Mittwoch, der 10. Mai 1978

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Mittwoch, 10. Mai 1978

In der Fraktion, aber auch im Unterausschuss wegen Kernenergie
herrscht jetzt eine ziemlich flaue Stimmung. Die Parlamentarier
werden des Verhandelns müde, wirklich engagiert ist nur mehr
Heindl auf unserer Seite und König auf der anderen Seite. Stix
erklärte rundwegs, er hätte schon alle Fragen gestellt und
Wiesinger sieht seine Hauptaufgabe nur mehr darin, Minister
Leodolter zu attackieren. Was Wiesinger in jeder Phase behaupten
und beweisen will, ist, dass wir unzulängliche Gesetze haben und
dass deshalb ein neues Reaktorgesetz dringend notwendig ist.
Am liebsten würde er natürlich den Beweis erbringen, dass die
Regierung versagt hat und dass insbesondere das Gesundheits-
ministerium ständig nicht nur in Verzug, sondern auch fällige
Entscheidungen nicht getroffen hat. Dies gilt ganz besonders
für das Problem der Dauerlagerung von Atommüll resp. abgebrannten
Brennelementen. Da der Cogema-Vertrag nicht bei Frau Minister
Leodolter zur Genehmigung eingereicht wurde, sondern – eigentlich
auch nicht ganz logisch – im Handelsministerium, versuchte er
natürlich auch hier zu beweisen, dass die Regierung Massnahmen
setzen soll, in diesem Fall ich, damit klargestellt ist, was
jetzt eigentlich auf diesem Gebiet geschehen müsse. Er war sicher-
lich sehr enttäuscht, als ich ihm nachweisen konnte, dass auch
hier die Regierung nicht verantwortlich ist, sondern dass durch
die sehr geschickte Formulierung die Regierung sich nur ver-
pflichtet, keine Massnahmen zu setzen, damit die im Vertrag vor-
gesehene Rücknahme des Atommülls durch die GKT möglich ist.
Die GKT muss aber die Lagerung finden. Ob im Inland oder im
Ausland bleibt ebenfalls ihr überlassen. Für mich ist die
einzige offene Frage, wie es nach dem Notenwechsel zwischen der
französischen und österreichischen Regierung gelingen wird,
ein Dauerlager im Inland oder im Ausland zu erreichen. Beim
Ausland sehe ich grosse Schwierigkeiten und im Inland leider
noch immer keine Gemeinde, die bereit wäre, ein solches ober-
irdisches oder auch unterirdisches Lager errichten zu lassen.
Die optimal beste Lösung wäre ja einen Ingenieurbau am Kraftwerks-
gelände selbst zu errichten. Dadurch könnten die Transportwege
zwischen abgebrannten Brennelementen, nachdem sie im Kompaktlager
abgeklungen sind und diesen Lager wesentlich verkürzt und am
sichersten transportiert, solange aufbewahrt werden, bis entweder


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die Wiederaufbereitung in Cogema, oder die endgültige Übernahme
der Brennelemente durch Amerika erfolgt ist. Wiesinger hat
vom Gemeinderatsbeschluss, dass sie einer solchen Errichtung
nicht zustimmen werden, erfahren und natürlich sofort dieses
Argument auch gegen mich ausgespielt. Er meinte, wie es nun
weitergeht, wenn die Regierung letzten Endes in absehbarer
Zeit, bevor die Betriebsbewilligung gegeben wird, entsprechende
Beschlüsse fassen muss. In einem Zwischenruf auf meine diesbe-
züglichen Erklärungen, dass mir der Gemeinderatsbeschluss sehr
wohl bekannt ist, aber vielleicht noch nicht endgültig ist,
meinte er, sie hätten ja nicht die Latte so hoch gelegt und
die vollkommen geschlossene Kette der Entsorgung verlangt,
sondern eben wir. Damit hat er vollkommen recht. Ich kann ihm
aber nicht einmal darauf entsprechend antworten, denn was würde
es nützen, wenn ich erkläre, von mir ging diese Idee nicht aus.
Wiesinger verlangte auch die Stellungnahme des Verfassungsdienstes
über die Vorgangsweise der Ratifizierung des Notenwechsels. Zum
Unterschied vom Gesundheitsministeriumsbeamten hatte Zluwa diese
Stellungnahme sofort parat und wir konnten sie, sogar zusätzlich
noch die Stellungnahme des Aussenministeriums, Völkerrechtsbüro,
sofort den Klubs übergeben.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte Wiesinger auch den Briefwechsel GKT –
Energiesektion, nachdem ich ihn gelesen habe, zustellen.

König hat wieder nur eine einzige Absicht, in die Entschliessung
resp. noch lieber in Form eines Gesetzesantrages des Handels-
ausschusses eine Sonderausgabe für Sonnenenergieaufwendungen der
Haushalte durchzuboxen. Androsch hatte Klubobmann Fischer zugesagt,
dass er bereit ist, für die vorzeitige AfA, für Aufwendungen der
Betriebe für Alternativenergien und für Energiesparen anzuer-
kennen. Die Aufwendungen für Kleinkraftwerke bis 10.000 kW hat
er noch nicht zugestimmt, doch bin ich überzeugt, dass er dies
früher oder später machen wird. König wollte von mir unbedingt
eine Verwendungszusage für seine Sonderpauschalidee. Er meinte,
im Justizausschuss hätte der Justizminister sehr wohl übernommen,
mit dem Finanzminister darüber zu verhandeln, als auch dort Einkom-
menssteueränderungen notwendig waren. Ich lehnte dies kategorisch
ab. Ich erklärte, mein Stil besteht darin, dass ich für meine


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Kompetenzen alle Arbeiten zu leisten habe, aber jeder Minister
seine Kompetenzen genau einhalten soll. Für mich war es voll-
kommen klar, dass König eine einzige Absicht hatte, mich vor
seinen Karren zu spannen. Sollte ich dann nicht erfolgreich
sein, könnte er immer wieder darauf hinweisen, dass der Handels-
minister ja zugesagt hat, er wird sich dafür einsetzen. Selbst
wenn Androsch oder die Finanzbürokratie dem zustimmen würde,
bin ich nicht bereit, einen solchen Weg zu beschreiten. Die
Schwierigkeit wird nämlich sofort auftauchen, wenn die Detail-
verhandlungen über dieses Problem beginnen. Abgesehen davon,
dass in einer jetzigen kritischen Budgetsituation der Finanzminister
eine ganz neue Idee, deren Auswirkung er gar nicht feststellen
kann, durch einen neuen Absetzbetrag kreiert. Die Abgrenzung
für, was man tatsächlich machen muss, um diese Solarenergie-
absetzung zu bekommen, wieweit dies geht, ob dann nicht im Laufe
der Verhandlungen die ÖVP auch nocht verlangen wird, alle energie-
sparenden Massnahmen, vielleicht dann z.B. auch Fensterabdichten
usw., zeigt, welch ungeheure umfangreiche Materie es dabei zu
regeln gibt. Ich kann mir kaum vorstellen, dass man hier sehr
leicht zu einer Einigung kommen wird.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte versuche über Büro Finanzministerium
zu klären, wie man sich dort die weitere Vorgangsweise vorstellt.

König versuchte natürlich mich auch mit Aussprüchen von Kreisky
zu konfrontieren. Auch hier hatte ich eine verhältnismässig sehr
kurze und eindeutige Antwort – hier soll er Kreisky selbst fragen.
Die Nachmittagssitzung war dann gegen Ende zu ausschliesslich
zwischen einem Dialog – KönigStaribacher – ausgefüllt. Da die
offenen Fragen, soweit sie das Handelsministerium betrafen, von
Zluwa schriftlich schon beantwortet vorlagen und wir einleitend
gleich einen ganzen Stoss von Material der Opposition zur Verfügung
stellten, hatte diese auch keine besondere Lust, dann zusätzliche
ergänzende Fragen zu stellen. Ausserdem war die Ermüdungserschei-
nung dann schon so stark, dass einstimmig festgestellt wurde, die
morgige Sitzung wird nicht mehr gebraucht. Als einzige letzte
Sitzung wird nun das Anhören der 27 anderen Atomkernkraftwerksgegner, ich glaube sogar ganztägig, durchgeführt. Bezüglich der
terminlich weiteren Vorgangsweise hat der Unterausschuss beschlossen,
die Einladung der KWU, Asse zu besichtigen, am Freitag den 9.6.



