Sonntag, 6. März 1977
Die Landeskonferenz des Freien Wirtschaftsverbandes im Burgenland
stand natürlich im Zeichen der kommenden Landtagswahl im Oktober.
Der Bürgermeister von Neudörfl Posch wies schon in seiner Begrüssungs-
ansprache darauf hin und ganz besonders natürlich dann Landesrat
Vogl. Bei den letzten Wahlen fehlten ihnen 127 Stimmen, obwohl sie
Stimmengewinne verzeichnen konnten, um ihr Mandat zu halten, das
sie dann an die Freiheitlichen verloren haben. Vogl sagte mit
Recht, da ärgert man sich masslos. Der Überhang beträgt 7.900 Stimmen
zugunsten der Sozialisten, um eine sozialistische Führung des Bundes-
landes zu haben. Leicht sind diese nicht, aber doch immerhin möglich zu
verlieren. Was mich freute, war, dass auch der Geschäftsführer Steyrer
von der Bürges eine Ansprache hielt und dadurch die Aktivitäten und
Tätigkeiten der Bürges für das Klein- und Mittelgewerbe besonders
herausstreichen konnte. Mühlbacher ging darauf ein, dass der Freie
Wirtschaftsverband von der ÖVP immer als unbedeutendes Anhängsel
der sozialistischen Partei dargestellt wird, der gegenüber dem
ÖGB in der Partei gar nichts zu reden hat. An Hand des Zielprogrammes
des Freien Wirtschaftsverbandes aus dem Jahr 1969, welches die
soz. Regierung, ganz besonders der Handelsminister dann übernommen hat,
dokumentierte Mühlbacher, wie sich der Freie Wirtschaftsverband
durchsetzen konnte. Den EG-Vertrag, die neue Gewerbeordnung, die
Haushaltsbesteuerung und sogar jetzt die Einführung von Prämien
als Alternative zu den Zinsenzuschüssen der Bürges. Natürlich
strich ich in meinem Referat aufbauend auf diese einleitenden
Referate ganz besonders den Unterschied zwischen der ideologischen
Mittelstandspolitik, in meinen Augen nur eine Phrase, wenn man will
sogar klassenkämpferisch, weil es einen Oberstand und einen
Unterstand dann noch geben muss, heraus. Demgegenüber die weniger
ideelle aber umso wirksamere Hilfe für die Klein- und Mittelbetriebe.
Die Erkenntnis, dass das Small Business in Amerika heute trotz
der Ankündigung der Industrialisierung lebt, in Österreich gerade durch
die letzte Rezession wieder einmal bewiesen, die Flexibilität und doch
gute wirtschaftliche Fundierung des Klein- und Mittelbetriebes,
der Hinweis dann, dass die Strukturwandlung aber natürlich sowohl
beim Gewerbe, im Fremdenverkehr als auch ganz besonders im Handel
Platz greift und nur gesunde Klein- und Mittelbetriebe übrigbleiben
können, die sich spezialisiert haben und Dienstleistungen erbringen,
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haben auch grosse Zukunftschancen. Dass niemand die Klein-
und Mittelbetriebe ausradieren, verstaatlichen und ich weiss nicht
was noch alles die ÖVP uns noch in die Schuhe geschoben hat und
weiterhin als Feindbild konstruiert, wird uns von dieser Politik
nicht abbringen. Die Folgen einer Wirtschaft ohne Klein- und Mittel-
betriebe zeigen am deutlichsten die COMECON-Staaten. Dort versucht
man jetzt teilweise in Ungarn, Polen, Gewerbe und Kleindienst-
leistungen wieder auf privater Basis zu errichten, resp. zu fördern.
Die Diskussion war flau, nur zwei Diskussionsredner, LR Vogl meinte
mir gegenüber, er sei überhaupt überrascht, denn im Burgenland wird
nicht diskutiert, da gilt die Parteilinie. Immer wieder bin ich
von dieser Einstellung überrascht, weil ich mich persönlich daran über-
haupt nicht gewöhnen kann. Im Burgenland dürfte es aber tatsächlich
so üblich sein, dass man zu hören hat, was sie einem sagen, vielleicht
nachher unter vier Augen oder vielleicht noch besser beim Glaserl
Wein ein wenig fragt, aber ja nicht in einer Versammlung oder Konferenz.
Diese Haltung ist mir vollkommen unerklärlich, und ich würde sie, wenn
ich im Burgenland etwas zu reden hätte, mit allen Mitteln bekämpfen.
Ob dies allerdings gut wäre, traue ich mir nicht zu beurteilen,
denn vielleicht herrscht dort wirklich eine andere Mentalität.
Bürgermeister Böröczky von Kittsee ersuchte mich anschliessend, ich
möge veranlassen, dass Sekt.Chef Frank den Geschäftsführer von Ostgas
wegen der obersteirischen Gasversorgung empfangen soll (Huber). Ich
versprach ihm, Frank davon zu verständigen.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte erkundige Dich wie es mir Ostgas
jetzt in der Steiermark weitergeht.
Bei einer Aussprache mit Mayerhofer über die Reorganisation der
Gemeinde durch die Bereichsleiter, die nun direkt dem Magistrats-
direktor Bandion unterstehen und nicht mehr dem Baudirektor Seder
ist auch der Senatsrat Skopalik übergangen worden. In einem dicken
Buch, wo die neue Geschäftseinteilung die einzelnen Funktionen auf-
zählt und das neue Organisationsgefüge darstellt, erscheint die
Koordinationsstelle Skopaliks mit ein paar Zeilen. Für ihn leider
das eingetreten, was ich ihm vor etlichen Jahren prophezeit habe.
Damals schon sagte ich, ich könne mir nicht vorstellen, dass
tatsächlich die Koordination der Gemeindeverwaltung durch einen Mann
auch wenn er noch so tüchtig ist wie Skopalik sich durchsetzen würde,
was sich jetzt bestätigt hat. Die neue Konstruktion der Gemeinde-
verwaltung bringt Unordnung in das hierarchische Gefüge, die meisten
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neuen Bereichsleiter sind die alten, Hochbau, Tiefbau und sonstige
Leiter, die jetzt nur den Vorteil kriegen als Funktionszulage einen
zusätzlichen halben Senatsratsgehalt dazu zu bekommen und nicht
mehr dem Baudirektor unterstellt zu sein. Ob damit eine effizientere
Verwaltung möglich ist, weiss ich nicht, möchte es aber bezweifeln.
Die einzig mögliche Reform in einer öffentlichen Verwaltung besteht
darin, dass man die Hierarchie unangetastet lässt, versucht, tüchtige
Leute in die Hierarchie einzubauen, womöglich an deren Spitze zu
setzen, als Lenkungs- und Kontrollorganismus kann man sich nur dann
als Leiter dieser Behörde, sei es Bürgermeister oder Minister, einen
entsprechenden Stab schaffen. Die Linie muss angetastet bleiben,
der Stab kann ja nach den Möglichkeiten grösser sein, dann die
Linie kontrollieren, ja sogar viele vorschreiben, ausschliesslich
über den Bürgermeister oder Minister, resp. in dessen Namen.
Ich glaube, dass dieses System einzig und allein funktionieren kann
und auf Grund der Erfahrungen, die ich in der Arbeiterkammer und jetzt
im Handelsministerium gewonnen habe, bin ich davon mehr denn je überzeugt.
Voraussetzung dafür ist allerdings auch, dass man die richtigen
Leute in die richtigen Positionen sowohl in der Linie als auch im
Stab bringt.
Tagesprogramm, 6.3.1977