Freitag, der 28. April 1978

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Freitag, 28. April 1978

Die soz. Fraktion der Handelsministeriumsangestellten haben die
erste Wahl durchgeführt. Nicht weniger als 6 Listen wurden angeb-
lich aufgestellt resp. erwogen zu kandidieren. Es war daher
dann notwendig, um nicht womöglich einen Fraktionskampf vor den
Augen der Gegner abzuführen, einen 13-köpfigen Vorstand bei
ca. 130 Mitgliedern zu wählen. Als ich dies das erste Mal
hörte, traute ich meinen Ohren nicht. Was einige befürchteten und
ich niemals für möglich gehalten habe, ist eingetreten. Statt
dass gerade eine neue Fraktion, die bis jetzt im Handelsministerium
nie gegeben hat, geschlossen aufzutreten, haben wir dem Gegner
ein ganz schönes Spektakel gegeben. Plesch wollte mir zwar
erklären, dass dies letzten Endes doch ganz anders verlaufen ist
als man befürchtete, bleibt für mich doch der Eindruck, dass
hier die einzelnen Gruppen und Grüppchen in linkssektiererischer
Art nicht bereit sind, wirklich das Ganze zu sehen, sondern
jeder nur seine unmittelbare ständige Politik machen will. Plesch
hat also mit seiner ganzen Methode – Fraktionsbesprechungen,
ständige Kontakte, Abteilungsvertrauenspersonen usw. – nichts
erreicht. Das einzig Erfreuliche dabei ist, dass letzten Endes
dann bei einem 13-köpfigen Vorstand kaum für diese kleine
Fraktion von 130 Mitglieder gerade nicht sehr handelsfähig ist,
ein vierköpfiges Präsidium gewählt hat, das unter Wiesmüller,
Gustav Müller, Krehlik und Fischer, hoffe ich, die Probleme
besser meistern wird, als ich befürchte.

Die finnischen Journalisten interessierten sich vor der Reise
des Bundeskanzlers nach Helsinki bei mir natürlich einerseits
über die wirtschaftspolitische Situation Österreichs, andererseits
aber über die spezifische Standortfrage Österreichs gegenüber den
COMECON-Staaten, EFTA, EG usw. Interessant für mich war vor
allem die Frage, ob Österreich beabsichtigt, ein ähnliches Nahe-
verhältnis zur SU anzustreben und zwar auf die Art wie Finnland
dies seinerzeit mit einem Freihandelsübereinkommen machte. In
der Zwischenzeit wurde von den meisten COMECON-Staaten dieses
Freihandelsabkommen ebenfalls übernommen. Ich erklärte dezidiert,
dass dies gegen die österr. Neutralität und deren Handelspolitik
verstossen würde. Ausserdem konnte ich bei dieser Gelegenheit,


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den finnischen Kollegen mitteilen, dass ich nicht annehme,
Österreich würde von der EFTA oder auch von der EG dieselbe
Ausnahmeregelung wie Finnland bekommen. Letzten Endes war es
ja gerade das finnische Naheverhältnis und die Entwicklung
Finnlands nach dem zweiten Weltkrieg, die die westeuropäische
Staaten veranlasst haben, Finnland diese Sonderstellung einzu-
räumen. Da ich die Journalisten nicht näher kannte, hatte ich
nicht die Absicht ihnen weitere politische Details unserer
Politik zu erklären, vor allem nicht womöglich Kritik zu üben,
an der finnischen Politik, die manche "Kekkonens Schaukelpolitik"
ganz zu unrecht bezeichnen.

