Mittwoch, 5. April 1978
Wieder einmal den ganzen Tag Unterausschuss über Kernkraft-
werk im Parlament. Bei der Fraktionsbesprechung stellte sich
schon heraus, dass der Wechsel unserer Taktik bei der letzten
Sitzung allgemein anerkannt wurde. Während wir früher den
Fehler gemacht hatten, die Atomgegner als erstes zu Wort kommen
zu lassen, war beim letzten Mal unsere Taktik voll aufgegangen,
nämlich, dass Prof. Grümm, oder ein anderer, der eben positiv zur
Kernenergie steht, die Diskussion mit einem Statement oder durch
Stellung entsprechender Fragen einleiten sollte. Damit bekam, resp.
wurde die Diskussion schon in eine positivere Richtung gelenkt.
Bei der Eröffnung des Unterausschusses – bevor die Experten kamen –
hat Dr. König sogar noch zusätzlich erklärt, das Verhalten von
Atomgegner Prof. Tollmann, der ausserhalb des Ausschusses dann
öffentlich ganz gegenteilige Aussagen machte, u.a. das Kernkraft-
werk Tullnerfeld sei auf Grund der Wasserrechtsfrage gesetzes-
widrig errichtet, sei unverantwortlich. König erklärte, er teile
meine Meinung, dass Experten wirklich nur dort Aussagen machen
sollten, wo sie Experten sind. Zu unserer aller Überraschung haben
dann die Atomgegner-Experten, insb. Dozent Weiss und Dipl.Ing.
Papousek, als sie zur Sitzung gerufen wurden, sofort erklärt, sie
protestieren dagegen, dass man ihnen durch die Abgeordneten nach
Presseerklärungen in den Mund legte, sie hätten gegen den nor-
malen Betrieb keine Bedenken. Der Vorsitzende Staudinger hat ihnen
dann die Protokolle entgegen gehalten, wo sie tatsächlich bei
der Zusammenfassung eine solche Erklärung abgegeben haben. Natür-
lich brach dann sofort wieder die Diskussion über die Strahlungs-
schäden resp. Strahlungsmengen in voller Wucht aus. Weiss hatte
das letzte Mal verlangt, man sollte ihm die entsprechenden Para-
meter mitteilen, damit er auf Grund der Abgabemengen die Schädigung
der Umwelt errechnen könne. Dies ist geschehen, doch will er jetzt
nicht nur die entsprechenden Abgabemengen, sondern überhaupt die
Berechnung, d.h. die Gutachten vorgelegt haben, damit er sie
nur nachprüft. In diesem Fall hätte er mehr, als wenn er nur
Parteienstellung hat, die ihm ja bekanntlicher Weise auch nicht
zuerkannt wird. Da ich das Strahlenschutzgesetz nicht sehr genau
kenne, vor allem aber die Vorgangsweise und Methode des Gesund-
heitsministeriums, habe ich mich immer auf die Gewerberechtsver-
handlungen zurückgezogen und erklärt, dass es dort auch nicht
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üblich ist, dass jemand in den Akt Einsicht bekommt, indem
ihm die Gutachten zur Verfügung gestellt werden. Während der
Diskussion stellte sich dann heraus, dass am Zaun nicht, wie
auch im Regierungsbericht steht, ein Millirem als Höchstgrenze
errechnet wurde, sondern dass die maximale Ausstrahlung 10 Millirem
sein können. Ein Millirem, und wahrscheinlich auch sogar noch
weit darunter, ist nur die normale durchschnittlich errechnete,
von den deutschen Kernkraftwerken nachgewiesene Menge. Diese
Diskussion spielte sich zu einem Zeitpunkt ab, wo ich mit dem
italienischen Fremdenverkehrsminister die Pressekonferenz hatte.
Als ich zurückkehrte, wurde ich von der Abg. Hubinek mit dieser
Frage konfrontiert. Die war wieder das letzte Mal, als wir dieses
Problem diskutierten, nicht anwesend und stützte sich nur auf
Protokolleinsicht und Aussagen. Gegenüber diesen Berechnungen be--
hauptete Doz. Weiss, dass 170 Millirem nach angeblich seinen Be-
rechnungen abgestrahlt werden. Da er wegen seiner Erklärung in
der letzten Aussprache, der Normalbetrieb sei problemlos, scheinbar
sehr verärgert war, sprach er diesmal auch, man sollte entweder
den Atomgegnern alle Unterlagen zur Verfügung stellen, oder auf ihre
Meinung resp. Anwesenheit verzichten, denn sie möchten keine Alibi-
handlungen der Regierung decken, Heindl und Fischer damit sehr
ärgerte, erklärten diese, dort ist die Tür, er könnte ja weg-
gehen. Hubinek protestierte sofort dagegen und meinte, dies sei
ungeheuer, denn sie hätten ja gerade die Atomkerngegner als
Experten gewünscht. Staudinger, der Vorsitzende, der wirklich sehr
objektiv sich bemüht zu sein, hat ganz energisch durchgegriffen
und erklärt, der Unterausschuss hat beschlossen, dass die Ex-
perten gehört werden und der Unterausschuss bestimmt auch, ob sie
noch zu hören sind oder nicht. Fischer ärgerte sich über seine
Äusserung, wie er mir nachher unter vier Augen sagte, sehr, sein
Temperament geht halt immer wieder durch. Ich tröstete ihn und meinte,
das liegt halt noch teilweise an seiner Jugend, doch kann ich ihn
andererseits auch gut verstehen. Die Behauptung, die Regierung macht
nur eine Alibihandlung, ist wirklich unverantwortlich für einen
Experten. In der Mittagspause hatten wir dann eine fraktionelle
Besprechung, wie wir das Problem mit der Abgabemenge, Umrechnung
in die Rembelastung der Umgebung, mit anderen Worten, die Differenz
1 Millirem am Zaun und maximal 10 Millirem erklären können. Bei
dieser Gelegenheit stellte sich heraus, dass ich sehr wohl den
Bericht richtig zitiert habe, denn dort steht 1 Millirem am Zaun,
dass andererseits aber auch die maximal 10 Millirem in einem Detail-
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bericht erwähnt werden, wo ebenfalls aber 1 bis 2 Millirem am
Zaun beschrieben werden. Alle waren überrascht, als SR Vychytil
vom Gesundheitsministerium explizierte, dass jetzt neuerdings Be-
rechnungen von Experten durchgeführt werden. Der Meteorologe
Trimmel hat allerdings seine Funktion zurückgelegt, ein anderer
wurde bestellt und die Berechnungen können erst in einigen Wochen,
vielleicht sogar erst Monaten abgeschlossen werden. Befriedigend
ist dieser Zustand wahrlich nicht, wie allgemein festgestellt
wurde.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Versuche über die GKT zu klären, was hier noch
alles sonst noch offen ist.
Am Nachmittag ist dann die zweite Frage über die Sicherheit des
Reaktorgefässes, insbesondere die Problematik der Schweissnaht
wesentlich besser gelaufen. Abg. Wiesinger hat bereits zwei schrift-
liche Anfragen an den Bautenminister wegen dieser Frage gestellt.
Auf Grund der Antwort dieser schriftlichen Anfragen wollte Wiesinger
den ehemaligen MR Eisler, der als Nicht-Schweisstechniker – wie
man erzählte – frühzeitig in Pension ging, weil er sich nicht
durchsetzen konnte, zur Aussage bewegen, dass der Druck im Reaktor-
gefäss als zu hoch angesetzt wurde und vor allem diverse Schwachstellen
letzten Endes doch genehmigt wurden. Sowohl der jetzige dafür zu-
ständige Abteilungsleiter und vor allem auch ein Professor aus der
Steiermark sowie vom Technischen Überwachungsverein Dr. Zeman,
haben schlüssig nachgewiesen, dass keine wie immer geartete Gefahr
besteht. Auch der MR Eisler hatte letzten Endes zugegeben, dass
tatsächlich alle Vorkehrungen bezüglich der Kontrolle, bezüglich
der Berechnungen mit entsprechenden Sicherheitsfaktoren und vor
allem auch hinsichtlich der Drücke vollkommen richtig sind und
absolut ungefährlich. Wiesinger war über dieses Ergebnis sehr
verärgert und vor allem erstaunt, dass der MR nicht die Gelegenheit
nützte, um sein persönliches Ressentiment entsprechend abzuladen.
Unbefriedigend war Nachmittag aber wieder die Diskussion wegen der
Strahlungsschäden. DER FPÖ Experte NR Scrinzi versucht ständig
darzulegen, dass jedwede noch so geringe Strahlung durch Treffer-
zufall auf eine Zelle im menschlichen Körper stossen kann, wo
dadurch Karzinome ausgelöst werden. Dies, erklärte er mir dann sogar
unter vier Augen, könne von noch so schwach strahlender, auch nur
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l Millirem betragenden Dosis geschehen. Ich konterte sofort
dagegen und erklärte, dann müsse er als verantwortlicher Arzt,
dass das Fernsehen sofort verboten wird. Gegen die terrestrische
und kosmische Strahlung, meinte er, könne man sich nicht schützen,
weshalb eben jede zusätzliche künstliche Strahlungsmenge ge-
fährlich ist. Dann müsse er aber alles daransetzen, dass die
Fernsehproduktion sofort verboten, die Apparate zerschlagen,
weil dort auch die 1 bis 2 Millirem abgestrahlt werden. Seine
Entschuldigung, diese Strahlung geschieht nicht Tag und Nacht,
wie eben die am Zaun des Kernkraftwerkes, kann ich wieder nur so
erwidern, dass auch mindestens normal ein Fernseher soviel Stunden
vor dem Apparat verbringt, als man wahrscheinlich sich in der Nähe
des Zauns aufhält. Da die FPÖ ja von vorneherein erklärt hat, dass
sie gegen die Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes Zwentendorf ist,
ist Scrinzi natürlich jede Argumentation recht. Wiesinger
attackierte ich wieder freundschaftlich sehr hart, bezeichnete ihn
als einen Mörder, wenn er als Arzt weiterhin Röntgenuntersuchungen
anordnet. Er sagte genauso freundschaftlich, er sei kein Röntgeno-
loge, Leodolter aber bewiess ihm, dass er Rückenmarkröntgen sehr
oft anordnen musste, welche die gefährlichsten sind, die man sich
vorstellen kann. Leodolter hat mir, dann aber auch gegenüber dem
Vorsitzenden Staudinger erklärt, dass diese Art der Diskussion und
der langwierigen Aussprachen im Gesundheitsausschuss, wo Scrinzi
Vorsitzender ist, gang und gäbe sei. Demgegenüber musste ich Stau-
dinger erklären – und dies habe ich sehr gerne getan, dass wir im
Handelsausschuss ganz eine andere Arbeitsmethode und ganz ein andere
Klima haben. Staudinger selbst ist nach wie vor davon fest über-
zeugt, dass trotz des ungeheuren noch zu fragenden und klärenden Ge-
bietes spätestens in die Mai-Sitzung des Plenums die ganze Materie
bringen kann. Ich bezweifle dies zwar, doch hat Staudinger erklärt,
er ist davon fest überzeugt.
Die Pressekonferenz mit dem italienischen Fremdenverkehrsminister
im Bristol war sehr schwach besucht. RR Puffler hat, davon bin
ich überzeugt, sein Möglichstes getan, doch war das Thema gar
nicht so interessant, die Person schon gar nicht – er ist erst kurz
überhaupt Minister – und wahrscheinlich besteht für die Touristik-
probleme zwischen Österreich und Italien kaum ein starkes Interesse.
Da diese Pressekonferenz vom italienischen Minister gewünscht wurde,
habe ich ihm zu seinem Trost dann für den Herbst auf eine Jagd einge-
laden. Der italienische Botschafter, selbst ein Jäger, ist von
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dieser Idee natürlich begeistert.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Dies muss ich mit Minister Haiden besprechen.
Die ÖMV-Fraktion vom BSA hat mich zu einer Diskussion eingeladen.
