tatsächlich negativ
ausgehen sollte, was ich immer mehr befürchte, das Kernkraftwerk
umzubauen, ich würde es in so einem Fall unter allen Umständen
einmotten, denn in einigen Jahren wird sich die Meinung der Be-
völkerung grundlegend ändern. Entweder müßte man dann eine neue
Volksabstimmung machen oder die Kernkraftgesellschaft wird sowieso
über den Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof eine Inbetrieb-
nahme versuchen zu erzwingen. Gen.Dir. Gruber von der NEWAG, gleich-
zeitig Vizepräsident des Aufsichtsrates der Kernkraftgesellschaft
ist, hat diesbezügliche Schritte schon angedeutet. Leider kann man
diese Argumente jetzt unmittelbar vor der Wahl nicht verwenden.
Die einzige Möglichkeit, die daher bleibt, ist nachzuweisen, daß
ein Umbau unrentabel wäre. Vom Standpunkt der Strompreishöhe ist
dies, wie Bandhauer und auch Janitschek sofort zugeben, mehr der
Fall, als ich angenommen habe. Ich habe nur von 50 % gesprochen,
während Bandhauer sagt, es sind mindestens 70 %. Dr. Satzinger
übernimmt es mit dem Leiter des Institutes für Elektrotechnik
Prof. Bauer von der Technischen Universität Wien und Ing. Janitschek
über die Pressekonferenz für Montag einen entsprechenden Wasch-
zettel vorzubereiten, wo hieb- und stichfeste Zahlen aufgenommen
werden.
Eine Delegation für Pro-Zwentendorf von Frauen aus Linz hat mir
eine Resolution überreicht. Sie erklärten zwar, nur eine kleine
Anzahl von Mitgliedern erst zu haben, doch erscheint mir wichtig,
daß überhaupt Aktivitäten entstehen. Ich bin überzeugt, daß auch
manche Anti-Zwentendorf-Gruppe nicht viel mehr umfaßt.
Gemischte rumänische österreichische Kommission hat, so kann man
offiziell sagen, fruchtbare und erfolgversprechende Arbeit geleistet.
In Wirklichkeit aber war, bevor die Kommission überhaupt begonnen
hat und ein stundenlanger Dialog zwischen Avram und mir erfolgte,
das Protokoll schon bis zum letzten Beistrich zwischen den Dele-
gationsleitern auf Beamtenebene abgesprochen, formuliert und
theoretisch schon unterschriftsreif. Da in diesem Protokoll nie-
mals konkrete Aussagen gemacht werden, sondern immer nur in Wirk-
lichkeit Absichtserklärungen der beiden Seiten festgehalten werden,
betrachte ich seit eh und jeh diese Gemischten Kommissionen als
wenig erfolgversprechend. Wenn in den Staatshandelsländern nicht
immer wieder ein solcher Vorgang verlangt wird, so möchte ich
und hätte schon längst diese ganze Zeremonie abgeschafft. Avram
wiederholte die Zielvorstellung der Rumänen bis 1980 den Waren-
verkehr zu verdoppeln, eine utopische Vorstellung. Weiters erwähnte
er die wichtigsten Projekte, die sie eventuell in Rumänien und
auf Drittländern in Angriff nehmen werden und wo sich österreichische
Firmen beteiligen sollen. Neuerdings wird die rumänische Seite
die Finanzierung des Schwarzmeerkanals besprechen, weshalb ich
Gen.Dir. Haschek von der Kontrollbank zu einem Sechs-Augen-Gespräch
für Freitag nach der Unterzeichnung eingeladen habe.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte das Erscheinen Hascheks unbedingt
sicherzustellen.
Selbstverständlich habe ich den Firmenwünschen entsprechend so-
wohl auf die oft jahrelang nicht durchgeführten versprochenen
Kooperationen wie z.B. für die Firma Kohmeier oder für laufende
Kooperationsverhandlungen, die mit Steyr-Daimler-Puch interveniert.
Im letzten Moment hat noch Voith Papiermaschinen Lieferungen
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in den Staatshandelsländern als Kooperationen jetzt neuerdings
bezeichnet ein Telegramm geschickt, wodurch ich auch diesen Wunsch
noch unterbringen konnte.
Direktor Lachs vom Konsum schildert mir ihre Situation. Innerhalb
der Betriebsräte und Gewerkschaften gibt es wegen der Zuständig-
keit jetzt nach der Schaffung des Konsum Österreichs, also der
Zusammenfassung aller Genossenschaften ungeheure Schwierigkeiten.
Ich kenne diese Prinzip, weil die beiden Obmänner der Lebensmittel-
arbeiter, auf der einen Seite Serini und der Handels- und Transport-
arbeiter Kornfeil, ständig in Streit liegen. Darüber hinaus gibt
es innerhalb unserer Gewerkschaft noch mit der Konsumgruppe und
den anderen Produktionsbetrieben ebenfalls starke Differenzen, die
von mir seinerzeit auch unterstützte und jetzt vom Vorstand be-
schlossene Einigung in der Arbeitsgruppe Konsumarbeiter ist wieder
auseinander gebrochen. Serini hat mit den anderen Betriebsräten
keine einvernehmliche Lösung erzielen können. Lachs fürchtet nun,
der Streit innerhalb der Konsumgenossenschaft letzten Endes auf
Kosten der Beschäftigten, zuerst aber auf Kosten der Ertragslage
des Unternehmens geht. Da hat er nicht ganz unrecht, denn jede
Betriebsvertretung möchte für sich die bessere Startposition bei
den Verhandlungen erzielen. Dies ist dann möglich, wenn er womöglich
seine Mitglieder nicht nur erhält, sondern von der anderen Gruppe
auch wieder Mitglieder bekommt. Von den 2.500 in der Produktion
Beschäftigten, wo ca 200 Angestellte, d.h. Meister und Betriebs-
leiter sind, sind alle restlos bei den Lebensmittelarbeitern organi-
siert. Davon sollen jetzt 800 Handelsarbeiter zum HTV übergestellt
werden, dies jetzt unüberwindliche Schwierigkeiten geben. Außerdem
sind die Löhne der Lebensmittelarbeiter und auch der unter diesen
Vertrag fallenden Handelsarbeiter wesentlich höher, als sie beim
HTV sein werden. Bei einem Trennen und dann Aufsaugen der schlechten
HTV-Arbeiterlöhne auf das Niveau der Lebensmittelarbeiter würde
bedeuten, daß diese wieder jahrelang keinerlei Verbesserungen
erwarten könnten. Ein schier unlösbares Problem, dazu kommt, daß
die finanzielle Situation des Konsum Österreichs alles andere
als rosig ist. Durch die Zusammenfassung auch der schlecht ge-
führten Genossenschaften Forum-Häuser und sonstigen Verkaufsein-
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richtungen ist heuer schon ein echter Betriebsabgang von 100 Mio S
entstanden. Nur durch Rationalisierung kann und soll versucht
werden, die Situation zu verbessern. Lachs erklärte ausdrücklich,
daß er dieses Gespräch als streng vertraulich und zwischen uns
geführt betrachtet. Er hat scheinbar nur vom Vorstand übernommen,
mich zu informieren, ohne daß er eigentlich zu Verhandlungen er-
mächtigt gewesen wäre. Auch ich hätte aber solche Verhandlungen
gar nicht geführt. Meiner Meinung nach bleibt es eben Aufgabe der
Direktion vom Konsum Österreich dieses Problem mit den Betriebs-
räten, die man sich eben nicht aussuchen kann, und den Gewerk-
schaften in irgendeiner Weise zu lösen.
Die Gewerkschaft der Lebensmittelarbeiter hat im Hueber-Haus
einen Grundkurs gestartet und ich bin selbstverständlich so wie
bisher gerne bereit, dort entsprechende Vorträge zu halten. Fest-
stellen muß ich nur, daß immer weniger Mitglieder an solchen Kursen
teilnehmen. Es ist scheinbar in einer Rezession wesentlich
schwieriger Betriebsräte für solche Kurse frei zu bekommen, obwohl
wir natürlich alle Aufwendungen zu zahlen haben.