Ein Filmproduzent Morawetz hatte ich bei einer FWV-Diskussion
auf der Wieden kennengelernt. Dort hat er mir erklärt, er hätte
noch niemals eine Subvention bekommen und bräuchte auch keine,
ich weiss nicht, ob Morawetz ein Mitglied des Freien Wirtschafts-
verbandes ist. Auf alle Fälle war er auch diesmal nicht um eine
finanzielle Unterstützung gekommen, sondern er wollte mir nur ein
Problem vortragen. Die Sendung WIR – Urban – hat seine Idee
aufgegriffen und übernommen, die schönsten Familienabfahrten in
den österr. Alpen aufzunehmen, letzten Endes in der Sendung WIR
sowie Wandern und was es sonst noch alles gibt zu senden. Über
die finanzielle Aufteilung konnte keine Einigung erzielt werden,
obwohl ein solcher Film nur 90.000 S kostet. Der kaufmännische
Direktor Skala hatte ihm aber versichert, wenn in diesem Film
nicht eine deutliche Werbung aufgenommen ist, dann wird dieser Film
vom Fernsehen übernommen. Der für diese Frage zuständige Nidetzky
hat sich den Film dann angesehen und festgestellt, dass keine
Werbung damit betrieben wird. Das FS ist scheinbar sehr allergisch
auf alles, wo entsprechende Werbeaussagen für Firmen, Gemeinden usw.
enthalten sind. Zur grössten Verwunderung Morawetz' wird nun
aber trotzdem dieser Film nicht übernommen und gesendet. Ich habe
daher sofort bei Skala interveniert und zu meiner Freude feststellen
können, dieser erklärte, er wird den Film auf alle Fälle abstrahlen.
Nidetzky, der bei anderen ungeheuer penibel ist, soll selbst für Tour-
opa Filme drehen, d.h. bei anderen sehr streng urteilen und bei
sich selbst nicht einen so strengen Masstab anlegen.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte verfolge, was aus der ganzen Angelegenheit
weiter wird.



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Die chinesische Delegation ist tatsächlich in voller Stärke
nach Österreich gekommen und wird sich hier bis zum 11. Mai
aufhalten. Irgendwer erzählte mir, dass das Fernsehen die
Absicht hat, die Empfangsformalitäten der Delegation aufzunehmen,
dann ein Interview mit dem ersten chinesischen Minister in
Österreich und vielleicht sogar mit mir auch zu machen. Zum Glück
sind diese dann aber nicht erschienen. Ich halte es nämlich vom
wirtschaftspolitischen, aber vor allem vom aussenpolitischen
Standpunkt aus für sehr fraglich, ob es tatsächlich zweckmässig
gewesen wäre, eine so grosse Publicity diesem Ereignis zu
geben. Wenn der Aussenhandelsminister Patolitschew kommt,
schert sich das Fernsehen überhaupt nicht um ihn. Da die Russen
in dieser Frage aber äusserst empfindlich sind, war es mir nur sehr
recht, dass diese Aufzeichnungen überhaupt nicht zustandekamen.
Was mich aber andererseits wieder überraschte, war, dass nur
der Handelsdelegierte in Peking, vom Handelsministerium nur
MR Hillebrandt anwesend waren. In Hinkunft werde ich mich leider
auch noch darum kümmern müssen, damit eine adäquate Empfangs-
delegation wenigstens dort zur Verfügung steht. Bei den offiziellen
Essen, bin ich überzeugt, werden sich die Beamten nur so tummeln.
Übrigens vom Aussenamt war, glaube ich, dann auch irgendjemand in
der letzten Minute noch erschienen. Überhaupt hat sich bei der
Einladung dieser Delegation einiges ereignet, was mir gar
nicht passt. Zuerst wurde nicht geachtet und keinerlei Verhandlungen
mit dem chinesischen Botschafter in Wien geführt, sodass jetzt der
Streit entstanden ist, wer diese riesige Delegation bezahlen wird.
Die Handelskammer hat mir Recht gesagt, sie denkt nicht daran,
15 Leute oder noch mehr zu bezahlen. Min.Rat Ottahal soll daher
erklärt haben, ich hätte schon zugestimmt, dass das Handelsmini-
sterium den Rest übernimmt. Daran kann ich mich beim besten
Willen nicht erinnern. Ich habe nur immer wieder erklärt, wir
können der Handelskammer nicht alles überwälzen, doch sollten
die Firmen Teile davon tragen. In Hinkunft muss bereits bei der
Einladung klargestellt werden, wer alles von der Handelskammer,
wer eventuell von den Firmen und wenn es gar nicht anders geht,
einen ganz geringen Teil dann das Handelsministerium übernimmt,
d.h. wenn das Handelsministerium tatsächlich dann die Aufenthalts-
kosten bezahlt. Ausserdem ist das Programm auf alle Fälle zeit-
gerecht mir vorzulegen, damit ich entsprechende Änderungen
vornehmen kann.



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ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte in Hinkunft mir zeitgerecht die Aus-
landsreisen vorzulegen, auch vor allem zeitgerecht die ausländi-
schen Delegationen, die von mir eingeladen werden, vorzulegen.

Bei der Staatswappenüberreichung an DECOMETAL in Fürstenfeld
kam ich auf Wunsch des Firmenbesitzes neben dem Marburger
Bürgermeister zu sitzen. Dieser war 10 Jahre Generaldirektor
der FERROMETAL, die für die Verstaatlichte Industrie die
notwendigen metallurgischen Spezialprodukte erzeugt. Decometal
eine kleine private Firma, hat sich hier als Händler eingeschal-
tet, macht, glaube ich, phantastische Geschäfte und zeigt und nützt
die scheinbare Unbeweglichkeit der Verstaatlichten Industrie.
Ich habe es nie verstanden, dass diese nicht schon längst eine
eigene Verkaufs- und Einkaufsorganisation dafür geschaffen hat.
Den Marburger Bürgermeister versuchte ich davon zu überzeugen,
dass jetzt Österreich allein schon durch die Niederschlagung
der Anklage wegen Wahlverhinderung durch den Bundespräsidenten
daran interessiert ist, die Slowenenpolitik zu ändern. Die
Bundesregierung legt grössten Wert darauf und ganz besonders
der Bundeskanzler, dass die Slowenen jetzt in den Beirat womöglich
beitreten, um dort ihre spezifischen Probleme zu besprechen
und dann entsprechende Unterstützung zu gewähren. Der Bürger-
meister zeigte, wie er sich ausdrückte, auch an einer solchen
politischen Entwicklung grösstes Interesse. Die Wirtschafts-
beziehungen nämlich zwischen unseren beiden Ländern sind
an und für sich gut, ich kann nur hoffen, dass es jetzt auch
endlich gelingt, die politischen Beziehungen zu normalisieren.

Die Fa. Hanschmann besteht zwar 100 Jahre, hat einen Umsatz
von 100 Mio, grösstenteils allerdings Handel, und erzeugt
Betonsteine, Zementwaren, Terrazzosteine, also Baumaterial.
Die Firma möchte die Genehmigung zur Führung des Staatswappens
doch hat sie keinen Betriebsrat, weshalb sie sich vom Prä-
sidenten der Arbeiterkammer Ileschitz entgegen dem seinerzeitigen
Referentenvorschlag der AK negative Stellungnahme abgegeben wurde.
Die SPÖ dagegen möchte dies korrigiert wissen. Ein Vertreter des
Freien Wirtschaftsverbandes hat mir beim Empfang, der dort,
und wo ich mich sofort in eine Diskussion mit den anwesenden
Unternehmern einliess, die meisten interessantesten und härtesten


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Frage gestellt. Da er gleichzeitig Stadtrat von Graz ist,
Namen habe ich leider vergessen, entwickelte sich eine ganz
interessante Diskussion. Die Firma selbst, 60 Beschäftigte,
ist auf Betriebsstellen aufgeteilt. Was der Schwiegersohn
Dr. Ehlers, der jetzt den Betrieb führt und selbst 15 Jahre
Betriebsrat und Angestellter bei anderen Firmen gewesen ist,
mit Recht erklärt, er hätte gar nichts dagegen, nur die
Gewerkschaft bringt einen Betriebsrat nicht zustande.

ANMERKUNG FÜR BURIAN: Verständige bitte die Gewerkschaft und
lass Dir über den ganzen Fall noch einmal berichten.

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Tagesprogramm, 28.4.1978

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: Beamter HM, Fraktion soz. Beamter im HM


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Filmproduzent


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Kabinett Staribacher


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: MR HM


        Einträge mit Erwähnung:
          GND ID: 1017902909


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: MR, Büro des Bundesministers


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Kfm. Dir. ORF


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: MR HM


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Beamter HM


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: steir. AK-Präsident


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: MR HM


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Beamter HM, Jurist


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: ORF


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Beamter HM, u.a. zuständig f. Protokollfragen


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: sowj. Außenhandelsminister


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                                Tätigkeit: GF Fa. Hanschmann, Graz


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: ORF


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                                    Tätigkeit: Präs. Finnland


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