Mittwoch, 28. September 1977
Im Beirat bei der Bürges wurde berichtet, dass bereits mit Ende
September mit 235 Mio Kreditkostenzuschusserfordernis Ansuchen
vorliegen, das Budget aber nur 227 Mio Bundesvorschüsse vorsieht.
Die Überziehung kann aber ohne weiteres aus Zinserträgen gedeckt
werden, die 14 Mio. Schilling heuer aus Veranlagungen erbringen werden.
Seitdem die Bürges die Zinsenzuschüsse nicht mehr der Bank sofort
beim Zuschlag übermittelt, sondern selbst veranlagt und daher nur
jährlich 1/5 für jeden Fall braucht, haben wir diese zusätzliche
Einnahmequelle. Der Vertreter der Bundeshandelskammer hat diese
Möglichkeit nicht beachtet und meinte die Bürges wird jetzt schliessen
müssen, der Schauer rinnt ihm über den Rücken wenn er die finanzielle
Situation betrachte? Das Ganze war natürlich nichts anderes als
unzulängliche und typisch handelskammermässige, vom Wirtschaftsbund
beeinflusste Negativdarstellung. Richtig ist, dass trotz aller Prognosen
es werden die Unternehmer nicht weiter investieren, die Ansuchen nach
wie vor in grosser Stärke anhalten. Um 14% mehr bis jetzt als im Vor-
jahr. Die Fremdenverkehrssonderkreditaktion um 9%, nur die Bürges
Stammaktion ist fast gleich minus 0.2%.
Bei der Gewerbereferententagung konnte ich feststellen, dass diese
von Jagoda und seinen Leuten bestens vorbereitet wird, Dadurch kommt
es zu einer einheitlichen Auslegung der Gewerbeordnung und wir er-
sparen uns frühzeitig eine Novelle, weil doch die meisten Fragen ge-
klärt und wie ich glaube auch positiv erledigt werden können. Ich sprach
dem Referenten der Länder herzlichen Dank aus und gab meiner Hoffnung
Ausdruck, dass dies auch bei der Preisbehördentagung der Fall wäre.
Filmproduzent Antel kam mit Komm.Rat Machek, den berüchtigten und
bekannten Grundstücksmakler, der jetzt ein neues Finanzierungssystem
für die Filmförderung hat. Machek hat unter anderem Antel's Casanova
42 Mio Schilling-Kosten finanziert. Nach 3 Jahren soll dies jetzt ein
gutes Einspielergebnis bringen. Wenn der Film eine Pleite gewesen wäre,
hätten die Finanziers, die Machek zusammengebracht hat, über die Ab-
schreibung den Verlustvortrag bekommen und dadurch kein Risiko einge-
gangen. Diese Verlustabschreibungsgesellschaften, die früher bis zu dem
Doppelten der tatsächlichen Verluste Steuerersparnisse gehabt haben,
können jetzt durch einen Erlass des Finanzministers nur mehr so viel
abschreiben, als sie tatsächlich in die Gesellschaft einschiessen resp.
das Projekt finanzieren. Dies sollte man aber in Filmförderungsgesetz
verankern, dann würde nach Meinung Antel's 7 bis 8 Spielfilme in
Kooperation mit anderen Ländern nach Wien, resp. nach Österreich ge-
bracht werden können. Wenn die Filme ein finanzieller Erfolg sind,
dann könnte die Gesellschaft die Kredite, die sie aufnehmen muss,
leicht zurückzahlen und der Finanzminister würde aus dem Gewinn noch
entsprechende Steuern bekommen. Ist ein Film aber eine Pleite,
dann würde der Finanzminister kein eigenes Geld verlieren, sondern
nur bei der Finanzierungsgesellschaft den Verlustvortrag anderen
Gesellschaften übertragen lassen. Dort würde er 70% Steuer nicht
bekommen. Da mir diese Konstruktion lieber ist, als jedweder direkter
budgetärer Zuschuss des Finanzministers schlug ich vor, dass wir
jetzt eine Kombination machen. Ein Teil der Filmförderung besteht
aus dem Vorschlag, dass die Filmindustrie, der ORF usw. entsprechende
Beträge aufbringen und der Finanzminister dieselben Mittel zuschiesst,
der zweite Teil aber besteht darin, dass keine finanzielle Zuschüsse
des Bundes erfolgen, sondern die Finanzierung über die Banken und diese
Verlustvortragsabschreibungsgesellschaften erfolgen.
Das Gespräch mit den Papierindustrie-Vertretern, Vorsitzendem Stepski
gab mir die Möglichkeit, neuerdings festzustellen, dass wir von der
EG nichts zu erwarten haben und deshalb auch nicht wie im Vertrag
vorgesehen eine Kündigung der sensiblen Produktlösungen anstreben
sollen. Die Gefahr besteht, dass die starke Papier-Lobby in der EG
dann eine noch schlechtere Lösung uns anbieten würde, als wir sie
jetzt haben. Stepski selbst ist über die Preissenkung, 30% im
Inland und 50% im Export gegenüber 1974, wo die letzte Preiserhöhung
genehmigt wurde, so erschüttert, dass er von mir allen Ernstes eine
Abwertung des Schillings verlangte. Sein eigener Betrieb Nettingsdorf,
wird heuer 40 Mio. Schilling Verlust haben. Da er 400 Mio exportiert,
rechnet er bei einer 10%igen Schillingabwertung, dass damit der Ver-
lust kompensiert werde. Diese Meinung ist deshalb falsch, weil er
ja vergisst, wie schnell er die Preissteigerungen dann aus den verteuer-
ten Importen zu spüren bekommt. Darüber hinaus hat sich herausgestellt,
dass die Skandinavier nicht um 10%, wie die Abwertung ausgemacht hat,
ihre Papierpreise senken, sondern bis zu 40% um das Lager wegzubrin-
gen. Um für die Papierindustrie eine Lösung zu finden, werden jetzt
zwischen Industriesektion, Aussenhandelssektion und Experten der
Papierindustrie Besprechungen stattfinden um ähnlich wie wir dies
bei der Kartoffelstärke haben, eine eventuelle parafiskalähnliche
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Lösung zu studieren. Stepski kam auch auf das Sulfatzellstoff-
Projekt zu sprechen und meinte, erregt, wie ich ihm noch niemals ge-
sehen habe, wenn dieses Projekt käme, würde die Papierindustrie dies
nicht nur nicht verstehen, sondern als Kriegserklärung betrachten.
In der jetzigen Phase der Industriesituation bei Papier eine neue
Fabrik zu gründen, sei seiner Meinung nach ein Verbrechen.
Die sozialistischen Direktoren der Elektrizitätsgesellschaftsunter-
nehmungen kamen mit dem Vorschlag, sie würden eine 10%-ige Erhöhung
des Strompreises brauchen. Die letzte Erhöhung am 1.1.77 hätte nicht
die voraussichtlichen Kostensteigerungen des Jahres 77 und teils 78
berücksichtigt. Deshalb müssten sie jetzt, obwohl ihre Ertragslage
sicher sehr günstig ist, diese Preissteigerungen abgegolten bekommen.
Ich liess ihnen keinen Zweifel, dass ich einen solchen Antrag zu-
stimmen werde. Die einzige Möglichkeit die ich sehe ist, solange
noch die Spargesinnung und das Verteuern des Stromes um eine ent-
sprechende Reduzierung des Verbrauches zu erreichen in der Bevölkerung
einigermassen Anklang findet, eine Tarifreform zu akzeptieren.
