Dienstag, 19. Oktober 1976
Im Ministerrat teilte Kreisky mit, dass er die Jugendkonferenz
jetzt abgesagt hat, weil ich daran nicht teilnehmen kann. Er be-
hauptete richtig, dass ich vor Wochen davon schon verständigt
wurde, sofort reagierte ich, indem ich ganz scharf erklärt, dies
stimmt, doch hätte ihm damals bereits meine Sekretärin mitteilen
lassen, dass ich zu dieser Zeit in Libyen bin. Den ganzen Vorfall
nehme ich als Lehre, dass man sich sofort ganz energisch gegen
irgendwelche Behauptungen oder Unterstellungen zur Wehr setzen muss.
Nur nicht auf einem rumtrampeln lassen. Auch nicht auf sein Büro.
Lütgendorf beschwert sich, dass das Fernsehen ein Interview in Wels
mit ihm aufgenommen hat über den Landesverteidigungsplan und dass
aber nachher im Anschluss an einen Bericht über die Kaufabsichten
der israelischen Abfangjäger Khefir ein Teil dazugeschnitten wurde
ohne dass er wusste, worum es ging. Lü meint, das sei reinste Mani-
pulation. Kreisky ist über die ganze Diskussion sehr unglücklich und
dies mit Recht. Abgesehen davon, dass wir derzeit ja wirklich kein
Geld haben, um diese zu kaufen, werden die Araber verärgert sein.
Kaufen wir sie nicht, wird es heissen, wir haben dem arabischen Druck
nachgegeben. Die ganze Aktion ist sehr unglücklich. Lütgendorf
möchte aber unbedingt scheinbar das Problem Abfangjäger aktuell
halten.
Mit Androsch und Haiden bespreche ich die Preisbildung für Milch und
Milchprodukte. Beide sind sehr einverstanden, dass ich nur den Erzeuger-
preis festlege und vom Verbraucherpreis nur mehr Trinkmilch, wobei
ich nur die 1.20 S als Zuschlag zu den jetzigen Milchpreisen fixiere.
Mit dieser Methode, die ich auch Min.Rat Kurzel mitteilte, könnten
wir der Diskussion über die Handelsspannen-Aufteilung usw. entgehen.
Kurzel selbst ist darüber nicht sehr glücklich, auf Grund der In-
formation und Vorschläge der einzelnen Bauernverbände möchte er eine
umfangreiche Diskussion über diese Anträge abführen. Dagegen habe
ich nichts einzuwenden, doch erkläre ich ihm, dass ausser der Fest-
legung des Erzeugerpreises und des Verbraucherpreises für Trinkmilch
keine weitere Preisfestsetzung erfolgen darf.
Anschliessend an den Ministerrat gibt es den Tag des Brotes und ich
habe Gelegenheit mit dem Bundesinnungsmeister und dem Wiener Innungs-
meister über die Preisfestsetzung bei Brot und Mehl zu diskutieren.
Auch diesen erkläre ich, dass ich beabsichtige, eine Lockerung durchzu-
führen.
Der Bundesinnungsmeister meint, es wird dann eine sehr harte Konkurrenz
geben und er möchte, dass ein gewisser Mindestpreis wenigstens
festgesetzt wird, damit die Diskonter nicht jetzt auch auf diesem
Gebiet allzu stark schleudern. Man sieht, dass sich also die Auf-
fassung der Handelskammer wesentlich gewandelt hat. Hoffentlich geht
die Arbeiterkammer und die Gewerkschaftsbund mit, dann sind wir die
ganze Preisproblematik nicht nur los sondern schaffen auch ganz neue
politische Verhältnisse. Die ewigen Angriffe vom Handel und auch
vom Gewerbe gegen die Bundesregierung, dass sie ihre Wünsche nicht
berücksichtigt und sie sozusagen zum Sterben verurteilt sind, müssten
verstummen, denn dann ist es die Konkurrenz insbesondere die Genossen-
schaften, die grossen Diskonter, die eigentlich das Gewerbe sowieso
ruinieren und die Handelsgeschäfte zum Zusperren zwingen.
