Donnerstag, der 20. Jänner 1977

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Donnerstag, 20. Jänner 1977

Der Betriebsratsobmann von der Unilever Fettfabrik in Atzgers-
dorf Bayer, hat grosse Schwierigkeiten mit seiner Direktion
wegen der Schichtzulage. Die Fettarbeiter haben die Erhöhung von
30 auf 50 % durch Jahre hindurch bei ihren Lohnverhandlungen
verlangt. Die Unternehmer verwiesen ständig darauf, dass sie im
Rahmen der Kollektivvertragsverhandlungen mit der gesamten Nah-
rungs- und Genussmittelindustrie dieses Problem besprochen wird.
Jetzt kam es aber auch in diesem Punkt zu keinem Abschluss, sondern
es wurde festgehalten, dass im Rahmen der einzelnen Gruppen diese
Frage gelöst werden soll. Die Fettarbeiter haben die nächste Lohn-
bewegung für Mai dieses Jahres. Bayer hat seinen Kollegen immer
wieder erklärt, dass eben im Rahmenkollektivvertrag für die gesamte
Nahrungsindustrie dieses Problem gelöst wird. Jetzt fühlt er sich
verpflichtet eine Lösung zu finden, weil seine Mitglieder dies er-
warten, ansonsten sie sich – wie man auf Wienerisch sagt – papierlt
fühlen. Die Erhöhung von 30 auf 50 % würde bei Unilever 2.5 Mio. Schil-
linge ausmachen. Die Handelskammer und auch der Fachverband der
Nahrungsmittelindustrie wehrt sich weniger wegen der paar Tausend
Fettarbeiter, sondern wegen der zehntausenden schichtarbeitenden
Metallarbeiter. Ich schlage deshalb Bayer vor, er möge eine Zwischen-
lösung mit anderer Entschädigung anstreben. Da er dem zustimmt,
verständige ich davon Dir. Büttner von der Unilever. Dieser wird sich
mit Bayer zusammensetzen und eine unpräjudizielle Lösung versuchen.

Im Parteivorstand gibt es eine ellenlange Tagesordnung mit politi-
schem Bericht von Kreisky und dann noch Informationskonferenzen,
Statutenänderungen, Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit, Be-
triebsvereinbarung für die Parteiangestellten, Arbeitskreise,
Parteiprogramm, Delegationen, Resolutionen, allfälliges und ich
weiss Gott was nicht. Wirklich interessant ist aber nur – wahr-
scheinlich auch mit Spannung erwartet – für die die davon das
erste Mal hören, der Bericht Kreiskys zur Lütgendorf-Munitionsge-
schichte. Die Sitzung beginnt schon um eine halbe Stunde später,
da das erweiterte Präsidium sich auch mit dieser Frage beschäftigte.
Ohne dass Kreisky davon berichtet, muss es dort nicht eine lange
Diskussion gegeben haben, sondern auch Benya meinte, wie ich dann erfuhr,
man könne jetzt nicht so wie Hofmann bei der Reichsbrücke, Lütgen-


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dorf
von vorneherein verurteilen. Die Untersuchung müsse abge-
wartet werden. Kreisky begründet dies auch damit, dass er dann allein
die ganze Verantwortung und Verteidigung tragen müsse. Lütgendorf muss
also jetzt bis zum bitteren Ende durchstehen. Der Leidtragende
aber von dieser ganzen Affaire wird mehr oder minder Steyr-
Daimler-Puch und die Hirtenberger Munitionsfabrik sein. Niemand wird
mehr bei ihnen Waffen und Munition kaufen. Die Käufer werden zurück-
schrecken, gegebenenfalls im österreichischen Parlament genannt zu
werden und dies ist bei Waffen und Munition gerade dies, was man
ja nicht will. Die ÖVP wäre besser beraten gewesen, hätte sie vom
Landesverteidigungsrat, der vertraulich ist, entsprechende Infor-
mationen vorerst verlangt, statt dessen soll nächste Woche in einer
ausserordentlichen Sitzung des Nationalrates ein grosser Pauken-
schlag erfolgen. In der Diskussion im Parteivorstand meldet sich
nur Hatzl, fragend ob Lütgendorf dies durchsteht und ob es nicht
neue Überraschungen gibt. Scheuch, Chefredakteur der AZ erwiderte
auf den Angriff Kreiskys, dass die AZ sich jetzt auch in die
Kampagne der Zeitungen gegen Lütgendorf besonders auszeichnen
will und verweist darauf, dass Lütgendorf sie falsch informiert
hat. Kreisky fragt sofort wo, und muss erfahren, dass Scheuch die
Pressekonferenz in Kleinkirchheim, die auch Kreisky sehr erschüttert
hat, der auch über die Falschinformation dann den anderen Zeitungen
berichtete meinte, Scheuch hat eben die neuste Entwicklung nicht
mitbekommen. Regierungsblatt zu sein ist halt wahrlich sehr schwer.

In der Waffenaffäre habe ich SR Fischer sofort schriftlich bestätigt
und aufgefordert, dass er der Wirtschaftspolizei alle Unterlagen
geben soll und ihr an die Hand gehen sollte. Wiesinger meinte ganz
überrascht, dass dies unsere zweite Weisung ist, die wir jetzt geben.
Fischer hätte diese sicherlich nicht besonders gebraucht, ich habe
aber aus optischen Gründen und um ja alles schriftlich festzuhalten
was in dieser Angelegenheit geschieht, diesen an sich sonst für
mich ungewöhnlichen Weg beschritten. Fischer berichtete mir dann
auch am Abend, dass die Wirtschaftspolizei, Insp. Hoffmann bei
ihm war, sich über alle Details erkundigte, selbst aber noch gar
keine Ahnung hatte und hat, wie diese Ausfuhrgeschäfte behandelt
wurden. Er wünscht alle Weichselbaumer-Geschäfte der letzten 10
Jahre. Da in die bedenklichen Länder von Weichselbaumer überhaupt
keine Geschäfte getätigt wurden, hat die Abteilung Fischer dann auch
die unbedenklichen Länder durchgesehen und ist auf einige Ausfuhr-


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anträge in die DDR oder nach Jugoslawien usw. gestossen. Da
die Ablage nicht firmenmässig und nach Sachgebieten, sondern
nur nach den Ländern, müssen hunderte von Akte durchgestöbert
werden. Mit Meisl, Fischer und meinem Büro besprechen wir Fischers
Vorschläge auf Abänderung und Verschärfung der Ausfuhrregelung
Jetzt während der Untersuchung wird gar nichts geändert, damit
nicht der Eindruck entsteht, wir hätten jetzt etwas zu verbergen.
Wenn tatsächlich nach Abschluss eine solcher Verschärfung erfolgt,
dass jedwedes Geschäft eindeutig deklariert wird, dass Endbe-
stimmungsland vertraglich einwandfrei fixiert sein muss, dann meint
SR Fischer wird die österreichische Waffenindustrie, aber ganz
besonders die Munitionserzeugung kaum mehr Exporte tätigen können.
Man wird daher diese Problematik sich sehr genau überlegen müssen
und mit den davon betroffenen Kreisen, aber auch der Handelskammer
sehr eingehend noch verhandeln. Weltweit ist es üblich, so wird
mir erzählt, dass eben in dieser Branche zwar alle Bestimmungen
die man unbedingt erlassen muss, eingehalten werden müssen, aber diese
Bestimmungen nur ein Minimum von normalen Geschäftsbedingungen be-
inhalten durften. Meine Entscheidung zu dieser Frage lasse
ich jetzt noch vollkommen offen, weil ich selbstverständlich die Un-
tersuchungen und Vorschläge der Opposition im Parlament abwarten
möchte und werde.

Botschafter Thalberg aus Bern, der zufällig in Österreich ist,
wird von Wanke, Meisl und mir über die Kompensationsverhandlungen
auf dem Rüstungssektor informiert. Er bezeichnet ebenfalls Grossen-
bacher
den Einkäufer der schweizerischen Armee für einen bedeutenden
Mann. Dieser hat auch mit Amerika den Liefervertrag ausgemacht.
Dort hat die Schweiz aber keine 100 %-ige Kompensation wie wir sie
verlangen, sondern nur eine 30 %-ige durchgesetzt. Trotz des Buy
American Act, wonach die Amerikaner ihre Industrie besonders schützen
wollen und dieser Akt gilt natürlich auch für die Rüstungsindustrie
hat die Schweiz erreicht, dass gewisse Exportwaren der Rüstungs-
industrie besonders bevorzugt behandelt werden. Wir werden uns nicht
an die Vorschläge oder an diesem Abschluss orientieren, sondern da
die Franzosen und Italiener und z.B. auf den Hubschrauber Liefersektor
100 %-ige Kompensation angeboten haben, auch für die Panzer 68, die
in den nächsten 8 Jahren um 2,6 Mia. Schilling importiert werden
müssen, auf der 100 %-igen Kompensation zumindestens in der jetzigen
Verhandlungsstufe beharren. Thalberg erklärt uns neuerdings, was wir
allerdings schon wissen, dass die Schweizer ganz harte Verhandler sind,


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z.B. hat er jetzt grosse Schwierigkeiten mit österreichischen
Weinexporten. Der im volkswirtschaftlichen Departement zuständige
Herr Luser fühlt sich als reiner Agrarvertreter und ist daher nicht
bereit mehr Wein aus Österreich reinzulassen. Durch die strikte
Aufteilung der Kontingente auf die einzelnen Exporteure und dann vor
allem in der Schweiz auf die Importeure, können einige eben gar
nicht den vorgesehenen Wein importieren, weshalb wir nicht einmal
das Mindestkontingent ausnützen können. Thalberg meint mit den
Bulgaren hätten die Schweizer abgeschlossen, dass sie dann mehr
Wein nehmen, wenn die Bulgaren noch mehr Schweizer Waren kaufen.
Dieses System geht bei uns nicht, weil wir keinen Einfluss darauf
nehmen können, dass österreichische Firmen z.B. Waren, die sie
auf Grund der Liberalisierung und des EFTA-Vertrages frei aus der
Schweiz importieren können, bereit sind dies nur dann zu tun, wenn
gleichzeitig Österreichische Weine in die Schweiz verkauft werden
können. Dieser Vorteil kommt nur Staatshandelsländern zu.

ANMERKUNG FÜR PLESCH UND WAIS: Da nur Landwirtschaftskontingente mehr
in der EFTA bestehen, müsste doch das Landwirtschaftsministerium
versuchen Lösungen hier zu erreichen.

Neben unserer Kollegin Leitgeb, die jetzt durch ihre Krankheit
monatelange ausfallen wird, geht nun auch die Kollegin Bartkiewicz
in Spitalsbehandlung. Tieber wieder scheidet spätestens Mitte des
Jahres endgültig aus und geht nach Tirol zurück. Es wird jetzt dringen
notwendig, dass Büro neu zu gestalten und neue Kräfte zu finden.
Einige Vorschläge bekomme ich von den verschiedensten Leuten, doch
muss ich bei dieser Gelegenheit schauen, wieder ein gutes Team zu-
sammenzubringen. Alle diese Fragen waren in der Arbeiterkammer viel
leichter zu lösen um Ressentiment abzubauen, andererseits die Än-
derung aber womöglich einvernehmlich vorzunehmen, führe ich mit
vielen Leuten Gespräche die mir ihre Vorschläge machen. Hoffentlich
gelingt es diesmal für längere Zeit wieder ein gutes Büro zusammen-
zufinden.

