Mittwoch, der 18. Oktober 1978

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Mittwoch, 18. Oktober 1978

Die Budgetrede von Finanzminister Androsch war diesmal besonders
umfangreich, selbstverständlich strich er die Leistungen der
Bundesregierung entsprechend heraus, wodurch sie auch ein wenig
länger ausfiel. Die ÖVP hat interessanterweise diesmal aber
weniger Krawall resp. Unterbrechungen gemacht als das letzte Mal.
Von der Galerie wurden von 5 oder 6 jungen Menschen Flugzettel ge-
worfen, darin wurde gegen die Verschwendung und die Steuerpolitik
durch den sattsam bekannten Steinhauser heftigst protestiert.

Bundespräsident Kirchschläger wurde von mir informiert, dass ich
bis jetzt keine Mitteilung bekommen habe, ob ich bei der nächsten
Nationalratssitzungswoche mit einem ÖVP-Abgeordneten gepaart werden
kann. Sallinger und Mussil hatten mir zwar versprochen, mit dem
Klub zu sprechen, doch scheinbar haben sie sich dort nicht
durchsetzen können, weshalb sie die ganze Angelegenheit verschweigen.
Ich erklärte Kirchschläger, dass ich deshalb an dem Staatsbesuch
leider nicht teilnehmen kann. Der Klubobmann Fischer hat mit Recht
darauf verwiesen, dass ansonsten die Präsenz im Klub gefährdet
wäre. Kirchschläger hat dafür volles Verständnis, meinte aber, es
sei dringendst notwendig, dass ich doch an dieser Reise teilnehme.
Ich müsste ihn also in dieses Staatshandelsland unbedingt begleiten.
Er überlegt sich deshalb, ob er nicht den Klubobmann Mock anrufen
soll. Da ich ihm die Angelegenheit vollkommen überlassen will,
habe ich mich dazu dann nicht mehr geäussert. Ich warte also ab.
Selbstverständlich informierte ich darüber sowohl Klubobmann
Fischer als auch Bundeskanzler Kreisky.

Die Gespräche mit dem Energie- und Industrieminister aus Angola
Ribeiro, der in Aachen studiert hat und deshalb sehr gut deutsch
spricht, verliefen programmgemäss. Die Vöest hat grosses Inter-
esse, in diesem Land ebenfalls entsprechende Aufträge zu bekommen.
Ribeiro wieder meinte, sie hätten grosses Interesse mit österr.
Firmen Kooperationsverträge abzuschliessen. Angola ist ein Riesen-
staat mit nicht ganz 6 Mill. Einwohnern, braucht also dringendst
entsprechende grosse Projekte. Insbesondere hat seine Delegation
mit Austromineral, aber auch mit ÖMV Kontakt genommen. Die Geologen
sind der Meinung, dass es grosse Rohstofflager, aber auch Öl usw.



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dort gibt. Beim Mittagessen, welches die Handelskammer für ihn
gegeben hat, habe ich dann allerdings erfahren, dass die
Vöest damit rechnet, dass zuerst noch grosse Schwierigkeiten
zu überwinden sind, um dort überhaupt ins Geschäft zu kommen.
Die angolesische Regierung hat die Absicht, für die ganze
Region Sambia-Zaire als wirtschaftlicher Mittelpunkt sich zu
entwickeln. Z.B. hat sie jetzt in Ruanda, ihrer Hauptstadt,
eine Raffinerie für ihren eigenen Bedarf, jetzt soll am Ende
der Bengaler Railway eine zweite Raffinerie für die Region ge-
baut werden. Die Infrastruktur ist entsprechend zu verbessern.
Durch entsprechende Strassen, aber insbesondere Eisenbahn soll
Sambia nach der Westküste, d.h. eben über Angola entsprechend
bedient werden. Derzeit muss der lange Weg zur Ostküste von
Sambia benützt werden. Der Vorsitzendes des Mittagessens,
Präs. Seidl von der Handelskammer, war schon in Angola vor
etlichen Jahren. Er glaubt auch, dass wir dort grosse Mög-
lichkeiten haben.

Seidl hat mir mitgeteilt, dass er jetzt zwischen der oö. Ferngas
bzw. RAG und der Chemie Lenzing vermitteln wird. Winter von der
Chemie Lenzing meint, er könne den Leistungszuschlag überhaupt
beseitigen und sich dadurch 1,5 Mio S ersparen. Seidl glaubt,
dass er den Vertreter von RAG, Mobil Oil-Direktor Ebeling, dazu
bringen kann, doch wenigstens ein 1/3 des Leistungszuschlages
oder zumindestens um 1/3 den Leistungszuschlag zu reduzieren.
Ich machte Seidl darauf aufmerksam, dass ich ein Kompromiss
erwarte, das Lenzing auch noch akzeptiert, womit dann nur mehr
die Fa. Steyrermühl zu regeln sei. Dort, weiss Seidl, wird es am
schwierigsten sein.

ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte versuche zu klären, wie die Ver-
handlungen mit der RAG sonst weiter laufen.

Viezpräsident Seidl war über die Entwicklung der Kernenergie-
debatte auch sehr erschüttert. Er steht auf dem Standpunkt,
dass Zwentendorf unbedingt in Betrieb gehen soll. Trotzdem
fürchte ich, wird er sich nicht bereit erklären, dies öffentlich
zu sagen. Die Wirtschaftsvertreter können sich in der ÖVP immer
weniger durchsetzen, sind aber genauso immer weniger bereit,
öffentlich gegen die ÖVP aufzutreten.



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Im Parlament zog sich die Debatte über das Strahlenschutzgesetz
solange hin, dass ich nach der Abstimmung genau noch im letzten
Moment am Flughafen Schwechat eintraf als der rum. Minister
Avram bereit erschien. Ich begleite ihn sofort in sein Hotel
Imperial und wir unterhielten uns über die innenpolitische
Situation Österreichs. Ich konnte ihm demonstrieren, dass
durch die Erkrankung Brodas und den zu erwartenden Ausfall
eines zweiten Abgeordneten der Regierungspartei nur mehr
eine Stimme mehr vorhanden ist, weshalb die Abstimmungen äusserst
kritisch verlaufen. Er fragte, ob auch der Bundeskanzler immer
anwesend sein muss, was ich eben zu seiner Verwunderung bestätigte.
Für ein sozialistisches Land ist es unvorstellbar, dass ein
Staatsoberhaupt oder ein Bundeskanzler, als solcher gilt er nämlich
in den Diktaturen, nicht tun und lassen kann, was er will,
sondern so wie Minister auch an das Parlament so gebunden ist.
Am meisten verwundert war er aber, als ich ihm von der
Volksabstimmung über das Kernkraftwerk erzählte, dies ist für
einen Oststaatler vollkommen undenkbar. Mit dem Programm, welches
ich ihm im einzelnen erörterte, war er sehr einverstanden und
hat auch volles Verständnis für meine schlechte Zeiteinteilung
und dass ich mich eigentlich sehr wenig um ihn kümmern kann.

Kreisky rief mich an, um mir mitzuteilen, er hat einen Brief
in der Hand, wie eine Bombe wirkend. Eine finnische Firma
hat ihm mitgeteilt, sie ist imstande, um 150 Mio $ das Kernkraft-
werk umzubauen. Da er fest davon überzeugt ist, dass auch
Taus in Besitz eines solches Schreibens kommen wird, meinte
er, dies sei ein besonders verheerende Mitteilung. Ich versuchte,
ihm zu erklären, dass auch österr. Firmen um einen ähnlichen
Betrag einen Umbau vornehmen können, das Ergebnis davon ist nur,
dass dies nicht einmal dann optimal geschehen würde, wodurch
der Strompreis aus einem solchen umgebauten Kraftwerk noch
teurer käme als die anderen Vorschläge, die man von österr.
Seite bereits überprüft hat. Auf alle Fälle aber wird jedweder
Umbau letzten Endes dazu führen, dass der Strompreis daraus
wesentlich teurer kommt als wenn man gleich das Kernkraftwerk
einmottet und ein anderes Kraftwerk daneben baut. Aus diesen
Bemerkungen konnte ich entnehmen, wie dringendst notwendig es
ist, die Öffentlichkeit über diese Situation von Fachleuten
aufklären zu lassen.



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ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte eindrucksvolle, aber watschenein-
fache Waschzettel für die Presse zeitgerecht herstellen lassen.

Der Klubsekretär Robert Fischer hat mir mitgeteilt, dass seine
Frau Min.Rat Dr. Gertrude Fischer nicht daran denkt, sich um
den freiwerdenden Abteilungsleiterposten zu bewerben. Sie wird
ab 1. Juli des nächsten Jahres auf alle Fälle in die Pension
gehen. Ich habe Fischer ersucht, er soll seiner Frau mitteilen,
diese endgültige Entscheidung noch nicht publik zu machen.
Vielleicht werden wir doch noch mit ihr reden müssen, damit
sie selbst für dieses halbe Jahr sich um die Leiterstelle
bewirbt. Ich werde diesbezüglich mit Sekt.Chef Meisl und Kazda
ein Gespräch führen müssen.

ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte eine solche Besprechung veran-
lassen.

Robert Fischer ist ein Filou, denn mir hat er erklärt, ich
könnte unmöglich selbst zur Bezirkskonferenz nach Favoriten
vor der Abstimmung weggehen, obwohl es sich um einen einstimmigen
Beschluss handelt und obwohl bei der ÖVP und auch bei der FPÖ
etliche fehlten, hat er darauf bestanden, dass ich bleibe.
Heindl dagegen, der angeblich auch zu einer wichtigen Be-
sprechung musste, hatte sich mit ihm arrangieren können. Da
beide Austria-Anhänger sind, hatte ich dafür volles Verständnis.
Zur Bezirkskonferenz bin ich dann aber doch noch zeitgerecht ge-
kommen, wenn auch im letzten Augenblick. Ich versuchte den
Genossinnen und Genossen dort auseinanderzusetzen, wie die
derzeitige Situation auf dem Energiesektor besteht und vor
allem, wie für uns der Ausgang der Volksabstimmung in jeder
Beziehung ungeheuer wichtig ist. In der Diskussion, die sehr
lebhaft geführt wurde, haben sich auch Vertreter der SJ und JG
gemeldet und sehr sachlich argumentiert. Der Bezirkssekretär
Ludwig hatte mir schon vorher mitgeteilt, dass sie in ihrem
Bezirk sehr lahm sind und z.B. dort keinesfalls mit ihren
Plakaten die unsrigen überkleben. Der Vertreter der SJ Favoriten
Wiche erklärte aber in der Diskussion, da die Jugend mit Schwung
überall gegen die Kernkraft auftritt, wird sicherlich die


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Volksabstimmung negativ ausgehen.

NB-Gen.Dir. Kienzl, mit dem ich auch über dieses Problem eingehend
sprach, steht auf dem Standpunkt, dass es noch immer eine
Mehrheit gibt. Er ist allerdings der Meinung, dass durch die
Erklärung Kreiskys, die Sozialisten müssten die Wahlschlappe von
voriger Woche durch jetzt einen entsprechenden Einsatz für
das Kernkraftwerk wettmachen, die ÖVP mit Kontra Kernkraftwerk
mobilisiert wird. Er befürchtet, dass sogar aus seiner Aktion
Pro Zwentendorf die prononcierten ÖVP-ler jetzt sich
absetzen werden. Dies hoffe ich, wird nicht der Fall sein, glaube
ich auch nicht, und wenn es geschieht, dann sicherlich nur mit
dem Vorwand, dass Kreisky diese Äusserung getan hat. Ich stelle
ja immer mehr fest, je mehr wir uns dem Abstimmungstag nähern,
dass die ÖVP-Vertreter in allen Gremien und wo ich immer mit
ihnen zusammenkomme, die früher sich eindeutig pro Zwentendorf
geäussert und deklariert haben, zurückhaltender werden.
Der Druck auf sie durch die Partei resp. einzelne Funktionäre
dieser Partei wird eben immer stärker. Fast kann ich eine
gleichlaufende Entwicklung auch auf der sozialistischen Seite
feststellen. Was für mich vollkommen klar war, dass es sich
bei dieser Abstimmung dann letzten Endes um eine Konfrontation
zwischen KreiskyTaus oder, wenn man so will, SPÖ–ÖVP handeln
wird, trifft eben jetzt immer in stärkerem Ausmass zu und
wird in immer stärkerem Ausmass von Funktionären, Mitgliedern
und letzten Endes dann auch sicherlich von den Wählern so
empfunden werden. Es gibt eben in einer Demokratie keine reine
Sachdiskussion und schon gar nicht eine reine Volks- oder
sonstige Abstimmung. Alles wird automatisch verpolitisiert.

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Tagesprogramm, 18.10.1978

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: GD Lenzing AG, Vizepräs. HK, AR-Präs. OÖ. Ferngas


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: SJ


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: rum. Maschinenbauminister


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: MR HM


        Einträge mit Erwähnung:
          GND ID: 119100339


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Kurier-Journalist, Gewerkschafter, Anti-Zwentendorf


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Energie- und Industrieminister, Angola


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Finanzminister
                GND ID: 118503049


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Büro des Bundesministers


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: -obmann


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: GD Lenzing


                      Einträge mit Erwähnung:
                        GND ID: 118756265


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Justizminister


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: erst Sekr. Pittermann, dann Klubsekr. [1971 im Klub Mitarb. von Heinz Fischer?]


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: Abg. z. NR, Klubobmann, ÖVP


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                                  GND ID: 102318379X


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: Büro des Bundesministers (Sekretärin)


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: GD Mobil Österreich


                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          Tätigkeit: Bezirkssekretär SPÖ, Favoriten


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: HM


                                            Einträge mit Erwähnung:
                                              Tätigkeit: Bundeskanzler
                                              GND ID: 118566512


                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                Tätigkeit: Außenminister, Bundespräsident
                                                GND ID: 118723189


                                                Einträge mit Erwähnung:
                                                  Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


                                                  Einträge mit Erwähnung: