Freitag, 1. Juli 1977
Noch niemals habe ich miterlebt, dass bei einer Ordensverleihung
ein Ausgezeichneter zu Tränen gerührt war. Dass ein beinharter
Geschäftsmann so patschweich sein kann, hat mich wirklich über-
rascht. Genauso überrascht muss ich aber zu meiner Schande gestehen,
war ich über die breite Palette der §-68-Staatswappen führenden
Betriebe. Wenn ich bedenke, dass bei meinem Amtsvorgänger nur ganz
selten einzelnen Betrieben diese Auszeichnung zuteil wurde, so
haben wir jetzt wirklich auch auf diesem Gebiet es grundlegend geän-
dert. Zu meiner Rechtfertigung ja fast zur Entschuldigung unter-
strich ich bei meiner Ansprache, dass die Beamten nach den Richt-
linien ohne dass ich darauf Einfluss nehme vorgehen. In diesem Fall
bin ich wirklich sehr froh, dass die Handelskammer und selbstver-
ständlich auch die Arbeiterkammer eingeschaltet sind, um jeden
einzelnen zu begutachten.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Was ist mit dem Welser , von der Arbeiterkammer
abgelehnten Betrieb (Zellinger?)
Beim Jour fixe mit AK und ÖGB berichtet Erich Schmidt, dass in
der Arbeitsgruppe: Vorschläge zur Sanierung der Zahlungsbilanz
des Sozial- und Wirtschaftsbeirates ein Massnahmenkatalog erstellt
wird. Wichtig ist, dass für die öffentlichen Aufträge nur die Industri-
ellenvereinigung nicht nur jetzt das Preiskriterium zum Zuschlag
wünscht, vorweggenommen ein diesbezüglicher Beschluss gefasst werden
soll. Neben diesem Problem ist in meinen Augen die Frage der Substi-
tution von Konsumgüterimporten, die letzten Endes auf die Inter-
essen des Handels zurückzuführen sind, weil sie dort bessere Ge-
schäfte machen, die zwei wichtigsten Massnahmen, die wir unverzüglich
in Angriff nehmen müssen. Wenn man bedenkt, dass wir Hundefutter für
300 Mill. oder Erde aus der BRD importieren, so müsste man dafür
wirklich in Österreich entsprechende Produktionsmöglichkeiten finden
und dann gegebenenfalls durch nichttarifarische Hemmnisse diesen
Unfug unterbinden. Wenn die ersten Vorschläge des Beirates vor-
liegen, werde ich sofort mit den Konsumgenossenschaften, dem Handels-
verband und anderen grossen Märkten und Importeuren Besprechungen
aufnehmen. Vor allem erscheint mir jetzt wichtig, dass die Handelskammer
von ihrem Standpunkt: ein österr. Produkt ist alles was ein österr.
Unternehmer auf den Markt bringt, abweicht. Dieses Problem muss
ich beim nächsten Jour fixe mit der BHK besprechen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte lass so extreme, haarsträubende Importe
wie Hundefutter u. Erde zusammenstellen.
Die AK ist einverstanden, wenn im Holzwirtschaftsrat das Ausfuhr-
kontingent für Nadelsägerundholz um 180.000 fm auf 200.000 der
Antrag der Landwirtschaft lautet 230.000 erhöht wird. Bei dieser
Gelegenheit muss aber die seit 1947 zurückreichende Forderung der
Arbeiterkammer durch Beobachter, noch besser natürlich durch ein
Mitglied im Holzwirtschaftsrat eine gewisse Mitwirkung gesichert
werden.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte diese sozialpartnerschaftlich offene Problem
unverzüglich jetzt Besprechungen einleiten.