MR Kurzel berichtet, dass er glaubt mit 20 Groschen Brot-Mehlpreis-
erhöhung und 50 Groschen Weizenpreiserhöhung durchzukommen. Nur bei
Weizengriess muss er 60 Groschen der Handelskammer zugestehen.
Die Müller und die Händler wollten je 60 Groschen auch für Weizen-
mehl, doch hat Blaha von der Arbeiterkammer dies entschieden abge-
lehnt. Ich erkläre Kurzel neuerdings, dass mir jedwede Lösung recht


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ist, wo er nur eine einvernehmliche Lösung erzielen kann. Meiner
Meinung nach ist es ja wirklich nicht entscheidend ob 50 oder 60
Groschen, das sind nicht einmal 8 %-ige Preissteigerungen. Trotzdem
bin ich sehr froh, dass er so bestrebt ist eine einvernehmliche
Lösung von sich heraus schon anzustreben. Kurzel ist glaube ich immer
wieder sehr überrascht und sehr zufrieden, dass er dies allein ent-
scheiden kann. Sein starkes Argument ist, dass jetzt der Vorsteher
vom Lebensmittelkleinhandel Kammerrat Zach überall herumgeht und
erzählt, die beste Lösung ist, wenn doch auch auf dem Getreidesektor
ein Teil der amtlichen Preisregelung aufgehoben wird. Bei Molkerei-
produkten haben sie einen grossen Erfolg erzielt und nach ihrer
Meinung wäre es auch zweckmässig dies auf dem Getreidesektor fortzu-
setzen. Da sie hier auf meiner Linie liegen, unterstütze ich
diese Idee, die von Bundeskammer Gen.Sekr. Mussil, aber auch von den
Müllern ganz entschieden abgelehnt wird, Kurzel kann jetzt obwohl
er die Kleinhandelsspanne um 1/2 %, von 7.5 auf 8 % erhöht hat,
falls es Schwierigkeiten gibt, auch mit dieser Idee drohen. Die Bundes-
kammer ist dann sofort eher verhandlungsbereit. Kurzel selbst aber
möchte dies sicherlich nicht, weil er damit weitere Einflussmög-
lichkeit verliert. Das jedwede staatliche Reglementierung der Preise
nicht all zu günstig ist zeigen nicht nur die Entwicklungen in den
Oststaaten, sondern jetzt auch in Ägypten. Dort haben allerdings
wesentlich grössere Preiserhöhungen immer wieder zu Aufständen ge-
führt. Die Folge, dass es aber zu solchen grossen Preiserhöhungen
kommen musste, war, weil man vorerst die Lebensmittelpreise ent-
sprechend gestützt hat, amtlich festgesetzt und durch Jahre, um
nicht zu sagen Jahrzehnte unverändert gelassen hat. Dies sind
Notlösungen, die scheinbar ein bequemes Leben der Behörden ermög-
lichen, dann aber bei Korrekturen fast Revolutionen auslösen. Ich
weiss dass unser System nicht so starr ist, trotzdem muss man es
vorsichtig handhaben, weil sich sonst eine Explosion einmal er-
folgen könnte. Die beste Lösung dabei ist natürlich, wenn man die
amtliche Preisregelung zeitgerecht auflockert um nicht zu sagen
womöglich aufgibt. Leider ist die Arbeiterkammer für Brot und Mehl
noch nicht so weit.

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Tagesprogramm, 20.1.1977

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: Schweizer Beamter


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Dir. Unilever


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
      GND ID: 119083906


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: SChef HM
        GND ID: 12195126X


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Sekr. JS, Tiroler SPÖ-Politiker


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: AZ-Chefredakteur


            Einträge mit Erwähnung:


              Einträge mit Erwähnung:


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Wr. Planungsstadtrat, stv. AR-Präs. DoKW, Obmann BO Floridsdorf


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


                    Einträge mit Erwähnung:
                      GND ID: 1017902909


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: KR, Bundesgremialvorsteher Lebensmittelkleinhandel


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Büro des Bundesministers (Sekretärin)


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Diplomat


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: MR HM


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: Kabinett Staribacher


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: AK


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: Beamter HM (Rochusplatz), ehem. Sekr. Bock, Mitterer


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: Bundeskanzler
                                        GND ID: 118566512


                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          Tätigkeit: BRO Unilever


                                          Einträge mit Erwähnung: