Montag, 27. Sept. 1976
Beim Jour fixe kündigte Mussil an, dass Komm.Rat Schönbichler,
Obmann von Sektion Handel, mit ihm und seinen Gross- und Klein-
händlervertretern bei mir vorsprechen will. Wahrscheinlich geht
es ihnen jetzt um das Problem der Nahversorgung.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte Termin vereinbaren.
Mussil teilte mir mit, dass morgen ein Handelsausschuss stattfinden
wird, wo die beiden freiheitlichen Initiativanträge Altölgesetz
und Ladenschlussregelung auf der Tagesordnung sind. Ich war sehr
erstaunt, dass niemand bei uns wusste, dass überhaupt ein Handels-
ausschuss stattfindet. Hätte mich Mussil nicht aufmerksam gemacht,
ich wäre wahrscheinlich überhaupt nicht dort erschienen. Mussil
möchte unbedingt, dass wir beide Initiativanträge nicht genehmigen.
Für Altöl habe ich jetzt einen Gesetzentwurf in Begutachtung geschickt
und wir hoffen, dass es gelingt, die FPÖ davon zu überzeugen, beide
gemeinsam in einem Unterausschuss des Handelsausschusses zu behandeln.
Bezüglich des Ladenschlusses gibt es für uns eine einzige Chance, die
ganze Materie in unseren Nahversorgungsausschuss zu verlegen. Mussil
wollte, wenn es irgendwie geht, überhaupt dass wir beide Initiativen
der FPÖ sofort ablehnen. Diese Taktik entspricht aber nicht meiner
Politik. Ich habe auch ÖVP-Initiativen, die mir nichts ins Konzept
passten sofort abgelehnt sondern wie z.B. Ladenschluss-Änderung so
lange verhandelt, bis selbst die Handelskammer auf dem Standpunkt ge-
standen ist, der jetzige Zustand soll unverändert bleiben. Ich bin
sehr neugierig, ob mir diese Politik auch bei der FPÖ gelingt.
Mussil wollte wissen, ob Kreisky bei seinem Besuch in Ungarn irgendwel-
che Besprechungen über eine Freihandelszone geführt hat. Aussenhandels-
minister Biro hat nämlich bei seinem Vortrag in der Handelskammer
wieder Andeutungen gemacht, dass eine Zollregelung für Ungarn uner-
lässlich ist. Ich habe zwar mit Kreisky über dieses Problem nicht
gesprochen, doch hat er bei der Verabschiedung von Kirchschläger
Staatsbesuch Bulgarien, diesem eine diesbezügliche negative Ant-
wort gegeben.
Die Bundeshandelskammer vermutet auf meine Frage, warum die Indu-
striellenvereinigung Halusa als neuen Generalsekretär bestellt, dass
dieser entweder seine Auslandsverbindungen dazu nützen wird, die
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Industriellenvereinigung stärker in die ganze Tätigkeit, die eigent-
lich die Handelskammer ausübt, einzuführen oder Igler hätte mit
Kreisky über die Zollfreizonen-Vorschläge diskutiert und würde
sich jetzt bereits mit einem Fachmann wappnen. Wenn Igler diese
Politik aber verfolgt, dann meinen Sallinger und Mussil, würde er
kaum eine zweite Legislaturperiode überstehen. Nach dem neuen
Statut der Industriellenvereinigung kann ein Präsident übrigens nur
zweimal gewählt werden und dies war bei Igler jetzt der Fall.
Kreisky meint in der Regierungsvorbesprechung, die Industriellen-
vereinigung hätte keine guten Kräfte, weshalb man auf den pensionier-
ten Halusa zurückgreifen musste. Igler wollte, wie Androsch meinte,
Fürstenberg, doch sei er damit bei den anderen Präsidiumsmitgliedern
nicht durchgedrungen. Igler bestätigte mir am Abend, dass er Halusa
als eine Übergangslösung betrachtet. Wenn das Statut tatsächlich
nur eine zweimalige Wahl vorsieht, dann war diese Statutenänderung in
meinen Augen nicht sehr glücklich. Der Handelskammerpräsident ist
kontinuierlich, wenn er nicht einen grossen Schnitzer macht und
wenn nicht ein tüchtigerer ihn verdrängt, während wenn der Industriel-
lenpräsident jede zweite Amtsperiode wechseln muss, schwächt sich
die Industriellenvereinigung, wenn sie einmal einen tüchtigen
Präsidenten hat. Allerdings vermute ich, werde sie dann ebenfalls
wieder das Statut ändern, so wie sie dies ja auch nach Mayer-Gunthof
gemacht haben, als sie scheinbar diese Beschränkung auf zwei Amtsperioden
eingeschränkt hat.
Sallinger bedankte sich bei mir, dass ich den südkoreanischen Handels-
minister einladen werde. Bei seinem Zwischenaufenthalt in Iran hat
man ihn wegen des Fremdenverkehrsabkommens interpelliert. Da in
dem Abkommen aber nach iranischem Vorschlag nur eine Gemischte
Kommission verankert werden soll, sehe ich keinen Grund, ein
solches zu schliessen. Ich glaube, dass wir überhaupt jetzt schön
langsam mit den vielen Gemischten Kommissionen aufhören müssen.
Wenn die Regierung Sparmassnahmen beschliesst, Reiseeinschränkungen
usw., dann können wir nicht ständig neue Gemischte Kommissionen
schaffen.
ANMERKUNG FÜR ALLE: Wer weiss den taktisch besten Weg aus diesem
Dilemma herauszukommen?
Ich beschwerte mich bei Sallinger und Mussil, dass immer wieder
Schwierigkeiten sind bei der Bezahlung der Handelskammer für
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Gästeeinladungen, jetzt z.B. wurde die Frage aufgeworfen, ob der
EFTA-Generalsekretär Müller von der Handelskammer bezahlt wird. Für
mich ist dies selbstverständlich. Sallinger meinte, wir müssten
uns einmal zusammensetzen, um endgültig abzuklären, was zu bezahlen
ist. Ottahal hat die Handelskammer z.B. verständigt, dass bei den Ungarn
16 Personen kommen. Jetzt wird für wirtschaftspolitische Kontakt-
gespräche Meisl in Stuttgart eine Vorschussleistung von 13.000 S
verlangt. Ich habe unverzüglich mit Meisl nach meiner Rückkehr ge-
sprochen und dieser sagte, niemals hätte er einen Vorschuss verlangt,
denn wenn das Essen in Stuttgart zustandekommt, dann bezahlt dies auto-
matisch der österr. Handelsdelegierte. Wir vereinbarten, dass Plesch
eine Aussprache einladen soll, wo Reiger, Meisl, Ottahal daran teil-
nehmen werden. Die Repräsentationsfrage entwickelt sich schön langsam
zu einem Dilemma für die Regierung. Ich selbst war eigentlich auch
sehr erstaunt, dass entgegen meiner Weisung unter allen Umständen
mit den 500.000 S Budgetansatz auszukommen, in manchen Jahren Über-
schreitungen bis fast 200.000 S, in manchen Jahren knapp mehr als
die Hälfte verbraucht werden. Ich habe jetzt neuerdings Ottahal
und Marhold darauf aufmerksam gemacht, dass eine weitere Überschreitung
von mir nicht akzeptiert, d.h. gedeckt wird. Wenn ich dies erfahren
sollte, dass diese Weisung, die ich ganz selten gebe, nicht eingehalten
wird, gibt es einen ernsten Krach.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte mache bei jeder Gelegenheit auf diese
Weisung aufmerksam.
Sallinger erkundigt sich neuerdings, ob die Betriebsanlagengenehmigung
Buchacher, Hermagor, erledigt ist.
ANMERKUNG FÜR JAGODA: Bitte Akt vorlegen.
Da ich den rumänischen Aussenhandelsminister Avram vom Schwechat
abholen wollte, kam ich zu spät zum Pressefrühstück. Es war gerade
die Diskussion über die Donauschiffahrtsrinne im Gange. Da ich nicht
genau wusste, wie der Vertreter des Schiffahrtsamtes auf die harten
Fragen der Journalisten, wieviel kostet es, was geschieht, wenn es
nicht funktioniert, nur sehr zögernd zu antworten begann, hatte ich
mich eingemischt. Ich weiss nicht, ob ihm dies recht an, ich nehme
aber hon an, dass er als Beamter sich nicht so exponieren wollte. Für
den Bericht über die Polenverhandlungen stand gar kein Beamter
zur Verfügung, weshalb ich die erläuternden Bemerkungen machte.
In Wirklichkeit ist dies natürlich ein kalter Kaffee, da in der Vorwoche
alles abgeschlossen und wahrscheinlich auch in den Redaktionen schon
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bekannt ist, weshalb sicher niemand mehr etwas bringen wird.
Vielleicht die Volksstimme. Interessanterweise hat dann in der
Diskussion darüber ein einziges Problem Interesse gefunden, nämlich
der Stromliefervertrag der Polen nach Österreich. Damit im Zusammen-
hang wurde das Problem erörtert, wieweit das zweite Kernkraftwerk durch
diese zusätzlichen Strommengen noch hinausgeschoben werden kann.
Hätten wir den Polenvertrag und das Kohlekraftwerk Voitsberg III
nicht in Aussicht, wüsste ich wirklich nicht, wie man eine Genehmigung
des 2. KKW hinausschieben könnte. Andererseits wieder glaube ich,
dass die Hoffnung, dass Redakteure bei einem Pressefrühstück
rege diskutieren und selbst irgendwelche Fragen und Kritiken vor-
bringen, sich immer mehr als Wunschziel entpuppt. Die Oppositions-
zeitungen sind entweder gar nicht oder nur sehr schwach vertreten,
greifen auch nicht an, die Neutralen ragen nur, was in ihre
Redaktionskonzeption passt und die eigenen registrieren. Die Idee,
mit unserem Pressefrühstück eine wöchentliche Diskussion mit den
Massenmedien zu haben, kann ich glaube ich auch begraben. Für
mich stellt sich die Frage, ob wir jetzt nicht Woche für Woche
neben den Berichten, die halt zufällig anfallen, ein Leitthema
stellen sollten. Gegebenenfalls könnten wir, wenn es sich um ein
bedeutendes Problem handelt, wie z.B. die Kernkraftwerksproblematik
ein solches Leitthema auch vielleicht über 2 oder 3 Wochen hin-
ziehen. Die Frage ist nur, wie man das dafür notwendige Material
der Presse zur Verfügung stellt, wer soll dieses Material be-
schaffen, wie soll es präsentiert werden und wie wird es von den
Redaktionen aufgenommen und verarbeitet.
ANMERKUNG FÜR TIEBER: Gibt es eine andere Chance, das Pressefrühstück
nicht in Routine erstarren zu lassen?
Die Gespräche mit dem Ministerpräsidenten Manescu und Kreisky verliefen im
üblichen Rahmen, Kreisky meinte nur einleitend gleich, er könne aus
verfassungsrechtlichen Gründen nicht alle Abkommen selbst unter-
zeichnen, er werde assistieren, aber das Wissenschaftsabkommen würde
Frau Minister Firnberg betr. die Kooperation usw. unterfertigen.
Firnberg berichtete dann gleich, dass neben diesen generellen Abkommen
jetzt bereits ein Abkommen über Energieforschung und -entwicklung, d.h.
ein konkreter Arbeitsauftrag vorliegt, und dass auch auf dem Sektor
de Atomforschung die Zusammenarbeit beabsichtigt sei. Kreisky schnitt
dann die Wirtschaftsfragen an, stellte fest, dass sich im letzten Jahr
die Entwicklung nicht sehr positiv darstellt. Manescu in seiner
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Erwiderung meinte sogar, von 1971–1975 ist das Aussenhandelsvolumen
gestiegen, 1976 wird es unter dem Niveau 1975 liegen. Kreisky ging
sofort auf die Kreditwünsche ein und meinte, bei uns gäbe es keine
Staatskredite, ausgenommen Portugal, er meinte, damit den EFTA-Rahmen
von 100 Mill. $, wohl aber Kredithaftungen. Er könne sich vorstellen,
dass die Kontrollbank einen Rahmenkredit von 2 Mia. S gibt, wie Polen auch
einen für 3 Mia. bekommen hat. Für keinen Staat gibt es besonderes
Kreditkonditionen sondern dies sei ein normaler Exportförderungskredit.
Manescu war mit dieser Auskunft nicht sehr zufrieden, denn er meint,
es müsse der Zinssatz für Rumänien so hoch sein wie für die Ent-
wicklungsländer und 15 bis 20 Jahre gewährt werden. Die Rückzahlung
sollte bei Produktionsbeginn starten. Ausserdem erwartet Rumänien,
dass es mit den österreichischen Krediten auch in andere Länder
Ergänzungskäufe tätigen kann, wenn sie bei österreichischen Maschinen
oder Anlagen solche Ergänzungen bräuchten. Kreisky fragte Veselsky, ob
ein solcher Entwicklungsländerkreditsatz tatsächlich existiert, was
dieser verneinte. In der Regierungsvorbesprechung habe ich dann, da
Androsch anwesend war, dieses Problem neuerdings zur Sprache gebracht,
Androsch erinnerte sich, dass sehr wohl für Entwicklungsländer ein spezi-
fischer Kreditsatz gegeben wurde.
ANMERKUNG FÜR MEISL UND WAIS: Min.Rat Müller solle eine Zusammenstellung
der Kreditmöglichkeiten und Auslastungen in Tabellenform erstellen.
Kreisky war scheinbar nicht besonders interessiert oder vorbereitet,
selbst die Verhandlungen zu führen, weshalb er sofort erklärte, der
Handelsminister wird jetzt die Details referieren. Zum Glück hatte
ich vom Handelsdelegierten Orisich eine schöne Zusammenstellung, welche
Anlagen die österreichische Firmen in den letzten Jahren offeriert
hatten und von der rumänischen Seit abgelehnt wurden. Ich zählte des-
halb die wichtigsten auf um zu demonstrieren, dass sich Österreich
sehr bemühte, aber nicht zum Zuge kam. Dann erwähnte ich die Be-
sprechungen, die ich mit Avram resp. mit Stanciu bereits vorige
Woche geführt hatte. Die gemeinsamen Projekte, die dann Manescu
auch erwähnte, sehen eine ungeheure Aktivität Österreichs in
Rumänien vor, ohne dass allerdings das Problem der Finanzierung
auch nur annähernd geregelt war. Manescu möchte vor allem auch,
dass Österreich mehr maschinelle Anlagen kauft.Derzeit ist es nach
seinen Aufzeichnung 1:100 Maschinenexporte nach Österreich und
35:100 bei Maschinen und Anlagenimporten nach Rumänien. Mit Hilfe
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der Kooperationen in Rumänien aber vor allem auch in Dritt-
ländern soll jetzt die rumänische Seite instandgesetzt werden,
mehr österreichische Waren zu beziehen. Das Prinzip wäre, dass
wie Kreisky dann spezifisch erörterte, Rumänien Anteil von österr.
Aufträgen übernimmt und dadurch seine Zahlungsbilanz verbessert.
Andererseits all Österreich in Drittgeschäfte der Rumänen einsteigen,
wo dann die Rumänen, da Österreich als Zulieferer auftritt, die
Anlage erstellen kann und dann einen Grossteil des Erlöses dem österr.
Clearing überträgt. Den Rumänen schwebt ebenfalls eine Verdoppe-
lung des Aussenhandelsvolumens innerhalb eines 5-Jahresplanes vor.
Die Rumänen haben mit einigen Firmen insbesondere mit Steyr-Daimler-
Puch konkretere Gespräche geführt. So zumindestens behaupteten
sie und legten auch ein Memorandum vor, wo einige Punkte erwähnt
wurden. Gen.Dir. Malzacher, den ich abends dann beim Essen traf,
meinte, sie hätten erst zwei unverbindliche Gespräche geführt,
würden diese aber jetzt in Steyr fortsetzen. Malzacher ist daran sehr
interessiert, ähnlich wie mit Polen, einen solchen Kooperationsvertrag
zustandezubringen. Jetzt werden Lastwagen von den entsprechenden
Ländern übernommen, später dann allerdings in hundertprozentiger
Kompensation wieder zurückbezahlt. Was Malzacher dann mit diesen
Lieferungen anfangen wird, kann ich mir nicht sehr gut vorstellen.
Momentan allerdings kriegt er eine Entlastung seiner überhöhten
Lager. Die Oststaaten können nämlich sehr wohl jede Menge von
Lastwagen brauchen, besonders dann, wenn sie sie nicht sofort bezahlen
müssen.
In die Ministerratsvorbesprechung kam ich wegen der Rumänien-
Verhandlungen mit Avram zu spät. Es war von der ganzen Repräsenta-
tionsdiskussion nur mehr die Frage der Pokale im Gespräch. Bielka, der
auch nicht mehr besonders aufmerksam mehr scheinbar zuhörte und den
ich fragte, meinte nur, man hätte beschlossen, in Repräsentations-
fragen jetzt in Angriff überzugehen und insbesondere die Aufwendungen
der Landeshauptleute herauszustreichen. Kreisky hat von seinen
Bürgerversammlungen in der Steiermark wieder eine ganze Reihe von
Problemen gehört und zur Sprache gebracht, die ärztliche Versorgung
ist dort katastrophal und auch die zahnärztliche ist sehr im
Argen. Leodolter erwiderte, dass 300 als Praktiker jetzt ausgebildet
werden soll, auch bei den Zahnärzten 130 in
Ausbildung sind und 60 hinzukommen. Wenn man bedenkt, dass dieses
Problem vor Jahrzehnten beschlossen wurde und sich jetzt auszuwirken
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beginnt, so sieht man, wie vorsichtig man bei Massnahmen vorgehen
sollte. Die Ärzte haben ihre Wünsche durchgesetzt, die Regierung hat
akzeptiert, weil man sich das Image eine hochentwickelten durch
Ärzte und nicht Dentisten versorgtes Land geben möchte und in der
Übergangsphase leidet die Bevölkerung. Überhaupt komme ich immer
mehr drauf, dass die Details viel zu wenige beachtet werden.
Rösch z.B berichtete über die geheime Sprachenerhebung. Der Verfassungs-
dienst sagte, das ist eine Angelegenheit der Gemeinden. Rösch repli-
ziert, dann gibt es 21 verschiedene Gemeindewahlordnungen. Broda
berichtete, dass die Industriellenvereinigung wieder eine Versicherung
die das Sozialministerium für Lohnausfall vorsieht, nicht machen kann,
weil es nicht in das Justizressort fällt und daher auch er weder
dafür noch dagegen sein möchte. Blecha hat jetzt von allen europä-
ischen Staaten Jugenduntersuchungen und festgestellt, dass Jugendliche
zum grössten Teil konservativ wählen. Warum wir dann das
Wahlalter von 19 auf 18 Jahre herabsetzen, was uns nach Blechas Meinung
mindestens 1 Mandat kostet, ist mir unerklärlich. In Europa gibt
es nur 3 oder 4 Länder, darunter Schweden, die bereits das Wahlalter auf
18 Jahre gesenkt haben. Kreisky meint, man müsste sich mehr um die
Jugend annehmen. Das Zentralsekretariat muss entsprechende Vorschläge
machen. Wenn bei der nächsten Wahl aber statt vier Jahrgänge der Jugendli-
chen zur Wahl gehen, die mehrheitlich gegen uns sind, wir dann noch einen
5. Jahrgang dazunehmen, wird dies nicht gerade sehr zielführend sein.
Trotz der grössten Aufklärungen und Bemühungen, die Jugend zu gewinnen.
Kritisch wird die Situation auch durch einige Negativ-Massnahmen
gegen die Jugend. Die Gemeinde Wien erwartet, dass die Polizei gegebenen-
falls die Arena räumt, Dies wird auch einen schlechten Eindruck auf die
Masse der Jugendlichen machen und wahrscheinlich auch gar nicht möglich sei.
Wenn die Polizei auf Aufforderung der Gemeinde Wien einschreiten müsste
wird vorher mir Kreisky zu verhandeln sein. Bei alle diesen Diskussionen
bin ich glücklich, dass ich doch verhältnismässig wenig Exekutivarbeit
zu leisten habe. Wenn man von der Elektrizitätswirtschaft absieht,
ist eigentlich sonst kaum in meinem Ressort irgendeine kritische Stelle
solange die Wirtschaft normal läuft, d.h. nicht eine Krisensituation
im spezifischen auftritt. Allerdings muss ich auch festhalten, dass
bei dieser Vielzahl der Kompetenzen eine Exekution auf mehreren Ge-
bieten gar nicht möglich wäre. In diesem Falle wäre es eben so wie
es früher im Handels- und Bautenministerium gemeinsam gewesen ist, der
Minister kann sich beim besten Willen nicht auch nur annähernd um
die ganzen Fragen kümmern.
Die zwei Essen, mittags Bundespräsident, abends Bundeskanzler,
haben mich in der Auffassung verstärkt, dass wir hier eine
Änderung wirklich vornehmen sollten und könnten. Jetzt im Zuge
der Repräsentationsersparnisse und der Diskussion in der Öffent-
lichkeit wäre die Gelegenheit, diese sinnlosen Essen einzuschränken.
Alle stöhnen darunter, niemand will sie angeblich und das Proto-
koll schleppt sie weiter fort, als wenn nichts geschehen wäre
oder nichts geschieht. Der Schah hat beim Staatsbesuch in Iran
sogar schon einen Anfang gemacht. Das Conterdinner – wie es so
schön heisst – ist entfallen. Meiner Meinung nach könnte man inso-
fern noch weiter gehen, als man bei jedem Staatsbesuch ein
einziges Essen des höchsten Repräsentanten gibt, kein Gegenessen
und damit alle zufrieden wären. Wer wird dies aber durchsetzen?
Lütgendorf erklärte mir, er sei sich darüber klar gewesen, dass
früher oder später die Frage des Atommülls bei ihm landen wird.
Lütgendorf ist aber der Meinung, dass der Truppenübungsplatz
Allentsteig unter gar keinen Umständen in Frage kommt. Dort hätte
er – wie er sich ausdrückte – oft hunderttausende Soldaten im
Einsatz- Seiner Meinung nach sollte man das Lizum – ein Artillerie-
übungsplatz im Gebirge – dafür heranziehen. Wir einigten uns darauf,
dass Lütgendorf jetzt einen Mann seines Vertrauens zu Sekt.Chef Frank
schicken wird, damit dieses Problem abgeklärt wird.
Tagesprogramm, 27.9.1976
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)