Wie der Vorsitzende mir einleitend gleich erklärte, haben sie
Interesse über die Förderzinsregelung, Gas- und Ölpreisfestsetzung,
Versorgung mit Billiggas der Linz-Chemie und allgemeine Energie-
situation, insbesondere aber Kernkraftwerk, von mir Detailinfor-
mationen erwartet. Durch diese Einleitung konnte ich gleich auf die
einzelnen Wünsche und Fragen sehr detailliert eingehen und brauchte
erst nicht ein allgemein gehaltenes Energiereferat halten. Da auch
die Direktoren Feichtinger und Meszaros von der ÖMV und Fischer
von Elan anwesend waren, konnte ich diese einige Male als Zeuge
zitieren. Anhand der gewünschten Auskünfte und Beispiele konnte
ich schon, glaube ich, eindeutig nachweisen, dass ich mich gegen-
über der ÖMV sehr wohl verhalte. Vom Standpunkt der Belegschafts-
mitglieder hätte ich sicherlich noch wesentlich mehr für diese
Unternehmungen tun können. Hier musste ich ihnen schon erklären, dass
ich auch als Konsens-Politiker bestrebt sein muss, mit der Handels-
kammer, die ja doch mehr oder minder auch die internationalen
Ölgesellschaften vertritt, als auch mit der Arbeiterkammer, die
insbesondere die Konsumenten vertritt, versuchen muss, zu einem
Akkord zu gelangen. Dies ist mir seit 1970 gelungen und ich werde
diese Politik auch fortsetzen. Anschliessend an diese Aussprache hat
Feichtinger mich gefragt, wie er sich jetzt gegenüber der Arbeiter-
kammer, Maurer, verhalten soll, der ständig auf eine Aussprache wegen
Benzinpreissenkung drängt. Ich empfahl ihm, mit diesem eben ent-
sprechende hinhaltende Gespräche zu führen und vor allem die verlangte
Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Ich persönlich möchte keine
amtliche Preisregelung für Benzine neuerdings durchführen. Im Zuge
der Energiesparpolitik wäre eine Benzinpreissenkung überhaupt nicht
zu verantworten. Die ursprüngliche Idee der Arbeiterkammer, der
Finanzminister soll eine weitere Mineralölsteuererhöhung dekretieren,
wurde von diesen ja entschieden abgelehnt. So sehr solche Referate
und Diskussion im kleineren Kreis für die dort Anwesenden vielleicht
interessant sind, so sehr kann ich mit ruhigem Gewissen sagen,
bringen sie wahrscheinlich, politisch gesehen, sehr wenig. Niemand
soll aber behaupten können, dass ich nicht fast jede Einladung,
die einigermassen zeitmässig von mir abgedeckt werden kann, annehme.
Der Arbeitsaufwand steht aber, glaube ich, in keinem Verhältnis zu
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den wirklichen politischen Erfolg. Meiner Meinung ist er bei allen
Veranstaltungen im kleinen Kreis, wo sicherlich nur Genossen sind,
fast Null.
Im Parteipräsidium wurde die Umbesetzung der Aufsichtsräte
in der Energiewirtschaft beschlossen und Marsch ersuchte mich
daran teilzunehmen. Bevor es so weit war, hat er unter Orga-
nisationsangelegenheiten den Vorschlag unterbreitet, für Funktionäre
der Partei nach 10 Jahren eine von einem Silberkranz umrandete kleine
rote Nelke und nach 20 Jahren ein mit Goldkranz umrandete rote Nelke
zu geben. Kreisky wollte dieses Abzeichen überhaupt verbreitern
und daher nicht nur Funktionären, sondern jedem Mitglied. Andere
waren wieder der Meinung, man könne nicht von Silber für 25 und
Gold für 40 abgehen. Eine furchtbar lange Debatte – meiner Meinung
nach für vollkommen unwichtige Frage. Benya erwähnte mir gegenüber,
das lösen wir im Gewerkschaftsbund wirklich alles ganz anders und
vor allem schneller. Damit hat er vollkommen recht. Die Umbe-
setzung der Aufsichtsräte ging dann blitzschnell über die Runden.
LHStv. Czettel erwähnte nur, dass durch die Reduktion jetzt Nieder-
österreich überhaupt keinen Vertreter im Donaukraftwerk hat. Ich
versprach ihm, eine Person zu nominieren, der ihn ständig informiert.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte beim nächsten Treffen mit Bandhauer und
mir diesen diese Funktion vorschlagen.
Tagesprogramm, 5.4.1978
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)