Dienstag, 27. September 1977
In der Fraktion zum Unterausschuss des Handelsausschusses für das
Altölgesetz wartete ich eine 1/2 Stunde und die Abgeordneten resp.
Experten sind nicht erschienen. Mich stört diese mangelnde Organisation
nicht. Im Unterausschuss selbst, der vom Abg. Schwimmer der ÖVP, ge-
leitet wird und wo eigentlich von unserer Seite Dr. Heindl nur aktiv arbei-
tet, haben dann 1 Dutzend Experten, die ebenfalls nicht alle erschienen
sind, ihre Stellungnahme abgegeben. Natürlich gibt es die divergie-
rendsten Interessen. Die Verbrennungsanlagen wie Swarovski schon er-
zeugen, 4 Stück sind im Inland schon verkauft, wünschen dass dieses
Gesetz womöglich auf ihre Produktionsmöglichkeiten Rücksicht nimmt.
420.000 Schilling kostet die Anlage. Die ganze Lösung des Altölproblems
würde daher kleinkariert anzulegen sein. Der Arbeiterkammer wieder
wäre es am liebsten, das Altöl könnte in das Heizöl schwer, ohne
viel Aufwand, damit nicht allzu grosse Kosten entstehen, vermischt, d.h.
eingearbeitet werden und ganz einfach verbrannt. Die Handelskammer
möchte am liebsten überhaupt kein Gesetz, sondern mit Hilfe des
Wasserrechts oder der Gewerbeordnung sollte die Beseitigung versucht
werden. Der Freiheitliche Experte hat sich besonders für die konkurrie-
renden Kompetenztatbestände interessiert und auf die verfassungsrechtli-
chen Schwierigkeiten hingewiesen. Dies war für mich der Grund mich
zu melden und klipp und klar zu erklären, dass Kompetenz hin, Kompetenz
her, jetzt endlich etwas geschehen müsse. Am Beispiel der grossen Ge-
fahr, die jetzt durch die Produktion von Plastikeinwegflaschen kommen
kann, demonstrierte ich, dass wir bei Öl schon längst hätten müssen
eine Lösung anstreben. Scheinbar wächst uns immer das Problem, nicht
zuletzt aus rechtlichen Gründen, über den Kopf. Das Einwegflaschenpro-
blem habe ich nicht zuletzt aus dem Grund besonders erwähnt damit ich,
wenn darüber die Diskussion in der Öffentlichkeit entstehen könnte,
darauf hinweisen kann im Parlament dieses Problem auch schon zur Sprache
gebracht zu haben. Auf dem Gebiet des Umweltschutzes, die Hauptkompetenz
liegt natürlich im Gesundheitsministerium, würde wenn man die Juristen
weiter so arbeiten liesse, überhaupt nicht geschehen, sondern jahrelange
Kompetenzdiskussionen diese zwar befriedigen, das Problem aber in keiner
Weise lösen.
In der Ministerratsvorbesprechung beschwerte sich Kreisky bitter, dass
bei der Paketausarbeitung keiner da sei. Alle seien im Ausland. Die
Auslandsreisen müssten jetzt endgültig eingeschränkt werden. Bei den
bisherigen Besprechungen sei es nur Dank des Verständnisses des ÖGB,
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sprich Benya, möglich gewesen, dass Sozialproblem zu lösen. Hier
spielte Kreisky auf die Umschichtung in den Pensionsversicherungen
und der Beitragserhöhung an. Unterlagen die er bräuchte, bekommt er
nur von Pahr und Adamowich in Rekordzeit. Im Ausland prüft man
jetzt, ob nicht eine generelle Importabgabe des beste sei. Ein Ge-
rücht jagt jetzt das andere. In den Zeitungen wird ständig veröffent-
licht. Die Kleine Zeitung – jetzt Profil – die Unterlagen sind bis
in die Details scheinbar dort bekannt. Die Budgetsituation sei mies
wie noch nie und man könnte nicht einen verschämten Armen spielen.
Koren mit dem er scheinbar gesprochen hat, meinte, jeder Finanzminister
setzt höhere Einnahmen an, was allerdings wie Kreisky meinte – jetzt
verheerende Folgen hat. Es läuft eine Propaganda gegen den Schilling.
Hunderte Millionen Devisen fliessen jetzt täglich ab. Waldbrunner ist
der einzige, der in der Nationalbank zurückgeblieben ist. Die Reise-
valuten seien auch nicht für den Urlaub bestimmt, sondern dienten
jetzt wie sich herausstellte, hauptsächlich für Einkäufe. Die beste
Lösung erscheine ihm eine Importabgabe. Die überbewertete österreichische
Währung hätte man vierteljährlich um 1% abrutschen lassen sollen. Dann
wäre man nicht in diese Situation gekommen. Mich forderte Kreisky auf
alles vorzukehren, dass wenn eine Importbelastung durch die 30%ige
Importdepot kommen sollte, auf Grund des Devisenbewirtschaftungsge-
setzes der Österr. Nationalbank ich alles zu unternehmen hätte, damit
nicht die inländischen Waren im Preis dann sofort anziehen. Was ihn
am meisten ärgert, ist, dass alles dies eine vermeidbare Situation ge-
wesen wäre. Am 12.8. hat Kienzl ihm noch geschrieben, dass die Lage
nicht beunruhigend ist und jetzt kann man scheinbar nicht genug schnell
ein Paket von Massnahmen setzen. Wichtig sei jetzt nur eine PKW-Abgabe
die er seit eh und je verlangt hat, allerdings gestaffelt 5% resp.
10% um einen sozialen Zug in diese Abgabe reinzubringen. Von einem
dritten Mehrwertsteuersatz hält er nichts, da die Gefahr besteht bei der
österreichischen Steuermoral dass diese hinterzogen wird. Schmuck,
Pelze usw. könnte man gar nicht prüfen. Ein Kürschner hat ihm sogar
gesagt, er würde sofort nach Freilassing wandern, um dort eine Filiale
zu errichten. Massnahmen gilt es zu treffen, um unsere Situation zu ver-
bessern und nicht mehr als Musterschüler in den Internationalen Or-
ganisationen aufzutreten. Diese ungeheuren Agrarproduktimporte, die
PKW Flut und jetzt noch dazu die Währungsspekulation. Veselsky meinte,
die einzige Lösung wäre, das ganze Paket mit rückwirkenden Steuern
und Abgaben zu beschliessen. Kreisky sofort wütend – das sei die
grösste Panikmassnahme, die man ergreifen könnte und widerspreche
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unserer Rechtstradition keine rückwirkende Gesetze womöglich zu
erlassen. Kreisky will Freitag eine Erklärung abgeben – bei welcher
Gelegenheit sagte er nicht – wo er insbesondere festhält, was auszu-
schliessen ist. Das erstens das Autokraftfahrzeugpauschale nicht
abgeschafft wird, dass der Wein nicht mehr besteuert wird und dass
insbesondere keine Abwertung des Schillings erfolgen wird. Ich ver-
suchte zu klären, nachdem sich Kreisky sehr verlassen vorkommt, ob
es jetzt wichtiger ist Parteiveranstaltungen zu besuchen, oder an
den Sitzungen teilzunehmen, Aussenminister Pahr hat mich nämlich
aufmerksam gemacht, dass Kreisky scheinbar den Eindruck hatte, ich
sei die ganze Zeit nur immer im Ausland, obwohl Pahr darauf aufmerk-
sam machte, dass ich sowieso mit ihm telefoniert hatte. Mir persönlich
ist es auch komisch vorgekommen – aber ganz egal ob man mich zu
einer Staatsbürgerversammlung jetzt z.B. nach Oberösterreich Mittwoch
abends einteilt, wo gleichzeitig wieder die nächste Komiteesitzung
ist. Auch das Unterlagenmaterial vom Finanzministerium habe ich
nicht bekommen. Kreisky dürfte aber bereits als Parteiobmann ent-
schieden haben, dass die Minister unter allen Umständen die Staatsbür-
gerversammlungen abzuführen haben, weshalb er meinte, man müsse eben
schauen, ob man gegebenenfalls Ersatz bekommen könne. Frau Wiesinger
hat mit den Parteiverantwortlichen darüber diskutiert, aber selbstver-
ständlich nichts erreicht. Die Hauptschwierigkeit liegt darin, dass von
den einzelnen Ministerien, wie ich dies ja schon jahrzehntelang kenne,
nur die Schwierigkeiten immer dargestellt werden. Das geht nicht, dies
geht nicht usw. Selbst bei uns im Handelsministerium gibt es natürlich
berechtigte Bedenken gegen alle Massnahmen, die kurzfristig eingesetzt
werden können. Unsere Vorschläge sind aber tatsächlich unzulänglich,
Hinweise, dass man langfristig dies oder jenes tun müsse, helfen in der
jetzigen Situation nichts.
Firnberg berichtete über ihre Aussprache mit dem Schah wegen der
Atommüllagerung im Iran. Vorher hatte sie mich bereits telefonisch
informiert, wie wenig der Iran an einer Atommüllagerung interessiert
ist. Präs. Etemad der iranischen Atomkommission war äusserst ab-
weisend. Seiner Meinung nach ist Österreich zu klein und der Aufwand
für eine Atommüllagerung in Persien viel zu gross. Auch international
müsse man dieses Problem beachten und Iran hätte keine Interesse an
einer Zusammenarbeit. Nur der guten Beziehung des Schah zu Österreich
und der Intervention Firnbergs bei ihm, brachte dann die Entscheidung,
dass man dennoch Expertengespräche führen sollte. Der Schah ist insbe-
sondere verärgert, weil eine diesbezügliche Bemerkung zu deutschen Re-
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portern in der Öffentlichkeit vollkommen missverstanden wurde. Auch
jetzt besteht wieder die grosse Gefahr, dass aus Sensationslust
Reporter irgendwelche Behauptungen aufstellen, die Iran verärgert,
dann sogar die bescheidenen Ansätze, die jetzt rein optische zumindestens
gefunden wurden, total zerstört.
Im Ministerrat wurde der Bericht über die Nutzung der Kernenergie
zurückgestellt. Kreisky möchte noch wesentlich bessere Formulierungen.
Dieser Bericht wurde durch die Arbeitsgruppe, die er eingesetzt hat,
meiner Meinung nach sehr geschickt formuliert. Was mich immer noch
positiv verwundert ist, dass er trotz der ungeheuren anderen Arbeit
Zeit findet sich dies anzusehen und dann noch bessere Formulierungen,
wahrscheinlich sogar selbst zu finden. Diese Arbeitsweise setzt ihn
unter einen ungeheuren Arbeitsaufwand und damit unter einen noch
stärkeren Stress.
In der Gewerkschaftsfraktion hat Benya über die zu treffenden Mass-
nahmen referiert. Seine Einstellung war und ist, dass wenn er Bundes-
kanzler eine Äusserung gemacht hat und man anderer Meinung ist, dann
darf man dies nicht in der Öffentlichkeit so dezidiert feststellen.
Schlimmstenfalls wenn man gefragt wird, muss man ein Blabla machen,
wenn man dagegen den Bundeskanzler frontal mit einer anderen Idee
angeht, bleibt ihm ja nichts anderes übrig, als bei seiner zu bleiben.
Damit kommt es zur Konfrontation. Sachlich ist nichts erreicht und
politisch ein schwerer Schaden dem Kanzler zugefügt. Kreisky hat sich
nach Meinung Benya im Urlaub nicht genug erholt – ich glaube, wie ich
dann bei einer Aussprache mit Benya feststellen konnte, dass in Wirk-
lichkeit die Spannungen, die er vereinzelt hat, derzeit Finanzminister,
ständig Veselsky, vielleicht auch ohne dass ich es weiss mit mir, zu
dieser Situation in der wir uns jetzt befinden, beiträgt. Ich teilte
die Meinung Benya, weil ich auch – wenn ich mit ihm Differenzen habe –
diese niemals in der Öffentlichkeit austragen würde. Unsere Methode
im Gewerkschaftsbund war – und wird es hoffentlich bleiben – dass, wenn
einer angegriffen wird, der andere automatisch ihm beispringt, auch
dann wenn er sachlich auch anderer Meinung ist. In der Diskussion hat
Wille, Metallarbeiter, darauf verwiesen, dass im Nationalrat gesagt
wurde, dass Gebührengesetz sei das letzte mit einer Steuererhöhung.
Dabei sei gleichzeitig scheinbar das 2. Abgabenänderungsgesetz vorbereitet
worden. Die dort vorgesehenen Pensionsrücklagen, 3-jährige Deckungs-
betrag sei unzulänglich und würde die VÖEST ruinieren. Bei der Auto-
sondersteuer wieder hätte Androsch im Nationalrat einigemale erklärt
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er denke nicht daran eine solche einzuführen, nachdem er sie abge-
schafft hat. Jetzt wird von Kreisky wieder eine solche Autosonder-
steuer verlangt. Dies ist in meinen Augen das typische Beispiel
wie eben, wenn nicht zeitgerecht abgesprochen wird, grösste Unsicher-
heit bei den Funktionären und dann auch in der Öffentlichkeit ent-
stehen kann. Ich kann mich aber davon auch nicht freisprechen, denn
das Kommunikationssystem innerhalb der Regierung habe ich auch nie
verbessert. Allerdings habe ich daraus insofern die Konsequenzen gezogen,
als ich mich zu den grossen Problemen vor allem was nicht meine Kom-
petenz ist, niemals geäussert habe oder durch provozierende Fragen
aus meiner Reserve habe locken lassen. Die stereotype Antwort überall
ist und bleibt, das ist nicht meine Kompetenz bitte fragen sie den
Zuständigen. In der weiteren Diskussion hat dann der Öffentliche Dienst,
Wille griff die 17 Mia. Schilling ÖBB-Defizit an, darauf verwiesen, dass
er in dieser Ziffer 6–7 Mia. Schilling Investitionen hat, dass die Post
900.000 Anschlüsse Beginn 70 und jetzt 1,6 Mio. Hauptanschlüsse hat,
dass es falsch ist, wenn man sagt, Fracht dauert so lange, die die Post
oder gar die Bahn befördert. Prechtl meinte, die 700 Mio. Sondertarif
und die 150 Mio. Provision, die für die Fracht von der Bahn bezahlt
werden, sowie die Sozialtarife würden dieses Defizit bedingen. In der
Fraktion wurde dann auch das Ergebnis der Steuerkommission des ÖGB mit-
geteilt. Die sozialistische Mehrheit hat dort beschlossen, dass wenn
die Vollbeschäftigung erhalten bleibt, die Wirtschaftsprognosen für
79 ein entsprechendes Wachstum erwarten lassen und die öffentlichen
Haushalte trotz dieser Einnahmeminderung in der Lage wären, ihre Ge-
meinschaftsaufgaben zu erfüllen, mit 1. Jänner 79 eine Lohnsteuer-
anpassung erfolgen sollte. Diese würde 8 Mia. Schilling kosten und
nur Absetzbeträge erhöhen. Für lohnsteuerpflichtige, ohne Alleinver-
dienerabsetzbetrag wären 258 Schilling pro Monat Steuerersparnis,
mit Alleinverdiener-Absetzbetrag 308 Schilling pro Monat. Der Schmidt
berichtete über die letzten Prognosedaten für das nächste Jahr, die
tatsächlich verheerend sind. Das reale Wachstum wird mit 1.5% ange-
nommen. Durch diese Wirtschaftsentwicklung wird wahrscheinlich das
gesamte Budget wieder fraglich, denn mit so einem Rückgang ist nicht
gerechnet worden. Meine einzige Hoffnung ist, aber das getraue ich mich
gar nicht laut zu sagen, dass vielleicht doch die Bundesrepublik stärke-
re Konjunkturspritzen als die 10 Mia DM macht, um ihre Arbeitslosigkeit
einigermassen abzubauen. Dies könnte dann, wenn in Amerika und in
Japan die Konjunktur nur noch einigermassen hält, auch in Westeuropa
eine Besserung bringen. Unter diesen Aspekt wird das nächste Jahr
zwar sehr interessant, aber für uns wirtschaftlich sehr kritisch.
Im Integrationsausschuss wurde wie erwartet von seitens der ÖVP
verlangt, wir sollten in den Integrationsbericht auch eine Vor-
schau und Ausblick schreiben. Ganz wollte ich mich gegen diesen
Vorschlag Lanner's nicht stellen, meinte nur in den Schlussfolge-
rungen könnte man ja solche Gesichtspunkte berücksichtigen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Besprich jetzt schon mit Steiger, dass diese
Aussagen sehr zurückhaltend sein sollen.
Gorton griff mich an, dass ich bevor die Verhandlungen mit der EG
über Änderung der Bestimmungen der sensiblen Produkte begonnen hat,
schon meine skeptische Meinung dazu im Rundfunk äusserte. Dies kommt
sicherlich im Haus wieder zur Sprache und ich ersuchte Steiger, er
soll die diesbezügliche Erklärung verschaffen. Fachlich war sie, wie
ich Gorton erklärte, richtig, denn der jetzige Zeitpunkt wäre der denkbar
schlechteste mit Brüssel Verhandlungen über Papier und Stahl zu be-
ginnen. Wenn es zu einer Vertragskündigung in diesen Punkten kommt
und neue Verhandlungen beginnen, dann besteht die Gefahr, dass die
starke EG Papier-Lobby und die starke protektionistisch ausgerichtete
Stahlindustrie insbesondere in England eine wesentliche Verschlechterung
der jetzigen Vertragstexte verlangen würde.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Lass bitte eine kurze Zusammenstellung der
Vertragsmöglichkeit mit Textzitaten machen.
Überrascht war ich von einem Anruf des Präsidenten Dr. Heiß aus Tirol,
Funktionär des Wirtschaftsbundes, aber gleichzeitig auch Obmann der
Industriellenvereinigung, der sich ganz entschieden von den Vorfällen
bei der Innsbr. Messe distanzierte. Spontan wollte er mir versichern,
dass er mit dieser Art nicht einverstanden ist und dass dies noch
Konsequenzen haben wird. Scheinbar dürften also tatsächlich – wie ich
vermutete – entgegen der Meinung der Spitzenfunktionäre Sekretäre
des Wirtschaftsbundes in Tirol diese Aktion eingefädelt und dann
natürlich auch durchgezogen haben. Wenn dies zutrifft, muss es dort
auch ganz schöne Zustände geben.
Tagesprogramm, 27.9.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 88. Ministerratssitzung, 27.9.1977
38_1107_03hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)