Dienstag, 22. März 1977
Der gesamte Verbundvorstand berichtet, dass sie einstimmig be-
schlossen haben, in dem Streit zwischen den Illwerken und der
deutschen Abnehmergruppe das Schiedsgericht anzurufen. Der
österreichischen Forderung von 5 Mia. S für zu geringe Strom-
preise in der Vergangenheit und von 500 Mill. S derzeit von jährlich
höherwertigen Strompreislieferungen haben die Deutschen ein Gegen-
angebot von 48,5 Mill. S gemacht. Die grosse Gefahr besteht aber
darin, dass wenn die Verbundgesellschaft nicht ein Schieds-
gericht anruft, welches letzten Endes dann entscheidet, die Vor-
arlberger Landesregierung in Zukunft neuerdings mit Forderungen
aus ihrem Genussrecht, welches der Vertrag vorsieht, wieder ent-
sprechende Ansprüche an den Bund ableitet. Den deutschen Abnehmern
wurde klar und deutlich demonstriert, dass Österreich bestrebt
war, zuerst auf gütigem Wege eine Lösung zu erzielen. Ich bin
sehr gespannt, wie das schiedsgerichtliche Urteil ausfallen
wird. Die Entscheidung liegt glaube ich letzten Endes ausschliess-
lich beim Vorsitzenden, einem Schweizer Bankmann. Ich nehme
von vornherein an, dass die zwei österreichischen Vertreter
den österr. Standpunkt und die zwei deutschen Vertreter selbst-
verständlich den deutschen Standpunkt konsequent vertreten
werden.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte sprich mit Fremuth und mach mit
ihm und mir einen Termin aus.
In der Ministerratssitzung teilt Kreisky mit, dass Wiesenthal
jetzt wieder behauptet, er kennt 300 Kriegsverbrecher und 80
Nazi-Verbrecher, die in verschiedensten Staaten, u.a. in Österr.
reich Asyl haben. Broda wird aufgefordert, von Wiesenthal neuer-
dings diese Unterlagen zu verlangen. Bis jetzt hat Wiesenthal
nämlich immer nur behauptet, aber niemals Beweise geliefert.
Kreisky verlangt von Firnberg auch einen Bericht über die
Sonnen-Energie-Möglichkeiten. Er hat das Gefühl, dass man in
der Öffentlichkeit viel zu sehr von der Überlegung ausgeht,
dass Sonnenenergie ungeheuer einfach und in grösster Menge
jetzt schon genützt werden könnte.
Rösch erzählt mir nach dem Ministerrat, dass er wegen der Kern-
kraftwerksaufklärung-Kampagne und der letzten Veranstaltung in
der Stadthalle eine schwere Auseinandersetzung erwartet. Die
35-0333
Atomgegner haben eine Gegendemonstration mit Marsch über die
Mariahilfer Strasse zur Stadthalle, allerdings schon Auflösung der
Veranstaltung am Urban-Loritz-Platz polizeilich gemeldet. Die
Rechtsradikalen, die neue Rechte und noch eine andere Gruppe
haben angekündigt, sie werden sich dieser Demonstration anschlies-
sen. Rösch nimmt nicht an, dass die Demonstration wirklich dann
programmgemäss aufgelöst wird sondern sich sicherlich zur Stadt-
halle begibt und dort so wie bei den anderen Veranstaltungen zu de-
monstrieren. Rösch meinte mir gegenüber, hoffentlich gibt es
keine Toten. Dem Wunsch der Elektrizitätswirtschaft oder anderer
Gruppen, die Demonstration zu verbieten, kann Rösch nicht erfüllen,
da er dafür rechtlich keine Möglichkeit hat. Zu meiner grössten
Überraschung hat dann Kreisky, wie ich später erfuhr, aus die-
ser Situation die Konsequenz gezogen und die Veranstaltung
die ja er arrangiert, abgesagt. Kreisky möchte, wie er dann
im Klub berichtete, mit Güte oder resp. flexibel dem Gegner
entgegenkommen. Kreisky ist noch immer von der deutschen Ausein-
andersetzung und den dortigen bürgerkriegsähnlichen Schlachten
schon sehr beeindruckt. Ich persönlich hätte nicht erwartet,
dass er aus dieser Situation so reagiert, indem er seine Ver-
anstaltungsreihe bei der letzten Veranstaltung abbricht.
Die Fa. Rank Xerox hat das Staatswappen bekommen und ich habe in
ihrem neuen Haus vor der versammelten Belegschaft nach einer Be-
sichtigung das Staatswappen dem Generaldirektor Krause übergeben.
Der vorhergehende Generaldirektor und jetziger Präsident
des Aufsichtsrates Dr. Rischka hat mir angeboten, ich könnte
jederzeit über die Abziehanlagen der Firma verfügen, angeblich
hat er für den Finanzminister jetzt ebenfalls seine diversen Publi-
kationen auf der neuen Xerox-Farbkopieranlage hergestellt.
ANMERKUNG FÜR ALLE: Falls wir eine solche Farbpublikation machen,
dann allerdings nur gegen Kostenersatz.
Der ÖAMTC hat jetzt einen Freizeitatlas mit der Schweizer Firma
Kümmel & Frey herausgebracht, den er als Klubgabe seinen Mit-
gliedern schenkt. Mit der ÖFVW wurde der Atlas der Presse vorge-
stellt und ich habe mich bereiterklärt, auch dort nicht nur zu
erscheinen sondern nach einer kurzen Erklärung oder wie das
schöne deutsche Wort jetzt Statement heisst, der Presse zur Verfügung
zu stehen. Ein einziger deutscher Journalist fragte mich über die
35-0334
Fremdenverkehrsentwicklung und ganz besonders über die Preiserhöhungen
in der Hotellerie und Gastronomie für diesen Sommer.
Der Verein für Konsumenteninformation hielt seine Mitgliederver-
sammlung und ich wurde von der Vorsitzenden Dr. Preiss aufgefordert,
einige Begrüssungsworte zu sagen. Einleitend hat sie aber bereits her-
vorgehoben, dass der Verein jetzt statt 8,8 Mill. S die Mitglieds-
beiträge auf über 10 Mill. festgelegt hat. Damit der Bund ebenfalls
diesen Betrag zuschiesst, müsste lt. Vertrag spätestens bis 30.6.
diese Forderung beim Handelsministerium schriftlich eingereicht
sein. Jetzt ist Ende März und Preiss entschuldigte sich für diesen
Vertragsbruch. Theoretisch könnte ich natürlich sagen, ich habe das
Budget nicht auf diesen Betrag eingestellt und kann deshalb auch die
Erhöhung nicht akzeptieren. In der Praxis werde ich natürlich ver-
suchen, dem Verein diese 10 Mill. zur Verfügung zu stellen. Einfach
wird es allerdings nicht werden.
Im Parlamentsklub wurde von Kreisky zuerst mitgeteilt, dass bei
einer Pressekonferenz die über eineinhalb Stunden dauerte, nur 3
innenpolitische Fragen zur Sprache kamen. 1. wann die nächste Re-
gierungsumbildung ist, hie erklärte er, dass es ausschliesslich
davon abhängt, was der Untersuchungsausschuss über die Munitions-
lieferung Lütgendorfs erbringt, 2. wann die 5-Tage-Schulwoche einge-
führt wird und was er dazu sagt und 3. die Abhöraffäre, wo Kreisky
erklärt, hier ist die Regierung auf alle Fälle gegen Abhörmethoden.
Kreisky schliesst daraus, dass die Innenpolitik scheinbar für die
Journalisten nichts hergibt, woraus man schliessen kann, es gibt
keine Probleme. Dann berichtete Kreisky über die Amerika-Reise. In
de Diskussion wurde ausschliesslich von Sinowatz dann das 5-Tage-
Schulwoche-Problem erörtert. Sinowatz steht auf dem Standpunkt, dass
die Entwicklung nicht mehr aufzuhalten ist. In 60 Wiener Schulen hätte
man ebenfalls bereits für eine 5-Tage-Schulwoche plädiert. Ich per-
sönlich glaube auch, dass der Zug längst abgefahren ist.
Mit den Vertretern des ORF – Oberhammer, Skala, Urban für die Sendung Wir
Podgorski für Sport – und Zolles, Hofbauer, ÖFVW, besprachen Jagoda,
Würzl, Haffner und ich, wie man den österr. Fremdenverkehr stärker
im Fernsehen verankern kann. Oberhammer hat natürlich Bedenken,
Schleichwerbung für die österr. Fremdenverkehr zu machen, wenn dadurch
die jetzigen Reklameeinnahmen des ORF entfallen werden, Interessant
für mich war aber, dass der ORF ganz entschieden ablehnt, Filme,
35-0335
die andere produzieren, zu übernehmen. Als Pausenfüller
kämen höchstens Filme in Frage, die sie sich selbst her-
stellen, gegebenenfalls mit einem Zuschuss oder Kooperation
mit der ÖFVW. Bei diesem Pausenfüller könnten wir zu einer
einvernehmlichen Auffassung gelangen. Schwieriger wird es
wenn der Wunsch Skalas in Erfüllung gehen soll, dass bei
Sportsendungen die Schleichwerbung durch Bandenbekleben,
resp. Aufstellung von Ständern abgeschafft wird. In diesem
Fall müsste eine Stelle, auch vielleicht die Handelskammer
und das Unterrichtsministeriums, die ebenfalls vertreten waren,
gemeinsam mit ORF und der Fremdenverkehrswerbung eine Sponsor-
tätigkeit mit Firmen organisieren. Angeblich gibt es nämlich
geschickte Werbebüros, die imstande sind, aus der Vermittlung
dieser Werbeaktivität Millionenbeträge zu profitieren. Dies
glaube ich persönlich weniger, da in diesem Fall der Veran-
stalter sicherlich eine höhere Lizenz von diesem Werbebüro
verlangen würde.
Im Präsidium auf der Landstrasse besprachen wir die Aktivitäten
der Jugend, Naturfreunde usw. Für mich entscheidend ist, dass
der Bezirksvorsteher in die Zentralsparkasse der neue Gen.Dir. VAK
hat sich bereiterklärt hier mitzutun, Landstrasser Wirtschafts-
treibende einladen wird. Ähnlich wie wir in der Arbeiterkammer
die Intellektuellen jetzt seit Jahrzehnten erfassen und mit ihnen
diskutieren, werde ich jetzt eine solche Serie auch in der Zentral-
sparkasse mit Gewerbetreibenden beginnen. Ich bin sehr gespannt,
was dabei herauskommt.
In der Sektionsleitersitzung gab es nach meinem Bericht eine
Diskussion, interessanterweise auch über die Gemeindewahlen
in NÖ und ganz besonders die in Deutschland. Dort hat die SPD
deutlich sichtbar jetzt in ihren Stammländern ebenfalls ihr
Wähler verloren. Für mich ist dies ganz klar, denn die Meinung
Schmidts, wie sie Kreisky darstellt, das Wichtigste ist die
Regierung funktioniert, die Partei ist nicht so von Bedeutung,
kann nur zu einer solchen Entwicklung führen. Da Schmidt in der
Partei scheinbar nicht nur nicht so viel zu reden hat wie Kreisky
bei uns, sondern auch dort den Streit, der sich jetzt seit Jahr-
zehnten entwickelt, nicht beilegen kann, glaubt er die Einheit
der Partei vernachlässigen zu können. Die zerstrittene deutsche
Partei muss aber auch den Wähler abschreckend wirken und selbst
35-0336
die beste Regierungsarbeit kann dies nicht überdecken. Eine
Regierung kann nicht besser sein als der Zustand ihrer Partei.
Dies hat Kreisky glaube ich richtig erfasst, weshalb er mit
Recht der Parteiarbeit selbst grosses Augenmerk zuwendet.
Tagesprogramm, 22.3.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 67. Ministerratssitzung, 22.3.1977
35_0336_03hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)