Dienstag, 25. Oktober 1977
bis Sonntag, 29. Oktober 1977
Innungsmeister der Zuckerbäcker Stuller möchte, dass sich die
Cafe-Konditoreien und Gastgewerbe-Betriebe nicht als Konditoren
bezeichnen dürfen, wenn sie nicht einen Gewerbeschein für diese
Sparte besitzen. Seiner Meinung nach kann auch nicht ein Händler
sich automatisch Fleischhauer nennen. Sekt.Chef Jagoda und ich ver-
suchten ihm klarzumachen, dass wenn in unserer Gewerbeordnung Freiheit
herrschen soll oder zumindestens ein liberalerer Geist, so muss
jemand der den Anforderungen entspricht auch tatsächlich dann diese
Produkte herstellen können. Wenn ein Kaffeehausbesitzer jemanden
hat, der die Konditoreiwaren in einwandfreier Qualität erzeugt,
dann können wir ihm nicht in der Gewerbeordnung verbieten, sich
als Konditor zu bezeichnen. Jagoda wird die ganze Frage noch einmal
überdenken und vor allem einmal mit allen Beteiligten besprechen.
Der Innungsmeister hat nur ganz besonders darauf verwiesen, dass
die Kollektivverträge der Gastgewerbebetriebe schlechter sind als
die der Lebensmittelarbeiter, weshalb eben viele sich drücken und
de entsprechenden schlechteren Bedingungen dieses Kollektivvertrages
übernehmen, und dadurch die Preisunterbietung möglich wird.
Mit den Industrievertretern Unilever, Ebhart & Herout, hat dann Stul-
ler ebenfalls protestiert, dass die Verordnung über Konservierung
der Margarine, die ab Ende dieses Jahres ein Verbot der Konservierung
vorsieht, nicht neuerdings fristerstreckt wird. Sie haben dem Ge-
sundheitsministerium vorgeschlagen, dass unverzüglich jetzt fest-
gestellt wird, wann die Verordnung jetzt tatsächlich in Kraft tritt.
Bis Endes des Jahres sind die notwendigen Investitionen nicht möglich
durchzuführen. Für Unilever wären es 8 Millionen für Ebhart & Herout
7 Mill. S, die für die Pasteurisierung jetzt aufgewendet werden müssten
Ausserdem muss ein Fertigwarenlager noch gemacht werden. Zusätzlich
zu diesen Investitionen wird es dann 24 Mill. S pro Jahr laufende
Steigerung der Kosten bedeuten. Trotzdem sehen sie ein, dass
diese Verordnung über das Konservierungsverbot in Kraft treten
muss. Unerklärlich ist ihnen nur, warum sie auf ihren Frister-
streckungsantrag noch immer keine Antwort vom Gesundheitsministerium
bekommen haben. Ich habe diesbezüglich sofort mit der Frau Minister
Leodolter vor dem Ministerrat gesprochen, sie hat mir zugesagt, dass
jetzt unverzüglich das Ansuchen beantwortet wird, eine Fristerstreckung
erfolgt und vor allem klargestellt wird, dass selbstverständlich
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dann noch eine Aufbrauchfrist für die Konditoren, Bäcker usw., die
Margarine verarbeiten müssen, vorgesehen wird.
Der Spanplattenerzeuger Egger aus St. Johann, der jetzt in St. Pölten
eine Brauerei errichtet, kam mit meinem alten Freund von der AK
Tirol Dr. Karl Rainer und ersuchte mich, ob ich bereit wäre, seine
Brauerei auch dann zu eröffnen. Ich erklärte mich im Prinzip damit
einverstanden. Nachher habe ich unter vier Augen Rainer darauf aufmerk-
sam gemacht, dass die Voraussetzung dafür ist, dass alle Leute dort or-
ganisiert werden und vor allem ein Betriebsrat gewählt wird. Egger
soll angeblich jetzt in der Brau-Industrie als schwarzes Schaf gelten,
weil der zwar seine Brauerei in Wörgl zuerst stillegte und verkaufte
und jetzt in das Einzugsgebiet der grossen Brauereien mitten in NÖ
eine neue 200.000 hl-Fabrik errichtet. Ich sagte Rainer, wenn er
schon mit dem Unternehmerverband in Konflikt lebt, dann wird es für
ihn zweckmässig sein, wenigstens mit der Gewerkschaft normale Bezie-
hungen aufrechtzuerhalten. Rainer hat mir zugesagt, dieses Problem zu
lösen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte halte mit ZS Blümel diesbezüglich genauen
Kontakt.
Im Ministerrat stellte ich den Antrag auf dritte Tagung Wirtschafts-
kommission Delegation in Berlin mit dem Hinweis, dass das Finanz-
ministerium für die OeNB und der Land- und Forstwirtschaftsminister
für sein Ministerium einen weiteren Delegierten verlangt, zurück.
Kreisky stellte einmal mehr fest, dass wir sparen sollen und deshalb
keinesfalls die Gemischten Kommissionen so stark beschicken sollten,
resp. womöglich überhaupt die ganze Auslandsreisen streichen sollten.
Ich erklärte sofort, dass dies seit längerer Zeit mein Ziel ist,
aber an den Staatshandelsländer-Vertretungen eindeutig scheitert.
Ebenso hat Kreisky dann die Entsendung von einem Ministerialrat
des Landwirtschaftsministeriums zu einer Fact-finding-Mission
zum Entwicklungshilfeprojekt Rindermastfarm nach Sambia zur Grundlage ge-
nommen, um darauf hinzuweisen, dass a) in diesem Fall die Kosten
Delegation von der Austro-Vieh übernommen werden, die Austro-Vieh
aber dann früher oder später das Geschäft mit dieser Entwicklungs-
farm macht und damit auch die Entwicklungshilfe des Bundeskanzler-
amtes die Reise indirekt bezahlt. Für Kreisky gibt es derzeit nur
Absicht, in jeder Ministerratssitzung, wie man bei den Beamten
sparen könnte. Sie es bei Überstunden, sei es bei Dienstreisen. In
beiden Fällen hat er recht, doch weiss auch ich nicht, wie man dies
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tatsächlich am ehesten verwirklichen könnte. Die einzige Möglichkeit
sehe ich darin, die ausländischen Staaten dazu zu bringen, die
Gemischten Kommissionen entweder aufzulösen und wenn dies nicht
geht, dann nicht alle Jahre tagen zu lassen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER UND MEISL: Bitte die Delegationsfestlegungen
in Hinkunft vorher mit mir im Detail besprechen.
Die Verhandlungen mit der israelischen Seite waren auf der einen Seite
sehr freundschaftlich, auf der anderen aber doch vom ständigen Miss-
trauen der Israeli gegen alles, was in Westeuropa geschieht, ge-
kennzeichnet. Der Minister Hurwitz, früher ein bedeutendes Mitglied
der Arbeiterpartei, jetzt aber in der Regierung Begin, ist so wie
viele andere führende Mitglieder das Arbeiterpartei im Laufe der
letzten Jahre von dieser abgesplittert. Die Arbeiterpartei ist in
Israel, wie man so schön sagt, im wahrsten Sinne des Wortes am Sand.
In Tel Aviv, ihr Hauptquartier ist genauso zerstritten wie die ganze
Partei. Bei einem Besuch in einem Kibbuz der Arbeiterpartei musste
ich auch dort feststellen, dass die besten Genossen, ja sogar die
Funktionäre nicht mehr die Arbeiterpartei das letzte Mal gewählt
haben. Das wurde dort freimütigst zugegeben. Die Regierung Begin kann
also tatsächlich auf einen Grossteil der Unterstützung insbesondere
ihrer Verteidigungs- und Aussenpolitik von Funktionären der Arbeiter-
partei rechnen. Dadurch, dass die Arbeiterpartei in den letzten Jahr-
zehnten scheinbar mit ihren politischen Politik so abgewirtschaftet
hat, hat sie mehr oder minder zu ihrem eigenen Untergang wesentlich bei-
getragen. In sich total zerstritten, keiner wirklichen politischen
Entscheidung mehr fähig, musste dieses Ende kommen. Die Liberalere
Dash, welche jetzt in die Regierung gegangen ist, machte es Begin
möglich, eine nicht mehr von den orthodoxen diktierte Politik
machen zu müssen. Die grosse Gefahr, bevor Dash die Regierung mit
15 Mandaten im Nationalrat wesentlich verstärkte, war, dass die
Orthodoxen bei jeder Gelegenheit für die Zustimmung in der Regierung
und im Knesset entsprechende Massnahmen Verlangt hätten. Die Israeli
machen sich in ihrer Mehrheit über diese Politik teilweise lustig.