Im Parlament gab es den ganzen Tag nur eine außenpolitische
Diskussion über Berichte des Außenministers. Beim zweiten Tages-
ordnungspunkt über ein Gesundheitsabkommen mit Ungarn hat Abge-
ordneter Hanreich von den Freiheitlichen den 300 Mio Dollar-
kredit zum Ausbau der ungarischen Infrastruktur benützt, um diesen
Vertrag entsprechend zu kritisieren. Dankenswerterweise hat mich
Kammeramtsdirektor Kapaun sofort in den Sitzungssaal aus einer
Besprechung geholt, dadurch hatte ich die Möglichkeit, von der
Regierungsbank aus diesen einzigen Redner zu diesem Tagesordnungs-
punkt entsprechend zu erwidern. Ich konnte dem Hohen Haus offiziell
mitteilen, was wirklich geschehen ist und daß jetzt endlich die
Mär, man schädigt den österreichischen Fremdenverkehr, insbesondere
die Heilbäder, weil man die ungarische Konkurrenz ausbaut und
gleichzeitig auch eine Belagsgarantie geben wird, endgültig weg-
zuwischen, zumindestens hoffe ich, daß dies in den Fremdenver-
kehrs- und insbesondere Badeorten jetzt nicht mehr so ohne weiters
von der ÖVP propagiert werden kann. Nach der Haussitzung wurde
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der Handelsausschuß von Morgen vorgezogen. In der Frage der Durch-
führungsübereinkommen über Sparmaßnahmen, Anwendung von Wärme-
pumpen, Erprobung von Sonnenheiz- und Kühlsystemen wurde ein Unter-
ausschuß eingesetzt, der ja seinerzeit schon bei der Kernkraft-
debatte beabsichtigt war. Ebenso wurde für das bezüglich des Anti-
marktstörungs- und Antidumpinggesetz-Novelle wurde auf Wunsch der
Handelskammer diese beiden Regierungsvorlagen am 2. November ver-
tagt. Abg. Fiedler, der den Handel vertritt, wollte mir unbedingt
klarmachen, daß wir von der Versandklausel nicht abgeben können.
Die Handelskammer hatte seinerzeit 4 Monate plus 1 Monat Abfertigungs-
zeit verlangt, so daß theoretisch, wenn eine vorläufige Maßnahme
ergriffen werden sollte, der Handel noch immer die Möglichkeit hätte
Waren durch 5 Monate hindurch ohne diese Antidumpingzölle herein-
zubringen. Dies war ein Loch, welches seinerzeit bei der Gesetz-
werdung schon von mir aufmerksam gemacht wurde. Damals war die
Handelskammer aber nicht bereit, diese Bestimmungen zu ändern,
jetzt möchte der Handel anstelle der 5 Monate wenigstens 9 Wochen
und wäre, wie mir Fiedler gesagt hat, auch weiters noch bereit
entsprechende Verkürzungen dieser Zeit zu akzeptieren. Ich erklärte
ihm dezidiert, daß selbst wenn nur 3 Tage fixiert werden, dann aus
den Billigstländern gefälschte Schiffspapiere jederzeit nachweisen
könnten, daß noch in dieser kurzen Zeit eben entsprechende Waren
eingeführt werden müssen. Ich schlug Fiedler vor, man sollte eher
den Weg gehen, daß eine Vereinbarung zwischen der Handelskammer
und dem Handelsministerium erfolgt, daß diese Bestimmungen nicht
schikanös handhaben werde. Am Abend beim Heurigen für Münzner,
Volkswagenwerk, durch die Handelskammer hat mich Mussil gefragt,
was eigentlich im Handelsausschuß in diesem Punkt beschlossen wurde.
Er war sehr erstaunt, daß Fiedler doch scheinbar bereit ist, noch
einmal mit ihm über dieses Problem zu verhandeln, denn die Handels-
kammer hat zwar einen Präsidialbeschluß auf eine solche Versand-
klauselfrist gefaßt, Mussil weiß aber ganz genau, daß dies nicht
zu halten ist. Ich habe die Handelskammer nicht im Unklaren ge-
lassen, daß, wenn wir nicht eine einvernehmliche Regelung im
Handelsausschuß erzielen, dann ich diesen Gesetzentwurf weiterhin
liegen lasse.
Beim Bericht über die Prüfung Österreich durch die Internationale
Energieagentur hat Stix hart kritisiert und meinte, Österreich
wird nicht genügend klassifiziert. Er verwies darauf, daß die Inter-
nationale Energieagentur Personal und mehr Geldmittel für diese
Tätigkeit der Energielenkung verlangt. Meine Antwort darauf war,
daß andererseits die Oppositionsparteien ständig Einsparungen und
Personalreduzierung verlangen. Bei uns wurde die Energiesektion
mit 15 Leuten, glaube ich, aufgestockt. Die administrative Preis-
politik wurde von mir dahingehend geführt, die Energie nicht, wie
Stix vermutet, auf einen billigsten Konsumentenpreis auszurichten.
Noch niemals hat die Elektrizitätswirtschaft so kontinuierlich
und steigend Tariferhöhungen bekommen, auch beim Benzin wurde
7,30 S festgesetzt, obwohl die Ölgesellschaften auf 7,– S zurück-
gegangen sind. Ich hoffe, daß, wenn jetzt der Finanzminister
25 Groschen Mineralölsteuer verlangt, dann die Oppositionsparteien
zustimmen werden. Insbesondere aber was den Ausbau der Elektrizi-
tätswirtschaft betrifft, kann ich Stix deshalb den revidierten
Energieplan nicht geben, weil die Landesgesellschaften für
1.000 MW Ölkraftwerke für 400 MW Gasturbinenkraftwerke verlangen.
Leitner von der ÖVP wieder hat kritisiert, daß so wenig für die
Energieeinsparung geschieht, wie in dem Bericht zu lesen ist.
Auch hier hat dann Abg. Heindl ihn korrigiert, daß hier größten-
teils Länderkompetenz vorliegt. Leitner meinte, dann hätte man
mit den Ländern Verhandlungen führen müssen, nicht wissend, daß
dies bereits seit Jahren vom Handelsministerium geschieht. Leitner
wollte auch wissen, ob tatsächlich von uns die Wasserkraft, die
derzeit zu 65 % ausgenützt ist, wirklich bis 1990 auf 80 % an-
steigen wird. Hier konnte ich ihm demonstrieren, daß unter der
Regierung Klaus die Wasserkraftausbauten, insbesondere der Donau
verzögert und letzten Endes dann ganz eingestellt zu werden, beab-
sichtigt war, weil man sich ausschließlich auf die Kernenergie
stützen wollte. Wir haben dagegen seit 1970 kontinuierlich und
in immer stärkerem Maße die entsprechenden Wasserkraftwerke,
sowohl Lauf- als Speicher- als auch die Kohlekraftwerke in
Angriff genommen.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte die ziffernmäßigen Unterlagen
für Plenarsitzung zusammenstellen.
Bei einem Referat über Kernenergie bei der Mitgliederversammlung
der 30. und 31. Sektion waren interessante Diskussionsbeiträge
von jungen Generationsmitgliedern unserer Partei. Diese sind
nach wie vor überzeugt, daß sie richtig handeln, wenn sie auch ge-
schlossen gegen die Kernkraft auftreten. Unglücklich sind sicher-
lich alle, daß sie jetzt mit dem äußerst rechten Burger sowie
dem äußerst linken Kommunistischen Bund resp. Maoisten und damit
auch zwischen ÖVP, Taus, Schmitz, und FPÖ, Götz, usw. in einer Reihe
marschieren. An der Sachkritik ihrerseits aber hat sich in Wirk-
lichkeit, glaube ich, nichts geändert. Zweifelsohne sind die Vertreter
der Jungen Generation, aber auch der Sozialistischen Jugend inner-
halb unserer Partei schon eine kleine Gruppe und innerhalb der Be-
völkerung und Einflußmöglichkeit in der Jugend äußerst gering.
Bedenklich erscheint mir nur, die Tatsache, daß junge Menschen,
soweit sie überhaupt für politische Probleme ansprechbar sind, sich
jetzt in immer größeren Ausmaß mit der Regierungspolitik nicht
nur nicht identifizieren, sondern diese in vielen Fällen und im
Kernkraftwerksektor ganz besonders in ausgesprochener Frontstellung
befinden. Dies kann für die Volksabstimmung, wie ich immer mehr
befürchte, zu einem ganz knappen Sieg und wenn wir ein großes
Pech haben, sogar zu einer Niederlage führen. Die ÖVP-Propaganda
nimmt jetzt in immer stärkerem Maße mit demagogischen Behauptungen
und plakativ gut wirkenden falschen Aussagen an dem Wahlkampf
teil. Da ich befürchte, daß auch immer mehr von der Katholischen
Kirche Funktionäre und letzten Endes dann auch Priester gegen
die Kernkraft polemisieren werden, sehe ich eine immer größere
Masse von Nein-Wählern, die sich jetzt profilieren. Die Erklärung
Kreiskys auf den Landesparteitag, daß die Sozialistische Partei
ihre Mitglieder auffordert, mit Ja zu stimmen, hat natürlich aus
der scheinbaren Fachfrage jetzt eine politische Frage gemacht, so
behaupten zumindestens die Gegner und teilweise auch einzelne
führende Genossen bei uns. Ich habe mich niemals dieser Illusion
hingegeben, daß eine solche Volksabstimmung eine reine Sachent-
scheidung bleiben kann, für mich ist und war es immer klar, daß
eine Partei Entscheidungen treffen muß und wenn sie Entscheidungen
trifft, dann jede Fachfrage zu einer politischen Frage wird.
Tagesprogramm, 19.10.1978
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)