Dienstag, der 29. November 1977

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Dienstag, 29. November 1977

Die Libyer hatten ein umfangreiches Protokoll gewünscht, wo
nicht nur unsere Angebote an Lieferungen und Projekten vorge-
sehen waren, sondern auch ihre Projekte, die sie beabsichtigten
und an denen sich Österreich beteiligen sollte. Eine sehr grosse
Liste, vor allem aber umfangreiche Eisenbahnprojekte. Wenn ein
Bruchteil dessen verwirklicht wird, so sind wir sofort in
unserem Handelsverkehr aktiv.

Im Ministerrat hat Kreisky darauf bestanden, dass die Entscheidung
über die Besetzung des Verwaltungsgerichtshofes fällt, obwohl
schriftlich vorerst mitgeteilt wurde, dass dieser Punkt zurück-
gezogen wird. Ich hatte Degischer schon darauf aufmerksam gemacht,
dass selbst seine Tante, die Schauspielerin, Kreisky nicht um-
stimmen konnte. Diese muss ihn darauf aufmerksam gemacht haben,
dass ihr Neffe eine Abteilung im Handelsministerium bekommen soll.
Degischer meinte, er würde sich für die Koordinierung der Rechts-
abteilung interessieren und nicht für die wirtschaftliche Landes-
verteidigung. Ich liess ihm aber keinen Zweifel, dass nur die letzte
für ihn in Frage kommt. Beim Empfang des Bundespräsidenten traf
ich den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes Loebenstein
gleichzeitig mit Minister Pahr und habe ihm heftigste Vorwürfe
gemacht, dass er Degischer im Stich gelassen hat. Man stellte
dort nur fest, dass ich gegen die Phalanx Kreisky-Pahr-Lausecker-
Löschnak-Loebenstein nichts erreichen kann resp. konnte.

ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte klärt, ob Degischer wirt-
schaftliche Landesverteidigung bekommen soll und will.

Gen.Dir. Apfalter ruft mich an, teilt mir mit, dass er soeben in
Ostberlin mit Staatssekretär Beil gesprochen hat und einen grossen
Vertrag auf 6 Mia. S Investitionsanlagen in Österreich zu kaufen
unverzüglich müsste dafür ein Kredit eröffnet werden, die Ostdeutschen
verlangen ausserdem eine prinzipielle Anerkennung dafür Kompensations-
lieferungen anbieten zu können. Apfalter wird mit Gen.Dir. Haschek,
Österr. Kontrollbank, die Kreditfrage klären und ersucht mich,
ich sollte unverzüglich nach Ostberlin fliegen, um den Vertrag
dann perfekt zu machen.

Kreisky rief mich zu einer Besprechung mit Androsch und Nussbaumer


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wegen der zukünftigen Investitionen, die am 9. Jänner bei der
Regierungsklausur besprochen werden sollen. Kreisky wollte
bei dieser Klausur nicht nur wieder allgemeine Ziffern nennen,
sondern sehr konkrete Projekte vorschlagen. Er meinte deshalb
einleitend, er lasse sich jetzt nicht mehr von Unilever papierln,
die Ölmühle müsse jetzt endgültig beschlossen werden. Die Uni-
lever sei sehr geschickt, ein ausserdem guter Sozialpartner,
der innerhalb der Kammer und auch gegenüber der Gewerkschaft
äusserst grosszügig sei, damit könne sie ihr Monopolbestreben
und dominierende Stellung gut tarnen. Unilever wolle aber diese
Ölmühle in Österreich nicht und davon sei er nicht abzubringen.
Obwohl ich ihm heftigst widersprach. Der Exponent der Landwirtschaft,
Wohlmeyer, der dieses Argument scheinbar überall weitererzählt, soll
jetzt endlich seine Kapitalkonstruktion vorlegen. Die Konsum-
genossenschaft will nicht mitmachen, was Kreisky auch bestätigt.
Wobei er meinte, die sei immer Zögerer gewesen. Der Aussenschutz,
der vom Handelsministerium verlangt wird, wurde ihnen zugesichert
und sogar von der Arbeiterkammer und ÖGB mir gegenüber zugegeben.
Jetzt verlangt Wohlmeyer aber, dass der Landwirtschaftsminister
ihnen die 7.– S für die Ölfrucht garantiert. Da sagt Haiden, er
braucht vom Finanzminister eine Stützungszusage. Androsch wieder
verlangte, vollkommen zu Recht, dass gleichzeitig, wenn nicht
sogar vorher die Getreideüberschussproduktion gelöst ist. So
setzt einer immer am anderen irgendwelche Bausteine und das
Gebilde kann nicht fertig werden, ja nicht einmal beginnen,
weil kein wirklicher Grund resp. Basis vorhanden ist. Bezüglich
des Sulfatprojektes meinte Kreisky müsste die VÖEST jetzt end-
gültig beginnen, denn zur Finanzierung hat er Zusagen arabischer
Gelder von Libyen resp. Naher Osten. Androsch beschwerte sich,
dass das Finanzministerium aber auch das Landwirtschaftsministerium
von den Besprechungen im Handelsministerium abgeschaltet ist.
Ich erklärte, wir werden es sofort einschalten, denn es bestand
überhaupt keine Absicht, ihn nicht in jeder Phase der Verhand-
lungen zuzuziehen. Bezüglich der Kompensationswünsche der Ost-
deutschen meinte Kreisky, man müsse z.B. prüfen, ob nicht der
Vorwärts, der sich jetzt auf Offset umstellen wird, ostdeutsche
Maschinen kaufen sollte. Ich verwies Kreisky darauf, dass vor dem
Krieg Planeta und Roland gleichwertige Offset-Druckmaschinen waren.
Jetzt aber kaufen alle österr. Firmen fast ausschliesslich nur
Roland und die ostdeutschen Planeta-Maschinen sind wegen des
schlechten Services kaum anzubringen. Ich war sehr erstaunt,


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wie Kreisky trotzdem von seiner Idee nicht abging, sondern ZS Marsch
anrief und auf diese Möglichkeit aufmerksam machte. Vertraulich
erfuhr ich aus dem Telefongespräch, dass ein gewisser Lebrunner jetzt
kommen soll, um den Vorwärts zu reorganisieren. Bezüglich des
Fremdenverkehrs habe ich für die Regierungsklausur sofort angemeldet,
wir sollten wieder eine Sonderfinanzierung ERP-Ersatzaktion vor-
sehen. Dagegen wurde von niemandem widersprochen wohl aber von
Kreisky darauf hingewiesen, dass jetzt die Studie über das Wald-
viertel bald fertig sein wird und dort der Gesundheitstourismus
propagiert werden soll. Jeweils 4 Ortschaften seien zusammenzuschlies-
sen und dort ein Bad und sonstige Einrichtungen zu bauen. In der
Hauptsaison sollten Urlauber kommen und in der Vor- und Nachsaison,
also nach Kreiskys Meinung das ganze Jahr hindurch, Pensionisten
und sonstige Leute, die den Wald durch Spaziergänge und sonstige
Gesundheitsbäder und Tätigkeiten beleben sollten. Seine Erfahrungen
in Wörishofen dürften hier die Grundlage gewesen sein und auch Äusserun-
gen eines gewissen Prof. Grünberger, der neben ihm wohnt und der der
Gemeinde jetzt äusserst billig und preiswerte 4 Hallenbäder baut.

ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte Ölmühlenprojekt und Sulfat-
projekt unsererseits zur Entscheidung fertigstellen.

Bei der Staatswappenverleihung an Werner & Pfleiderer konnte ich
mit Befriedigung hören, dass die deutsche Muttergesellschaft,
deren Besitzer anwesend waren, Oberflächentechnik jetzt von Stutt-
gart nach Wien verlegt. Dies gibt dieser Firma eine grosse zweite
zukunftsträchtige Produktion. Dafür bedankte ich mich bei den
deutschen Gästen mit Wiener Schmäh und dies wurde natürlich sowohl
von der Belegschaft als auch von den Besitzern freudig angenommen.
Nachmittags hatte ich die Staatswappenverleihung bei der Fa.
Warchalowski, dort gibt es keinen ausländischen Besitzer, sondern
diese Kühlschränke resp. Vitrinenfabrik arbeitet zwar, wie mir
die Besitzer erklärten mit Eigenkapital aber auf entsprechend schwa-
cher Basis. Die Fertigung ist auf ganz kleine Stückzahl beschränkt,
lebt nur von Einzelaufträgen insbesondere vom Konsum und ist auch
entsprechend schlecht ausgerüstet. Früher einmal war hier eine riesige
Motorenfertigung, zeitweise wurden sogar Traktoren erzeugt, jetzt
hat diese Firma aber nur mehr Generalvertretung von International
Havers bei Kühlschränken von Frigidaire. Die Firmeninhaber haben
es zeitgerecht verstanden, auf den Handel umzusteigen, um sich
dabei über Wasser zu halten. Einen so krassen Gegensatz zwischen


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den beiden Firmen, die ich durch Zufall am gleichen Tag be-
suchte, hätte ich eigentlich nicht erwartet. Dabei kann man
gar nicht sagen, dass Warchalowski schlechter fährt, denn mit
den Handelsaktivitäten geht er vielleicht ein kleineres Risiko
ein als Werner & Pfleiderer.

Das Syndikat der Filmschaffenden – Frankfurter, Corti und zwei,
die ich persönlich noch nicht kannte – wollte von mir unbedingt eine
Zusicherung, dass ich mich für die Filmförderung und zwar Projekt-
förderung einsetze. Sie beziehen sich dabei immer wieder auf den
Tieber'schen Entwurf, der eine sehr umfangreiche Förderung vorge-
sehen hat, von Kinomodernisierung bis zur Produktionsstätte
über den Verleih und selbstverständlich auch nur grösstenteils
über Projektförderung des guten kulturell hochstehenden Filmes.
Genau dies habe ich Tieber aber immer gesagt, bin ich nicht
bereit zu akzeptieren. Dass ich mehr oder minder Vorsitzender
und Verantwortlicher bin, wenn dies dann auch ein Beamter durch-
führt, welcher Film gefördert werden soll, bereitet mir wirklich
physisches Unbehagen. Eine solche kulturelle Filmförderung gibt
es bereits im Unterrichtsministerium und meiner Meinung nach muss
jedweder Entwurf, der letzten Endes von mir vertreten wird,
klar und deutlich sagen, dass dies eben die Aufgabe des Unterrichts-
ministeriums und nicht des Handelsministeriums ist. Derzeit ist
die Filmindustrie mit Werbefilm, Industriefilm und auch gelegent-
lichen Spielfilmen gar nicht so schlecht ausgelastet. Nach meinem
Dafürhalten wäre es daher gar nicht notwendig, eine neue Film-
förderung zu schaffen. Wenn der Finanzminister Geld hat, dann soll
er dies Sinowatz geben. Das Syndikat der Filmschaffenden beschwert
sich nur, dass der Finanzminister das ganze Geld in die Wien-Film
hineinsteckt, dort verliert oder die Gemeinde Wien in die Stadt-
hallengesellschaft. Da ich genau eine solche Entwicklung nicht will,
möchte ich womöglich gar kein Geld zur Verteilung an irgendwelche
Filmgesellschaften für ihre Projekte. Alle meine Versuche, zusätz-
liche Mittel von den Kinos zu bekommen, in Schweden 100 Mill.,
vom Fernsehen – in Schweden 15 Mill., wozu dann noch eine Staats-
subvention von 15 Mill. in Schweden kommt, die auch eventuell der
Finanzminister bei solchen Relationen bereit wäre in Österreich
zu geben scheiterten an den Sozialpartnern. Teilweise hatte
ich fest Zusagen, dich ist es letzten Endes niemals geglückt,


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eine wirklich befriedigende Lösung zu erreichen. Corti meinte,
ich müsste halt hier, wie das auch in anderen Ländern geschieht,
einen diesbezüglichen Gesetzentwurf im Parlament einbringen und
mit Mehrheit beschliessen lassen. Genau dies möchte ich aber wirklich
nicht. Der Finanzminister hat ganz richtig gesagt, er sei bereit,
denselben Betrag zuzuschiessen, den die Filmwirtschaft aufbringt
und dies ist mein Richtsatz. Das Syndikat der Filmschaffenden möchte
ja auch, dass nicht nur die Produktion gefördert wird, sondern
damit ihre Filme dann überhaupt verkauft werden können, der Verleih
und der Vertrieb entsprechende Unterstützung bekommen müsste.
Eingeführt sollten nur Filme werden, die ein gewisses Kontin-
gent nicht überschreiten und alle sollten steuerliche Erleich-
terung, resp. wo es sich um Abhalten von Importware handelt,
steuerliche Belastung bekommen. Da ich den Filmschaffenden sehr
freimütig meine Meinung sagte, vielleicht war dies taktisch
auch falsch, erklärten sie zum Schluss, sie werden sich an Kreisky
wenden und dem vorschlagen, die beste Lösung wäre, die Kompetenz
wegen Filmförderung käme ausschliesslich ins Unterrichtsministerium.
Damit war ich sehr einverstanden, denn nichts würde ich mir mehr
wünschen, als dieses ganze Problem loszuwerden.

Bei der Einladung des Bundespräsidenten, ein Singspiel von Johann
Strauss
mit den Sängerknaben hatte ich Gelegenheit auch mit Klub-
obmann Fischer über dieses Problem zu diskutieren. Dieser meinte
mit Recht, in Erfüllung der Regierungserklärung sollte ich doch
eine womöglich einfache Lösung als Gesetzentwurf endlich ein-
bringen. Mein Plan in diesem Gesetzentwurf sind die geringsten und
kleinsten Bestimmungen das Handelsministerium betreffend, das
andere doch als Verteilerstelle das Unterrichtungsministerium
fand sogar seine Zustimmung.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Wiesmüller soll jetzt einen Gesetzentwurf zu-
sammenbasteln, damit ich ihn mit Sinowatz besprechen kann.

Im Klub der Mandatare auf der Landstrasse gab es zum ersten Mal
seitdem der Klub jetzt schon Jahrzehnte lang besteht und ich
anwesend war, wirklich eine umfangreiche Diskussion über Bezirks-
probleme. Grosse Klage herrschte darüber, dass zu wenig koordi-
niert wird und unsere Bezirksvertretung d.h. unsere Fraktion,
obwohl sie theoretisch nur 4mal im Jahr zusammenkommen müssen,


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manchmal ein wenig mehr, in den seltensten Fälle voll anwesend
ist. Ein Drittel fehlt immer. Eigentlich bin ich schon erstaunt,
dass die Bezirksräte ihre Tätigkeit nur so leger ausüben, resp.
nicht ausüben. Ich glaube, dass sich dies ändern wird, wenn
die entsprechende Bezahlung, die ja jetzt beabsichtigt ist,
für ihren Aufwand sie einigermassen entschädigt. Dazu kommt jetzt
noch, dass grosse Bezirke, wie die Landstrasse, auch wesentlich
mehr Bezirksräte bekommen werden, sodass es dringend notwendig
wird, aktive Mitglieder und Funktionäre für diese Funktion zu
gewinnen.

ANMERKUNG FÜR HEINDL: Wenn bezahlt wird, können wir vielleicht
auch eine Anwesenheitspflicht wirklich verlangen.

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Tagesprogramm, 29.11.1977

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Tagesordnung 97. Ministerratssitzung, 29.11.1977

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hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)

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Information Hauffe f. d. BM betr. TOP 43, Genehmigung Dienstreise Brüssel, 25.11.1977


Tätigkeit: Unterrichtsminister


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: GD Kontrollbank
    GND ID: 170084094


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Sts. BKA


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: SChef HM
        GND ID: 12195126X


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Komponist


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Verkehrsminister


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Sekr. JS, Tiroler SPÖ-Politiker


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Finanzminister
                GND ID: 118503049


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Vorstand Vorwärts-Verlag


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: GD VÖEST


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: Architekt


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Agrarindustrie Gmünd


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: SPÖ-Zentralsekr.


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: -obmann


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: Beamter HM, Jurist


                              Einträge mit Erwähnung:
                                GND ID: 1017902909


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: Sekt.R HM


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                                    GND ID: 102318379X


                                    Einträge mit Erwähnung:


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: Kabinett Staribacher


                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          Tätigkeit: Dir. Bundesforste, später Sts., dann LWM


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            GND ID: 118996258


                                            Einträge mit Erwähnung:
                                              Tätigkeit: -min.


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                                                Tätigkeit: Staatssekretär BKA


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                                                  Tätigkeit: Bundeskanzler
                                                  GND ID: 118566512


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