Samstag, der 11. Dezember 1976

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Samstag, 11. Dezember 1976

Die 15. Jugendkonfrontation des Bundeskanzler wurde zu Waagner-Biro
in eine Werkshalle im XXI. Bezirk verlegt. Kreisky selbst in Wöris-
hofen und ersuchte mich, ich sollte diese Jugendkonfrontation führen.
Die Verständigung erfolgte im letzten Augenblick, bei Bundesjugend-
ring angeblich 3 Tage vorher. Trotzdem waren alle erschienen mit
Ausnahme der ÖVP-Jugend. Verzetnitsch, der Sekretär der Gewerkschafts-
jugend, und Bittner vom Bundesjungendring führten den Vorsitz. Einleitend
stellte Rehak vom Bundeskanzleramt, Kanzlerbüro, fest, dass er für die
Organisation allein verantwortlich sei. Dies war auch wirklich
notwendig. Die Leute wurden zu einem falschen Tor geschickt, dort
wusste niemand dass so etwas überhaupt bei Waagner-Biro organisiert ist
Die Unternehmungsleitung, die wegen mir vollzählig anwesend war, hat
ausdrücklich gefragt, ob sie irgendwelches Essen bereitstellen
müsste, was Rehak angeblich ablehnte. Die Halle war schwer zu heizen
dafür gab es als einziges kaltes Preblauer zu trinken. Beim Präsidiums-
tisch sassen neben den Vorsitzenden und Rehak, Lenert vom Sozial-
ministerium, der zuständige Sektionschef für die Arbeitsmarktverwaltung,
Radlegger, MR im Unterrichtsministerium, für das Berufsschulwesen zu-
ständig, und Jagoda. Bei meinem Einleitungsstatement schilderte ich
die Situation des Lehrlingswesens und insbesondere die Übereinstim-
mung von allen Vorschlägen, dass ein neues Berufsausbildungsgesetz
kommen muss. Freimütig sagte ich die Differenzen zwischen der Handels-
kammer und dem Gewerkschaftsbund bezüglich der Organisation des
Fonds um die beiden wichtigsten Differenzen klar und deutlich aufzu-
zeigen. Die Diskussion war dann eindeutig, selbst von den kommunisti-
schen Vertretern sehr sachlich und gipfelte bei jedem Diskussionsteil-
nehmer darin, es muss ein neues Berufsausbildungsgesetz kommen. Alle
stimmten den Entwurf des Gewerkschaftsbundes zu, natürlich mit kleinen
Nuancen. Der Vertreter der sudetendeutschen Jugend verlangte ebenfalls
eine neue Organisation, nur müsse sie nach objektiven Gesichtspunkten
zusammengesetzt sein und arbeiten. Die Parität wurde aber von allen
verlangt und die Lehrlingsstellen der Bundeskammer hart angegriffen.
Die Leiterin der Wiener Lehrlingsstelle eine Frau mit Angriffslust
attackierte sofort die Jugendfunktionäre. Sie meinte jetzt zwischen
10 und 12 will man sie um ihr Brot bringen, dies war allerdings als
Gag gedacht. Alle die ihr dann antworteten meinte, sie wird schon in
der Paritätischen Organisation auch einen Platz finden. Den grössten
Widerspruch aber erregte sie, als sie meinte, sie wisse nicht wie-
viele Lehrlinge oder wenigstens welche Erfolge die jetzigen Jugend-


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funktionäre als Lehrlinge, soweit sie solche waren, erreicht haben.
Ihrer Erfahrung nach seien die Jugendvertreter meistens gescheiterte
Lehrlingsexistenzen. Hätte sie nicht der Grossteil der Diskussionsteil-
nehmer persönlich gekannt, glaube ich wäre es zu einem Eklat gekommen.
Verzetnitsch z.B. reagierte sehr geschickt, indem er bei seinem
Diskussionsbeitrag darauf hinwies, von der Handelskammer Wien eine
Auszeichnung bekommen, da er die Lehrlingsprüfung mit Auszeichnung
bestand. Ich selbst hatte es deshalb leicht, da ich ja gleich zu
Beginn bei meinem Statement darauf hinwies, dass ich die Lehrlings-
probleme aus eigener Erfahrung aus der Ersten Republik und Nazizeit,
allerdings unter keinem demokratischen System kennenlernte. Auffallend
für mich war. dass in dieser Frage die Gewerkschaftsjugend mit ihrer
sachlichen Vorstellung, was geschehen soll, ihrer Aktion 75, ihrer
Umfrage, woran 60.000 beteiligten, deutlich dominierte.

