Montag, 2. Mai 1977
Bei meinem täglichen Gewerkschaftsbesuch werde ich immer jetzt
stärker mit den Wünschen der Betriebsräte über den Schutz von
inländischen Lebens- und Genussmittel-Erzeugnissen konfrontiert.
Insbesondere die sogenannte Erstattungsregelung, die die Land-
wirtschaft für ihre Produkte und damit dann automatische auch
für die weiterverarbeitende Industrie verlangt, wird selbstverständ-
lich auch von den Betriebsräten gefordert. Niemand sagt allerdings
dies so deutlich sondern man verweist nur und dies glaube ich zuerst
auf die immer stärker werdende Einfuhr von hochqualifizierten,
wenn auch teureren Produkten gegenüber den inländischen oft wesent-
lich höheren Rohstoffen, aus denen man dann kaum konkurrenzfähige
Fertigprodukte erzeugen kann. Das typischste Beispiel dafür
sind die Teigwaren. Ich kämpfe mit mir selbst, ob ich dieses
Problem auf unserem Verbandstag in meinem Referat anschneiden
soll und wie ich es vor allem referieren werde.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte aufs nächste Jour fixe
AK/ÖGB setzen. Vorher mit mir besprechen.
Beim Journalistenfrühstück war auch der Vertreter der chinesischen
Presseagentur Neues China anwesend, wogegen ich nicht nur nichts
einzuwenden habe sondern sogar sehr froh war. Ohne die Firmen zu
nennen, musste ich doch einzelne Details über zu erwartende
Ausdehnung des österr. Exportes nach China, unsere Lieferwünsche
auf Anfrage mitteilen. Ich bin überzeugt, dass mit einiger Phanta-
sie und guten Geschäftsverbindungen Exportmöglichkeiten und noch
viel mehr Importmöglichkeit gegebenenfalls mit Absatz auf dritten
Märkten möglich sind. Bei der Creditanstalt interessiert sich Dir.
Schneider insbesondere für die Erhöhung der Wolfram-Lieferungen
aus China für Treibacher chemische Werke, die BAWAG möchte ebenfalls
einsteigen und ganz besonders Bankhaus Winter mit der Bank of China
aufnehmen. Bei der Verabschiedung am Flughafen habe ich dann Mini-
ster Yao Yi-Lin über die Pressekonferenz informiert. Dies war
sehr gut, denn knapp vor Abflug ist dann der Vertreter des
"Neuen China" mit einem seitenlangen Bericht gekommen, hat diesen
schnell dem Botschafter gezeigt, der ihn vor Abflug dann noch
schnell dm Minister zugesteckt hat. Überhaupt zeigt sich mir an
solchen Einzelheiten, wie dieses System für uns immer unerklärlich
oder zumindestens schwer verständlich funktioniert. Das ewige Lächeln
soll nicht darüber hinwegtäuschen. Am meisten geärgert habe ich
mich aber über eine vielleicht von mir persönliche Ungeschicklichkeit.
Meine Frau war von dem einzige weiblichen Delegationsmitglied,
der Österreich-Referentin im Aussenhandelsministerium mit dem
schönen chinesischen Beinamen "liebliche Wolke" so begeistert,
dass sie ihr durch mich eine silberne Halskette und eine Brosche
schickte. Ich habe mich sowieso bemüht, dieses Präsent nicht
offiziell zu übergeben, sondern beim Hinausgehen auf den Flughafen
ihr ausdrücklich gesagt, das schickt meine Frau. Der Dolmetsch
aber dürfte doch etwas aufgefangen haben, denn der chinesische
Aussenhandelsminister sagte dann beim Einsteigen ins Flugzeug,
er bedankt sich auch für das Präsent für die Frau. Meint er jetzt
seine oder meint er die liebliche Wolke? Der Botschafter bedankte
sich dann ganz besonders bei mir für den Aufwand an Zeit und für
wie ich wirklich glaube beste Betreuung dieser ersten chinesischen
Regierungsdelegation in Österreich.
Ein weiterer Tagesordnungspunkt war der Bericht von Gustav Müller
über die Erhebungen von Dienstleistungen in ganz Österreich.
Die KFZ-Mechaniker, Spengler, Elektriker, Installateure usw.
verrechnen nicht nur in den Ländern verschieden sondern selbst in
einzelnen Bundesländern in denselben Städten Stundensätze, die um
hunderte Prozente oft differenzieren. Natürlich war dann sofort
der Angriff der Journalisten, was gedenken sie dagegen zu unter-
nehmen. Mein Hinweis, dass ich keine gesetzliche Möglichkeit
habe, die ÖVP hat ja vor Jahren bereits mein allumfassendes
Preisgesetz im Parlament strikte abgelehnt, wurde nur wider-
willig zur Kenntnis genommen. Was man in diesem Fall verlangen
müsste, dass das Preistreibereigesetz mit den ortsüblichen
Preisdifferenzen angewendet werden soll, ist meiner Meinung nach
nicht sehr viel zielführender, denn die Judikatur beweist ein-
deutig, dass diese Gesetzesbestimmung nur sehr unzulänglich
in der Praxis angewendet wird resp. angewendet werden kann.
Ich erwarte ausserdem eine heftige Diskussion in der Öffentlichkeit
jetzt von seiten der davon betroffenen Innungen und gegebenenfalls der
Landeshauptleute, wo ausser dem im Land festzustellenden Differenz
noch eine zusätzliche Differenz zwischen den einzelnen Bundes-
ländern festgestellt wurde.
Beim Wiener Vorstand wurde zuerst über den Wiener Parteitag
referiert. 900 Delegierte und Gastdelegierte sind eingeladen mit
750 rechnet man, dass kommen werden. Da Kreisky erst um 15 Uhr
mit seinem Referat beginnen kann, wird eine zweistündige Mittags-
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pause eingeschaltet, wobei die Organisation für die Delegierten
ein Mittagessen bezahlt, weil es nämlich auf die vorhandenen
Gaststätten die Delegierten aufteilen muss. Sofort ergab
sich die Frage, was geschieht mit den Zuhörern. Gratz meinte,
denen geben wir ein Paar Würstel. Aus den Wiener Parteitagen
kann meiner Meinung nach nie etwas richtiges werden, da die
Leute doch konzentriert und nicht allzuweit wohnen, wird immer
noch bevorzugt, den Parteitag so schnell als möglich über die
Runden zu bringen, damit jeder nach Hause kommt. Alle Krampf-
versuche, diesmal sogar bedingt durch den späten Beginn des Referate
Kreiskys, sie den Landesparteitagen der anderen Bundesländer
nachzumachen, sind eigentlich bis jetzt immer gescheitert. Ich
bin sehr gespannt, wie es diesmal funktionieren wird.
Der Mai-Aufmarsch hat lt. Polizeizählung 22.970 + 8.000 in
Liesing ergeben, um etliche tausend mehr, nämlich 29.016 ergab
die maximalste Zählung der von der Partei beauftragten Funktionäre.
Das Problem, wie ich es sehe ist, wie man die Mitglieder ja
selbst sogar die Funktionäre motivieren kann, dass sie zum
Rathausplatz marschieren sollen. Der Fackelzug am 1. Mai war nicht
nur ein grosser Erfolg der sozialistischen Jugend im Aufmarsch
sondern auch der soz. Partei in den Massen im Spalier. Stadtrat
Mayr meinte, es soll der Aufmarschplan der Bezirke nicht ständig
geändert werden, dies aber wieder deshalb notwendig, weil
kein Bezirk der letzte sein will. Erstens kommt er dann noch
später nach Hause und zweitens können sie gar nicht mehr dann
vor der Tribüne vorübermarschieren sondern müssen für die
Schlusskundgebung den Platz füllen. Dass dieses System irgend-
wie geändert gehört, steht für mich fest. Nur wie, weiss ich
auch nicht. Typisch ist, dass es Liesing gelingt, 8.000 Teil-
nehmer zu mobilisieren, während die anderen 22 Bezirke sage
und schreibe auf 23.000 kommen. Da wir diese Frage – und ich
kenne die Diskussion jetzt schon an die 30 Jahre – bis jetzt
nicht befriedigend lösen konnten, fürchte ich wird dies auch
nicht in Zukunft geschehen.
Beim Fackelzug wurde von der Jugend insbesondere gegen die neue
Rechte heftigst demonstriert. Alle sind wir uns darüber klar,
dass etwas geschehen soll, doch niemand weiss so recht, wie
anpacken. Das Parteiengesetz, auf Grund dessen sich die Aktion
Neue Rechte konstituiert hat, ist so konzipiert, dass weder ein
Bezirksgericht noch Verfassungsgerichtshof, d.h. keine Gerichts-
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instanz einer Partei etwas anhaben kann. Dies war eine besondere
Forderung der Sozialisten aus der leidvollen Erfahrung ihrer
Geschichte insbesondere aber Feber 1934. In meinen Augen ist
dies nur die Folge unseres Versuches, alles zu verrechtlichen.
Wäre man davon ausgegangen, dass die Parteien 1945 vor dem
Staat waren, denn letzten Endes haben ja Parteivertreter diesen
Staat dann gegründet, und hätte man dann diese Parteien als
schon bestehend wie in den vergangenen Jahrzehnten, bevor das
Parteigesetz kam, behandelt, wären wir jetzt nicht in diesem
Dilemma. Alle nachfolgenden Parteien, ausser den drei staatsgrün-
denden, Sozialisten, Volkspartei und KP, hätten sich auf Grund
des Vereinsgesetzes konstituieren müssen. Dieses gäbe uns aber die
Möglichkeit, die ANR längst aufzulösen. Auch auf einem Gebiet,
wo ich mich überhaupt nicht interessiere, wieder einmal mehr
die Bestätigung für mich, dass die Verrechtlichung und besser
gesagt noch das rechtssystematische Denken unserer Verwaltung,
die letzten Endes dann auch noch die Öffentlichkeit ansteckt,
unzulänglich Ergebnisse gebracht hat.
Der Mitgliederschwund von Jänner bis März beträgt 2.397. Die Analyse
von 500 Mitglieder, die ausgetreten sind, sollten in jedem Bezirk
eine gewisse Anzahl besucht werden, 343 wurden tatsächlich be-
sucht. 30 % gaben an, die zweimalige Beitragserhöhung seit
schuld. 17 % die Steuer- und Tarifpolitik, 9 % die Fehler der
Gemeinde und 6 % der Regierung. Diese Angaben sind keine wissen-
schaftlich einwandfreien Umfrageergebnisse, sondern der Ein-
druck, den der Betreffende, der das ausgetretene Mitglied besuchte,
von dem Austrittsgrund hatte. 18 % waren immerhin bereit, wieder
beizutreten. Erschütternd für uns alle war, dass 55 % der Ausge-
tretenen über 50 Jahre sind. Die Partei startet vom 13. Oktober
bis Ende des Jahres eine Mitgliederwerbung mit dem Ziel, 2 %
der Wähler neu zu gewinnen. Für Österreich wären dies 46.000, für
Wien allein 12.000. Dies ist ein irrsinnig hochgesteckte Werbe-
ziel, ich bin neugierig, wieviel wir wirklich erreichen werden.
In Wien wird die Programmkommission von Stadtrat Schieder und dem
Gemeinderat für Bildungsfragen und Bildungsreferent Nedwed geleitet.
Die Programmdiskussion hat jetzt schon in Bezirken begonnen, ob-
wohl sie erst für Herbst vorgesehen war, da bis dorthin
gewisse Richtlinien erarbeitet werden sollen. Ich kann mir
nicht erklären, warum ich eine immer so grosse Abneigung gegen
alle Programm-Erstellungen und Diskussionen habe. In meinen Augen
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steht der Aufwand, der dafür gemacht wird, in keinem Verhältnis
zu noch einem so guten Erfolg. Das letzte Programm hat 1958 eine
kleine Gruppe von daran besonders Interessierten unter Benedikt
Kautsky erarbeitet. Pittermann hatte damals glaube ich die richtige
Idee. Kreisky möchte jetzt auf einer ganz breiten Basis, weshalb
er ja den Egon Matzner mit Linken aber auch rechten Kräften
eingesetzt hat, einen entsprechenden Entwurf auszuarbeiten, der
aber kaum eine richtige Grundlage bilden kann und wird. Auf alle
Fälle werde ich mich nicht aus Ablehnung, wohl aber aus Desinter-
esse persönlich sehr zurückhalten.
ANMERKUNG FÜR TIEBER: Da Du es wünscht, versuche bei uns eine
gewisse Koordinierung.
In der Ministerratsvorbesprechung gab es jetzt zum zweiten Mal
so wie vorige Woche nur ein beherrschendes Thema, die Kernenergie-
frage. Frank hat über Gehart Kreisky vorgeschlagen, die Bürger-
meisterversammlung erst im September durchzuführen. Ich halte
diesen Termin für falsch, denn je weniger wir im Waldviertel
dagegen arbeiten um so stärker wird dort die Ablehnung bis in
die kleinste Gemeinde hineingetragen und vor allem einmal immer
kräftiger organisiert. Kreisky meint auch, es müsste jetzt so
schnell wie möglich Maurer aufgefordert werden, mit ihm gemeinsam
diese Bürgermeisterbesprechung abzuhalten. Ich erinnerte Kreisky
daran, dass ich ihm einen Brief geschrieben haben, deren wichtig-
ster Punkt es ist, so schnell wie möglich einen Bericht in das
Parlament zu bringen, damit wir die von ihm dort gewünschte
Diskussion abführen können Kreisky ist damit einverstanden, meint
nur, zuerst sollte noch eine Panel-Diskussion im Fernsehen abgehal-
ten werden, als zweites dann eine Fernsehdiskussion nur Gelehrter
mit Journalisten, gleichzeitig müsste dann eine Redaktion von
zwei Journalisten im Bericht so gestalten, dass er an alle
Haushalte geschickt werden kann. Die Redaktion sollen zwei
Journalisten besorgen, eine pro und einer kontra Atomenergie.
Drittens soll dann im Nationalrat eine Enquete über den Bericht der
Bundesregierung stattfinden. Kreisky fürchtet nur, dass es
keine Beschlussprozedur gibt, der er zustimmen könnte. Wenn in dem
Bericht, der scheinbar von mir erwartet wird, drinnensteht, dass
wir Kernkraftwerk brauchen, dann würde Kreisky eben nicht
zustimmen. Eine Gefahr, die nicht voraussehbar ist und wo die
Wissenschaft keine absolute Sicherheit garantieren kann, dürfte
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keine Empfehlung für die Verwendung für Kernkraftwerk sein. Kreisky
meinte, ich bin hier konträr dem Handelsminister, wofür er
volles Verständnis hat, aber eben niemals zustimmen würde. Ich
erklärte sofort und enerdigsn , dass ich für die ganze Frage gar
keine Kompetenz habe sondern aus Solidarität mit Frau Minister
Leodolter, die diesmal bei der Ministerratsvorbesprechung nicht
anwesend war, weiterhin bereit bin, die ganze Angelegenheit auf
mich zu nehmen, allerdings nicht in der Weise, wie Kreisky glaubt.
Ich bin weder für noch gegen die Atomenergie sondern stehe vor der
Frage, wie man in Hinkunft den Energiebedarf decken kann. Wenn
ein Bericht dem Nationalrat vorgelegt werden soll, wird von der Ener-
giesektion im Handelsministerium eine umfangreiche Dokumentation
vorgelegt werden, soweit sie uns betrifft und soweit aus
der Aufklärungskampagne Material zur Verfügung steht. Da laut
Procedere jeder Bericht in der Regierung einstimmig gefasst werden
muss, werden wir eben über den Bericht zu entscheiden haben. Wenn
aber der Betrieb des Atomkraftwerkes verhindert werden soll, dann
muss eine gesetzliche Änderung erfolgen. Jetzt ist eben das
Strahlenschutzgesetz und die Dampfkesselverordnung usw. also
alles Kompetenzen, die gar nicht im Handelsministerium liegen, zu-
ständig. Kreisky war darüber zwar nicht äusserlich, denn er ist
mir gegenüber von einer ausgesuchten Höflichkeit, aber innerlich
sicherlich sehr verärgert, denn er meinte, die Tragik liegt darin,
dass eben mit Dampfkesselverordnungen und so weiter an so schwer-
wiegende und zukunftsträchtige Probleme herangegangen wird. Bgm.
Gratz meinte, keine einheitliche Meinung sei sehr schlecht, er
könne sich nicht vorstellen, dass es politisch möglich sei, dass
hier die Regierung gespalten auftrete. Broda wieder sagte, das
Ganze sei noch nicht spruchreif. Firnberg, die auch jetzt sehr
negativ zumindestens dort sprach, meinte, der Nationalrat kann
zu keiner einheitlichen Linie kommen, wie dies auch hier in der
Regierung nicht der Fall ist. Czettel plädierte ebenfalls fürs
Zuwarten. Einzig Heinz Fischer meinte, man sollte den Weg so
vorlegen, dass zuerst eine Tatsachenschilderung erfolgt, wo bis
zum Energieplan alles drinnensteht. Zweitens sollte man Bedingungen
festlegen, unter denen eine Betriebsgenehmigung mit Zustimmung
des Nationalrates erfolgen soll, wobei er sich vorstellt, dass
im Parlament dann noch weitere Sicherheiten verlangt werden.
Drittens müsste festgehalten werden, wenn die Bedingungen zwei
nicht erfüllbar sind, dann müsse man eben importieren, Preise er-
höhen, und Energie zu sparen. Diese Alternative wäre aufzuzeigen.
Viertens muss die Bundesregierung einen Antrag im Nationalrat
stellen, dass dieser Bericht zur Kenntnis genommen wird.
Genau dies aber will Kreisky scheinbar nicht, denn er meinte,
neue IFES-Ergebnisse haben jetzt bestätigt, was Kienzl-Institut,
SWS, bereits auch erhoben hat, dass die Angst in der Bevölkerung
ständig wächst. Das Problem ist nach Kreisky, was geschieht
mit dem fertigen Kernkraftwerk Tullnerfeld. Die Sicherheit
könnte in zwei Jahren wesentlich verbessert sein, daher müsste
man z.B. abwarten, was die Kanadier, die jetzt einen Prototyp
eines neuen Reaktors geschaffen haben, herausbringen. Ausserdem
wird die Müllagerung in zwei Jahren sicherlich wesentlich
sicherer sein als heute. Kreisky plädiert also genau wie Taus,
wie ich es ihm das letzte Mal bereits an den Kopf geworfen
habe, für Verschieben nach den Wahlen. Wenn wir das Atomkraft-
werk als einzige Alternative lt. Gesetzeslage jetzt in Betrieb
nehmen, dann ist die Hölle los. Die Angst vor dem Morgen wird in
die Bevölkerung getragen werden, resp. ist schon drinnen. Die
Politiker sollen jetzt ein Problem lösen, das die Wissenschaftler
nicht zusammenbringen. Das Ergebnis dieses Punktes war dann,
dass Firnberg versuchen soll, Victor Weisskopf, ehemaliger
Generaldirektor von CERN, Eklund, den Generaldirektor von der
Atomenergiebehörde, Weizsäcker als Wissenschaftler par excellence
und Häfele von der IIASA in Laxenburg zu einer Besprechung mit
Regierungsmitgliedern zusammenzubringen. Heinz Fischer meinte
dann beim Hinausgehen zu mir, Du musst aber aufpassen, dass
Du bei dieser Frage nicht übrigbleibst. Meiner Meinung nach
sagte ich ihm, kann dies nicht passieren, meine Linie ist
klar und ich werde sie niemandem aufzwingen. Die Lösung kann
nur sein, wir sind weder für noch gegen die Atome, aber das
erste steht, geht der Vollendung entgegen, Energie wird gebraucht
und ich sehe in den nächsten Jahren keine Alternative durch
Sonne, Erdwärme, nicht einmal durch einen anderen Reaktor,
der jetzt vielleicht in Kanada auf Schwerwasserbasis ent-
wickelt wird.
Kreisky will am 20.5. den Austro-Porsche in die Industrie-
Kommission bringen. Auch Benya wird sich jetzt noch über die Metall-
arbeitergewerkschaft um die Betriebsräte bei VW erkundigen,
damit dort tatsächlich der Vertrieb und das Service durchge-
führt wird, oder ob es durchgeführt werden kann. Porsche
hat nach Meinung Kreisky auch Lancia und Mercedes für ungelöste
Probleme aus der Patsche geholfen. Schwierig ist nur, dass die
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Familie die zehnköpfige AG bei Porsche nicht handelsfähig
ist. Kreisky wird aber, wenn VW zustimmt und das Service
und den Vertrieb übernimmt, auf alle Fälle den Austro-Porsche
kreieren, auch dann, wenn die Industriekommission dagegen stimmt.
In Floridsdorf ist dieser Betrieb dringend notwendig, Gleis-
anschluss und Arbeiter stehen zur Verfügung, 90 % werden
überhaupt aus österreichischen Betrieben Zulieferungen kommen,
für die Wiener Metallwerke, für Aluminium Ranshofen und Juden-
burg ist die Produktion lebenswichtig. Auch im Burgenland
werden Nebenwerke entstehen, die 4.000 Beschäftigten sind
mindestens erforderlich. Kreisky vergisst darauf oder will
es vergessen, dass 16 % davon nur Facharbeiter sein werden.
Der Wiener Handelskammerpräsident Dittrich hat sich sehr
positiv ihm gegenüber geäussert und selbst Gruber hat sich bei
im entschuldigt, dass im Fernsehen ein so negativer Eindruck
von seiner Aussage entstanden ist. Ich deponierte neuerdings,
dass ich bei der Industriekommission nicht anwesend sein kann,
weil ich in Ägypten bin, dass aber diese Produktion nur dann
aufgenommen werden dürfte, wenn VW den Vertrieb und die Repara-
tur mit übernimmt. Mit einer anderen Organisation wäre dies
unmöglich. Das Projekt ist in meinen sowieso sehr fragwürdig.
Wenn VW mitmacht, kann es gehen, wenn nicht sehe ich sehr
schwarz.
Kreisky hat keine Möglichkeit, den Empfang im Intercontinental
am 5. Mai um 11.30 für den Beirat der Statistik des Aussen-
handels zu geben. Ich soll deshalb ihn dort vertreten.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte vormerken.
Tagesprogramm, 2.5.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)