Mittwoch, der 18. Jänner 1978

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Mittwoch, 18. Jänner 1978

Der Besitzer von der Loba-Chemie Dr. Löw-Beer ersuchte mich,
bei den Autoimporteuren, insbesondere VW-Werkseinkäufern, zu inter-
venieren, damit sein Konservierungsmittel gekauft wird. Auch bei
Steyr-Daimler-Puch war es ihm bis jetzt nicht möglich, einen
Vertrag abzuschliessen, obwohl, wie er meinte, die riesigen Importe
von ausländischen Autos für Loba-Chemie eine gute Produktionsgrundlage
wäre. Interessant für mich war hauptsächlich seine Begründung:
Bis jetzt hätte es die freie Marktwirtschaft gegeben, weshalb das
Handelsministerium sich nicht um die einzelnen Firmen gekümmert
hätte. Jetzt aber sei Gott sei Dank ein neuer Zug und nun hoffe er,
dass österr. Firmen in ihrer Existenz damit gesichert werden.

ANMERKUNG FÜR PLESCH: Woher kam dieser Dr. Beer

Die Präsentation von den Ergebnissen der Regierungsklausur durch
Kreisky und Androsch im Parlament veranlasste mich, wenigstens den
ersten Rednern – Peter, Taus und teils Veselsky – von der Regierungs-
bank aus zuzuhören. Peter griff insbesondere die Tatsache auf,
dass die 577 Mia S bereits in einem Bericht des Finanzministeriums
vom Oktober vorigen Jahres dem Parlament zugeleitet und im Finanz-
ausschuss jetzt zur Behandlung liegt. Jetzt noch einmal im Plenum
durch die Regierungsklausur diesen Bericht zur Debatte zu stellen,
meint Peter, sei eine Unterlaufung des Parlamentarismus, da zuerst
der Finanzausschuss darüber beraten sollte. Für mich war es deut-
lich sichtbar, Peter wollte angreifen, aber doch nicht allzu
hart mit Kreisky ins Gericht gehen. Taus dagegen, hatte ich den
Eindruck, wird jetzt mit seinen Angriffen immer schärfer als
Oppositionsführer auch rhetorisch immer härter, aggressiver,
ob dies allerdings bei der Bevölkerung besser ankommt, getraue
ich mir nicht zu beurteilen. Er meinte wieder, das Parlamentarismus
leide darunter, dass die Rede von Kreisky gestern spät abends
und die von Androsch überhaupt erst um Mitternacht im Parlament
den Oppositionsführern zur Verfügung gestellt wurde. Meine Über-
legung dazu wäre, ihnen überhaupt gar keine Unterlage mehr zu
geben, sondern frei zu sprechen und zu erklären, es gibt keine
schriftliche Erklärung. Natürlich zog sich die Debatte dann wieder
über einen längeren Zeitraum und war grösstenteils sehr lustlos,
soweit ich sie hören konnte. Die Beteiligung der Abgeordneten


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selbst durch Anwesenheit im Plenum war sehr mager, obwohl in
unserem Klub immer wieder von den Abgeordneten andere Meinungen
zu Anwesenheitspflicht gesagt werden. Ich glaube ernstlich, dass
man hier ein anderes System finden muss, um den schlechten opti-
schen Eindruck zu verwischen resp. zu korrigieren. Vielleicht
sollte man so wie im englischen Parlament keine festen Sitzungs-
plätze festlegen, höchstens zur Abstimmung und ansonsten sollte
sich jeder irgendwo frei seinen Sitzplatz wählen. Dadurch würden ge-
rade in den ersten Reihen die Bänke stärker besetzt sein. Die
weitere Tagesordnung spulte sich dann ganz normal ab, zum letzten
Punkt meldete sich dann nur Koren, um eine Abschiedsrede vom Parla-
ment zu halten. Selbstverständlich war sie versöhnlich, er ent-
schuldigte sich bei allen, die er eventuell beleidigt hatte, meinte,
der Parlamentarismus in Österreich hätte sich bewährt, obwohl er
auch Angst hatte, als nach jahrzehntelanger Koalition, als er 1967
ins Parlament kam und dort erstmalig mit der ÖVP-Alleinregierung
eine echte Oppositionszeit begonnen hatte.

Die Wirtschaftspolitische Aussprache war diesmal im wahrsten Sinne
des Wortes nur von der zweiten Garnitur beschickt. Weder führte
Kreisky den Vorsitz, noch hatte es eine interessante Diskussion
gegeben zu den beiden Referenten – Seidel und Kloss. Androsch war
ebenfalls durch die Parlamentsdebatte verhindert, anfangs anwesend
zu sein. Seidel brachte nichts besonders Neues, sondern erörterte
nur die internationale und österreichische Wirtschaftssituation teils
auf Grund des OECD-Berichtes und der üblichen Informationswege der
europäischen Wirtschaftsforschungsunterlagen und -besprechungen.
Kloss selbst legte einen umfangreicheren schriftlichen Bericht
vor, als er es sonder immer macht, weil er sich wahrscheinlich als
letztmalig anwesend gar nicht besonders anstrengen wollte. Von
den Sozialpartnern war weder Benya noch Sallinger/Mussil anwesend,
weshalb Komm.Rat Schönbichler in Vertretung der Handelskammer nur
auf einer Seite deren Stellungnahme herunterlas. Nur Igler gab
einige Gedanken zum Ergebnis der Regierungsklausur mit besonderem
Engagement vorgetragen zum besten. Hauptproblem, wie die Indu-
striellenvereinigung oder, besser gesagt, deren Repräsentant es
sieht, war dass in der Investitionspolitik für die Privaten die 10 Mio
Summe genügend ist, mit ERP-Mittel angereichert tatsächlich
jetzt so schnell wie möglich auch für mittlere und kleinere
Betriebe zur Verfügung gestellt werden sollte, ohne dass vorerst


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wieder zu klären sei, wie jedes einzelne Projekt durch Mit-
wirkung der Nationalbank abgesichert werden muss. Igler be-
fürchtet, dass die Hausbanken erst dann wieder dem einzelnen
Betrieb helfend unter die Arme greifen, wenn sie wegen Refinan-
zierung mit der OeNB ein entsprechendes Arrangement haben. Noch
viel mehr aber befürchtete Igler, ohne dass er es sagte, aller-
dings andeutete, dass die Investitionskredit AG, an der sich
ja der Bund durch Kapitalaufstockung direkt beteiligen will,
dann nicht mehr mit Hausbankcharakter, wie dies jetzt doch der
Fall war, die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen kann.
Auch im Schönbichler-Papier wurde die Aufstockung resp. stärkere
Einschaltung des Bundes in der Investitionskredit abgelehnt.
Androsch war zu diesem Zeitpunkt kurz anwesend und meinte, das
Problem sei doch, dass die Hausbanken, die gleichzeitig Mütter
der Investitionskredit sind, diese nie geliebt haben und sie
daher auch gar nicht richtig als Investitionsbank arbeiten liessen.
Überall in Europa gibt es aber eigene Kreditinstitute für Investi-
tionen und in der EG wird jetzt an einer grossen Lösung gearbeitet.
Kreisky erschien dann auch ganz kurz, um in der wirtschaftspolitischen
Aussprache den Interessensvertretungen klar zu machen, dass jetzt
eine entscheidende Phase in der Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes
Zwentendorf angebrochen ist. Wenn das Parlament nicht eine positive
Stellungnahme dazu abgibt, wird dieses Kraftwerk nicht in Be-
trieb gehen. Die Folgen würden abgesehen vom Zahlungsbilanzproblem
eine ungeheure Kostenbelastung der Eigentümer, 50% Bund und 7 Landes-
gesellschaften, sein, die sicherlich nicht durch die Subvention des
Staates unterstützt würden. Da sich selbstverständlich sofort
auch die Arbeitnehmerseite, NR Hofstetter, für den Gewerkschaftsbund
meldete und erklärte, sie würden nicht bereit sein, höhere Strom-
tarife dann aus dieser Kostenbelastung zu akzeptieren, wäre dies
auch für die gesamten Elektrizitätserzeuger, zumindestens soweit
sie daran beteiligt sind, ein schwerer Verlust. Da ich persönlich
fest davon überzeugt bin, dass, was immer geschieht, das Kernkraft-
werk Zwentendorf in Betrieb geht, sehe ich in dieser Diskussion
keinen anderen Zweck, als die Interessensvertreter, insbesondere
die Handelskammer und Landwirtschaftskammer zu einem stärkeren
Engagement in der ÖVP zu veranlassen. Kreisky hat dann auch am
Schluss der Nationalratssitzung durch Zufall mit Mussil, Hofstetter,
Fischer und mir dieses Problem neuerdings kurz besprochen und
meinte, wenn die Abstimmung innerhalb der ÖVP nicht freigegeben wird


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auf der sozialistischen Seite einige Abgeordnete garantiert da-
gegenstimmen werden, sodass selbst wenn die Freiheitlichen, wie schon
angekündigt, nicht einheitlich ablehnen werden, so doch nicht
eine Mehrheit zustandekommen kann. Heindl hat mit Abg. König
ständigen Kontakt wegen der Energiesituation und über Energie-
fragen und von ihm erfahren, dass der Meinungsbildungsprozess
innerhalb der ÖVP furchtbar langwierig und sehr schwierig sein
dürfte. Vor dem ersten Parteiengespräch fanden nicht nur entspre-
chende ständige Kontakte innerhalb der ÖVP im Parlament statt,
sondern soll jetzt auch noch ein eigener Bundesparteivorstand
darüber beraten. Kreisky ist fest davon überzeugt, dass die
Radikalisierung des Klubs durch die Wahl von Klubobmann Mock fort-
schreiten wird und deshalb, ob es der Wirtschaft guttut oder schadet,
das Ziel der ÖVP nur sein wird, unter allen Umständen die Wahl
1979 zu gewinnen. Das schwedische Beispiel liegt verständlicher-
weise Kreisky sehr in den Knochen. Zum Glück hat gerade im jetzigen
Zeitpunkt im schwedischen Parlament eine Kommission beschlossen,
und zwar mit Stimmen von Regierungskoalitionsparteien, dass die
Kernkraft weiterhin ausgebaut wird. Nur zwei Vertreter waren da-
gegen, einer der ehemaligen Bauernpartei, die den Ministerpräsidenten
jetzt stellt. Kreisky konnte damit überall zeigen, welche Wandlung
innerhalb der schwedischen Regierungskoalition vor sich geht. Er
ist davon überzeugt, dass es personelle Konsequenzen innerhalb der
Regierungszusammensetzung geben muss.

In der Paritätischen Kommission gab es zu jedem einzelnen Tages-
ordnungspunkt den üblichen Bericht und kaum eine Diskussion, weil
die Materie vorher in der Präsidentenbesprechung ja immer bis
ins letzte Detail durchdiskutiert wird. Die Sitzung hat daher
wirklich nur mehr rein formellen Charakter, um die Beschluss-
fassungen der Präsidentenbesprechungen sanktionieren lassen zu können.
Interessanterweise wurde nur an das Handelsministerium der Wunsch
auf schnelle Erledigung der amtlichen Gaspreis-Regelung herange-
tragen. Ursache war ein Antrag der steirischen Ferngas auf Er-
höhung. Erwartet wird vom Handelsministerium, dass schnell und
nicht allzu belastend für die Abnehmer eine günstige Regelung fest-
gelegt wird. Ähnlich gab es eine Diskussion über die Zuckerpreis-
regelung. Die Sozialpartner hatten sich vor drei Jahren darauf
geeinigt, dass die nächste Preiserhöhung mit 1.2. erfolgen soll.



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Dieser Termin sollte unter allen Umständen eingehalten werden.
In der Präsidentenkonferenz hat Benya allerdings nur 90 Groschen
Zuckerpreiserhöhung zugesagt, Präs. Lehner wollte dagegen mindestens
1.60 S. Bei 1.40, meinte Lehner dann zu mir, könnte er sich vor-
stellen, würde er die Rübenbauern zu einer Zustimmung veranlassen
können. Ich liess ihm keinen Zweifel, dass dies vollkommen un-
möglich ist, Voraussetzung für eine einvernehmliche Regelung ist,
dass wir uns über die Beteiligung der Landwirtschaft bei den Zucker-
exporten einigen können. Jetzt, meinte Lehner, müssten sie schon
25% geringeren Preis bei der Plus-Rübe und 35% bei der Plus-Plus-
Rübe in Kauf nehmen. Darüber herrscht scheinbar zwischen der Zucker-
industrie und dem Rübenbauernbund Einverständnis. Die Zuckerindustrie
sitzt derzeit auf 400 Mill. S Zuckerlager, welches exportiert werden
muss, da der Inlandsverbrauch nicht so hoch ist und die Zinsen
allein 40 Mill. S pro Jahr ausmachen. Lehner hat mir zugesichert,
dass alles unternommen werden soll, um bei einer hohen Zuckeranbaufläche
zu bleiben. Die 56.000 ha wird er zwar nicht halten können, doch
hofft er, dass nicht wesentlich restringiert werden muss. Die
Ausweichfrucht wäre in diesem Jahr, da der Winterweizen ja schon
angebaut ist, Mais. Da wir im vorigen Jahr aber eine gute Maisernte
und einen starken Preisverfall dort hatten, wird angenommen, dass
wenn jetzt noch zusätzliche tausende Hektar anstelle Zuckerrübe Mais
angebaut wird, ein weiterer Preisverfall erfolgen würde. Die
Landwirtschaft ist also hier tatsächlich auch an einer Lösung
brennendst interessiert. Präs. Lehner hat angekündigt, er wird mit
der Zuckerindustrie reden und gegebenenfalls mit ihrem Vertreter
Skene und er selbst zu einer ganz kleinen Aussprache mit mir
ins Ministerium kommen. Bei dieser Gelegenheit habe ich
Lehner gleich angedeutet, dass ich heuer nicht bereit bin, im
Sommer eine Preisregelung wie im Vorjahr für Weizen durchzuführen.
Die überschüssigen Mengen von Weizen, die eigentlich nur als Futter-
mittel verwendet werden können, müssen freigegeben werden, um den
auf dem Markt zu erzielenden, dann sicherlich tieferen Weizenpreis
entsprechende Auflockerung des ganzen Weizen-Gefüges zu bewirken.
Lehner war über meine Ankündigung nicht erstaunt, da er sie ja er-
wartete, meinte nur, das können wir zu einem späteren Zeitpunkt
noch besprechen. Jetzt müssten wir unbedingt die Zuckerfrage klären.
Dieser Meinung bin ich auch.

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Tagesprogramm, 18.1.1978

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: IV, GD Wr. Schwachstromwerke (WSW)


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
    GND ID: 119083906


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Finanzminister
      GND ID: 118503049


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Präs. LWK


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Loba Chemie


          Einträge mit Erwähnung:


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: -obmann


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Bundeskanzler
                GND ID: 118566512


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Finanzminister, ÖVP-NR-Abg., OeNB-Präs.


                  Einträge mit Erwähnung:
                    GND ID: 118756265


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Abg. z. NR, Klubobmann, ÖVP


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Ökonom, ab 1981 Sts.


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Leitender Sekretär ÖGB, SPÖ-NR-Abg.
                            GND ID: 136895662


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: Obmann Sektion Handel BHK


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: Kabinett Staribacher


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: FPÖ-Obmann


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg., Personalchef Unilever


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                                      GND ID: 102318379X


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        GND ID: 12254711X


                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          Tätigkeit: Obmann öst. Zuckerverband


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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