Der Fachverband der Nahrungs- und Genussmittelindustrie wird ein
Antidumpingverfahren wegen Teigwaren anstreben. Tatsache ist, dass
aber die Teigwarenproduzenten meistens jetzt gleichzeitig auch Teig-
waren importieren. Ausser den italienischen Teigwaren, die qualitäts-
mässig nicht nur billig sind sondern auch absolut entsprechen, meistens
sind sie sogar besser, gibt es Importe von Billigstpreisen mit Qualität
die nicht einmal den österr. Vorschriften entsprechen. Übereinstimmend
stellen wir fest, dass hier die Landeshauptleute verpflichtet wären,
die Konsumenten vor dieser minderwertigen Ware durch entsprechende
Kontrollen zu schützen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Die Abteilung soll ein diesbezügliches amtliches
Schreiben und nicht von mir einen persönlichen Brief an die
Landeshauptleute, soweit wir dafür Kompetenz haben, womöglich mit dem
Gesundheitsministerium, vorbereiten.
Der Bundesobstbauernverband verlangt vom Finanzminister die Rücknahme
der Zollbegünstigung für Gemüse, Obst, Äpfel, Birnen, Steinobst,
Beeren usw. Dies lehnt die Arbeiterkammer entschieden ab, weil
wir in Österreich mit dem Vier-Phasen-System eine mengenmässige
Kontingentierung haben. Ein zollmässiger Schutz, der nur eine weitere
Belastung der Konsumenten bringt, ist deshalb nicht notwendig.
Bezüglich der mit Ende September auslaufenden Nettopreisverordnung
wird überlegt, ob und wie lange wir sie verlängern sollen. Bei Möbel
hat sich herausgestellt, ist es nicht möglich, tatsächlich Netto-
preise nur festzulegen. Viele Firmen haben sogenannte individuelle
Kalkulationslisten für den Handel, die zwar der Konsument nicht
bekommt, da jedes Handelsgeschäft, welches diese Möbel führt, ohne
gedruckte Letztverbraucherpreise-Listen, hat der Konsumenten kaum eine
Möglichkeit, wirkliche Preisvergleiche anzustellen. Möbel
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wären also ein typischer Fall, wo wir auf die Nettopreisverordnung
verzichten sollten. Andererseits wird gewünscht, dass man Schall-
platten und Autos jetzt aufnimmt. Von den Interessensvertretungen
werde ich daher kaum eine einvernehmliche Lösung und noch viel weniger
ein wirklich zukunftsträchtiges Konzept bekommen.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Ein halbjährige Verlängerung bringt uns zwar
aus dem Terminproblem, aber untersuchen, wie es überhaupt weitergehen
soll.
Die Arbeiterkammer ist damit einverstanden, dass wir entsprechend
ihrem Wunsch von Ende 1974 die Erzeugergaspreise nicht nur durch
den Landeshauptmann OÖ für die RAG sondern auch durch das BM
für die ÖMV, da diese mehrere Bundesländer umfasst, in Angriff nehmen.
Ich erkläre dezidiert, dass es mir primär darauf ankommt, Informa-
tionen über die tatsächlichen Verhältnisse auf dem Gaspreissektor, inlän-
dische Produktion und Importe, zu bekommen. Ob"´ ich letzten Endes
wirklich dann einen amtlichen Preis festsetze, wird sich erst im
Laufe der Voruntersuchung ergeben. Überrascht bin ich, dass
Grünwald, ÖIAG, viel mehr über das Verhalten von Gen.Dir. Bauer,
ÖMV, empört war, als ich es gewesen bin. Formell hoffe ich, brauchen
wir jetzt nichts anderes mehr zu machen, um das Preisverfahren ein-
zuleiten, da ich ja bereits die Preiskommission bei der Wiederinkraft-
setzung der Preisregelung für den Semmelpreis informiert habe.
Bezüglich der weiteren Vorgangsweise beim Semmelpreis, der jetzt
freiwillig von der Wiener Handelskammer durch Aufruf an die Bäcker
zurückgeführt wird, stellt sich die Unzulänglichkeit des derzeitigen
Preisgesetzes heraus. Die Beamten des Wiener Magistrates haben dem
Bürgermeister Gratz als Landeshauptmann und von mir delegierten zur
Regelung des Semmelpreises dezidiert erklärt, sie könnten nicht
sofort den Schilling-Preis für die Semmel festsetzen. Genau wie meine
Beamten verlangen sie ein erst abzuwickelndes Preisprüfungsverfahren,
das sicherlich wochenlang dauern würde. Schmidt und Blaha erklären
konsequenterweise aus dieser Haltung, dass das Preisgesetz unbedingt
geändert gehört und nur eine entsprechende Ermächtigung für sofortige
Preisfestsetzung gegeben werden muss. Wenn sie damit auch noch so
recht haben und ich die ganze Zeit schon ein Rute-im-Fenster-Gesetz
anstrebe, so fürchte ich, werden wir dies im nächsten Jahr bei
den Verhandlungen, wenn die Wirtschaftsgesetz ablaufen und über
deren Verlängerung und Änderung geredet wird, leider nicht erreichen.
Seit 1970 bemühe ich mich nämlich verzweifelt, eine solche Lösung
anzustreben.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Nimm Bezug auf mein letztes Dankschreiben an
Farnleitner für sein Preisgesetz-Buch und ver , mit ihm in dieser
Beziehung ins Gespräch zu kommen.
Die Fa. Leitl hat entgegen dem Beschluss der Paritätischen Kommission,
nur um 4 % seine Produkte den Preis zu erhöhen, 6 % verlangt und ist
nicht bereit, davon abzugehen. Bevor ich den § 4 des Preisgesetzes
anwende, erscheint er mir zielführend, wie ich in der Par. Kommission
auch versprochen habe, mit der Firma zu verhandeln.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte Leitl einladen.
Grünwald teilt auf meine Anfrage mit, dass das Vertriebssystem Austro-
Porsche die Porsche GesmbH in Deutschland eine entsprechende Studie
ausarbeiten wird. Ausserdem hat die ÖIAG jetzt zwei Fachleute
Dr. Tump und Polit, der den amerikanischen Markt sehr gut kennt,
mit einer Spezialuntersuchung in Amerika beauftragt. Das ganze Projekt
Austro-Porsche steht und fällt nämlich mit der Absatz- und Service-
organisation.
Grünwald teilt mit, dass jetzt Untersuchungen in der ÖIAG ergeben haben,
dass die Wolfegg-Trauntaler Kohlengesellschaft in den nächsten 5 Jahren
mit 20 Mio. S Defizit pro Jahr rechnen muss. Diese Betrag müsste von der
Bergbauförderung beigestellt werden. Da die Produktion immer wieder
auf Schwimmsatz-Flötze kommt. Nach 5 Jahren sind die einigermassen
abbaufähigen Reviere erschöpft und wenn man dann noch bis zu 10 Jahren
weitergraben will, würden bis zu 100 Mill. S und mehr pro Jahr
Defizit erwirtschaftet werden. Neben Pölfing-Bergla und Fohnsdorf
wird es deshalb auch in Zukunft sehr bald notwendig sein, an die
Schliessung von der WTK zu denken.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Frage, was Sterk davon weiss.
Kreisky hat eine grosse Sulfatzellstoff-Besprechung eingeladen und
einleitend festgestellt, dass jetzt immer mehr positive Gut-
achten dafür vorliegen. Da jetzt dieses Projekt zur Strukturver-
änderung des Waldviertels dringend braucht, möchte er jetzt diese
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Frage weitertreiben, wenn möglich kurzfristig auch beschliessen.
Apfalter berichtet, dass die VÖEST jetzt nicht nur eine Studie aus-
gearbeitet hat sondern auch die von Landegger bestellte Firma Parsons
durch eine finnische Jakob Pörring-Gesellschaft noch einmal über-
prüfen lassen wird. Die Holzmenge, bestätigt auch Landwirtschafts-
minister Haiden, steht zur Verfügung, da insbesondere neben Kiefer,
die allerdings im Preis steigen wird, sowie Fichte und Tanne vor allem
aber Pappeln und Weiden dort verarbeitet werden können. Buche, an der
Lenzing interessiert ist, weshalb diese Firma gegen das Projekt auf-
tritt, wird natürlich auch im Preis steigen. Milzer, ein Direktor von
der VÖEST, der für dieses Projekt scheinbar zuständig ist, verweist
darauf, dass es notwendig sein wird, einige Zellstoffbetriebe, sogenannte
kleine Quetschen wie Rechberg, Villach, Kematen, Weissenbach zu
schliessen. Benya verweist mit recht darauf, dass die sogenannten Fach-
leute leicht erklären die Werke müssen geschlossen werden und die Politik
müssen es nachher ausbaden. Benya erscheint es fraglich, ob man 3,5 Mia. S
für 300 Beschäftigte, die in der Zwischenzeit jetzt angeblich auf
500 angewachsen sind, investieren soll. Teschl verweist mit Recht
darauf, dass die jetzt zur Schliessung anstehenden Betriebe in den
Achtzigerjahren sowieso gefährdet sind, weil 100.000 t mehr die Fa.
Leykam und 50.000 t mehr die Pölser Zellulose-Fabrik schon auf Grund
der jetzigen Modernisierung und Umstellung produzieren werden. Fr
Sulfatzellstoff, wo wir 100.000 jetzt schon importieren, gibt es
daher auch in meinen Augen eine bessere Absatzmöglichkeit als bei
irgendwelchen anderen neuen Industrieproduktionen von Austro-Porsche
ganz zu schweigen. Bezüglich der Beschäftigung meint Teschl mit
Recht, soll man nicht nur die drei bis 500 in der Zelluloseproduktion
sehen sondern vor allem auch die Beschäftigten der Neusiedler Papier
AG, deren 1.000 Arbeitsplätze sonst auch gefährdet sind.
Die VÖEST meint allerdings mit Recht, nur die Neusiedler soll gegebenenfalls
eingebunden werden, weil ansonsten die vertikal organisierten Papier-
fabriken mit der Sulfatzellstofffabrik von dieser ständig Billigstpreise
womöglich unter den Gestehungskosten verlangen wird. Derzeit, verweist
Teschl darauf, kommt ein Marktpreis von 6.500 S pro Tonne ein kalku-
lierter Preis von 8.000 S/t heraus. Grünwald verlangt, dass eine ordent-
liche Marktanalyse gemacht wird und nicht wie dies jetzt fast üblich
ist, immer wieder nur extrapoliert von den derzeitigen Verhältnissen
Zukunftsprojekte konstruiert werden. Für ihn erscheint das Eigenkapital
von 600 Mill. S zu gering, weil die Finanzierung von 15 Jahren zu kurz-
fristig und die Anlaufverluste wesentlich höhere sein werden, sodass
das Eigenkapital sehr bald verbraucht sein wird. Die Kapitalbeschaffung
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scheinbar macht jetzt nicht mehr zu grosse Schwierigkeiten, denn
Apfalter ist davon überzeugt, dass die Banken von der genossen-
schaftlichen Zentralbank bis sogar deutschen und Schweizer Inter-
essen, die Schweizer Bankgesellschaft will sich mit 25 % beteiligen,
genug Interessenten vorhanden sind. Benya meint mit Recht, durch
Staatsgarantie usw. könnte man sich leicht an solchen Projekten
beteiligen. Kreisky schliesst daraus, dass wenn die öffentliche
Hand hier entsprechende Unterstützung gibt, dann auch die öffentliche
Hand Teileigentümer werden sollte. Bezüglich der Gefährdung anderer
Betriebe insbesondere im Süden Österreichs müsse jetzt eine Studie
erstellt werden. Andererseits sei gerade der Standort an der Donau
von grösster Bedeutung, denn in St. Pölten wackelt die Glanzstoff-
fabrik, Voith hat auch keine gesunde Basis, die Textilindustrie
und Holzindustrie in dieser Region äusserst gefährdet ist.