Der Verein für Konsumenteninformation hat durch die Unterstützung
der Industrie und einiger Importeure mit 400.000.- S die Fern-
sehausstellung "Fernsehen nach Mass" im Münchnerhof errichtet. Zur
Eröffnung ist sogar der Generalintendant des ORF gekommen. Oberhammer
hat dort mitgeteilt, dass er 1,9 Mill. TV-Bewilligungen hat und dass
5,2 Mill. Personen die Fernsehmöglichkeit haben, weil sie auf Grund
der Medienanalyse in ihrem Haushalt ein Gerät haben. 25 % davon sind
erst Farbfernseher. 90,8 % Österreichs werden durch die Senderver-
sorgung von FS 1, 87,6 % von FS 2 erfasst. Dass trotzdem so wenige
FS 2 sehen können, liegt an den alten Geräten. Der Fachverbands-
sekretär Dolinay beschwerte sich über den harten Preiskampf und die
schlechten kostendeckenden Handelsspannen, die dadurch entstehen
und teils zu Lasten der Industrie gehen. Ich erwiderte sofort, man
muss eben deckende Kosten zur Kenntnis nehmen und soll, wie es
der Rentnerverband von mir wünscht, eine billige Serie für ein
Radio- aber auch für ein Fernsehgerät auflegen. Ich gebe mich keiner
Illusion hin, dass dies ein Wunschtraum bleibt.
Der Direktor von Anker Datentechnik aus Graz bedankt sich noch
einmal bei mir, dass er jetzt endlich den Polen-Auftrag bekommen hat
mit 610 Stück Kassen, 33 Mill. S, die für das Grazer Werk eine
monatelange Beschäftigung bedeutet. Am Abend besuchte ich noch die polnische
Botschaft, um den Ministerpräsidenten Olszewski zu treffen, der
sich sehr freute und mich ständig vor allen Leuten umarmte. Dort
bedankte ich mich bei ihm, dass endlich diese Kassen-Angelegenheit
bereinigt wurde. Die Polen, selbst der Botschafter, hatten noch gar
nicht davon gewusst.
Dir. Herbeck und Dr. Walter von Porr AG teilen mir mit, dass sie
in Iran jetzt ihre Forderungen im Prinzip wegen der Gleitung anerkannt
bekommen haben, indem eine ganz kleine Summe bezahlt wurde. In ihrer
Bilanz haben sie erstmalig mit 26 Mill. S für das Irangeschäft eine
Rückstellung festgelegt. Die PORR AG interessiert sich sehr für das
Grandhotel, wenn die Atombehörde auszieht. Ich erkläre sofort, dass
ich mich für eine Hotellösung einsetzen werde. Der Aussenminster
teilte mir mit, dass seine Beamten ihm empfohlen hätten, man sollte
das Aussenamt dorthin verlegen. Aussenminister Pahr hat dies aber
abgelehnt. Pahr hat mir ausserdem jetzt das ausgefüllte Eintritts-
formular für die Gewerkschaft öffentlicher Dienst gegeben. Lausecker
war sehr verwundert, dass mir dies so schnell gelungen ist. Ich
ersuchte ihn, es an die Gewerkschaft weiterzuleiten, aber nicht
wie bei Kirchschläger wieder zu verschustern.
Im Antimarktstörungsbeirat stand eine Mindestpreisfestsetzung für
Strümpfe und Socken zur Diskussion. Ohne dass ich mit unseren Kolle-
gen der multilateralen Abteilung Steiger, Michitsch usw. vorher
gesprochen hatte, haben diese die grössten Bedenken in der Sitzung
geäussert. Die Handelskammer wollte aber unbedingt, dass wir diese
Mindestpreisfestsetzung vornehmen. Da wir auf Grund des EG-Vertrages
zu vorherigen Konsultation verpflichtet sind, habe ich nur zugestimmt,
dass diese Konsultation eingeleitet wird und ich erst nach dieser
Durchführung meine endgültige Entscheidung treffen werde. Ich habe
aber gleich deponiert, dass ich die Bedenken von Steiger als sehr gravie-
rend betrachte und derzeit nicht geneigt bin, eine Sockenmindest-
preisverordnung zu unterschreiben. Bei der Verhandlung über die Fest-
setzung für Strumpfhosen hat Hillebrandt eine Berechnung vorgelegt
wo für Strumpfhosen mit Zwickel diese ohn 40 Groschen und ohne Zwickel
um 10 Groschen erhöht worden wären. Handelskammer möchte aber nicht von
5.10 auf 5.20 S sondern auf 6.- S und bei mit Zwickel von 5.80 auf
6.20 S lehnt sie genauso ab sondern dann wahrscheinlich weit über
7.- S einen Mindestpreis. Dies lehnt nicht nur die Arbeiterkammer
ab sondern wahrscheinlich auch der ÖGB, der allerdings bei der
Sitzung nicht anwesend war. Ich unterbrach daher sofort die Sitzung
in diesem Punkt, erklärte der Handelskammer, sie würde dann die Folgen
tragen, wenn es nicht gelingt, bis Ende Oktober zu einer einvernehm-
lichen Lösung zu kommen. Der Vertreter des Finanzministeriums machte
aufmerksam, dass dann sofort die Versandklausel wieder gilt, d.h.
