Dienstag, 13. Dezember 1977
Im Klub berichtete Verkehrsminister Lausecker über die im nächsten
Jahr am 1. Juli beabsichtigte Strassenverkehrsabgabe. In der Dis-
kussion fragte Abg. Mühlbacher, wie die anderen Staaten auf die sehr
rigorose Transitsteuer reagieren werden. Lausecker hat bei der
letzten Verkehrsministerkonferenz, wie er sagte, um Verständnis ge-
worben und insbesondere der deutsche Verkehrsminister Gscheidle
hätte ein sehr grosses dafür gezeigt. Der Schweizer Verkehrsminister
hätte sogar ihm gesagt, dass ebenfalls eine Abgabe von 48 Rappen pro
Tonnenkilometer beabsichtigt sei. Dies kann ich mir beim besten
Willen nicht vorstellen, denn dies wäre dreieinhalbmal so hoch wie
die österreichische. Da ich letzten Endes im Rahmen der EFTA mit
dieser Frage konfrontiert werde, wäre es ungeheuer wichtig, ohne
dass dies jetzt über das Aussenamt auffällig erhoben wird, zu
recherchieren, was die Schweiz tatsächlich beabsichtigt. Am besten
wäre es, wenn ein Beamter des Hauses das nächste Mal zur österr.
EFTA-Mission nach Genf fährt, dort die nötigen vorsichtigen Erhebungen
zu pflegen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Ich möchte mit dem Beamten, der als nächster
zur EFTA fährt, diesbezüglich ein Gespräch führen.
Abg. Moser verwies darauf, dass in der Steiermark die Glasindustrie
erklärte, die Transportsteuer sei das Ende der Werke im Köflacher
Raum. Damit würde klar, dass nur mehr die beabsichtigte Glasfabrik
an der Donau eine Existenzmöglichkeit hat. Lausecker ist davon
überzeugt, dass die Belastung äusserst gering ist, er brachte zwei
Beispiele, bei Bier 14 Groschen Steuer bei 168 km, bei einem Ver-
braucherpreis von 3.10 bis 3.15 S je Flasche oder bei Äpfeln
164 km 12 Groschen bei einem Verbraucherpreis von 4.– bis 15.– S
pro kg.
Dir. Leeb von der Neusiedler Papierfabrik hat dann NR Teschl und mir
auseinandergesetzt, dass bei Papier es 18 Groschen pro kg ausmacht
doch eine ungeheure einseitige Belastung für die Neusiedler Zellulose-
resp. Papierproduktion darstellt. Die Fa. Leykam schickt jetzt
bereits alles per Bahn nach Passau und lässt es dann dort von LKW
in Deutschland zustellen. Die Fa. Borregaard in Salzburg ist unmittel-
bar an der Grenze und spürt daher die Belastung fast nicht. Die Neusied-
ler aber hat ein Service mit LKW zu jeder deutschen Stadt direkt
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zu liefern aufgebaut und hat eine ungeheure einseitige Fracht-
belastung dadurch zu tragen.
Der Hauptgrund der Vorsprache von der Neusiedler war aber, weil es
jetzt geglückt ist die deutsche Firma Blockpack PKL dazu zu bewegen,
dass sie nicht mehr aus Schweden allein den Rohstoff für die Einweg-
verpackung für die Milch verwendet sondern jetzt insbesondere Neu-
siedler Papier nehmen möchte. Die Beschichtung mit Polyethylen hätte
die Firma Teich ebenfalls zum Turnauer-Konzern gehörend, durchführen.
Beabsichtigt ist ein joint venture, Blockpack würde 51 %, die Neu-
siedler 49 % dieses neuen Betriebes, der die Spezialverpackung
herstellen würde, besitzen. Derzeit kann die Firma Neusiedler mit
Schweden konkurrenzieren. Trotz der dreimaligen Abwertung der Schweden-
krone. Da die Schweden aber noch immer auf 2,800.000 t Zellulose auf
Lager haben, wird jetzt eine neuerliche Abwertung erwartet. Bis zur
Abwertung wurde von der schwedischen Regierung ein zinsenfreier
Kredit für den Lageraufbau zu Verfügung gestellt. Jetzt soll man
den schwedischen Unternehmungen eine zinsenfreie Betriebsmittel-
finanzierung angeboten haben. Dadurch können sie noch tiefere Preise
anbieten, ich versprach mit dem Milchwirtschaftsfonds darüber zu
reden, wie man eine gewisse Preisgarantie geben könnte. Der Umsatz
für die Papieranlieferung wäre ca. 220 Mill. S, 6.000 t allein
bei der Neusiedler, mit einem Wort ein bedeutendes Geschäft. Auf
Veranlassung des Sekr. Staudinger der LUGA im geschäftsführenden
Ausschuss des Milchwirtschaftsfonds wurde eben die Firma PKL
Düsseldorf, welche bis jetzt die Packung allein aus schwedischen
Importpapier machte, ersuchte die österreichischen Firmen, die
Verhandlungen aufzunehmen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte sich mit dem Milchwirtschaftsfonds in
Verbindung setzen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Die Aussenhandelsdelegierten sollen zusammen-
stellen, welche Exportsubventionen direkt und indirekt in den einzel-
nen Staaten gewährt werden.
Im Ministerrat wurde die DDR-Vereinbarung über die 6 Mia. Kreditgewährung
mit der Massgabe genehmigt, dass Androsch den Vertrag unterzeichnen
muss, Kreisky meinte, bei seinem Besuch im nächsten Jahr in Berlin
würde ich oder Androsch ihn begleiten, wenn nicht vorher bereits der
Vertrag von Androsch unterzeichnet wird. Der ostdeutsche Handelsrat
Krüger kam anschliessend mit einer Mitteilung von Staatssekretär Beil,
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dass dieser unbedingt darauf besteht, einen Vertragspunkt und
wenn dies nicht möglich ist, einen vertraulichen Briefwechsel
zwischen den beiden Banken einen Zinssatz mit 7,75 % fixiert
haben muss. Ich habe sofort mit Gen.Dir. Haschek, Österr. Kontroll-
bank gesprochen und ihm die neue Situation geschildert. Er ist
davon überzeugt, dass es in Berlin gelingen wird, eine Verein-
barung zu schliessen, ohne dass der Prozentsatz genannt wird.
Solange diese Vereinbarung nicht zustandekommt, gibt es ja keine
Möglichkeit, dass die zwischen Beil und mir ausgehandelte For-
mulierung, die auch jetzt der Ministerrat genehmigt hat, paraphiert
werden kann. Ich bin sehr gespannt, wer nachgeben wird, Beil oder
Haschek.
Nach dem Ministerrat hat Kreisky eine Ministerratsnachbesprechung
abgehalten, um die Wiener Polizei insbesondere Präs. Reidinger
wegen der Entführungsaffäre Böhm stark zu kritisieren. Lanc stellte
fest, dass gerade in diesem Fall aus freundschaftlichen Beziehungen
tatsächlich gewisse Sicherheitsmassnahmen getroffen wurde. U.a.
ist am Schreiberweg ständig ein Polizei-Auto unterwegs, weil es
dort mehrere gefährdete Personen gibt. Frau Böhm hat auch gegenüber
NR Heindl, wie er mir erzählte, diese Kontrolle festgestellt.
Kreisky ist nur der Meinung, dass man dem Anruf um 4 Uhr früh
grössere Bedeutung hätte beimessen müssen. Die Polizei kann nicht
fragen, welchen Schutz man will sondern hat gefährdete Personen
zu schützen. Dazu erklärt Lanc sich vollkommen ausserstande, weil
er einen ungeheuren Mangel an geeigneten Leuten hat. In der ÖGB-
Bundesfraktion hat dann Lanc auch über diesen Fall berichtet und
darauf hingewiesen, dass er jetzt eine eigene Gruppen von 20
Kriminalbeamten und Staatspolizeibeamten gebildet, die mit
Aufklärung solcher Fälle befasst werden sollen. Ausserdem wird
die Spezialtruppe der Gendarmerie, die jetzt 44 Mann beträgt,
verdreifacht, die zur Terrorbekämpfung eingesetzt werden soll.
Lanc ist sich vollkommen klar darüber, dass noch so gute Ergebnisse
über die Sicherheit durch Abnahme der Leib- und Lebensdelikte um
25 %, der Vermögensdelikte selbst um 6 %, nichts nützen, wenn
so spektakuläre Fälle wie die Entführungen nicht aufgeklärt
werden können. Selbst die Gefangennahme der Bankräuber, die
Aufdeckung des Heroinschmuggels gehen unter gegenüber der eben
nicht aufgeklärten aktuellen Geiselnahmen. In der Fraktion wurde
klargestellt, dass die Berichterstattung und die Art der Journa-
listenmethoden skandalös sind. Eine diesbezügliche Resolution
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wurde von der Fraktion angenommen, Als Zeitfüller und wie ich
es sagte, bis die Resolution fertig war, musste ich über die
wirtschaftliche Situation referieren. Ich nützte die Gelegenheit
um gleich der Fraktion mitzuteilen, dass jetzt eine Arbeitsgemein-
schaft zwischen Handelskammer und Arbeiterkammer auf Grund des
Handelskammergesetzes errichtet wird, um die Idee: Kauf Dir Deinen
Arbeitsplatz – kauf österreichische Waren – stärker zu propagieren.
Auch mein beabsichtigtes Verbot der Einwegflasche konnte ich gleich
in der Fraktion deponieren, interessanterweise gab es überhaupt
keine Diskussion.
Die Ministerratsnachbesprechung hatte Kreisky aber wie er sagte,
wegen der Personaländerungen im Bundeskanzleramt verlangt. Sekt.
Chef Jiresch, der von Klaus ins BKA geholt wurde, dann aber als
Niete bald auch von diesem kaltgestellt, geht mit Jahresende.
Er bekommt zwar noch eine halbjährige Verlängerung, weil er die
Koordination der Rechenmaschinen, wie Kreisky sich ausdrückte,
fortsetzen soll, Staatssekretär Nussbaumer kann sich in der
Zwischenzeit in diese Materie noch besser einarbeiten. Ebenso
geht jetzt der Sektionschef Fischer vom Bundespressedienst, ein
Genosse, in Pension, der auch noch ein halbes Jahr den Gästedienst
führen wird, um scheinbar eine Kompensation gegen Jiresch zu
haben. Den Bundespressedienst hat aber Fischer nicht nur nicht führen
können, denn alle Schlüsselpositionen sind dort vom CV besetzt.
Der Bundespressedienst zeichnet sich durch teuerste Publikationen
aus, die überhaupt nicht den Intentionen Kreiskys entsprechen.
Leider, meint Kreisky, kann er nicht seinen wirklichen Presse-
referenten Kunz in diese Position bringen. Deshalb beabsichtigt
er Min.Rat Neumayer im Ministerratsdienst zum Sektionschef des
Bundespressedienstes zu machen und gleichzeitig diese Abteilung
aus dem Präsidialdienst herauszunehmen. Neumayer ist sehr loyal
und wird von den ÖVP-lern nicht mehr als zuverlässig bezeichnet,
weil er keine Volksparteizuträgerdienste geleistet hat. Neumayer
ist in derselben Situation wie Pahr und andere, die mit der Re-
gierung loyal zusammenarbeiten. Ein Volljournalist soll ihm dann
zur Seite gegeben werden. Für Jiresch schlägt Kreisky Beroldingen
vor, mit dem ihm nicht, wie die Zeitungen schreiben, freundschaftliche
Beziehungen verbinden. Beroldingen war Sekretär vom Aussenminister
Figl und dann von anderen Bundeskanzlern und der damalige Staats-
sekretär Kreisky hat mit ihm grössere Differenzen immer gehabt.
Wichtig erscheint Kreisky, und Löschnak hat es dann bestätigt,
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dass vier Abteilungen frei werden, die dann mit Sozialisten
besetzt werden können und sollen. Alles wird selbstverständlich
ausgeschrieben, doch hat Kreisky scheinbar schon, da er meinte,
in anderen Ministerien gibt es keine geeigneten Kandidaten für
diese 9-er-Posten, eigentlich schon entschieden. Broda bestätigte
Kreisky, dass die Entscheidung gut sei und es nur Schwierigkeiten
diesbezüglich mit dem BSA gibt, mir gegenüber hat Broda dann erklärt,
verweist der BSA immer auf die Personalpolitik des Handelsministerium
Da es für mich schon ein geheiligter Grundsatz ist, mich in de
Kompetenz eines anderen Ministers nicht dreinzumischen, habe ich
gar nicht die Absicht, mich zur Personalpolitik eines anderen
Ministers zu äussern. Ich kann mir allerdings sehr gut vorstellen,
wie es auf der einen Seite wirklich schwierig ist, gute Leute zu
kriegen, dies ist nämlich die Voraussetzung jedes Ministers, auf
der anderen Seite aber gerade sozialistische Organisationen erwarten
dass wir die Zeit, die einer Regierung zur Verfügung stehen auch
personalmässig richtig nützen. Kreisky hat nur eine Bemerkung ge-
macht, die sicherlich zutrifft, dass wenn ein Ministerium einen Mann
abgibt, dies in den seltensten Fällen der gute und beste ist,
weil die behält man sich selbst, Abgabe von Beamten bedeutet in
Wirklichkeit nur hochloben, damit man sie los wird. Dagegen hat
sich Rösch ausgesprochen und meinte, das Innenministerium hat
soweit es Beamte abgegeben hat, seine besten Leute für höhere Aufgabe
zur Verfügung gestellt. Da ich meinem Freund Rösch niemals widerspre-
chen möchte, habe ich wohlweislich geschwiegen. Die Praxis gibt
aber glaube ich, wirklich in diesem Fall Kreisky recht.
Tagesprogramm, 13.12.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 99. Ministerratssitzung, 13.12.1977