ANMERKUNG FÜR WANKE, PLESCH UND HAFFNER: Bitte genau feststellen,
ob die kleinen Zelluloseproduzenten sowieso gefährdet sind oder erst
durch das Sulfatzellstoffprojekt.
Die Stickerei-Industrievertreter von Vorarlberg unter Führung
von Gen.Sekr. Mussil erwarteten nicht mehr und nicht weniger als
dass ich sofort wieder nach Lagos fahre und dort wegen der ver-
botenen Einfuhr von Stickereien zu verhandeln. Da auch NR Blenk
bei der Besprechung anwesend war und viele Beamte der Handelskammer
konnte ich es mir nicht verkneifen, dass ich wohl in der Vergangen-
heit mehr für die Stickerei getan habe als alle meine Amtsvorgänger
seit dem Jahre 1945. Dies wurde auch bestätigt, doch erwartet man
eben von mir wesentlich mehr Einsatz. Die schwierige Situation
ergibt sich, dass von den gesamten Exporten von 1,9 Mia. S über
1 Mia. nach Nigeria exportiert wird, die Auslastung der Automaten in
Vorarlberg ermöglicht. Jetzt sind 140 Maschinen stillgelegt und
werden in Hinkunft 500 sein, das wäre die Hälfte aller Stickerei-
maschinen. In der unmittelbaren Vergangenheit um die Nigeria-
Aufträge erfüllen zu können, hat man sogar die Schweizer Stickerei-
maschinenindustrie als Sublieferanten eingeschaltet. Wie mir
Dir. Castellez von der Kontrollbank nachher versicherte, wurden
60 Saurer-Automaten bestellt. Die seit 1. April 1976 lizenzpflichtigen
Stickereien, die am 1. April 1977 mit dem Importverbot sogar belegt
wurden, werden angeblich jetzt sogar verbrannt, wenn sie ins Land
kommen. Die nigerianische Regierung, insbesondere der General Shuwa
als Handelsminister ist empört, dass den Exporteuren immer wieder
verbotene Schleichwege gelingen, die Ware ins Land zu bringen,
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und im Transfer dann die Naira in Westwährung umzuwandeln.
Angeblich steht einem Importpreis von 25 Naira ein Verbraucher-
preis von 200 Naira gegenüber. Überall, wo Schwarzhandel existiert,
werden irrsinnige Preis verlangt und andererseits irrsinnige Ge-
winne gemacht. Das Risiko ist halt nur dabei, wie sich jetzt
herausstellt, sehr gross. U.a. wurde ein Neffe von Landwirtschafts-
minister Haiden, Mayer, am Flughafen in Lagos verhaftet, der für
eine Stickerei-Firma entsprechende Geschäfte in Nigeria macht.
Die Stickerei-Vertreter verlangen eine Sofortmassnahme, um ihre
brachliegenden Kapitalien, 500 Mill. S Aussenstände plus der
Lagerware, durch einen entsprechenden Fonds oder Subvention durch
den Bund. Mussil meint, es käme nur die Arbeitsmarktförderung
in Frage, die bis 300.000 S im Land und da es sich hier um Millionen-
beträge handelt, nur vom Sozialminister genehmigt werden kann.
