Montag, 29. August 1977
Beim Jour fixe mit Mussil hatte dieser gerade Telefongespräche
mit Präs. Kloss von der ÖNB und anschliessend daran mit Präsident
Sallinger. Die ÖNB hatte eindeutig schon entschieden, dass die
Abwertung der Schwedenkrone um weitere 10 % insgesamt seitdem
die konservative Regierung im Amt ist die dritte, nach 3,6 jetzt
10 %, trotzdem ihren Hartwährungskurs nicht zu verlassen. Schweden
tritt damit aus der europäischen Währungsschlange aus und die ÖNB nimmt
sie aus ihrer Indikatorenberechnung. Insgesamt macht die schwedische
Währung nur 0,8 % aus, da die deutsche mit fast noch immer 70 %
Anteil dominiert. Da die Währungsfrage verhältnismässig schnell
entschieden werden muss, kann sich die ÖNB mit Unterstützung des
Finanzministers leicht durchsetzen. Die Handelskammer und die
Industriellenvereinigung haben daher keine andere Möglichkeit mehr
als dann trotzdem ein Überdenken der Währungspolitik zu verlangen.
Das Wirtschaftsforschungsinstitut hat angeblich jetzt berechnet,
dass die Exporte real um 1 % gefallen sind und insbesondere gegen-
über der EFTA-Relation ein noch wesentlich schlechteres Resultat
vorliegt. Mussil meinte deshalb, man müsste eine Revision der
Kurspolitik ins Auge fassen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte kläre, was unsere Sektion II zum Wirt-
schaftsforschungsergebnis sagt.
Natürlich hat Mussil sich auch bei mir beschwert und sehr aggressiv
gefragt, wieso Bundeskanzler Kreisky behaupten kann, dass es zu
Steuerhinterziehungen kommt. Er war sehr verwundert, als ich ihm
von der Presse, also dem Blatt der Bundeshandelskammer, einen Leit-
artikel Maria Blecha gab, wo diese über die Hinterziehung der Mehr-
wertsteuer ganz offen und deutlich schreibt. Ich machte Mussil
auch dezidiert darauf aufmerksam, dass jetzt die Zeitungen auch gegen
die Einführung der Importscheine bei Bekleidungs- und Textilimporten
gegen das Handelsministerium und ganz besonders gegen mich losziehen.
Mussil meinte, er wird von der Handelskammer eine diesbezügliche Aus-
sendung machen, wonach festgestellt wird, dass die Handelskammer
dieser Forderung gestellt hat.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Die Sektion II soll dies genau verfolgen.
Für die Stärkeförderung 1977 glaubt Mussil, es müsste noch ein
BÜG von 4 Mill. S gemacht werden und für 1978 im Budget statt
35 Mill. 50 Mill. aufgenommen werden. Da ich nicht beabsichtige,
eine solche Forderung in der Öffentlichkeit zu erheben, verwies
ich an das Finanzministerium, welches letzten Endes diese Budget-
ansätze überprüft. Angeblich ist das Finanzministerium damit
einverstanden und erwartet nur, dass wir vom Handelsministerium
einen solchen Antrag stellen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte lass von der Abteilung den Sachverhalt
feststellen, bevor wir überhaupt etwas unternehmen.
Die Handelskammer fürchtet, dass ein Rechtshilfeabkommen mit Jugo-
slawien über die Zollabfertigung zu Ungunsten der österr. Exporteure
ausgelegt werden könnte. Sie hatte deshalb an das Finanzministerium
eine ablehnende Haltung als Stellungnahme geschickt. Mussil möchte
gerne, dass wir ihn in dieser Frage unterstützen. Abgesehen
davon, dass wir nicht kompetenzmässig zuständig sind, habe ich
bis jetzt auch noch keinerlei Informationen von unserem Haus
bekommen. Ich habe deshalb nur die Unterlagen entgegengenommen
und werde dies prüfen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte kläre, wie der Sachverhalt sich
von uns aus darstellt.
Mussil nahm zur Kenntnis dass zwischen der österr. Fremdenverkehrs-
wirtschaft und der ungarischen die gemeinsame Werbung für den
Donauraum und für Österreich-Ungarn als grosser Fortschritt
von allen Seiten gefeiert wurde. Die Fremdenverkehrsfachleute
befürchten also keinesfalls, dass mit Prospekten, die noch dazu
in Österreich gedruckt werden, der österr. Fremdenverkehr ge-
schädigt wird sondern ganz im Gegenteil insbesondere Überseetouri-
sten für eine neue Attraktion, an der Österreich auch mitpartizi-
pieren kann, gewonnen werden können. Mussil macht mich aber darauf auf-
merksam, dass jetzt ein österr.-ungarischer Vertrag über die
Beschickung von Heilbädern abgeschlossen werden soll. Dort
befürchtet er würde aber doch mehr weitestgehend Österreicher nach
Ungarn fahren und keinesfalls Ungarn zu den österr. Heilbädern
kommen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Was ist an dieser Behauptung wahr?
Ich informiere Mussil über die derzeit ins Stocken geratenen
Verhandlungen wegen Beteiligung der Arbeiterkammer im Holzwirt-
schaftsrat. Mussil hat den Brief, wo die Handelskammer die ab-
lehnende Haltung mitteilt nicht unterschrieben, weil er damals
auf Urlaub war. Ich habe ihm deshalb das Schreiben zu lesen ge-
geben, um vielleicht eine Revision der Auffassung der Handels-
kammer zu erreichen. Mussil hat aber ganz kategorisch abgelehnt, auch
nur darüber Verhandlungen mit der Arbeiterkammer zu führen. Ich
erklärte ihm dezidiert, dass es unmöglich sei, dass die Arbeiter-
kammer um ihr De-facto-Begutachtungsrecht kommt. Der Wunsch
z.B. auf Aufstockung des Nadelholz-rund-Kontingentes um 180.000
auf 230.000 fm wurde zwischen der Handelskammer und der Landwirt-
schaftskammer im Holzwirtschaftsrat vereinbart. Im Aussenhandels-
beirat sollte das nur mehr sanktioniert werden, nachdem ich
vorher schon mich der Meinung des Holzwirtschaftsrates hätte
abschliessen müssen. Eine solche Vorgangsweise halte ich für unmöglich.
Wohl könnte die Arbeiterkammer im Aussenhandelsbeirat dann dagegen
protestieren, nützen würde es ihr sehr wenig. Mussil erklärte
trotzdem dezidiert, er denke nicht daran, den jetzigen Zustand
zu ändern. Er ist strikte dagegen, dass die Arbeiterkammer im
Holzwirtschaftsrat verankert wird. Meine Drohung, dass ich die
aus den Fünfzigerjahren stammende Anordnung in Form eines Erlasses,
wo der Holzwirtschaftsrat gegründet wurde, der nebenbei jetzt
auch noch Gebühren einhebt, geändert wird, liess ihn scheinbar
vollkommen kalt. Er glaubt nicht, dass ich eine diesbezügliche
Änderung jetzt in Angriff nehmen werde. Der Anlassfall, Aufstockung des
Kontingentes, erscheint ihm scheinbar nicht gross genug.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte interministerielle Besprechung
wegen Änderung des Holzwirtschaftsrates durchführen.
Beim Journalistenfrühstück hat Würzl über die schlechten Ergebnisse
des Fremdenverkehrs im Juli – minus 3 % – Ausländer sogar
minus 5, Inländer dafür plus 0,8 – Nächtigungszählung berichtet.
Da wir eine gute Vorsaison hatten, ist die Nächtigung vom Mai
bis Juli um minus 0,2 % zurückgegangen. Da uns nichts anderes einge-
fallen ist, habe ich dann darauf verwiesen, dass jetzt in Lech
eine grosse Aussprache zwischen den Fremdenverkehrsdirektoren
Gemeindevertretern, öst. Fremdenverkehrswerbung und Ministerium
stattfindet, um bei den Gemeinden und Ländern genau Analysen durch-
zuführen. Ebenso soll jetzt eine neue IFES- und IBB-Marktforschung
in den Ländern wiederholt werden, die wir 1972 - 1975 durchgeführt haben.
Damals wurden 13 Länder untersucht. Jetzt soll diese ergänzende
Erhebung zwar ausgeschrieben werden, doch wäre es ein Wahnsinn
wenn eine neues Institut die dort schon eingelaufene Erhebung
ablösen würde. Trotzdem war es sehr gut, dass Würzl auf die
Frage von Haneral, Presse, erklärt hat, es würde eine Ausschreibung
wobei ich gleich ergänzt habe, nur eine beschränkte Ausschreibung
erfolgen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte achte darauf, dass eine nicht zu
grosse Belastung unseres Budgets erfolgt.
Redakteur Auer, Wochenpresse, wollte wieder wissen, wie sich die
Devisenausgaben der österr. Staatsbürger entwickeln und was das
Handelsministerium dagegen unternimmt. Ich konnte sofort darauf
verweisen, dass es genaue Berechnungen über die Deviseneinnahmen
und Ausgaben aus dem Fremdenverkehr nicht gibt. Die ÖNB hat
zwar wesentlich die Berechnungsmethoden versucht zu verbessern
aber noch immer wieder wenn man die deutschen Bankziffern zugrunde
legt, der Österreicher 11.000 S pro Übernachtung ausgeben. Dies
ist darauf zurückzuführen, dass meistens Importe von Privaten
Devisenausgaben in Deutschland z.B. darstellen mangels anderer Zu-
rechnung eben unter Fremdenverkehrsausgaben subsumiert.
Da Müller, der die Preiserhebungen durchführt, nicht in Wien ist,
musste ich an seiner Stelle über die 6.000 Restaurantpreiserhebungen
im Juni berichten. Dort gibt es zwischen den einzelnen Ländern
ein sehr starkes West-Ost-Gefälle ganz gigantische Preisdifferenzen.
Diese Erhebung wird weniger im Gastgewerbe, sicher aber in den
einzelnen Ländern grosse Diskussion auslösen.
Reg.Rat Elsinger berichtet über den Import und Verbrauch der
Ölprodukte. Niemand von den Redakteuren hat ausser Peters von der
Tiroler Tageszeitung und der nur wegen Flüssiggas sich für diese
Ziffern dezidiert interessiert. Wie ich erwartet habe, hat keiner
der Redakteure den Schluss gezogen, dass die Verkaufspolitik der
ÖMV in diesem Halbjahr sehr schlecht abgeschnitten hat, weil durch
überstarke Importe sie an Marktanteil verloren haben muss. Einmal
wurde meine Meinung bewiesen, dass man den Redakteuren alles
schreibegerecht aufarbeiten muss, Analysen werden von den Zeitungen
keine mehr angestellt.
Karneval, Presse, behauptete, ich hätte zum Austroporsche-Modell
meine Stellungnahme im Gefolge der Änderung von Bundeskanzlers
Meinung auch geändert. Ich erklärte ihm sofort dezidiert, ich
hätte seit eh und je, dies sogar auch beim Pressegespräch einmal
erwähnt, solange die Vertriebsfrage nicht gelöst ist, ich kein
Urteil über dieses Projekt abgeben werde. Eine diesbezügliche Er-
gänzungsstudie wird ja von Porsche jetzt ausgearbeitet. Meine
Stellungnahme bezüglich der Importe von Autos und ganz besonders be-
züglich der stärkeren Einschaltung von österr. Zulieferfirmen,
ist hinlänglich bekannt und soll, wie ich besonders darauf hinwies,
eine gewisse Entlastung der österr. Zahlungsbilanz ergeben.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND HAFFNER: Vielleicht sollte ich ein Schreiben
an die Mutterwerke richten, die bis jetzt noch nichts unternommen haben.
Präs. Dittrich von der Wiener Handelskammer kam mit Ing. Göls,
dem Vertreter der Motoreninstandsetzungsvereinigung. Dieser be-
schwerte sich bei mir, dass die grossen Automobilwerke ihren Ver-
tretern verbieten, dass sie Motoren instandsetzen lassen, sondern
wie Mercedes Benz in einem Rundschreiben an die Reparaturwerkstätte
festhält, nur neue Austauschmotoren von den Mutterwerken dafür ver-
wendet werden dürfen. Göls sagt mit Recht, dass in diesem Fall die
Fa. Elko in Rankweil und damit wieder das Aluwerk Ranshofen grosse
Absatzmöglichkeiten verliert. Bis jetzt waren die Motorinstand-
setzer durch Einschleifen von neuen Kolben usw. imstande, doch eine
beträchtliche Leistung in Österreich zu erbringen. Jetzt mussten
34.000 Motoren, davon 24.000 aus Deutschland für 135. Mill. S
importiert werden. Wenn das Verbot strikte eingehalten wird,
wird die österr. Handelsbilanz neuerdings verschlechtert. Präs.
Dittrich wird die Unterlagen mir in den nächsten Tagen schriftlich
zusenden, damit wie er sagte bei uns ein Akt angelegt werden kann.
Ich habe Wanke sofort informiert und ersucht, sich mit Ing. Göls
in Verbindung zu setzen.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte dieses Gespräch unverzüglich
führen, damit Dittrich sieht, wir arbeiten schneller als er uns die
Unterlagen gibt.
Da die Brauerei-Arbeiter-Lohnverhandlungen an einem toten Punkt
angelangt sind, hat das letzte Gespräch ergeben, ich sollte mich
in einem Gipfelgespräch einschalten. Ich war sehr verwundert, dass
zu diesem Gipfelgespräch nur der bisherige Leiter der Verhandlungs-
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runde der Unternehmer Ing. Egger sowie von Schwechat Petzelbauer
und von der Brau AG Schreiber gekommen sind, wenn man so sagen
will, zweite Garnitur, weil angeblich die ersten Leute nicht in Wien
sind. Trotzdem die Verhandlungen mit einigen Unterbrechungen bis
spät abends dauerten, war es mir mit dieser Besatzung nicht möglich,
eine endgültige Entscheidung herbeizuführen. Egger hat mir zum
Schluss unter vier Augen gestanden, er hätte kein Verhandlungs-
pouvoir, die Handelskammer hätte es ihm ausdrücklich verboten,
bis zu 7,2 % hätte er inoffiziell gehen können, doch haben unsere
Kollegen dies mit Recht abgelehnt. Egger hat auch in einem kleineren
Kreis dann erklärt, er fühle sich deshalb auch überfordert, weil
auf unserer Seite immerhin der Handelsminister und Obmann der Organi-
sation sitzt, und er zuerst sogar angedeutet hat, Unterstützung,
in dem Fall wahrscheinlich von Gen.Sekr. Mussil zu verlangen.
Da ich in der Zwischenzeit eine Veranstaltung der soz. Fraktion
der Tabakarbeiter besuchen musste, dürfte er dann aber wieder von
diesem Plan abgekommen sein und es wurde vereinbart, die Verhandlungen
nächste Woche fortzusetzen. Mir persönlich erschien wichtiger als
ein Prestige-Standpunkt, unseren Kollegen von der Brauerei-Verhandlungs-
komitee zu zeigen, dass ich jede Tages- und Nachtzeit für sie zur
Verfügung stehe. Die Zeitungen hatten von dieser Verhandlung ge-
wusst und allen Ernstes die Volksstimme angefragt, wie es jetzt
weitergehen soll. Suko, BRO der Brau AG, meinte, ein guter Reisser
der Volksstimme wäre, Staribacher hat Verhandlungen ebenfalls nicht
zu Ende führen können, die Betriebsräte ermächtigt, alle Streikmass-
nahmen zu treffen und ist ins Ausland geflüchtet. Die Kollegen, welche
zuerst wegen der langwierigen Verhandlungen schon anfangs sehr empört
waren, als wir in den Vorbesprechungen unsere Taktik festlegten,
haben letzten Endes dann doch eingesehen, dass wenn man einen Ver-
handlungstermin bekommt, nicht zu Kampfmassnahmen greifen soll.
Die Situation hat sich aber innerhalb der 20 Jahre, was ich jetzt
in der Lebensmittelarbeitergewerkschaft tätig bin, sehr gewandelt.
Früher gingen solche Lohnverhandlungen wesentlich leichter über
die Bühne.Allerdings hat damals auch die Brauindustrie gewusst,
dass sie mit Preiserhöhungen in der Paritätischen Kommission durch-
kommt und dass eine Absatzsteigerung doch immer wieder zu erwarten
war. Jetzt ist die Situation so, dass selbst wenn die Paritätische
Kommission eine Preiserhöhung genehmigt, der Markt insbesondere
bei den Grossabnehmern dies kaum lukrieren lässt. Dazu kommt,
dass die Brauindustrie von der neu zu errichtenden Brauerei
in St. Pölten, die 200.000 hl mit ganz geringerem Personalaufwand
produzieren wird, grosse Angst hat. Das Brauereikartell funktioniert
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auch jetzt nicht mehr so wie vor etlichen Jahrzehnten. Verständ-
lich, dass dadurch auch die Lohnverhandlungen um Zehntelprozente
sich ungeheuer hinziehen. Bei 7,5 % hätten die Brauereiarbeiter
abgeschlossen. Wegen 3 Zehntel Differenz mussten neuerlich Ver-
handlungen angesetzt werden. In unserer Gewerkschaft kann wirklich
niemand sagen, dass leichtfertig über die Löhne entschieden wird.
Unsere Verhandlungskomitees kämpfen wirklich um jedes Zehntel-
prozent, wenn man so will um jeden Groschen. Ich halte diese Politik
auch für die einzig richtige.
Tagesprogramm, 29.8.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)