Mittwoch, 12. April 1978
Eine Sekretariatsbesprechung ergab, dass die Kollegen wegen
Erledigungen von Interventionen jeder einzelne dafür verantwort-
lich ist, dass diese auch zeitgerecht erfolgt. Um die Interessen
der einzelnen Kollegen weitestgehend zu berücksichtigen, wurde
bei der Kompetenzaufteilung auf deren Wünsche Rücksicht genommen.
Voraussetzung, dass dies dann aber funktioniert ist, dass sie
untereinander besser kooperieren, weil bei den Einzelentscheidungen,
wer was bearbeitet, von mir aber auch teilweise von der Kollegin
Wiesinger es äusserst schwer ist, endgültig zu bestimmen, wer dafür
zuständig ist. Da ich nicht beabsichtige, einen Kabinettschef zu
ernennen, muss eine kollegiale Zusammenarbeit in dem Team statt-
finden, weil ansonsten die Effizienz des Sekretariates sehr
leidet. Wichtig erscheint mir weiter, dass nicht nur die Tagesarbeit
erledigt wird, sondern auch die Kollegen entsprechende analytische
Arbeit entweder selbst machen oder zumindestens anregen. Wir
dürfen, und dies gilt nicht allein ausschliesslich für das
Haus, nicht nur reagieren, sondern müssen agieren durch Disziplin
und Teamarbeit. Das System der Freizügigkeit, wie ich es stets
gehandhabt habe, setzt entsprechende Einsatzbereitschaft voraus.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Sollte, was ich nicht glaube, die Ab-
meldung nicht funktionieren, dann bitte mich sofort davon ver-
ständigen.
Bei der 110-Jahre-Feier für Freissler-Otis konnte ich neuerdings
feststellen, dass die Firma die Gäste eine Viertelstunde früher
einladet als sie mir den Beginn sagen. Dies ist mir ungemein
peinlich. Ich hasse nichts so sehr, wenn angeblich auf mich ge-
wartet wird. Bei meiner Festansprache konnte ich, da ich einige
Daten von der Firma hatte, einen ganz humorvollen und doch inter-
essanten Rückblick geben. Natürlich verwies ich dann auch auf
die seinerzeitige Studie der Arbeiterkammer, wo Überlegungen ange-
stellt wurden, alle österreichischen Aufzugsfirmen zusammenzu-
schliessen, bevor sie sich mit ausländischen Firmen als ersten
Schritt zur Kooperation und als zweiten Schritt dann kapitalmässig
von diesen aufgekauft werden, entschlossen. Heute bezweifel ich,
ob der Zusammenschluss aller österr. Aufzugsfirmen wirklich
der zweckmässige Weg gewesen wäre. Wenn man bedenkt, dass damals
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die Elektronik der Aufzüge Österreichs vollkommen unzulänglich
war, dass man aus diesem Grund allein schon ausländische Koope-
rationen brauchte, dass sich aber jetzt herausgestellt hat, dass
selbst die Fa. Otis die Elektronik nicht mehr allein weiter-
entwickeln kann, sondern mit einer noch grösseren Elektronik-
firma kooperieren muss, dann war vielleicht wirklich der einzige
Ausweg, sich ausländischen Partnern kapitalmässig auszuliefern.
Die Arbeitsplätze wurden wahrscheinlich damit in Österreich für
diese Branche gesichert.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte die Terminabstimmung und alle Unter-
lagen immer zeitgerecht verlangen.
Der russische Vizeminister Guruschkin berichtete mir beim Mittag-
essen, das ich für ihn gab, dass es ungeheuer schwierig ist,
jetzt schon konkrete Wünsche der österr. Autozulieferer resp.
eventuelle Kooperationen konkret zu verhandeln. Seiner Meinung
nach ist die sowjetische Seite noch nicht so weit, die Aussenhan-
delsorganisationen damit zu beschäftigen. Innerhalb der SU muss
erst studiert werden, wie weit die Anregungen des Bundeskanzlers
für die PKW-Produktion und auch die des Ministerpräsidenten
wegen Kooperation und Teilelieferungen der schweren LKW von
bis 200 t verwirklicht werden können. Hier handelt es sich um
langfristige Perspektiven, an denen beide Seiten grosses Inter-
esse haben sollten. Der Branchenreferent Fellner berichtete mir,
dass es zwischen Semperit und Guruschkin zu einer schweren Aus-
einandersetzung gekommen ist. Der Semperit-Vertreter hat sich
angeblich so unmöglich benommen, dass Guruschkin erklärte, mit
dieser Firma will er nichts mehr zu tun haben. Fellner meinte, ich
sollte diesbezüglich Guruschkin fragen. Dies hätte allerdings be-
deutet, dass nur die Situation sich verschlimmert hätte. Ich war
zwar auf eine eventuelle Anfrage von ihm gefasst, doch hat er
kein Wort erwähnt. Fellner wird überprüfen, was an dieser Be-
schuldigung wahr ist.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte kontrolliere, was hier wirklich vorge-
gangen ist.
Der sowjetische Botschafter Jefremow zählte mir auf, wer in
nächster Zeit aller nach Österreich kommt. Da er die Minister
Baibakow und Patolitschew zur ÖMV-Gasfeier nicht erwähnte,
machte ich ihn darauf aufmerksam. Seine Antwort war, darüber
wurde er als Botschafter nicht informiert. Damit haben wir einen
grossen Fehler gemacht, weil Fälbl diese Einladung über die
österr. Botschaft in Moskau schickte.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Veranlasse, dass in Hinkunft immer eine
Durchschrift dieser Einladung dem jeweiligen Botschafter in Wien
übergeben wird.
In der Paritätischen Kommission hatte der Bundeskanzler den
Vorsitz und die Tagesordnung wurde wie üblich abgewickelt.
Interessant war nur, dass Anträge der Nahrungs- und Genussmittel-
industrie zurückgestellt wurden, weil vorerst die Löhne, welche
schon freigegeben sind resp. wurden abgehandelt sein müssen.
Nach Abwicklung der Tagesordnung gab es eine heftige Diskussion
zwischen Gen.Sekr. Mussil und mir wegen der Wirtschaftsgesetze.
Sallinger und Mussil stehen auf dem Standpunkt, dass die Paket-
lösung nach wie vor existiert und dass es keine Vereinbarung zwischen
der Landwirtschaft und der SPÖ-Seite gäbe. Natürlich habe ich sofort
vom Klubobmann Fischer die entsprechenden Präsidialbeschlüsse ver-
langt und sie auch dann den beiden gezeigt. Sallinger hat zur Be-
kräftigung seiner Theorie, dass trotzdem nichts gegen die Handels-
kammer entschieden werden kann, Klubobmann Mock beigezogen.
Aus diesem Vorgang und vor allem der heftigen Reaktion kann
ich entnehmen, dass sie der Alleingang der Landwirtschaft
nicht nur sehr ärgert, sondern zutiefst beunruhigt. Mussil wollte
mich unbedingt drängen, dass ich unverzüglich eine Regierungsvorlage
einbringe. Ich erklärte mich dazu ausserstande, denn wir hatten
vereinbart, dass ich nach einer entsprechenden Begutachtungsfrist
die Verhandlungen mit den Sozialpartnern aufnehmen würde. Dies
sei durch das einseitige Vorgehen der Landwirtschaft jetzt nicht mehr
möglich. Mock deutete mir gegenüber vorsichtig an, dass er mit
Klubobmann Fischer ja gesprochen hätte und dieser einen Initiativ-
antrag einbringen würde. Meine Antwort war, damit habe ich nichts
zu tun, da es unserer Vereinbarung zwischen Handelskammer und mir
widerspricht. Wo immer die ÖVP momentan agiert, insbesondere dort
wo sie nicht nur attackiert, sondern Verhandlungen führt, kommt
es zu entsprechenden Differenzen ihrer Bünde. Dass sie dadurch
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kein einheitlich geschlossenes Verhalten zeigen kann, ist für
sie wirklich verheerend.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Man sollte die Medien informell auf diese
geänderte Situation – informell und inoffiziös – in der näch-
sten Woche aufmerksam machen.
Die österr. Baufirmenvertreter, denen ich über die Möglichkeiten
der Kooperation und Zulieferung für die DDR Bauaufträge eine
ausführliche Information gab, waren dafür sehr dankbar. Einige haben
schon mit der DDR diesbezügliche Geschäfte in der Vergangenheit
gemacht und teils gute Erfahrungen, teils aber dann Schwierigkeiten
für Abrechnung von zusätzlichen Leistungen gehabt. Ich empfahl
ihnen, in Hinkunft sich in diesem Fall an das Handelsministerium
zu wenden, wir würden uns entsprechend einsetzen, wie ich das
ja auch im Iran für österr. Baufirmen machte. Die Baufirmen werden
jetzt mit dem Handelsrat der DDR, Krüger, Kontakt aufnehmen, wenn
im Mai Staatssekretär Beil kommt und Zeit dafür bleibt, versprach
ich eine Zusammenkunft zwischen den Baufirmen und ihm.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte einen Termin einplanen.
Die Generaldirektoren der RAG werden nach Hamburg fahren, um dort
zu versuchen, zusätzliche Gasmengen aus Deutschland zu importieren.
Die RAG hat 1977 über 700 Mill. m3 ihren höchsten Ertrag aus
der heimischen Produktion gehabt. Da sie trotz Exploration
kaum rechnen kann, eine so hohe Produktion aufrechtzuerhalten,
beabsichtigt sie, zusätzliche Mengen zu importieren. Da die
Preise aber bei 1.60 S ca. liegen, möchten sie von mir eine
Zustimmung, wie die Preisbehörde diesen Fall behandeln würde.
Ausserdem beabsichtigt sie ein Gasspeicherlager in einem alten
Gasfeld anzulegen. In beiden Fällen konnte ich ihnen zusichern,
wird die Preisbehörde bei der Preisfestsetzung diese Umstände
berücksichtigen. Ob sie allerdings das 1.60 S-Gas in Österreich
verkaufen kann und wem sie dieses anbietet, bleibt ausschliesslich
ihr überlassen. Gen.Dir. Ebeling von Mobil, der erst kurze
Zeit in Österreich ist, hat noch nicht die Erfahrungen und meinte,
eine betriebswirtschaftlich akzeptable Gaspreisregelung sei
auf Grund unseres Preisrechtes unmöglich. Theoretisch kann er
da vielleicht sogar recht haben, in der Praxis erwiderte ich,
wird in Österreich nicht mit deutscher Gründlichkeit eine bis
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ins extreme Detail gehende Betriebswirtschaftsprüfung und dann
Preisprüfung vorgenommen, sondern es handelt sich um eine Kompro-
misslösung der Sozialpartner mit dem Handelsministerium. Da
es Dr. Neuhold, der übrigens anwesend war, auch in der Vergangen-
heit geglückt ist, ein von allen akzeptiertes Kompromiss zu
finden, zweifle ich nicht, dass dies auch bei der RAG-Preis-
festsetzung ihm gelingen wird. Das Handelsministerium und ich
persönlich werden uns zumindestens sehr dafür einsetzen. Die
RAG hätte am liebsten, wenn wir die Kosten von 1951, wo sie die
Gasproduktion begonnen hat, bis zur Erschöpfung der Felder 1981,
also die 30 Jahre hindurch gleichmässig berücksichtigen, aufteilen
und daraus den Abgabepreis bestimmen. Dadurch wäre das Risiko-
kapital und deren Verzinsung einbezogen. Eine solche Zusage konnte
und wollte ich gar nicht machen. Der andere Extremfall wäre,
man nimmt nur die Gestehungskosten des Jahres 1977, die auf
die grosse Gasmenge bezogen verhältnismässig gering sind, und be-
stimmt auf Grund dieser den Preis. In diesem Fall würde die betriebs-
wirtschaftliche Notwendigkeit, wie es das Preisgesetz vorsieht,
zum Nachteil der Firma ausschlagen. Hier wird ein Kompromiss-
preis dann als volkswirtschaftlich gerechtfertigt zu begründen sein,
der ausnahmsweise einmal über dem betriebswirtschaftlich not-
wendigen auf das eine Jahr bezogen, da er doch einen längeren
Zeitraum umfassen soll, höher sein.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte besprich dieses Problem mit dem
AK-Vertreter.
Abg. Wille erzählte mir, dass die Enquete der Metallarbeiter
über die Energie- und Rohstoffversorgung ca. 300.000 S ihnen
gekostet hat. Darüber war ich sehr überrascht und sagte, dies
kann sich nur eine grosse starke Gewerkschaft leisten. Noch
mehr überrascht war ich aber, als er mir mitteilte, auch ich
hätte 6.000 S Referentengebühr zu bekommen gehabt. Ich erklärte
ihm sofort, dass noch niemals mir jemand etwas bezahlte und
dass wenn er schon Geld dafür ausgibt, er dies der Volkshilfe
Landstrasse überweisen soll.
Das wichtigste Ereignis des Tages aber war sicherlich das
Europacup-Spiel Austria gegen Dynamo. Wie sehr dieses auch ins
Parlament mitwirkte, zeigt, dass Klubobmann Fischer eine Verein-
barung traf, dass es jetzt dem Fussballausschuss Europacup gibt,
der 5:4:1 besetzt wird, damit unsere Fussballfanatiker wie
Heindl, Blecha und andere das Spiel besuchen können. Selbst-
verständlich war dies nur möglich, nachdem das Strassen-
förderungsgesetz beschlossen war und der Misstrauensantrag der
ÖVP gegen Androsch bei vollkommener Präsenz der Regierungsfraktion
und etlichen nicht vorhandenen ÖVP-lern abgelehnt wurde. Provokant
sagte ich zu Heinz Fischer, da ich selbstverständlich bis zum
Schluss des Parlamentes im Hause blieb, es gibt eben doch zwei ver-
schiedene Masstäbe für Abgeordnete, die einen, auf die man Rücksicht
nimmt und die anderen, wozu ich mich allerdings unrichtigerweise
zähle, die eben stets immer hier bleiben müssen. Da ich persönlich
überzeugt bin, dass ein Klub nur existieren kann, wenn er
absolute Disziplin hat und hält, stehe ich auf dem Standpunkt,
dass sich gerade ein Minister der grössten Disziplin befleissigen
muss. Natürlich hätte ich oft andere Verpflichtungen, würde
sicherlich auch die Abwesenheit durchsetzen und vertreten können,
doch möchte ich aus dem oben angegebenen Prinzip eine solche
Sonderstellung gar nicht verlangen. Aus der Diskussion, die ich
heute mit ÖVP-lern hatte, habe ich einmal mehr die Überzeugung
gewonnen, dass unser diszipliniertes Verhalten und die absolute
Anwesenheitspflicht uns eine ungeheure Stärke gegenüber der Oppo-
sition gibt. Daran dürfte sich nichts ändern. Ich persönlich
werde zumindestens mein Möglichstes dazu beitragen.
Tagesprogramm, 12.4.1978
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)