Donnerstag, 3. November 1977
Botschafter Bukowski berichtet aus Sofia, dass die Beizanlage
über die die VÖEST solange mit den Bulgaren verhandelt hatte,
jetzt auch verlorengegangen ist. Die VÖEST hatte zuerst 240 Mill.
verlangt, die Bulgaren hätten ein Gegenangebot von 222 Mill. ge-
stellt, wo sie akzeptiert hätten, die VÖEST hat leider zwei
Tage diesen Endtermin überschritten, ohne zuzuschlagen, jetzt
wäre sie bereit auf 210 Mill. zurückzugehen, doch haben die Bulga-
ren bereits anderweitig abgeschlossen. Als einziges Geschäft, in der
letzten Zeit wurde ein Skilift mit 40 Mill. vereinbart. Der bulgari-
sche Export wird daher sehr zurückgehen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Fälbl soll an den österr. Handelsdelegier-
ten in Sofia ein geharnischtes Schreiben schicken und seine
Vorschläge zur Exportsteigerung verlangen.
Plesch berichtete mir, dass die Personalvertretung wegen der Be-
setzung der Gruppe in der Energiesektion unbedingt mit mir spre-
chen will. Ich gab ihnen sofort einen Termin, Engelmayer konnte
wieder einmal nicht kommen, aber Herold und Degischer wollten
von mir wissen, wie ich jetzt endgültig entscheide. Ich zog zur
Sitzung sofort Sekt.Chef Frank und Wanke bei, so dass wir sofort in
eine sachliche Diskussion einsteigen konnten. Da Frank und Wanke
um 10 Uhr andere Verpflichtungen hatten, wurde am Abend fortge-
setzt. Die Personalvertreter zeigten auf die bisherigen Leistungen
von Min.Rat Pelzl im Vergleich zu Min.Rat Sterk aber mussten sie
letzten Endes erkennen, ja sogar zugeben, dass Frank auf allen
Gebieten überlegen war. Meine Argumentation, wieso Sterk eine
derartige Initiative überall entwickelt, auf der Hochschule
tätig ist, die geologische Bundesanstalt auf ihn zurückgreift
während Pelzl gerade sich ausschliesslich auf die Sicherheits-
fragen beschränkt, der eine also eine allumfassende Initiative
entwickelt, der andere aber nur sein Gebiet betreut, hatten sie
kein Gegenargument. Herold erkannte sofort, dass diese Entschei-
dung eindeutig für Sterk ausfiel, weshalb er sich auf sein Mandat
zurückzog, nämlich im Namen der Personalvertretung zu klären
hätte, welche Entscheidungsgründe ich hätte und sie jetzt ihrem
Ausschuss berichten werden. Bis Mittwoch nächster Woche werden sie
und endgültig eine Stellungnahme abgeben. Damit habe ich einmal
mehr wieder gezeigt, dass obwohl die Personalvertretung aus ihrem
39-1245
Verschulden die Ausschreibungskommission sabotierte, ich nach
Terminablauf trotzdem bereit bin, mit ihnen zu verhandeln.
Im Klub hat Kreisky berichtet, dass er auf den Vorwurf Fischers
der ÖAAB käme in die Nähe der seinerzeitigen Lizitationspolitik
der KP eine Unzahl von Briefen bekommen hat. Kreisky sieht
darin eine gute Organisation des ÖAAB, der sofort reagiert,
etwas was er bisher auch des öfteren wünscht, wenn z.B. eine
Aktion der Regierung von unabhängigen Zeitungen attackiert
wird, möchte oft, dass soz. Organisationen oder einzelne
Funktionäre, die was noch besser ist, an diese Zeitung entsprechende
Briefe schreiben. Dies hat scheinbar nicht gut funktioniert.
Um so mehr beeindruckt ihn natürlich, wenn der ÖAAB dies zusammen-
bringt. Kreisky berichtet dann über die Vereinbarung über die
Spitalregelung, wo eigentlich die Landeshauptleute-Front, die
Taus und die ÖVP errichten wollte, zusammengebrochen ist. Im
Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen hat Androsch die Idee
geboren und die Vereinbarung zwischen Ländern und Bund geschlossen.
Destruktiv dabei war Kessler, sehr überlegen, fortschrittlich
und Argumenten zugänglich Ratzenböck. Momentan ist Kreisky von
diesem neuen Landeshauptmann fast begeistert. Zuerst wollte man
2/3 der Mehreinnahmen aus dem 30 %-igen Mehrwertsteuersatz dem
Wasserwirtschaftsfonds geben und 1/3 der Spitalfinanzierung. Jetzt
musste man das Verhältnis allerdings umdrehen. Entscheidend aber
war, dass es gelungen ist, eine Spitalfonds zu errichten, der
immerhin jetzt 1,6 Mia. S verwalten wird. Die neun Länder unter
Vorsitz Leodolter, Beiziehung Finanzminister, Soziales und
BKA Löschnak, wird mit 3 Sozialversicherungsvertretern diesen
Fonds verwalten. Er wird paritätisch besetzt sein mit einem
Dirimierungsrecht Leodolters. Das Finanzministerium wird jetzt
die Berechnungsgrundlage im Finanzausgleichsgesetz festlegen,
damit dieser Fonds in Hinkunft limitiert ist und nicht mehr eine
Abgangsdeckung der Spitäler, die jetzt noch existiert, aufscheint.
Was die Alternative der Volkspartei mit ihrem Arbeitsmarktkonzept
betrifft, so ist dies nur von den Zeitungen zu einem Konzept hochge-
jubelt worden. Nach Meinung Kreisky handelt es sich um ein
Mischmasch von Massnahmen, die soweit sie nicht schon von dieser
Regierung sowieso erfüllt wurden, in anderen Ländern gescheitert
sind. Redakteur Swietly, von dem Kreisky keine besonders gute
39-1246
Meinung hat, hätte selbst Taus gegenüber diese Massnahmen
als Subsidienwirtschaft charakterisiert. Die ÖVP hätte seit
eh und je nur immer, auch als sie noch den Finanzminister und
die Regierung mehr oder minder führte, kurzfristige Entscheidungen
vorgeschlagen, Er erinnert sich noch sehr gut an die Diskussion
zwischen Waldbrunner und Kamitz, wo letzterer nur die konsumnahe
Investition für Textilien und Lebensmitteln fördern wollte, während
Waldbrunner die Kraftwerke und die Verstaatlichte entsprechend
förderte und dadurch die Industrialisierung Österreichs erst er-
möglichte. Richtig ist, dass Waldbrunner damals für die Verstaat-
lichte Industrie und die Elektrizitätswirtschaft verantwortlich
war und dort entsprechende Förderung durchsetzen wollte und teils auch
erreichte. In meiner Erinnerung aber war dieser Kampf gar nicht
so eindeutig und erfolgreich, einmal haben wir Wahlen ausdrücklich
deshalb verloren, weil die ÖVP es geschickt verstanden hat, auf ihre
Erfolge hinzuweisen und die aufgestellten Öltürme in Wien als Symbol
der Leistungen der Verstaatlichten Industrie gar nicht die Wähler
beeindruckte. Damals hatte der starke Bundeskanzler Raab, der genauso
wie jetzt Kreisky Androsch den damaligen Finanzminister Kamitz
in jeder Beziehung abdeckte, das bürgerliche Lager nicht nur
zusammengehalten sondern auch dazu gebracht die ÖVP zu wählen.
Ich habe den Eindruck und die Erfahrung, dass in der Politik
nicht immer die Sachentscheidungen von den Wählern entsprechend
gewertet und gewürdigt werden, sondern viel mehr das Auftreten
einer Regierung oder Partei, die Geschlossenheit, wobei natürlich
de einfach wichtigen Probleme des Wählers befriedigend gelöst
sein müssen. Das Paperl, der Gulden, das Wagerl, wenn die drei in
Ordnung sind, glaube ich, kann man, wenn nicht grosse Schnitzer
gemacht werden, wieder mit einer entsprechenden Zustimmung der
Bevölkerung zur Regierungspolitik rechnen. Dies bemerkt die ÖVP
und ihre Bemühungen in der Nationalratssitzung die Regierungs-
politik entsprechend zu attackieren, gehen grösstenteils ins
Leere.
Die Saalfeldener Delegation will vom Handelsministerium für ihren
Saalbau eine entsprechende Unterstützung. Ebenso haben sie die
Idee, einen Pinzgauer Radfahrweg und eine beleuchtete Loipe
anzulegen. In diesem Fall können wir ihnen, wie Ortmann mir er-
klärte und dann der Delegation im Detail auseinandersetzte, über
das Handelsministerium entsprechende Unterstützung geben. Gleich-
zeitig wollen sie mit dem Unterrichtsministerium eine Turnhalle
39-1247
für ihr Schulzentrum. Interessant ist, dass man eine kombinierte
Halle, wie es die ÖVP in Salzburg von Saalfelden verlangt, aus einem
einfachen Grund ablehnen muss: Die Entlüftungsfrage ist nicht
geklärt und man kann feststellen, dass wo eine solche kombinierte
Halle entsteht, nach jedem Turnabend der Schweißgeruch tagelang in
der Halle bleibt. Die Lüftungsfrage konnte bis jetzt noch nicht
befriedigend gelöst werden, weshalb alle Fachleute für getrennte
Hallen eintreten.
Die Aussprache zwischen Direktion der Ankerbrotfabrik und Betriebs-
rat, welche beide von mir verlangt hatten, war hart, sachlich und für
die Direktion nicht erfolgreich. Da der Betrieb in den letzten
Jahren ständig eine Defizitgebarung aufzeigt und in der Mitte des
nächsten Jahres die Hälfte des Eigenkapitals verbraucht ist, weshalb
der Vorstand über den Aufsichtsrat der Hauptversammlung den Konkurs
mitteilen müsste, sollte durch eine 6,5 %-ige Lohnreduktion gerettet
werden. Noch niemals während meiner 25-jährigen Tätigkeit in der
Gewerkschaft ist ein solches Verlangen an mich herangetragen worden.
Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass man allen Ernstes glaubt,
einen vollbeschäftigten Betrieb dadurch retten zu können, dass man
den Arbeitern sagt, sie bekommen weniger bezahlt. Als Alternative
hat dann nach stundenlanger Verhandlung der Generaldirektor vorge-
schlagen, bei der nächsten Lohnrunde sollte die Ankerbrotfabrik
ausgenommen werden. Auch hier sehe ich kaum eine Möglichkeit, doch
wird dieser Zeitpunkt frühestens im Feber des nächsten Jahres wahr-
scheinlich, wie ich ausführte erst bei der nächsten Ernte sein. Das
Bankhaus Schoeller hat die Ankerbrotfabrik vom Vorbesitzer Frau
Mendl, leichtfertig in meinen Augen, um einen überhöhten Betrag er-
worben, hat jetzt trotz der Reorganisation die grössten Schwierigkeiten,
obwohl die Belegschaft und insbesondere die Betriebsräte bereit
gewesen sind, ein Personalabbau-Konzept zu akzeptieren.
Jetzt hat sich herausgestellt, nachdem fast ein Drittel der Beleg-
schaft reduziert wurde, dass der Rest voll arbeitet, der neue Ver-
kaufsdirektor Thun von Coca Cola kommend auch den Umsatz ent-
sprechend ausweiten will und kann und trotzdem durch eine 54 %-ige
Lohn- und Gehaltstangente die Kostensituation unbefriedigend ist.
In so einem Fall, erklärte ich abschliessend, gibt es eine einzige
Möglichkeit, den Umsatz mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln
zu vergrössern.
Bei der Vorstandssitzung der Lebensmittelarbeiter die durch
die Aussprache erst verspätet beginnen konnte, gab es meinen
Wirtschaftsbericht, eine Diskussion. Insbesonders wollten einige
Kollegen wissen, wie es jetzt wirtschaftlich weitergehen soll,
nachdem die Prognosen der Institute der negativ sind. Im Vergleich zu
anderen Staaten liegen wir ja in jeder Beziehung noch äusserst
günstig, doch werden wir im wahrsten Sinne des Wortes abwarten müssen,
ob die deutsche Konjunktur sich belebt oder zumindestens nicht so
zurückgeht, wie dies jetzt erwartet wird. Die heurige positive
Entwicklung in Amerika und Japan hat auf Europa nicht durchgeschlagen.
Für Europa dürfte doch immer entscheidend sein, wie es in Deutschland
vielleicht auch noch in Frankreich und England, Italien, also den
grossen Ländern, weitergeht. Im Fernsehen wurde viel über den Be-
such von Pahr in der BRD berichtet. Veselsky meinte zu mir, wieso
ich dort nicht hingefahren bin. Er kann nicht verstehen, dass in
meinen Augen es wirklich nicht entscheidend ist, dass nur ich allein
alles erledigen, was kompetenzmässig ins Handelsministerium fällt son-
dern wie es mir wirklich nichts ausmacht, wenn andere sich auch bemü-
hen. Dass der ORF in Deutschland infolge des dort sitzenden Redakteur
Klaus Emmerich, der sehr aktiv ist, dies gross herausbringt, kann
mir persönlich nur recht sein. Niemand soll sagen, diese Regierung
kümmert sich nicht um das grosse Handelsbilanzdefizit gegenüber der
BRD, ändern werden wir es ja kaum können.
Der Obmann der Konsumorganisation Haberl hat mit dem für die Ölmühlen
zuständigen Vorstandsmitglied Seda mit mir neuerdings dieses
Problem besprochen. Haberl wollte wissen, ob ich etwas dagegen einzu-
wenden habe, wenn die Konsumgenossenschaft sich weiter bemüht, in
diese Gesellschaft Olioprot auch die Unilever einzubinden. Genau das
Gegenteil, erklärte ich ihm sofort, ist der Fall. Ich halte ein
Ausschliessen Unilevers in diesem Ölproduktionsprojekt für unmög-
lich. Unilever wird den grössten Teil des dort produzierten Öls
übernehmen müssen. Haberl selbst fürchtet sogar, dass die Konsum-
genossenschaft, wenn sie allein mit den Vertretern Eisenberg und
der Landwirtschaft Wohlmeyer in dieser Gesellschaft wäre, nur
hineinzahlen müsste und keinerlei Profit davon hätte. Wenn Unilever
dagegen aufgenommen wird, so hat Unilever und die Konsumgenossen-
schaft die Parität gegenüber den beiden anderen. Da die Konsum-
bewegung und Unilever seit Jahrzehnten die besten kommerziellen
Beziehungen haben, möchte Haberl unbedingt die Unilever gegen die
Landwirtschaft durchdrücken.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Ich glaube, dass jetzt der Zeit-
punkt ist, wo wir die endgültige Entscheidung treffen können und
sollen.
Direktor Fremuth, Girozentrale, ist mit dem Vizepräsidenten der
sowjetischen Handelskammer zu mir gekommen, um von grossen Export-
projekten in die Sowjetunion zu berichten und meine Unterstützung
zu erbitten. Die sowj. Handelskammer ist jetzt an dem Welthandels-
zentrum in Moskau und insbesondere an dem Ausstellungsgelände
inmitten der Stadt beteiligt. Das Welthandelszentrum werden die
Amerikaner bauen, das Ausstellungsgelände, welches zur Olympiade
fertig sein muss, wird auf mehrere Staaten aufgeteilt. Einen Pavillon
72 mal 256 m, kann Österreich bekommen. Die Belgier haben einen
kleineren – 102 mal 102 – erhalten. Voraussetzung für dieses Ge-
schäft ist, dass Österreich einen Generalunternehmer stellt
und dass dieser mit hohen Pönale-Verpflichtungen den Termin unter
allen Umständen einhält. Die notwendige Zustimmung für die Devisen
ausgaben nach Österreich, erklärte ich dem Präsidenten sofort, wird
der Minister Patolitschew, den er sehr gut kennt und der angeb-
lich in der SU sich über mich äusserst positiv immer äussert,
ohne weiteres bekommen. Wir haben in den letzten Jahren einen
richtigen Handelsbilanzüberschuss aus der SU nach Österreich fest-
zustellen, der durch Projekte wie dieses wenigstens ein wenig
vermindert werden kann. Fremuth erklärte, dass die Girozentrale
jetzt mit der Firma Porr sehr konkrete Gespräche führt und
diese Firma ein Generalunternehmer nominieren wird. Die Kredit-
finanzierung übernimmt österreichischerseits die Girozentrale.
Der sowjetische Handelskammerpräsident hat darauf verwiesen, dass
vor Monaten bereits die Handelskammer auf solche Projekte an-
gesprochen zuerst sehr positiv reagierte, dann aber sich ausserstan-
de erklärte. Tatsache ist und ich habe dies zugegeben, dass
Bürgermeister Gratz mit dem Wiener Handelskammerpräsidenten
Dittrich diesbezügliche Erklärungen und Vorgespräche in Moskau
führte, die zu keinem positiven Ergebnis führten. Die österr.
Firmen sind davor zurückgeschreckt, dass sie als Generalunternehmen
auf ihr Risiko und nicht auf Unterstützung der Sowjets rechnen können
alles aus Österreich in die SU exportieren müssen, was sie brauchen,
um dort Hotels oder sonstige Gebäude zu errichten. Ich hoffe und
bin sehr gespannt, ob es diesmal gelingt, ein solches Projekt
zu verwirklichen. Vom Prestigestandpunkt wäre dies deshalb not-
wenig, denn das Ausstellungsgelände wird sicherlich in der SU
dieselbe Bedeutung haben wie derzeit das seinerzeitige Landwirt-
39-1250
schaftsgelände, welches jetzt zu einer ständigen Ausstellung
für alle wirtschaftlich-ökonomisch wichtigen Zweige der SU
wurde und wo jede einzelnen Sowjet-Republik einen Pavillon
errichtete. Das neue Ausstellungsgelände wird inmitten der Stadt
liegen und repräsentativ ausgestaltet sein. Es wäre sehr gut, wenn
Österreich dort wirklich entsprechend mit einem grossen Bau
vertreten wäre. Ich wünschte Fremuth viel Glück und versprach ihm
jedwede Unterstützung.
Tagesprogramm, 3.11.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)