Ich erkläre sofort, dass wenn die Firmen über die Arbeitsmarkt-
verwaltung etwas bekommen wollen, dann über das Landesarbeitsamt
individuell einreichen müssen. Castellez lehnt eine Finanzierungs-
überbrückung in Form von Zinsenzuschüssen, auch weil er dies auf
Grund des Gesetzes gar nicht geben kann, ab. Wenn die Hausbank
entsprechendes Produktionsfinanzierung für andere Relationen als
Nigeria nicht allein durchführen kann, dann hat die Kontrollbank
gewisse Möglichkeiten.im Rahmen der Exportfinanzierung. Andere Mög-
lichkeiten gibt es nicht. Mussil schlägt mir unerklärlicherweise
vor, man müsse trachten jetzt bei den Nigerianern durch entsprechende
Betriebskooperationen nicht nur auf dem Stickereisektor sondern auch
auf anderen das Wohlwollen der Regierung zu erlagen. Darüber hinaus
sollte man von den Nigerianern Öl kaufen. Da ich schon das Politikum
in dieser Frage kommen sehe, erkläre ich mich im Prinzip bereit, wenn
notwendig wieder nach Lagos zu fliegen. Wichtiger erscheint mir aber,
dass die Handelskammer jetzt die entsprechenden Vorschläge bezüglich
der Kooperation macht, mit der ÖMV spricht, dass diese tatsächlich
Öl kauft, was sie bis jetzt infolge des hohen Preises und der anderen
Abnahmeverpflichtungen strikte abgelehnt hat und mir entsprechende
Vorschläge unterbreitet. Ich könnte mir vorstellen und dies wird dann
von allen anderen bestätigt, dass es viel zweckmässiger ist, wenn
ich die dafür in Frage kommenden höchsten Persönlichkeiten zu einem
Besuch nach Österreich einlade. Durch entsprechende Jagd- oder Fisch-
aufenthalte könnte man leicht die Stimmung in Nigeria ein bisschen
lockern. Da die Stickerei-Leute mit mir ständig Kontakt haben wollen,
sage ich ihnen zu, bei meiner Messe-Eröffnung in Dornbirn und dann
bei dem Textilgespräch auf der Schattenburg im September natürlich auch
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wieder für sie zur Verfügung zu stehen. Jetzt ist das Wichtigste,
dass die Handelskammer mir die entsprechenden Vorschläge unterbreitet.
Mussil wird es sich nicht so einfach machen können, mit einer
Delegation zu erscheinen, sich zu bedanken, was ich schon alles
getan habe und dass ich jederzeit für sie zur Verfügung stehe und
dann nur zu verlangen, ich soll nach Lagos fliegen und dort alles re-
geln. Er weiss ganz genau, dass die sinnlos ist, nur Kosten verursacht
und auf diese Art und Weise nicht zu lösen ist.
Das Parlament ging mit der aussenpolitischen Debatte zu Ende. Ich
stelle nicht nur eine Lustlosigkeit, die eigentlich immer vor
jeden Ferien zu verzeichnen ist, sondern darüber hinaus ganz allgemein
gesehen eine wirkliche Parlamentsmüdigkeit bei den Abgeordneten fest.
Primär wäre es natürlich Aufgabe der Oppositionspartien, das Par-
lament als ihre Kampfstätte entsprechend zu nützen. Andererseits
muss ich zugeben, dass dies jetzt deshalb so schwer wird, weil
scheinbar hier auch eine Reform dringendst notwendig ist. Es wird immer
sinnloser wie unter lustlos Anwesenden meistens nur wenigen Abgeord-
neten die Reden dahinplätschern. Kreisky hat dies vielleicht auch
schon vor langer Zeit gefühlt und deshalb vorgeschlagen, entspre-
chende Berichte dem Parlament zuzuleiten und dort Wirtschaftsdiskussionen
und ich weiss nicht was sonst noch alles abwickeln zu können. Da aber
auch bei diesen Berichten meistens nur ganz wenige unmittelbar daran
beteiligt sind, entsteht wie dies heute bei dem aussenpolitischen
Bericht der Fall war, ebenfalls der Eindruck hier agieren ein halbes
Dutzend von Abgeordneten. Die anderen sind – und das stimmt ja
auch meistens – wirklich daran gar nicht interessiert. Da man dies
aber jetzt immer deutlicher sieht und spürt, muss es entweder zu
einer Reform kommen oder die Idee des Parlamentarismus wird schwer
Schaden leiden.
Tagesprogramm, 1.7.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)