Vor etlichen Jahren hatte ich in der IX. Jugendkonfrontation, wie mich
Verzetnitsch aufmerksam machte, in einem Kolpinghaus das erste Mal
Gelegenheit in diesem Kreis zu agieren. Damals schon – und noch viel-
mehr bei dieser Veranstaltung – konnte ich feststellen, dass es sich
immer wieder um dieselben Funktionäre handelt, die sich untereinander
aus dem Bundesjugendring oder sonstigen Aktivitäten genau kennen.
Wäre nicht die Handelskammer dort nicht einmal mit Spitzenfunktionären
vertreten gewesen, wäre eine furchtbar flaue Diskussion dort abgewickelt
worden. Dass sie stundenlang dauerte ist nur darauf zurückzuführen,
weil eben jeder sich gerne reden hörte, neue Gesichtspunkte für
mich zumindestens nicht kamen. Die einzige Ausnahme bildete Radlegger,
der seine Unterrichtsvorstellung präzisierte, die ich für sehr richtig
empfand. Das polytechnische Jahr gehört seiner Meinung nach aufge-
lassen und dafür schon vorher berufskundige Informationen den Schülern
in den Pflichtschulen in viel stärkerem Ausmasse vermittelt.
Verzetnitsch teilte mir mit, dass Radlegger fortschrittlicher Unter-
richtsmann ist, der früher in Oberösterreich Berufsschuldirektor war.
Jetzt hat er im Unterrichtsministerium erst unter Sinowatz Gelegen-
heit überhaupt über Berufsschulfragen mit ihm zu reden und sich mit
ihm schön langsam durchzusetzen. Früher. Früher war dieses Unter-
richtsministerium ausschliesslich nach den höher bildenden Schulen
ausgerichtet und die Hauptfrage war immer Latein und griechisch oder
Latein oder griechisch. Verzetnitsch meinte, er wäre glücklich, wenn
bei uns im Handelsministerium MR Kinscher genau einen fortschrittlichen
Geist und eine solche gute Zusammenarbeit mit den Jugendorganisationen


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hätte wie Radlegger, der auch kein Sozialist ist.

Vorstanddirektor Böhm und Vorstanddirektor Stanek und die Betriebs-
direktoren von Waagner-Biro haben mit nachher das gesamte Werk gezeigt.
Die Firma hofft auf tatkräftigste Unterstützung, dass die Anlage bei
Borregaard in Hallein unbedingt sie bekommen. Das Angebot von der
schwedischen Firma ist ihrer Meinung nach nur ein vergleichbares
Offert, um eine reelle Konkurrenz von Waagner-Biro auszuschalten.
Ich habe versprochen, dass wir uns sehr einsetzen werden, allein
schon wegen der Stützung..Zuschuss des Handelsministeriums österr.
Firmen bevorzugt werden müssen. Die Firma ist bereit über die Preise
noch entsprechende Detailverhandlungen mit Borregaard zu führen. Angeblich
ist der österreichische Direktor Vogel schon der Meinung, dass
Borregaard Waagner-Biro dazu einladen müsste und auch der Zuschlag an
Waagner-Biro erfolgen sollte. Schwierigkeiten gibt es nur noch mit
dem schwedischen Direktor von Waagner-Biro.

ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte neuerdings mit Borregaard Kontakt
ausnehmen lassen, damit hier nichts passiert.

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Tagesprogramm, 11.12.1976

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: SChef HM
GND ID: 12195126X


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: ÖGB


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Bundeskanzler
      GND ID: 118566512


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Waagner-Biro, Wiener Brückenbau- und Eisenkonstruktions AG


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Sekt.R HM


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Unterrichtsminister


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: GD Waagner-Biro


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: SC Sozialministerium


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Kabinett Staribacher


                    Einträge mit Erwähnung: