Dienstag, 5. Juli 1977
Die Vöslauer Kammgarn hat die Schweizer Firma Gherzi aufge-
fordert, ein Gutachten zu erstellen und Dr. Hasler mit dem
Wirtschaftsberater der Vöslauer Dr. Eckert berichteten mir
über das Ergebnis. Nach Auffassung der Prüfgesellschaft ist
die Administration von Goertz und insbesondere die Technik von
Mautsch in Ordnung. Der Mangel liegt im Verkauf, der ganze Ver-
kaufsapparat ist veraltet, wenig kreativ überhaupt nicht modisch
ausgerichtet. Zurückzuführen ist dies darauf, dass der Verkaufs-
direktor auch Giessrigl total versagt haben. Igler, der Repräsen-
tant des Familienanteils Schoeller hat mir deshalb vor längerer
Zeit schon gesagt, sie werden Giessrigl in Pension schicken.
Überhaupt ist die Textil-Fusion Ost bis jetzt deshalb zu keinem
positiven Ergebnis gekommen, weil eben die Personalprobleme
niemals gelöst wurden. Die familiären Beziehungen waren aus-
schlaggebend, eine wirkliche Reform zu verhindern. Jetzt,
wenn es nicht sowieso schon zu spät ist, ist es 5 vor 12.
Diese Vöslauer Kammgarn war ein Unternehmen welches matriarchalisch von Mayer-Gunthof geführt wurde. Als Auftragsspinnerei
glaubte dieser sie für alle ewigen Zeiten dank seiner Verbin-
dungen auf ewige Zeiten führen zu können. Die Umstellung auf die
Sortiment-Spinnerei erfolgte dann nach seinem Ableben sehr
abrupt. Min.Rat Gröger wird sich mit Dr. Hasler noch über die
Details unterhalten und auch in Hinkunft Kontakt halten, weil
er besonders interessiert ist, mit Wirtschaftsprüfer und insbe-
sondere Betriebsprüfer gute Beziehungen aufrechtzuerhalten. Für
mich ist dieser Betrieb insoferne typisch, als er eben durch
Mayer-Gunthof geführt und gestaltet unter überragendem Einfluss,
den dieser Mann hatte, den Anschluss an die moderne Produktions-
methode und Zeit verpasst hat. Ähnlich erging es in dem verstaat-
lichten Sektor bei der Alpine-Gesellschaft mit dem jahrzehnte-
langen und dann auch schon alten Patriarchen Oberegger. Beide
Betriebe wurden knapp an den Rand des Abgrundes dadurch geführt.
Dir. Mautsch wollte mich unbedingt sprechen, um mir mitzuteilen,
dass seiner Meinung nach es möglich ist, Vöslau richtig zu sanieren
unter der Bedingung, dass wirklich ein Verkaufsdirektor kommt, der
etwas von der Frage versteht und nicht wieder eine Schoeller per-
sonalpolitisch, d.h. familiäre Lösung gesucht wird. Er selbst
37-0816
hofft, dass im Vorstand nicht ein Generaldirektor be-
stellt wird, denn dies würde sonst wieder der familienver-
bundene Goertz sein, von dem er nicht allzu viel hält. Die Firma
hat ein ungeheures Glück, dass die Betriebsräte aber auch die
Gewerkschaft mitwirkt bei der Sanierung. Ein Fehler war, die
Leitung zu divisionalisieren in Kammgarn und Streichgarn. In
diesem Fall wäre es besser gewesen, diese moderne und eben
nicht für alle Betriebe passende Betriebsführung nach dem alten
Prinzip Verwaltung, Produktion und Verkauf zu teilen und zu
führen. Mautsch als Techniker war die neue Spinnmethode DREF
bekannt, er sieht darin nur keine Gefahr ebenso wenig wie
Dr. Hasler, weil DREF nur bis 15 nm produzieren kann, Kammgarn
aber resp. Streichgarn von 28 – 68 im Durchschnitt bei 40
heute in Vöslau produziert wird. Diese feinen Garne kann DREF
also nicht erzeugen. Ich informierte ihn aber, dass jetzt
Dr. Fehrer bereits Maschinen in Erprobung hat, die auch feine
Nummern erzeugen werden und früher oder später auch in den
feinsten Garnbereich vorstossen wird.
Vor dem Ministerrat habe ich Androsch gefragt, wie er sich
jetzt und wann er den Akt über den finanziellen Zuschuss
Kapitalaufstockung für die Verbundgesellschaft wegen Voitsberg 3
unterschreiben wird. Androsch informierte mich, dass er mit
Bandhauer die Aussprache hatte und darauf hinwies, dass in
Zukunft eine bessere und andere Art der Finanzierung gesucht
werden muss. Er ist ausserstande, auf die Dauer diese Kapitalzu-
schüsse zu leisten. Bei Voitsberg 3 ist er bereit, noch den
alten Weg zu begehen. Gleichzeitig ersuchte er mich, ich sollte
dafür sorgen, dass im Herbst die österr. Fremdenverkehrswerbung
entsprechend höheres Budget bekommt, für eine Linzer Ausstellung
1 Mill. S bereitgestellt wird, wie er bereits mit Zolles be-
sprochen hat.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte kläre, was hier gespielt wurde.
Im Ministerrat hat der Finanzminister seinen Vorschlag über
Dienstautos zurückgezogen, weil doch auch Kreisky glaube ich
verlangt dies von ihm über diese Frage noch gesprochen werden
muss. Auch die Beamten des Aussenministeriums haben mich auf
dieses Problem hingewiesen. Wieso ich von unseren Leuten überhaupt
nichts gehört habe, ist mir schön langsam ein Rätsel. Die
37-0817
Dienstautofrage müsste sie doch zumindestens interessieren.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte kläre, was hier in unserem Haus dazu
gesagt wurde resp. wird.
Nach dem Ministerrat hat Rösch mich als Vertreter des Aussen-
ministers aufmerksam gemacht, dass die 1962/63 gekauften Feuer-
leiteinrichtungen von Kontrares schon damals nicht sehr zweck-
mässig, jetzt total veraltet von der Firma zurückgenommen werden
und für die 9 Stück 900.000 sfrs. für die neue Leitstellen-
einrichtung Sky guard angerechnet werden können. Selbstver-
ständlich war ich mit dieser Regelung einverstanden.
Die Aussprache mit den Bürgermeistern vom Waldviertel und den
nö. Landesregierungsmitgliedern, an der auch Benya und AK-
Präsident Czettel sowie AK-Präsident v. NÖ Hesoun teilnahmen,
sowie einige Wissenschaftler und ganz besonders die Repräsen-
tanten der Kernenergiegesellschaften, lief genauso ab. wie
ich es erwartet habe. Da Kreisky auch gleichzeitig die Massen-
medien eingeladen hat, war von vornherein nur eine Show zu
erwarten. Kreisky ist über die Entwicklung scheinbar nicht sehr
glücklich, weshalb er die Bürgermeister bei wie ich zugeben
muss passenden Gelegenheiten, wenn diese nämlich Referenten
ins Wort fielen oder erklärten, es wird im Waldviertel einen
ungeheuren Sturm der Entrüstung geben, hart attackierte. Ins-
besondere der erste Sprecher Romeder, Bürgermeister von
Schweiggers, in Wirklichkeit aber Landtagsabgeordneter von
der ÖVP, der gleich entsprechend die Aussprache einleitete.
Kreisky hatte vorher sehr geschickt eingeflochten, wie Maurer
sich verhalten hat und dass dieser insbesondere immer wieder
erklärt, mit Ausländern könne man zu einer Einigung kommen,
Maurer ging deshalb dann primär auf den Streit zwischen der
Landesregierung und dem Gesundheitsministerium, wer dafür
zuständig ist, ein um dann sofort die Behauptung aufzustellen,
er hätte ja keine Befugnis gehabt, mit anderen zu reden wie z.B.
Min.Präs. Albrecht, wo in Asse die Deutschen lagern, die Re-
gierung hätte eben müssen hier aktiv werden. Kreisky forderte mich
auf, dazu Stellung zu nehmen, meinte nur einleitend zu diesem
Problem, niemand mit gesundem Menschenverstand könne doch er-
warten, dass fremde Länder oder Staaten bereit sind, wo sie
ebenfalls mit ihrer Bevölkerung grosse Schwierigkeiten haben,
37-0818
den Atommüll jetzt zu übernehmen. Insbesondere verwies dann
Staudinger darauf, dass man jetzt bestrebt ist, mit Frank-
reich Kosena und GB BNFL zivilrechtliche Verträge über die
Wiederaufbereitung abzuschliessen, auch dort wird vorgesehen,
dass der Müll 2 m³ oder 2 t pro Jahr wieder zurückgenommen
werden müssen. Deshalb verlangen die Vertragspartner eine Re-
gierungserklärung, dass dieser Müll auch tatsächlich, wenn ihn
die Gesellschaften zurückgeben wollen von den österr. Stellen
übernommen werden muss und kann. Da die Bürgermeister alle
mit Ausnahme des Koczur von Gross-Siegharts der ÖVP angehören,
waren natürlich alle unisono gegen eine Lagerung im Waldviertel
und verlangten von Kreisky eine dezidierte Erklärung, dass
er sich auch dagegen ausspricht. Czettel bekannte sich wieder
zu der Idee, die Begleitmassnahmen für eine eventuelle Lagerung
mit Kreisky gemeinsam gefunden zu haben, weil eben dieses be-
nachteiligte vierte Viertel Niederösterreichs bei dieser Ge-
legenheit ein grosse Investitionsunterstützung und Infrastruk-
turverbesserung bekommen sollte. Dies müsste ein Solidari-
tätsakt der Elektrizitätswirtschaft sein, ganz unabhängig aller-
dings, wo diese Lagerstätte errichtet wird. Staudinger verwies
mit Recht darauf, dass er noch nicht mit seinen Gesellschaftern
über dieses Problem reden konnte und daher keinerlei ver-
bindliche Erklärungen abgeben kann. Nur der Bgm. Koczur meinte,
man sollte doch auch diesen Vorschlag überlegen und insbesondere
im Waldviertel besprechen. Die anderen waren aber gar nicht bereit,
auch nur einen Millimeter von ihrer festgefügten Meinung und
Richtung abzuweichen. Kreisky fasste deshalb nach 3 Stunden
zusammen: Es ist nicht seine Absicht, so zu entscheiden,
dass ein kleiner Bürgerkrieg im Waldviertel entsteht. Das
Gutachter über die Möglichkeiten in Allentsteig zu lagern,
kommt übrigens erst im September. Frappierend für mich ist,
wie die E-Gesellschaften sich Zeit lassen, scheinbar in der
Hoffnung, das wird schon alles noch so laufen, dass man doch
früher das Kernkraftwerk im Betrieb nehmen kann, weil inter-
essanterweise jetzt gar niemand mehr sich über die dortige
Sicherheit aufregt. Die GKT hofft sogar, im Kompaktlager für
10 Betriebsjahre bis zur Wiederaufbereitung die abgebrannten
Brennstäbe unterbringen zu können. Wirklich überragend in
seiner Argumentation war Grümm von Seibersdorf. Er hatte nicht
nur zur Demonstration in Beton eingeschmolzene und in Glas
37-0819
eingeschmolzene mittel- und hochaktive Abfälle aller-
dings nicht unterminiert, mitgebracht, sondern seine Ausführungen
hatten meiner Meinung nach insoferne gut gewirkt, weil er über-
zeugend argumentierte. 80.000 Wissenschaftler entwickeln
die Kernkraftwerke weltweit und wo Fachleute, die es wirklich
sind und nicht, wie er sagte, selbsternannte, über dieses Problem
reden, kommt es zu vernünftigen Lösungen. Diese selbsternannten
Fachleute aber, die sonst auf diesem Gebiet kein Mensch kennt,
sind es, die über die Massenmedien sofort entsprechend Möglichkeit
haben, sich in Position zu setzen und dies auch nützen. Dies
sei seiner Meinung nach das Grundübel, warum dann die Bevölkerung
meint, es gibt eine getrennte Wissenschaft, wenn man so
sagen kann, halbe – halbe. Auch ich habe des Gefühl, wenn der
Wissenschaftler in seinem Gebiet nur urteilt, es wesentlich
zu anderen Ergebnissen kommt als wenn der Biologe in der Kern-
physik und vielleicht auch umgekehrt der Kernphysiker in der
Biologie seine Urteile abgibt, die kaum zutreffend in den selten-
sten Fällen aber überhaupt fundiert sind. Wenn diese Entwicklung
zeitlich so weitergeht, glaube ich, dass das Kernkraftwerk auch
nicht im Jahre 1978 in Betrieb gehen wird. Meine Taktik seit 1974
wo ich die E-Kompetenz übernommen habe, schnell zu einer Ent-
scheidung zu kommen, ist gescheitert. Daran, und das muss
ich zugestehen, ist nicht allein Kreisky schuld, der sobald
er sich eingeschaltet hat in den letzten Monaten immer
auf hinauszögern plädierte, sondern sicherlich auch vor allem
die bauenden Firmen und die E-Wirtschaft. Kreisky brauchte einen
Meinungsbildungsprozess und Zeit dafür und damit auch, wenn
man so sagen kann, alle, die nicht unmittelbar vorher davon
betroffen waren. Wie dieser Meinungsprozess aber ausgeht, weiss
ich noch nicht endgültig, d.h. davon überzeugt bin ich,
dass wir immer unter Sachzwängen handeln werden. In diesem Fall
bestimmen nicht wir das Geschehen sondern, wenn an will seit 1969
als man sich dazu entschlossen hatte, eine eigene Kernkraft-
werksgesellschaft, eben die GKT, zu gründen, diese Institution.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte Aufzeichnungen vonRohwedder-Besuch
heraussuchen.
Der neue südkoreanische Botschafter hat als erstes mich gleich
ersucht, den Wirtschafts- und Handelsminister im September ein-
zuladen, da er über ein Wochenende kommen wollte, was er für
37-0820
mich kein Problem. Da die Handelskammer, Präs. Sallinger
und Gen.Sekr. Mussil bei ihrem letzten Besuch in Seoul
sogar von dort angerufen haben und mich ersuchten, ich möchte
die Südkoreaner mehr einladen, kann ich nun denen gegenüber
behaupten, dass ich in ihrem Interesse gehandelt habe.
Ihr Geld – meine Zeit.
Noch niemals habe ich so viele Blumen bei einem Begräbnis
im Krematorium gesehen wie bei Flöttl. Sicher hat er viele
Funktionen gehabt: Obmann der Bauarbeiter, Vizepräsident des
ÖGB, Abgeordneter im Waldviertel und von überall kamen ent-
sprechende Kränze. Der wirkliche Grund war aber, dass seitdem
ich Flöttl kannte und wir waren zusammen in Buchenwald, all
die Jahre er als liebwerter Mensch mit niemandem streiten
konnte ja auch gar nicht streiten wollte. er hat nur immer
seine Pflicht erfüllt, seine Arbeit getan, nach bestem Wissen
und Gewissen. Viele bezeichneten ihn als "weichen Bruder".
In Wirklichkeit war er ein herzensguter Mensch, der mit
niemandem streiten konnte und wollte. Als Bauarbeiter ge-
fördert und gelenkt von dem Bauarbeiter Böhm hat er eine Karriere
gehabt, die er sich sicherlich nicht als Anstreicherlehrling
der 1. Republik erträumt hätte und hat. Bei Begräbnissen
werden ja viele und nur gute Sachen über den Toten gesagt.
Die Ansprachen aber Millendorfers, Benyas und Kreiskys
konnten wahrheitsgetreu in der Aussage enden, Karl Flöttl
in Freundschaft.
Tagesprogramm, 5.7.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 81. Ministerratssitzung, 5.7.1977
37_0820_03hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)