Dienstag, 3. Mai 1977
Die Vertreter der Blumenbinder und Gärtner, Arbeitsbauernbund-
vertreter unter Führung von Komm.Rat Weiss, wollen, dass wir
in unserem Befähigungsnachweis-Verordnung, die auf Grund der
neuen Gewerbeordnung erlassen werden muss, vorsehen, dass Lehr-
ausbildungsstellen, d.h. die Ausbildner eine nachgewiesene Lehre
haben sollten. Interessanterweise werden jetzt immer mehr
gebundenen Gewerbe daran interessiert stärker von den Ausbildnern
schon gewisse Fähigkeiten zu verlangen. Als erster Schritt sollte
die Zusammensetzung der Prüfungskommissionen und die Lehrlingswarte
der Innungen auf alle Fälle Lehrabschlussprüfungen haben. Dadurch
nähern sich die gebundenen Gewerbe dem Handwerk. Die Berufsschule
für die Blumenbinder, welche in Wien liegt, wird in Zukunft sicher
grössere Bedeutung haben und deren Absolventen tatsächlich die Voraus-
setzungen für den Wunsch der Blumenbinder bringen. Jetzt, wie Sekt.
Chef Jagoda richtig sagte, kann dies nur schrittweise verwirklicht
werden. Die Innung wird uns ihren Wunsch schriftlich noch mitteilen,
und wir werden dann eine diesbezügliche Enquete einberufen. Von mir auf
die Geschäftssituation angesprochen, erklärte man übereinstimmend,
dass der Valentinstag sehr gut gegangen ist und auch der zukünftige
Muttertag gute Umsätze erwarten lässt. Das einzige Problem, das
sie haben, ist, dass die Holländer jetzt mit billiger, angeblich
nicht so qualitätsvoller Ware hereinkommen und Dumping betreiben.
Konkrete Gegenmassnahmen haben sie aber von mir nicht verlangt.
Die Blumenbinder, aber vor allem die Gärtner haben in den letzten
Jahren einen ungeheuren Aufschwung genommen, weil mit steigendem
Lebensstandard die Bevölkerung bereit ist, wesentlich mehr für
Blumen auszugehen als in der Vergangenheit.
Im Ministerrat musste ich eine Protokollberichtigung wegen eines
falschen Zitates vornehmen lassen. Der Ministerratsdienst hat mich
ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht. Kreisky meinte sehr freund-
schaftlich, er kann sich nicht daran erinnern, dass jemals so etwas
geschehen ist und der Handelsminister beunruhigt halt mit der
Atomenergie die Bevölkerung und jetzt mit der Berichtigung den
Ministerrat. Ich unterbrach ihn sofort und machte ihn ebenso
freundschaftlich darauf aufmerksam, dass ich das letzte Mal gar
nicht hier war sondern jetzt eben nur eine gewisse Berichtigung
die entweder dem Protokollführer oder Minister Haiden passiert ist,
der mich vertreten hat, klarstellen muss. Kreisky teilte mit dass
er auf Wunsch Sadats jetzt seine geplante Syrienreise wesentlich
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verkürzen wird, um noch Kairo zu besuchen. Ebenso teilte er
mit, dass VP der Vereinigten Staaten Mondale bei seiner Europa-
Reise Österreich besuchen wird. Hier wird er auch den südafrika-
nischen Präsidenten Vorster treffen. Der amerikanische Aussen-
minister und ihr Botschafter bei der UNO hat verschiedene Auffassungen
über den südafrikanischen Staat und Mondale will dies schein-
bar bereinigen. Österreich wird dadurch wieder in den Mittelpunkt
der ausländischen Informationsmedien und Presse stehen. Carter hat
über dieses Treffen eine sehr positive Erklärung gleichzeitig über
Österreich abgegeben. Pahr teilte mit, dass die UNO-Konferenz über
die Staatennachfolge ihre zweite Session auch in Wien halten wird,
vier Wochen dafür vorsieht und Österreich dadurch Kosten von 9 Mio. S
erwachsen. Diese müssen aufgeklärt werden. Weissenberg informierte
über die Beschäftigungssituation, es liegen leider noch nicht alle
Bundesländer vor, Arbeitslose verzeichneten wir weniger in Wien 12.500
in der Steiermark 1.600 und in Kärnten 600. In den westlichen Bundes-
ländern dürfte es wegen Abbau von Fremdenverkehrsbeschäftigten anders
aussehen.
Der Gemeinderat hat Felix Slavik zu seinem 65. Geburtstag die Ehren-
bürgerschaft Wien verliehen. Da die ÖVP erklärte, an dieser Ver-
anstaltung nicht teilzunehmen, im Gemeinderat hat sie auch dagegen
gestimmt, entschloss ich mich gegen mein Prinzip, an solchen Veran-
staltungen wegen Zeitmangels nicht teilzunehmen, ausnahmsweise
dieser Feier beizuwohnen. Bei dieser Gelegenheit konnte ich mit
Bürgermeister Gratz, der mich allerdings sofort an Stadtrat Schieder
verwies, dieser wieder an Stadtrat Nittel, das Problem der Container-
Aufstellung für die Altstoffaktion besprechen. Schieder, resp. Nittel
werden sich jetzt überlegen, wie wir dieses Problem Anschaffung der
Container für die österr. Produktionsgesellschaft auch finanziell
lösen. Alle sehen ein, dass in Wien auch etwas geschehen muss, die öffent-
liche Meinung wird dies sehr bald erzwingen. Der grosse Vorteil in
meinem Prinzip liegt darin, dass wenn die Gemeinde eine Vorfinanzierung
der Container oder vielleicht einem Leasingverfahren zustimmt, die
Organisation des Aufstellens, Abholens usw. nicht mehr die Gemeinde
sondern eben die Gesellschaft, woran auch die Industrie und indirekt
die Handelskammer sehr interessiert und beteiligt ist, auch die
Verantwortung trifft, wenn es nicht funktionieren sollte.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte mit den Stadträten Kontakt aufnehmen.
Gen.Dir. Kienzl, ÖNB, besprach mit mir neuerdings seine Sorgen
wegen der Devisenreserven. Der Stand von 42 Mia. ist noch nicht
beängstigend, wenn allerdings Gerüchte über eine Abwertung von
wem immer in Österreich verbreitet werden, dann beginnt sofort
ein zusätzlicher Devisenabfluss. Der stv. Leiter der Wirtschafts-
fragen in der OECD Etlinger hat in einem Vortrag in Wien festge-
stellt, dass die österr. Währung als zu hart gilt, sofort waren
in den nächsten Tagen Reaktionen zu spüren. Ähnlich war es im
Jänner als der Redakteur der Presse Graber einen diesbezüglichen
Artikel schrieb und 1,8 Mia. S in Devisen flossen. Seit der Zeit
spricht man in der Nationalbank von einem Graber-Effekt. Diese
Währungsspekulation können auch für Österreich sehr unangenehm sein,
obwohl die ÖNB mit ihrer Devisengesetzgebung besser dran ist als
z.B. die Schweizer. Das fachlich aber schwer zu lösende Problem ist
dass wir für die Energieimporte ungefähr 25 Mia. S, für die
Personenkraftwagen 17 Mia. und für Lebensmittel, die wir wahrscheinlich
gar nicht so dringend brauchen, wie französischen Käse, obwohl wir
den österreichischen nicht wegbringen und viele andere Produkte
über 10 Mia. S ausgeben. Ich versprach Kienzl, wir werden insbesondere
für die letzte Post prüfen lassen, welche Möglichkeiten der Ein-
schränkung ohne gegen internationale Verträge zu verstossen, es gibt.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte die notwendigen Untersuchungen anstellen
lassen und auf Jour fixe setzen.
