Donnerstag 14. April 1977
Die OÖ Gewerkschaftsjugend hat über 20.000 Unterschriften von
Lehrlingen für ein modernes Berufsausbildungsgesetz insbesondere
für eine paritätische Verwaltung und den Ausbildungsfonds gesammelt.
Diesmal muss ich wenigstens nicht jedem zurückschreiben, wie dies
bei der ersten Aktion der gedruckten Karten, die man an Sallinger
und mich schickte, selbstverständlich getan habe. Bei der Überreichung
besprachen wir auch die Erfahrung in der BRD mit dem neuen Jugend-
ausbildungsgesetz. Dort haben die Unternehmer nicht gegen das neue
Gesetz sich wehren können, die sozialliberale Koalition in Bonn
hat es beschlossen, die Durchführung aber wird so erfolgreich von den
Unternehmern torpediert, dass weder ein Ausbildungsfonds resp. die
Umlage zustande kommt noch die weitere Verwendung der Lehrlinge,
die zuerst einen Grundlehrgang absolviert haben. Ich sagte den
Jugendlichen zu, auf dem Jugendkongress im Herbst ein Referat zu
halten und dass ich hoffe, bis dorthin der Gesetzentwurf im Parlament
bereits über eine Novelle des Berufsausbildungsgesetzes vorliegen
wird.
Dr. Peter Müller, weder verwandt noch verschwägert mit unserem
Ministerialrat Müller, aber ein alter Freund von ihm, kam mit
Komm.Rat Fiala, um die Exportaufklärungsschrift Austria Offerte
weiterzuführen. Min.Rat Müller hat allerdings sofort in Vorbespre-
chungen schon geklärt, dass das Handelsministerium dafür keine Mittel
bereitstellen kann. Bis jetzt hat die Handelskammer diese 50.000
Stück, die jährlich gedruckt und versendet wurden, subventioniert.
Der Verlag wird in Hinkunft Texte für Klein- und Mittelbetriebe
verlegen, ihnen zu erklären, wie man Exporte durchführen kann. Die
Länderbank übernimmt die Finanzierung, wenn das Handelsministerium
sich dafür ausspricht. Einen diesbezüglichen Brief wird Min.Rat Müller
vorlegen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Lass von Min.Rat Müller feststellen, wieviel
die Handelskammer früher subventioniert hat und warum sie eigentlich
diese Subvention einstellte.
Zum Bundesparteivorstand hat Kreisky allen Mitgliedern in der
Osterfeierwoche ein Telegramm geschickt, unbedingt anwesend zu
sein. Einige erwarteten daher wichtigste Entscheidungen. Auch ich
war ein wenig überrascht, als es dann ausschliesslich darum ging,
die von Kreisky seit langem in Berichten aufmerksam gemachten
Kampf gegen die unabhängigen, d.h. in Wirklichkeit bürgerlichen Zeitungen.
Unter dem schon öfters von ihm zitierten Stevenson in Amerika gibt
es eine Demokratie mit wenigstens zwei Parteien, aber nur eine
One-party Press, hat Kreisky neuerdings festgestellt, dass die
ÖVP ihrer Oppositionsaufgabe für die Zeitung nur unzulänglich
gerecht wird, weshalb sie jetzt sowie in Amerika eingreifen. Jedes
Regierungsmitglied wird schön nach der Reihe drankommen. Jeder
wird skandalisiert. An der Spitze Profil, welches Slavik als
Korruptionisten mit seinem Schwager Machek, dem Grundstückmakler,
alle Prozesse hat Profil verloren, Slavik aber ist zwar rechtlich
rehabilitiert, in der öffentlichen Meinung aber sieht dies durch
die ungerechten Attacken anders aus. Hofmann, unschuldig, ist durch
den Reichsbrückeneinsturz, wie sich jetzt eindeutig herausstellt,
von der unabhängigen Presse mehr oder minder gezwungen worden,
zurückzulegen. Peter als Massenmörder bezeichnet, obwohl keine Spur
eines Nachweises gelungen ist. Lütgendorf wird unterschoben, neutrali-
tätswidrige Verhandlungen geführt zu haben, obwohl Weichselbaumer
nur einen Wunschzettel Lütgendorfs gegeben hat, Staribacher hat bei
seinen Auslandsreisen, wenn er Verhandlungen führt, sicherlich immer
eine Reihe von Wünschen der Unternehmer, genauso ging es ihm persön-
lich auch selbst. Komm.Rat Pisec von der Wiener Handelskammer hat ihm,
als er einmal nach Russland fuhr, erklärt, dass die Sowjets, das
Raketenverbot des Staatsvertrages sofort vergessen, resp. ändern
würden, wenn Österreich MIG-Flugzeuge kauft. Dr. Keller soll jetzt
von der Presse nur deshalb, weil er ein Sozialist ist, Gesinnungs-
schnüffelei sogar durch ein eventuellen Volksbegehren verhindert werden
Generalsekretär auf Wunsch Oberhammers und in dessen alleiniger
Entscheidung bestellt zu werden. Man ist an Kreisky herangetreten,
er soll ein Machtwort sprechen, dann würde alles abgeblasen. Wenn
er dem Rechnung tragen würde, wäre die Unabhängigkeit des Rundfunks, wie
im Gesetz festgelegt, vorüber und in Hinkunft würde immer wieder
neuerdings man verlangen, dass Kreisky, weil die eine oder andere
Person nicht gefällt, von ihm abberufen werden muss, nicht
bestellt werden kann usw. Auf eine solche Politik wird er sich nicht
einlassen. Hier kann es nur sachliche Verhandlungen geben und er ist
jetzt gerade mit Androsch dabei, einige Positionen der Wirtschaft
mit der ÖVP neu zu verhandeln und zu besetzen. Kreisky anerkennt
das Recht und die Pflicht der Presse, die Regierung zu kritisieren,
aber nicht den Parteien Oppositionskampf anstelle der ÖVP gegen uns zu
führen. Es soll jetzt endlich das Mediengesetz kommen, welches den
Redakteuren eine Sicherheit gibt, unabhängiger vom Herausgeber
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zu sein. Die SPÖ wird jetzt einen Pressefonds schaffen, wo die
befreundeten Organisationen auch hineinzahlen sollen, damit eine
neue Form der Publizität keine neue Zeitung wohl aber von Fall
zu Fall entsprechende Informationen in Form von Zeitungs- oder
Broschüren herausbringen. Als typisch und gut bezeichnet Kreisky
den Wiener Entschluss, in der AZ die sogenannte "unabhängigen
Behauptungen", die sich als falsch herausstellen, durch eine Vier-
Seiten-Beilage, die dann auch an hunderttausende verteilt werden kann
und wo Presse, Kurier, Kronen-Zeitung und so weiter korrigiert
werden. Gratz meinte, seitdem diese Art der Berichtigung durch
Wiener SPÖ erfolgt, behaupten diese unabhängigen Zeitungen nicht
mehr so frech und unwahre Angriffe auf Wien und insbesondere der
Sozialisten. Kreisky hoffte auch, dass die Jugendorganisationen und
ganze besonders die Junge Generation endlich dazu übergehen wird,
hunderte Briefe an Chefredakteure zu schreiben, wenn sie Unwahres
behaupten oder eine Politik machen, die die Jugend ablehnt.
Überhaupt müsste es endlich gelingen, als Kampfziel: glaubt nicht
diesen Zeitungen in unserer Partei und vielleicht sogar in der
Bevölkerung stärker zu verankern. Alles was derzeit geschieht,
muss und soll scheinbar nur die Regierung erkämpfen. Dies ist
die Meinung der grossen Masse der Parteimitglieder und Funktionäre.
Kreisky erklärte dann zum Schluss, er hätte sich auch überlegt, wie
diese ganze Aktion enden wird. Er ist davon überzeugt, dass man
einiger Zeit wieder relative Ruhe eintreten wird, wenn die Zeitungen
spüren, dass sich die ganze Partei und damit womöglich unsere gesamte
Wählerschaft dagegen wehrt. Voraussetzung dafür ist aber, dass
nicht einzelne Funktionäre nach der Methode "unter vorgehaltener Hand"
d.h. den Redakteuren und Herausgebern wimschpeln , dass dies oder
jenes doch nicht so zu verstehen sei. Bei unserer Partei gibt es
zwar, wie Kreisky meinte, kein Hakl , aber vorgehaltene Hand.
Interessantes und für mich menschlich am begreiflichsten war
der Diskussionsbeitrag dann von Hofmann, der mit Recht sagte,
ihn hätte nicht nur die gegnerische Presse wegen des Brücken-
einsturzes angegriffen, sondern ungestraft auch Genossen und ganz
besonders sozialistische Zeitungen der Bundesländer. Die anderen Dis-
kussionsbeiträge befassten sich entweder mit ORF, Bestellung Kellers
oder der Presse, Pfoch brachte ein Bonmot, das wie meine Nachbarns
sagte, meine weit übertraf. Er meinte, die Sauberpartei – Wiener ÖVP –
insbesondere Busek als Saubermann durch Berger schwer belastet,
der Sonntag in die Kirche ging, um Sonntag auszukundschaften, was
am Montag dann gestohlen werden kann.
Marsch berichtete, dass in Hinkunft alle Aktivitäten mit dem
entsprechenden Ressortminister abgestimmt werden sollen.
Scheinbar ist irgendwo ein grösserer Lapsus passiert oder man
will vorbeugend so etwas verhindern. Blecha meinte, es werden als
erstes im Gefolge der Linzer Konferenz der Arbeitskreis Verkehrs-
politik unter Lanc und dann die fünf Arbeitskreise unter Androsch
am 8. Mai ihre Tätigkeit aufnehmen. Vizepräsident Waldbrunner wurde
für die ÖNB wieder vorgeschlagen. Dies ist der Grund, warum Androsch
beim letzten Ministerrat diesen Punkt um eine Woche zurückgestellt hat.
Androsch hatte scheinbar übersehen, dass doch formell vorerst der
Parteivorstand beschliessen muss.
Mit Hartl und Weissenberg besprach ich die weitere Vorgangsweise
wegen der Mühlviertler Weber. Hartl ersuchte uns dringendst und
ich war sehr froh, dass ich den Brief deshalb an Trauner nicht
abgeschickt hatte, keine Aktivitäten zu setzen, ohne dass er vorher
mit Trauner eine Vereinbarung getroffen hat. Weissenberg ist im
Prinzip bereit zu Arbeitsmarktförderungsmitteln Zuschüsse zu leisten.
Ich erklärte Hartl dezidiert, ich könnte nur 50 % einer Marketing-Studie
tragen. Hartl wird diesbezüglich mit Trauner Verhandlungen führen.
Prinzhorn, Fa. Hamburger, Altpapier-Projekt möchte unbedingt für
160 Mill. S Zinsenzuschuss. Gröger und ich erklärten ihm dezidiert,
dass für diesen Betrag keine Möglichkeit besteht. Höchstens 100 Mill. S
kämen dafür in Frage. Gröger sagte mir nachher, dass Borregaard Hallein
jetzt auch ein kleines Projekt einreichen wird. Was mich persönlich
so erschüttert ist, dass ein Unternehmer wie Prinzhorn ständig bittet
und ersucht, von Mann zu Mann rennt, jedes Ministerium von einem zum
anderen schickt, ich war deshalb sehr froh, dass wir uns sehr bald
einigten, Gröger soll jetzt alle Beteiligten zusammenrufen, dann
Prinzhorn und seinen Leuten die Möglichkeit geben, ihre Wünsche
und Notwendigkeiten darzulegen und dann soll endgültig von allen
Stellen gleich bei der Sitzung entschieden werden. Die Taktik ist doch
in meinen Augen immer dieselbe, bei Einzelinterventionen sind manche
grosszügig in der Hoffnung, der andere wird dann schon ablehnen.
So werden die Unternehmer stets im Kreis geschickt.
Ing. Gehmacher und der Fremdenverkehrsreferent der IFES Traar be-
schwerten sich bei mir, dass sie das Gefühl haben, Würzl
möchte jetzt entweder das statistische Zentralamt oder gar andere
Meinungsforschungsinstitute in dieses Spezialgebiet, das die
IFES kostspielig erschlossen hat, einschleusen. Schon beim Fremdenver-
kehrstag im Burgenland wurde deutlich, dass Würzl durch eine Aus-
schreibung IFES ausgeschaltet und IMAS, der ein billiges Offert
legte, dann aber nicht die entsprechenden Leistungen erbringen konnte,
zum Zuge kam. Jetzt IFES eine Städtetourismus-Umfrage gemacht, wo sie
80 % der Gäste befragten. Das Statistische Zentralamt hat es auf 4 %.
IFES hat 80 Wiener Hotels befragt, das Stat. Zentralamt 17.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte vorsichtig mit Würzl aber auch Jagoda
gemeinsam das Problem besprechen.
Betriebsrat Nischkauer von der Verbund und Fraktionsobmann Kasamas
haben, wie sie mir mitteilten, mit Bandhauer die Personalsituation der
Verbundgesellschaft neuerdings besprochen. Wie sie meinten, aus Er-
sparungsgründen ist es jetzt zweckmässiger, doch den derzeitigen Vor-
standsdirektor Arthold noch 1 1/2 Jahre zu verlängern. Ich glaubte,
schlecht zu hören, als ich diesen Vorschlag vernahm. Vor Monaten,
als ich mit bemühte, eine Kompromisslösung in diesem Fall zu er-
reichen, erklärten sie und die gesamte sozialistische Fraktion des
Aufsichtsrates, dies sei vollkommen untragbar. Jetzt – wie ich ihnen
auch gleich sagte – eine um 180 Grad andere Stellungnahme. Voraus-
setzung für eine solche Verlängerung wäre allerdings nach Meinung dieser
Genossen, dass die Personalkonstruktion des E-Gesellschaft Korneuburg
wesentlich geändert wird. Dort soll Erbacher und Arthold als Ge-
schäftsführer abgezogen werden und nur mehr die Hauptversammlung mit den
derzeitigen Vertretern Bandhauer und Zach, d.h. also der gesamte Vor-
stand die Hauptversammlung bilden. Geschäftsführer soll dort ein jetzt
schon beschäftigter Fachmann von soz. Seite nebenberuflich werden und
gleichzeitig Wiesbauer als unpolitischer Fachmann zweiter Geschäfts-
führer werden. Ausserdem müssten in den Sondergesellschaften das
Dirimierungsrecht verlangt werden. Ich erklärte sofort, dass ich
es nicht für zweckmässig halte, in Gesellschaften, wo es jetzt auch
ohne Dirimierung geht, wie z.B. bei den Tauernkraftwerken, jetzt
zu verlangen. Hier sollte man zuerst auf gütigem Wege eine gute Ge-
schäftsführung ohne Dirimierung versuchen. Da von der Änderung in
Korneuburg insbesondere Erbacher betroffen ist, verlangte ich
sofort, da er sich in Deutschland befindet, dass ich morgen mit ihm
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darüber sprechen muss. Ein weiterer Wunsch der Fraktion war es,
daß für Präs. Glück zur Aussprache mit Präs. Weiss von mir zuge-
zogen wird. Ich habe Weiss diesbezüglich gefragt und er war damit
einverstanden, wenn er gleichzeitig auch nicht allein kommen muss,
sondern Gen.Sekr. Brandstätter zuziehen kann. Die Begründung der
Fraktion für diesen Kurswechsel ist, dass sie verhindern wollen, dass
jetzt junge aktive ÖAAB-ler wie Sommerbauer oder Könne die Stelle
von Arthold im Vorstand einnehmen. Mein Hinweis, dass dies nur vorüber-
gehend wäre, weil ich auf alle Fälle einen Zweier-Vorstand anstrebe,
sowohl bei der Donau als auch bei der Verbundgesellschaft, haben sie
nicht entsprechend gewürdigt. Ich habe den unbestätigten Verdacht,
dass sie sich denken, wer weiss, was 1979 sein wird, da die
grosse Reduzierung sowohl bei der Donau als auch bei der Verbund und
insbesondere die Reorganisation erst nach der nächsten Wahl erfolgen kann.
Im Prinzip habe ich gegen diesen Vorschlag nichts einzuwenden, weil er
in Wirklichkeit meiner ursprünglichen Konzeption, einen Kompromiss
zu erzielen, entspricht. Damals allerdings konnte ich mich nicht durch-
setzen, da die Fraktion vom Verbund-Aufsichtsrat bereits entsprechende
Beschlüsse sogar schriftlich fixierte. Ich konnte nicht anders, als
meine Verwunderung zum Ausdruck bringen und zum Schluss erklären,
es war halt ein langer Marsch in Anlehnung an Mao durchgemacht haben.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Stelle mit Bandhauer fest, wieso es zu diesem Um-
schwung gekommen ist.
Den Heurigenbesuch für die österr. Botschafter aus den Oststaaten, ge-
geben vom Aussenminister, konnte ich mir ersparen, weil ich lieber
während der Mittagszeit zu ihrer Besprechung gefahren bin, wo ich
sie nicht nur begrüsste sondern mit ihnen auch einige Probleme
insbesondere Terminfragen besprach. Interessant ist, dass die Bot-
schafter immer von falschen Besuchsterminen, die angeblich mein Haus
mit den zuständigen Oststaatenministerien vereinbaren, überrascht
werden. Sie haben dieses Problem bereits Meisl mitgeteilt, der nämlich
genauso wenig wie ich von solchen Besuchen etwas wusste.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte besprich mit Meisl, wie diese Vorgangs-
weise verbessert werden kann.
Tagesprogramm, 14.4.1977