MR Burian arbeitet seit Monaten mit den Interessensvertretungen an
so einer Reform, kommt aber nicht richtig weiter. Niemand will eine
solche Änderung. Die Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund deshalb nicht,
weil sie hier eine Erhöhung des Durchschnittstarif erwarten, resp.
befürchten und die Elektrizitätsunternehmen deshalb nicht, weil sie
eben einfachheitshalber lieber eine generelle Preiserhöhung wieder
wünschen. Die Handelskammer und Landwirtschaftskammer ist überhaupt
dagegen, weil sie natürlich auch eine entsprechende Belastung be-
fürchten. In der Öffentlichkeit könnte ich eine Preiserhöhung unter
einem einzigen Gesichtspunkt aber akzeptieren, dass nämlich den Wunsch
der öffentliche Meinung entsprechend mehr Stromverbrauch eine Ver-
teuerung der Kosten für den einzelnen bringen soll, damit er ent-
sprechend spart.
Der Bürgermeister von Aluminiumwerk Lend und gleichzeitiger Betriebs-
ratsobmann Primig, sowie der Landessekretär der Metallarbeiter
Falkenstätter, kamen extra nach Gallneukirchen, um mit mir die
Forderung der Arbeitnehmer auf der Richtung eines Presswerkes zu be-
sprechen. 1974 wurde mit Alusuisse der Besitzerin von Lend ver-
einbart, dass sie einen verbilligten Strom bekommen um den Betrieb
aufrechterhalten zu können, dafür aber Investitionen tätigen. Der
Stromvertrag kann jetzt mit Ende September erstmalig gekündigt werden.
Niemand denkt ernstlich daran. Der Betriebsrat meint aber, es wäre
zweckmässig mit der neuen Direktion über die Errichtung von Press-
werk resp. von sonstigen Investitionen zu verhandeln. Dazu er-
klärte ich mich selbstverständlich bereit. Die beste Lösung aber
wäre in meine Augen, wenn Alusuisse das Elektrizitätswerk, welches
Lend selbst hat und 12.5 MW, d.i. ein ganz schönes Kraftwerk mit
31 GWH, an die Safe verkaufen würde. Die Safe rechnet dass es 500–
700 Mio. Schilling wert ist. Wahrscheinlich würde sie sogar noch einen
wesentlich höheren Betrag bezahlen, weil dieses Werk genau in
ihrem Versorgungsgebiet äusserst günstig liegt. Mit der Milliarde,
die die Alusuisse erreichen könnte, müsste dann natürlich ein ent-
sprechendes Fertigungswerk ausgebaut werden. Derzeit werden statt
18.000 Tonnen Aluminium 11.000 Tonnen erzeugt. Da dieses Werk viel
zu klein ist, um jemals rentabel Aluminium produzieren zu können,
müsste man Alusuisse zu einer solchen Verkaufsverhandlung raten.
Bis jetzt hat Alusuisse allerdings ganz entschieden abgelehnt.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte mit Dir. Dr. Tiem und Arbeiterbetriebsrat
Primig für Wien eine Sitzung, wenn er in Wien ist, einladen.
Bei er Staatsbürgerfeier in Gallneukirchen für 50 Zuhörern, hat der
Vorsitzende lang und breit erklärt, wie glücklich er ist, dass das
Zentralsekretariat nach Rücksprache mit dem Bundeskanzler ent-
schieden hat, dass ich doch nach Gallneukirchen fahre. In meinen
Augen hätte ich allerdings viel notwendiger bei der Sitzung über das
Sanierungspaket anwesend sein müssen. Die Staatsbürgerversammlung
gab nur eine Diskussion bis spät in die Nacht, insbesondere mit einem
Sonnenkollektorerzeuger und dadurch Fanatiker der Sonnenenergie und
anderen Nichtparteimitgliedern, sonst aber keinerlei Besonderheiten.
Vielleicht ist es aber ganz gut, wenn ich jetzt, nicht zuletzt durch
die Entscheidung Kreiskys, der noch immer meint man muss die Bevölkerung
aufklären und dies sei wichtiger als das Stabilisierungspaket an diesen
Sitzungen gar nicht teilnehme.
Tagesprogramm, 28.9.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)