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zu akzeptieren. Ein früherer Termin war nicht möglich.
Klubobmann Fischer, der bei dieser Aussprache nicht dabei
war, hat mich nachher informiert, dass damit der Zeitplan,
den er mit Mock besprochen hat, durchkreuzt wird. Mein Versuch
nämlich, zu einer Beschlussfassung so zeitgerecht zu kommen,
dass wir noch ins Plenum des Nationalrates kommen können,
ohne die Ende-Juni-Sitzungen dafür zu benötigen, wurde ganz
entschieden abgelehnt. Die ÖVP wollte verständlicherweise den
möglichst späten Zeitpunkt und Heindl selbst meinte, es können
sich dann doch bei der Formulierung über die Entschliessung
so grosse differente Auffassungen ergeben, dass man mehrere
Sitzungen des Unterausschusses brauchen wird. Da aber ein
Handelsausschuss allein schon wegen der Marktordnungsgesetze-
koppelung mit den Wirtschaftsgesetzen dringendst notwendig ist,
wird wahrscheinlich der Vorschlag des Unterausschusses über
seine Termingestaltung vom Präsidium umgeworfen. König ver-
anlasste dies zu der Bemerkung, das Präsidium kann zwar festlegen,
wann die Handelsausschussitzung stattfindet, nicht aber, was dann
dort beschlossen wird. Hier hat er über seine Grösse gesprochen,
wollte sich nur stark machen, um zu demonstrieren, dass letzten
Endes er hier etwas bestimmt. Interessant für mich war aber, dass
er immerhin in seinem Forderungsprogramm einige Punkte aufgenommen
hat, wo die Handelskammer nicht genau aufgepasst hat. Z.B. will er
allen Ernstes verlangen, dass Freischwimmbäder nur mit Solar-
energie geheizt werden dürfen. Wenn eine zusätzliche Heizung
notwendig ist, so kann es sich nur um eine Zusatzheizung handeln.
Primär muss das Schwimmbad mit Solarenergie betrieben werden.
Wenn eine solche Solaranlage nicht angeschafft wird, dann ist
die Schwimmbadanlage zu verbieten. Ich habe ihn sofort darauf
aufmerksam gemacht, dass ich im Rahmen des Fremdenverkehrs eine
solche Lösung unter gar keinen Umständen akzeptieren kann. Noch
niemals habe ich gehört oder gelesen, dass die ÖVP eine solche
Alternativinitiative eingebracht hat. Wenn man nicht fördern kann,
denn bei Schwimmbädern sieht selbst die ÖVP ein, dass man keine
Förderung geben sollte, dann mit Verboten zu erzwingen, dass
Solarenergie verwendet wird, ist ein ganz neuer Zug. Ich glaube
überhaupt, dass wenn es zum Scheitern einer gemeinsamen Entschlies-
sung kommen sollte, wir dann politisch viel mehr diese, wie ich
sie bezeichnen würde, Zwangsbeglückung der ÖVP, ausgenützt werden
soll. Noch immer ist Heindl aber fest davon überzeugt, dass es


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zu einer einstimmigen Entschliessung kommt resp. zumindestens
er mit der ÖVP zu einem Akkord gelangt.

Im BAWAG-Gebäude auf der Landstrasse hatte die Privatange-
stelltengewerkschaft, Ortsgruppe Landstrasse, zu einem Empfang
mit allen Betriebsräten eingeladen. Die Filiale war wirklich
voll und es ergab sich dort eine sehr interessante Diskussion.
Insbesondere der Betriebsratsobmann Kulf vom AEZ, der gleich-
zeitig Funktionär der Privatangestellten Wiens ist, beschwerte
sich bitter bei mir, dass im Modezentrum doch Samstag, Sonntag
offen war resp. sogar verkauft wurde. Er war sehr beruhigt
von mir zu hören, dass ich selbstverständlich die Einhaltung
des Ladenschlussgesetzes mit allen Mitteln erzwingen werde.
Es wird hier sowie bei Carrefour, Metro, SCS usw. keine Ausnahme
gemacht. Gesetze, erklärte ich ihm dezidiert, sind für alle
gleich und müssen von allen respektiert werden.

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Tagesprogramm, 10.5.1978


Tätigkeit: Finanzminister
GND ID: 118503049


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    Tätigkeit: Beamter HM


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      Tätigkeit: Gesundheitsministerin


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        Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.


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          GND ID: 1017902909


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            Tätigkeit: Abg. z. NR, Klubobmann, ÖVP


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              Tätigkeit: BRO AEZ; GPA


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                Tätigkeit: -obmann


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                  Tätigkeit: FPÖ-NR-Abg.


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                    Tätigkeit: Bundeskanzler
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                      Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg., Personalchef Unilever


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                        Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                        GND ID: 102318379X


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