Beim Mittagessen für den Ministerpräsidenten Peréz, Venezuela,
setzte mich das Protokoll genau wieder vollkommen falsch neben
den Aussenminister. Zum Glück habe ich mir ausnahmsweise die
Sitzordnung vorher angesehen und war zeitig genug dort, sodass
ich sofort eine Änderung vornahm. Dadurch kam ich neben dem Wirt-
schaftsberater des Präsidenten Lauría und den Energie- und Berg-
bauminister Hernandez zu sitzen. Mit diesen konnte ich unsere
Lieferwünsche im Detail besprechen und vor allem vorher schon
die Liste von Projekten übergeben, die derzeit in Ausarbeitung sind,
resp. an denen Österreich grosses Interesse hätte. Letzten Endes
entscheidet aber in Venezuela der Präsident, weil er gleichzeitig
nicht nur politische Oberhaupt sondern auch in allen nationalen
Gesellschaften sitzt und die letzte Entscheidung trifft. Da es der
VÖEST gelungen ist in den letzten Jahren, eine Pelletieranlage für
3 Mia. S nach Venezuela zu liefern, die jetzt in Betrieb gehen wird,
können wir hoffen, dass auch die zweite Anlage, die sie bestellen
als Anschlussauftrag bekommen. Auf alle Fälle findet keine inter-
nationale Ausschreibung statt. Die Venezolaner haben nur Angst, dass
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sie dann ihre Pellets im Inland nicht in dem Umfang brauchen und
sie im Ausland, da sie keine Verkaufsorganisation haben, schwer
absetzen können. Die VÖEST wurde, wie sich dann auch bei der
Aussprache bei Kreisky ergab, kontraktmässig verpflichtet, wenn
sie den Zuschlag bekommt, auch den Marktabsatz zu übernehmen.
Bei der Aussprache Kreisky hat dieser sofort festgestellt, dass
von Kommissionsbesuchen meistens nur ein Strohfeuer ausgeht
Überraschend fragte er mich, ich sollte erklären, wie ich mir
vorstelle, dass man den venezolanischen und österreichischen
Handel verbessern könnte. Ich erörterte die Möglichkeit und den
Wunsch, dass eine Kommission, bestehend aus Aufkäufern der verstaat-
lichten Betriebe nach Österreich kommen sollte, oder gegebenenfalls
eine österreichische nach Caracas fährt, damit unter Beteiligung
höchstens eines Beamten die entscheidenden Leute zusammenkommen.
Peréz machte dann den für uns phantastischen Vorschlag, es sollten
die Botschafter direkt Kontakt mit den staatlichen Firmen in Vene-
zuela oder der neue venezolanische Botschafter, der nach Österreich
kommt mit den privaten Firmen sofort und im Auftrag der Präsidenten
aufnehmen. Der österr. Botschafter hat mir anschliessend versichert,
dass eine solche Erklärung für ihn unbezahlbar ist. Jetzt kann er
nämlich bei Interventionen auf den ausdrücklichen Wunsch und die
Vereinbarung vom Staatsbesuch in Wien bei den Behörden in Venezuela
hinweisen. Aus den Handelsdelegiertenkreisen weiss ich, dass in
Lateinamerika es äusserst schwierig ist, Kontakt aufzunehmen. Der
Wirtschaftsberater Lauría und nicht der Minister, wie ich sowieso er-
wartete, wurde von Peréz aufgefordert, die Situation über die
zweite Pelletierungsanlage zu schildern. Das zweite Anbot
müsste zum gleichen Preis erfolgen und mit 85 % finanziert werden.
In einer 10-jährigen Amortisation soll durch den Pellets- oder
Erzverkauf die venezolanische Seite die Anlage zurückzahlen. Bei
einer Vermarktung auf dritten Märkten müsste die VÖEST den Ver-
trieb übernehmen. Dir. Matthes hat mit Recht dann eingeworfen, dass
die Vertriebskosten aber teilweise für die Vermarktung auch von
den Venezolanern getragen werden müssten. Interessant war die Mit-
teilung von Peréz, dass er jetzt im Kongress eine Vorlage einbringt,
wonach ein Provisionsverbot in seinem Land erlassen werden soll.
Die Flugzeugfirma Boeing, der man wieder Bestechungen nachgewiesen
hat, wird in Hinkunft keine Aufträge mehr bekommen. Kreisky meinte,
man könnte den internationalen Organisationen vorschlagen, es
sollte eine Konvention zwischen den Staaten geschaffen werden, wo
eine Benachrichtigung der Staaten über solche Provisionsvorgangsweisen
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vorgesehen ist. Peréz meinte, dies sollte man die Wiener Konvention
nennen, weil hier der Gedanke geboren wurde. Ich selbst schüttelte
sofort so deutlich sichtbar mit dem Kopf, dass Kreisky meinte, der
Handelsminister dürfte hier Bedenken haben. Dies trifft auch
tatsächlich zu, denn ich weiss jetzt aus meiner 7-jährigen
Praxis als Minister, wieviel sogenannte Anbahnungsspesen auch in
Venezuela gezahlt werden müssen. Selbst in den Ministerien im
Ausland kann man in Afrika, Asien, Amerika feststellen, werden
keine Briefe geschrieben, ohne dass die Schreibkraft dort nicht
auch ein kleines Bakschisch erhält. Von den mehr oder minder
offiziellen Vermittler ganz zu schweigen. Kreisky bedankte
sich insbesondere bei Peréz, dass Venezuela die grössten Verfechter
und Vertreter waren, dass die OPEC in Wien bleibt. Peréz erwiderte,
er sei der erste Staatschef der alle OPEC-Staaten jetzt besucht hat,
gleichzeitig auch Wien jetzt als Sitz der OPEC besucht und bei dieser
Gelegenheit eben den Staatsbesuch absolviert. Am Abend beim
grossen Dinner der Bundespräsidenten hat mich Kirchschläger mit
Recht angesprochen und kritisiert, dass z.B. morgen bei der Beglei-
tung der Delegation zum Flughafen der Energieminister vom Kabinetts-
direktor im Auto begleitet wird, statt dass ich mitfahre. Ich
konnte zur Entschuldigung vorbringen, dass gleichzeitig im Parlament
sowohl der Integrationsausschuss als auch der Handelsausschuss
einberufen wurde. Kirchschläger wird dieses Problem mit Kreisky
und dem Parlament besprechen, denn wozu geben wir hunderttausende
Schilling für Staatsbesuche aus, wenn dann nicht die Kontaktmöglich-
keit bis zum letzten genützt wird. Meiner Meinung nach und ich sagte
das auch ganz offen, ist dies eine Frage der Terminabstimmung
zwischen Präsidentschaftskanzlei, Bundeskanzleramt und Parlament.
Wenn ein Staatsbesuch kommt und gewisse Minister den Präsidenten
begleiten, dann müssten die entsprechenden österreichischen Minister,
die dafür in Frage kommen, von allen anderen Sitzungen verschont
bleiben.
Bei dem Abendessen war eine ganze Reihe von Generaldirektoren der
verstaatlichten aber auch der privaten Industrie geladen. Soweit diese
Interesse zeigten, habe ich beim Kaffee mit dem Wirtschaftsberater
und den Firmenvertretern weiter verhandelt. Sehr interessant ist
für Wertheim ein Rolltreppenauftrag für die Metro in Caracas für
245 Mill. S. Wertheim, im Besitz der Schweizer Firma Schindler
liegt allerdings um 6 % höher als die amerikanische Firma Otis,
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die in Österreich wieder die Fa. Freissler besitzt, den Auftrag aber
scheinbar in Amerika ausführen möchte. Die CA, wie mir der Generaldi-
rektor versichert, würde die 10-jährige Finanzierung mit einem
Jahreskredit übernehmen. Über die Preisdifferenz wird Lauría,
wenn er zurückkommt, genau informieren, es wird aber eine inter-
nationale Ausschreibung erfolgen, so dass Wertheim noch ent-
sprechend mitbieten kann.
Dir. Stanek von Waagner-Biro teilte mir mit, dass die ägyptischen
Projekte nicht zum besten stehen, die ursprünglich vorgesehene
90 %-ige Finanzierung Österreichs soll jetzt auf eine 60 %-ige
wie die österr. Kontrollbank vorschlägt, reduziert werden.
Die Ägypter sind ausserstande, diesen anderen Anteil zu finanzieren
und ausserdem sehr verärgert über diesen Wandel. Die österr. Kontroll-
bank hat zusätzlich noch beschlossen, dass pro ägyptischem Projekten
nur für 50 Mill. S die Ausfuhrgarantie übernommen wird. Kreisky
selbst ich auch über diesen Beschluss sehr verärgert und möchte,
dass dieser reassimiert wird. Über die Suez-Elektrizitätsstationen
mit einem Gesamtvolumen von 350 Mill. DM, wovon die KWU 100 Mill.
übernimmt, den Rest Österreich, resp. die Chase Manhattan Bank
gibt es jetzt auch Schwierigkeiten. Insbesondere muss noch
20 % Anteil, der für die Gleitung in Frage kommt, das sind ca. 230
Mio. S die Finanzierung gefunden werden, Mit einer Gleitung ist
unbedingt zu rechnen, wenn die Preisentwicklung in Ägypten dies
erfordert. Kreisky, der morgen nach Syrien reist, hat dann bei der
Verabschiedung neuerdings festgestellt dass die Vorgangsweise der
Österr. Kontrollbank gegenüber Ägypten unverantwortlich sei, ich
erklärte, dass ich schon veranlasst habe, dass mit Gen.Dir. Haschek
von der Kontrollbank Kontakt aufgenommen wird, und ich in
den nächsten Tagen mit ihm eine Aussprache haben werde.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte Unterlagen zusammenstellen und Termin
vereinbaren.
Präs. Habig von der Zuckerindustrie hat wegen der Schliessung von
Dürnkrut mir zwei Abschriften von Briefen gegeben, die sie an den
Betriebsrat der Arbeiter und Angestellten gerichtet haben. Darin
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verpflichtet sich die Gesellschaft, dass die ständigen Arbeiter
und Angestellten in die neue Gesellschaft zwischen Strakosch und March-
felder zu gründen mit allen ihren Rechten übernommen werden. Ich
verwies sofort darauf, dass dies erst mit den Betriebsräten
verhandelt werden muss, denn es gibt die Probleme des Transportes
der Zuckerarbeiter von Dürnkrut entweder nach Hohenau oder nach
Leopoldsdorf, das wirklich grosse Problem ist aber, dass die
transferierten Arbeiter auf den neuen Arbeitsplätzen eben neu
beginnen müssen. Wenn ein Schlosser in einer Station der Zucker-
fabrik jetzt der erste war, wird er in Hohenau oder Leopoldsdorf
sicherlich nicht der erste, wenn es gut geht, der zweite, vielleicht
auch der dritte oder vierte. Dies bedeutet nicht nur ein Sozialpre-
stigeverlust sondern auch eine Erschwerung seiner Arbeit. Ein
weiteres Problem sind die ca. 100 nichtständigen Arbeiter, die in
Dürnkrut in das Kampagne auch beschäftigt wurden. Teils teils, meint
er wird als Rübenübernehmer noch in Hinkunft verwendet. Die anderen
aber meint die Zuckerindustrie, gehe sie nichts an. Diese Meinung habe
ich natürlich nicht geteilt, sondern darauf hingewiesen, dass im Zuge
der Verhandlungen auch dieses Problem gelöst werden muss. Die grösste
Schwierigkeiten ergibt sich aber für die Gemeinde Dürnkrut, die
jetzt einen, ja sogar grössten Betrieb verliert. Habig erklärte mir
dezidiert, er sei bereit, die Anlagen resp. Hallen jedweden Inter-
essenten äusserst günstig abzugeben. Er dachte sogar an den Konsum,
zu dem er aber keinerlei persönlichen Kontakt hat. Ich versprach, mich
sofort morgen einzuschalten, da am Abend niemand mehr zu erreichen
war. Habig hat mir die Unterlagen deshalb gegeben, und das zweite
Gespräch gesucht, weil er meint, mit den Betriebsräten sei man sich
über alles schon im Prinzip einig, ausser, dass diese noch ausser
der heurigen Kampagne die nächstjährige Kampagne ebenfalls unbedingt
in Dürnkrut durchführen wollen. Habig sagt, dann würde man mit der
Schliessung gerade in ein Wahljahr kommen, was auch nicht sehr
günstig sei. Hier gilt es doch, aber wirklich zu prüfen, für wen
dies nicht günstig ist. Wenn die verstaatlichte Industrie einen
Betrieb schliessen muss, wie z.B. Pölfing-Bergla oder Fohnsdorf,
dann muss sie für Ersatzarbeitsplätze sorgen. Genau dasselbe
glaube ich ist auch eine Verpflichtung der Zuckerindustrie. Habig
hat deshalb so auf diese Aussprache gedrängt, weil er weiss, dass
wir in unserer nächsten Vorstandssitzung bei den Lebensmittelarbeitern
dieses Problem natürlich eingehend erläutern werden.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mit Lachs, Konsum verbinden.
Durch reinen Zufall kam ich beim Abendessen in der Präsidentschafts-
kanzlei mit Benya über die Atomkraftwerkssituation zu sprechen.Dieser
hat mir neuerdings versichert, dass die Gewerkschaftsbewegung auf die
Inbetriebnahme von Tullnerfeld besteht. Ich informierte ihn über
die letzte Aussprache in der Ministerratsvorbesprechung von gestern.
Benya steht auf dem Standpunkt, dass in den Betrieben keine Beunruhigung
wie die IFES angeblich bei der Bevölkerung feststellte, zu verzeichnen
ist. Eine ähnliche Information hat mir auch NR Heindl gegeben, der bei
einer Passagendiskussion feststellte, dass wegen des Atomstroms nur
zwei Anfragen zu verzeichnen waren. Bei unserer Bezirksausschuss-
sitzung, bevor ich zu dem Abendessen ging, konnte ich auch auf
Grund meines Berichtes feststellen, dass eine offene Diskussion
über dieses Problem vor allem einmal aber eine kritische Diskussion
nicht zu verzeichnen ist. Hier weiss ich allerdings nicht, wie weit
die Genossinnen und Genossen zu dem Problem schweigen. Selbst bin
ich zwar bekannt, dass ich Kritik liebe und hoffe und erwarte, dass
nicht meine Autorität dazu führt, dass man mir nicht die Meinung
sagt, die der Einzelne hat oder womöglich von einem grösseren Kreis
mir mitteilten könnte. Die Meinungsumfragen der SWS, Kienzl, als auch
der IFES, Blecha, zeigen nämlich ein Ansteigen der Bevölkerungsteile,
die durch die Atomkraft immer mehr beunruhigt werden. Dies kann und
ist wahrscheinlich aber auf die Einflussnahme der Massenmedien, sei
es Rundfunk, Fernsehen oder Zeitungen zurückzuführen. Benya ist
allerdings der festen Überzeugung, dass wir gar keine andere Mög-
lichkeit haben, als uns dieser modernen Energieform zu bedienen.
Tagesprogramm, 3.5.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 72. Ministerratssitzung, 3.5.1977
36_0517_03hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)