etliche Millionen Strümpfe um jeden Preis dann wieder eingeführt
werden können, wenn auch die VO nur einen Tag unterbricht.
Trotz meines dringenden Appelles war Ertl und die Vertreter
des Fachverbandes nicht zu bewegen, einer Lösung zuzustimmen.
Ich habe dieses Verhalten unverzüglich bei der Aussenhandels-
stellenleiter-Ostafrika-Besprechung Dr. Gleissner und Gen.Sekr.
Wakolbinger mitgeteilt.
Die Aussenhandelsstellenleiter-Tagung stand insofern unter einem
schlechten Vorzeichen als Meisl, wo ich noch nicht anwesend war
die Handelsdelegierten fragten, wieso der Osten immer wieder behauptet,
er hat so gute Verbindung dorthin, kann alle Geschäfte dort bekommen,
während Österreich scheinbar nicht so gut abschneidet. Wakolbinger
meinte dann zum Schluss, ob das Handelsministerium mit den Handels-
delegierten unzufrieden sei. Ich behauptete nein, denn sonst hätten
wir sie längst schon ins Handelsministerium überführt. Da ich dies
sehr lächerlich und lustig vorbrachte, hat es sicherlich nicht eine
besondere Wirkung, wird aber von allen, wie ich feststellen konnte,
sehr genau registriert.
Stadtrat Nekula und GD Reisinger, teilen mir mit, dass sie den Gas-
preis unbedingt mit 1. Jänner erhöhen müssen. Sie haben den
Antrag von 10,9 % gestellt, nach ihrem alten und wie sie glauben
berechtigten Preisschema. Sie sind sich aber vollkommen klar,
dass sie diesen Prozentsatz nie bekommen werden, sondern wahr-
scheinlich um 9 % herum dann der Gaspreis fixiert wird. Wichtig
ist ihnen nur, dass sie bis Anfang Dezember spätestens den Gaspreis
bescheidmässig haben müssen, weil sie noch im Gemeinderat um die
Genehmigung einreichen müssen. Im Jahre 1978 sind Gemeindewahlen,
weshalb die letzte Erhöhung jetzt erfolgt. Bei dieser Gelegenheit
wird auch gleichzeitig von Megakal auf Kilowattstunde umge-
stellt wie es das neue Eich- und Massgesetz verlangt. Kurzel hat
mir vormittags bereits mitgeteilt, dass er einen solchen Antrag er-
wartet, aber unter gar keinen Umständen zustimmen möchte. Wir
einigen uns darauf, dass ich auf Grund der Tatsache, dass erstens
das Russengas mit 1. Jänner wieder erhöht wird, zweitens aber das
die letzte Erhöhung ist, ohne dass ich ihn auf die Wahlen aufmerksam
mache, doch eine solche Preisfestsetzung mit 1. Jänner erfolgen
muss.
Frank kommt zum Schluss der Sitzung dazu und ich erkläre dezidiert
Reisinger und Nekula, dass wenn sie eine Strompreiserhöhung eben-
falls als zweite Etappe wünschen, vorerst die entsprechenden Reorganisa-
tionsmassnahmen durchgeführt werden müssen. Ansonsten bin ich nicht
bereit, den 1. Jänner als Strompreiserhöhungstermin zu akzeptieren.
Beim Jour fixe mit der Verbundgesellschaft wird mir mitgeteilt, dass
der BEWAG-Verbund-Gesellschaftsvertrag jetzt unterschrieben ist
und die Verbundgesellschaft vom Netto-Erlös 37,2 % bekommt. Nicht
wegen der Kleinheit oder wegen der Treue der BEWAG ist dies für
die Verbund interessant, sondern weil durch die Rundsteuerung
die Verbund Überschusstrom jederzeit der BEWAG zur Verfügung stellt
und von ihr übernommen wird. Der Energieverbrauch hat in den ersten
9 Monaten um 7 % zugenommen, im September sogar um 11 %. In den
Speichern sind glücklicherweise 600 GWh wozu noch 100 GWh kommen,
wenn Malta ab 1. Dezember wirklich funktioniert. Voitsberg II
hat jetzt durch einen Wasserschlag so schweren Schaden erlitten,
dass auf Monate hinaus die 60 MW ausfallen werden. Wieso dies bei der
Frischdampfkontrolle, die durchgeführt werden müsste, möglich ist,
ist erst zu klären. Warum mich Hautzenberg nicht verständigt hat,
finde ich unerklärlich.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte sofort mit ihm Kontakt aufnehmen.
Bei Altenwörth wird von der Verbund angenommen, dass die Genera-
toren von der Elin gar nicht gerechnet wurden. Dies kann ich
mir beim besten Willen nicht vorstellen. Die Generatoren in Wilhering
haben nur 24 MW, während die in Altenwörth 40 MW haben, Ich kann
mir nicht erklären, dass ein Techniker ohne zu rechnen ganz einfach
nur sagt, dort funktionieren sie, bauen wir da stärkere ohne die
entsprechenden Voraussetzungen dafür eingehendst geprüft zu haben.
Falls dies aber zutrifft, meint Bandhauer mit Recht, müsste man
sich überlegen, ob man nicht wegen grober Fahrlässigkeit entsprechen-
den Schadenersatz verlangen müsste.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte über die Aufsichtsräte Hautzenberg und
Zöllner entsprechende Informationen sammeln.
Mit Vorarlberg wurde vereinbart, jetzt doch die Schiedsgerichtsklausel
wegen der deutschen 4-Mia.-S-Bezahlung anzurufen. Niemand würde, wenn
wir auch nur auf die Hälfte verzichten würden, in Vorarlberg dies
verstehen. Die Deutschen sind aber sicherlich nicht bereit, auch
33-1171
nur annähernd die Wünsche des Landes zu erfüllen. Da die Verbund-
gesellschaft nicht Schaden leiden darf, wird eben das Schiedsgericht
so bin ich überzeugt, diese überspitzten Forderungen des Landes ablehnen.
Zum ersten Mal erfahre ich von Verbunddirektor Zach, dass wir auf Grund
des zweiten Verstaatlichungsgesetzes doch imstande wären, den Auf-
sichtsrat wesentlich zu reduzieren. Da ein ÖVP-ler mir diesen Tipp gibt,
nehme ich an, dass sich die Ländervertreter darüber auch schon
unterhalten haben. Ich ersuche den Verbundvorstand, sofort alles zu
unternehmen, damit wir auch in dieser Gesellschaft den Aufsichtsrat
von 36 wesentlich reduzieren können. Die anderen Aufsichtsrats-
Reduzierungen sind wie bei Enns erfolgreich von 21 auf 12 und bei
den anderen Gesellschaften etappenweise in Angriff genommen worden.
Hier lasse ich keinen Zweifel, dass ich zwar mit der Richtung
aber gar nicht mit dem Tempo einverstanden bin. Die notwendigen
weiteren Schritte müssen unverzüglich eingeleitet werden.
Die Wiener Konferenz mit dem Referat von Kreisky, SPÖ hält Wort hat
für mich aber auch scheinbar für die anderen Relegierten kaum neue
Erkenntnisse gebracht und deshalb auch keine Diskussion. Kreisky
hat nur darauf hingewiesen, dass über eine zu grosse Kapazität
in vielen Industriesektor weltweit haben und deshalb jetzt keine
Investitionen jetzt durchgeführt werden. Die Regierung handelt aber
nach einer Rahmenplanung für die Industrie, dies war auch für mich
neu. Ansonsten hat er nur die bekannten Beispiele Fohnsdorf, Mitter-
berg, Papier, Polen-Vertrag usw. hingewiesen. Für eine Wiener Konferenz
war dieses Referat wirklich zu schwach. Er hatte auch keinerlei Aufzeich-
nungen sondern hat wie bei einer Wahlversammlung frei gesprochen.
Die Delegierten von der Landstrasse, hatte ich das Gefühl und einige
sagten es mir auch, waren sehr enttäuscht.
Tagesprogramm, 19.10.1976
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 47. Ministerratssitzung, 19.10.1976
33_1171_03