Wenn das Rabbinat die unmöglichsten Sachen verlangt, weil es in der
Bibel so steht, dann glauben höchstens 20 % der Orthodoxen daran,
dass es richtig ist. Die grosse Mehrheit lehnt es aber ab. Für den
Fremdenverkehr ist es ein grosses Problem z.B. wenn die Franzosen
nach dem Mittagessen noch Käse wünschen. Da aber fleischig gegessen
wurde, darf nicht milchig in den meisten Gaststätten und Hotels gegeben
werden. Ein weiteres Problem ist, dass man zum Kaffee doch unbedingt
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nachher noch Milch haben will. Auch dies gibt es in den meisten
Gaststätten nicht.
Die erste Aussprache mit Hurwitz war eine Schilderung der wirtschaft-
lichen Situation, beeinflusst von dem hohen Zahlungsbilanzdefizit
der hohen Inflationsrate Vorjahr 38 % und der riesigen Militär-
ausgaben – 40 % des Budgets. Wahrscheinlich sogar noch mehr, doch
verhältnismässig sicherlich gut getarnt. Um den Export einigermassen
aufrechterhalten zu können, wurde eine 30 %-ige Exportstützung
gewährt: Dies ist zwar GATT-widrig, doch dürfte eben für die israelische
Exportindustrie keine andere Möglichkeit bestehen. Nach unserer
Statistik wurden im Vorjahr für 455 Mill. S Exporte getätigt und für
329 Mill. S Importe getätigt. Die israelischen Ziffern sagen aber,
dass wir für 25,8 Mill. S importiert haben und für 20,5 Mill. exportiert
Bei diesen Importziffern sind noch die Transitimporte enthalten, wes-
halb sich unsere reine Zahlungsbilanz gegenüber Israel noch ver-
schlechtert. Bei einem Mittagessen lernte ich den Finanzminister
mit dem typischen Namen Ehrlich kennen, der mir auseinandersetzte,
dass sie jetzt eine neue Politik machen müssen. Ebenso war ein Minister
der neuen Regierungsmitglieder von Dash, Zadar, Transport und
Kommunikation, anwesend, der vorher Leiter des Geheimdienstes war,
Um die Situation zu verbessern hat die israelische Regierung dann
tatsächlich am Freitag, also vor Sabbat beschlossen, den Wechselkurs
für israelische Pfund freizugeben. Dies bedeutete, dass der Dollar
sofort von 11 israelischen Pfund auf 15 Pfund, wie ich dann am Sonntag
in den Bazars und sonst überall feststellen konnte, gestiegen ist. Die
15 Pfund pro Dollar werden wahrscheinlich nur ganz kurze Zeit halten.
Die Israelische Regierung rechnet, dass sich irgendwo bei 13–14
einpendeln wird. Für die Exportindustrie ergibt sich jetzt eine
momentane günstige Situation. Obwohl die 30 %-ige Exportstützung
gestrichen wird, die immerhin 10 Mia. Pfund ausgemacht hat, wird
es zu einer kurzfristigen Erleichterung kommen. Die Exportsubvention
konnte auf die Dauer deshalb nicht aufrechterhalten werden, weil
vom Gesamtbudgets von 160 Mia Pfund es doch einenwesentlichen Betrag
ausmachte. Die 160 Mia Pfund entsprechen auch ungefähr dem Brutto-
nationalprodukt, dies zeigt deutlich, dass der Staat über sein Budget
einen ungeheuer Einfluss hat. Die Mehrwertsteuer wird von 8 auf 12 %
erhöht, dafür wird aber die Importabgabe von 15 % für Verteidigungs-
zwecke und eine 10 %-ige purchase-tax gestrichen. Wenn Israeli
ins Ausland fahren, mussten sie bisher für das Ticket 1.000 Pfund
bezahlen und noch eine 5 %-ige Abgabe. Auch dies fällt weg, doch wird
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er in Hinkunft nicht mehr für 500 resp. jetzt 750 Dollar in der
letzten Zeit Devisen zugeteilt gekommen, sondern wird sich jedwede
Menge am freien Markt beschaffen müssen. Da sich die Gewerkschaften
in Opposition zur Regierung befinden, haben sie sofort gegen diese
Massnahmen protestiert und Streiks angekündigt. Der letzte General-
streik aber war wie mir alle erzählten eine richtiggehende Pleite.
Unter diesen wirtschaftlichen Auspizien standen die Verhandlungen
mit den Israeli. Hurwitz selbst hatte zwei grosse Projekte er-
wähnt, bei denen er hofft, dass sich die österreichischen Unternehmer
daran beteiligen. Das eine wäre vom Mittelmeer einen Kanal zum Toten
Meer zu graben und dort entweder Elektrizität mitzubetreiben oder
wenn nicht, so zumindestens die ständigen Wasserverluste des Toten
Meeres auszugleichen. Angeblich sinkt das Tote Meer jährlich um
40 cm. Der südliche Teil des Toten Meeres, wo sich die chemische
Fabrik befindet und dort auch das Seewasser in einer Pipeline zu einer
neuen Negev chemical industrial center gepumpt wird. kann nur mehr
durch einen Kanal im Toten Meer einigermassen mit Wasser versorgt
werden. Dieses Kanalprojekt wird 1,1 Mia. $ kosten und wahrscheinlich
nur bei Elektrizitätsgewinnung einigermassen rentabel sein. Ich
erklärte sofort, dass wir zwar gute Erfahrungen mit Ausbau von Lauf-
kraftwerken und Speicherkraftwerken in Österreich haben, doch dies
immer mit Süsswasser geschieht. Wenn Salzwasser dafür verwendet wird,
haben die Ergebnisse der Franzosen bei ihrem Gezeiten-Kraftwerk
gesehen, wird eine ganz spezifische Technologie notwendig sein.
Am meisten wird natürlich die Maschinerie vom Salzgehalt des Meeres
angegriffen, worauf man besonders Rücksicht nehmen muss. Wie mir nachher
unter vier Augen mitgeteilt wurde, ist auch ein Verteidigungsgrund die
Idee, den Kanal bei Haifa bereits in den Jordan zu leiten, damit
der Jordan stärkere Wasserführung hat und dann die notwendige Verteidi-
gungslinie gegenüber der Westbank, die ja jetzt in israelischer
Hand ist und durch den Jordan von Jordanien getrennt wird, durchge-
führt werden kann. Bei einer Besichtigung des Jordan-Tales konnte
ich feststellen, dass auf der Westbank bereits die israelischen Siedler
grosse landwirtschaftliche Anlagen errichten, womit für mich klar ist,
dass es von israelischer Seite nicht beabsichtigt ist, in absehbarer
Zeit dieses Gebiet zu räumen. Die Idee, jetzt dann das Jordantal
noch mit entsprechender Meereswasserfüllung zu stärken, bedeutet
auch eine natürlich Grenze strategisch zu verbessern. Überhaupt
muss man festhalten dass die Israeli alles vom strategischen Stand-
punkt aus machen. Das zweite grosse Projekt war eine Eisenbahn über
die Wüste Negev bis Eilat. Dieses Projekt soll 200 Mill. $ betragen
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und man wäre bei entsprechend günstigen Kreditbedingungen, die der
österreichische Staat geben sollte, an einer Beteiligung österr.
Firmen sehr interessiert. Überhaupt behauptete Hurwitz und seine Leute,
dass Österreich den Arabern äusserst günstige Kreditbedingungen und
-hilfe gibt und sie eigentlich erwarten, dass auch Israel dieselben
Vorteile aus dem Handle mit Österreich ziehen sollte. Ich erklärte
ihnen sofort, dass wir nur zwei Möglichkeiten haben, auf der einen
Seite ein Entwicklungshilfeprojekt resp. Unterstützung, die sich aber
auf wenige Millionen erstreckt und auf der anderen Seite den in die
Milliarden gehende Exportförderung resp. Sicherungskredit. Dieser
steht aber allen österr. Firmen gleich offen und es ist bei uns egal,
ob diese Firma nach Israel oder in ein arabisches Land liefert. Bei
einer Betriebsbesichtigung und Aussprache mit der Industriellen-
vereinigung, wenn ich so sagen darf in Israel, wurde mir dann vorge-
halten, dass es österreichische Firmen gibt, die nicht nach Israel
liefern wollen. Dies hat sich besonders auf das Geschäft der VÖEST
wegen einer Werkzeugmaschine bezogen. Ich hatte vorher mit der VÖEST
über diese Angelegenheit geredet und tatsächlich erfahren, dass
die VÖEST befürchtet, wenn sie offiziell nach Israel liefert, dann
auf die arabische Boykottliste gesetzt zu werden.
Am meisten musste ich das Misstrauen der Israeli bei meinem Besuch
beim Ministerpräsidenten Begin feststellen. Er fragte sofort, ob
Österreich bereit ist, den Abfangjäger Kfir zu kaufen. Ich erzählte
ihm genau so wie ein halb Dutzend von Journalisten, die mich ständig
danach fragten, dass Österreich sich noch nicht entschieden hat,
wie und wann seine Luftverteidigung aufgebaut wird. Der neue Vertei-
digungsminister Rösch hat eine andere Konzeption als der vor
einiger Zeit entlassene Lütgendorf. Da ich überzeugt war, dass
die Israeli genau den Grund der Entlassung Lütgendorfs, nämlich Waffen-
lieferungen nach Syrien kannten, habe ich auf diese Entlassung immer
besonders hingewiesen. Die Israeli waren aber vornehm genug, mich nicht
daran zu erinnern, dass es Syrien gewesen ist, wo Lütgendorf stürzte.
Begin behauptete nicht mehr und nicht weniger, wenn wir den Kfir nicht
kaufen, so ist es für ihn ein Zeichen, dass wir unter arabischem Druck
stehen. Begin regte sich insbesondere auch über die Politik Kreiskys
auf, weil dieser einen Palästinenserstaat schaffen will. Begin
erklärte mir immer wieder, sie seien in einer tödlichen Gefahr,
wenn sie die alten Grenzen anerkennen. Nur 16 km zwischen Jorda-
nien und dem Meer wären und sind eine katastrophale Situation.
Die Menschheit lebt risikoreich. Jedes Land hat ein Risiko, aber
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man könnte von Israel nicht verlangen, dass es ein solches
tödliches Risiko akzeptiert. Mit welcher Intensität und, ich
würde fast sagen Fanatismus, Begin diese Theorie vortrug, lässt
mich klar erkennen, dass es hier sehr schwer sein wird, Kreiskys
Idee, einen Palästinenser-Staat in der Westbank errichten zu können,
zu verwirklichen. Selbst wenn die Amerikaner ebenfalls auf eine
solche Lösung drängen würden. Die Israeli sind der festen Über-
zeugung, dass niemand im Nahen Osten einen Palästinenser-Staat
wünscht. Weder Jordanien, noch Syrien noch Ägypten noch in Wirk-
lichkeit Libanon, den Palästinensern, soweit sie in ihrer Heimat
vertrieben sind, geht es jetzt unter der israelischen Verwaltung
insofern besser, als dort selbstverständlich der höhere Lebensstan-
dard der Israeli auch sich schön langsam auf die Araber auswirkt.
Insbesondere die ständig stärker werdende Fremdenverkehrs- oder
Tourismussaison wirkt sich auch bei den Arabern einigermassen
lebensstandarderhöhend aus. Da man uns den Kfir verkaufen will,
hat man mich selbstverständlich auch zu den Flugzeugwerken geführt
und dort alle Details freimütigst gezeigt und erklärt. Da ich aber
ein technischer Laie bin, war es für die Israeli auch überhaupt
kein Risiko. Über die Ausstattung dieser Israel-Aircraft-Companie
war ich sehr überrascht. Ein so hohen Niveau, so gute Werkzeug-
maschinen hatte ich nicht erwartet. Vorher hat man eine Vor-
sprache bei dem Vizeminister für Verteidigung für mich organisiert,
wahrscheinlich auch, um irgendwo herauszubekommen, wie wir uns
zum Kfir-Kauf stellen, zum Glück hatte dieser Mann nicht allzu viel
Zeit und man beschloss daher, mir improvisiert ihre Maschinenge-
wehrproduktion zu zeigen. Sie haben eine neue Maschinenpistole ent-
wickelt, die mir mit allen Details vorgeführt wurde. Da ich grossen
Wert darauf gelegt habe, von der Firma Eisenberg die Margarine-Er-
zeugung resp. Ölraffinerie zu sehen, wurde auch dort ein ent-
sprechender Besuch improvisiert. Zum Unterschied von den Rüstungs-
betrieben hat die zivile Industrie einen wahrlich verhältnismäs-
sig schlechten Standard. Die Fabrik war nach unseren Begriffen
ausgesprochen versaut, mit Unilever überhaupt nicht zu vergleichen,
obwohl ich zugeben muss, dass sie vielleicht ganz zweckmässig
einwandfreie Produkte erzeugt. Allein, dass die Seife und die
Margarine-Erzeugung in einem Betrieb zusammengefasst ist,
ergibt sicherlich schon Probleme. Beim Weizmann-Institut konnte
ich dann mit den Professoren diskutieren und, was noch viel
wichtiger war, die angeschlossenen Industrien besichtigen. Das
Weizmann-Institut wird grösstenteils aus Spenden finanziert,
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die 2.000 Wissenschaftler haben 200 Mill. Pfund Budget. Die
nachgeordneten Firmen haben dann die Möglichkeit, Erkenntnisse
dieses Instituts sofort in Industrie und Exportaktivität umzu-
setzen. Bei einem Besuch in einem solchen Elektromedizinischen
Anstalt war ich auch über das know-how und die Elektronik-Technik
überrascht.
Nicht vorgesehen war, dass sich unsere Soldaten auf den Golan
besuchen sollte. Zufällig traf ich den General Philip und der
arrangierte dann einen richtiggehenden Empfang. Das ganze Bataillon
war angetreten, ich besuchte ihre Stellungen und liess mir vor
allem von Philip die Situation genau erklären. Er ist so wie ich
der Meinung, dass die Israeli äusserst empfindlich sind und dass
es daher ungeheuer schwierig ist, mit ihnen auszukommen. Philip
glaubt übrigens, dass in absehbarer Zeit leider wieder es zu einer
kriegerischen Auseinandersetzung kommen könnte. Die Israeli wissen,
dass die Ägypter nur 80 % ihrer seinerzeitigen Schlagkraft haben,
die Syrer ungefähr gleich stark sind ebenso die Jordanier, die
Israeli aber mindestens 180 bis 200 %. Wenn es der UNO gelänge,
wirklich einen Frieden aufrechtzuerhalten, wenn es den Amerikanern
gelingt, die Araber und die Israeli dazu zu zwingen, ein Arrange-
ment zu akzeptieren, dann müsste dies ein Wunder sein. Bei mir
hat sich der Eindruck noch mehr verstärkt, als ich jetzt doch
auch arabisches Gebiet besuchen konnte und den grossen Unterschied
zwischen israelischem Gebiet und arabischem Gebiet feststellen
musste, dass die arabische Feudalherrschaft in den umliegenden
Ländern gefährdet ist, wenn die israelische demokratische politi-
sche Form in diese Länder übergreifen würde. Dies ist in meinen
Augen der Hauptgrund, weshalb die Araber unter allen Umständen
mit dem Einfluss Israels Schluss machen wollen. Dies kann ent-
weder durch einen Vertrag geschehen oder halt leider wieder
durch einen Krieg. Ob Kreisky hier tatsächlich irgendwelche
Einflussmöglichkeiten hat, kann ich schwer beurteilen. Er ist
auf alle Fälle in diesem Gebiet ein angesehener Mann. Die Israeli
sind nur sehr misstrauisch gegen ihn, weil sie befürchten, dass
er, vielleicht nicht zuletzt, weil er ein Jude ist, viel mehr
den arabischen Wünschen nach einem Palästinenser-Staat nachgibt,
die PLO teilweise anerkennt und damit die Israelischen Inter-
essen nicht entsprechend vertritt. Begin hat zwar Kreisky durch
mich grüssen lassen, doch ob dieser Gruss herzlich war oder
nur ein formeller, weiss ich nicht. Begin hat mit mir die
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Aussprache nur deshalb gewollt, um zu erfahren, ob wir Kfir kaufen
und sich dann ganz besonders über die Haltung Jankowitschs bei den
Vereinten Nationen zu beschweren. Überall das israelische Misstrauen.
Aus ihrer Situation verständlich, wie kann man es aber abbauen, ich
weiss es nicht.
Tagesprogramm, 25.10.1977
TAgesordnung 92. Ministerratssitzung, 25.10.1977
38_1229_03hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)