Mittwoch, der 14. Juli 1976

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Mittwoch, 14. Juli 1976

Gen.Dir.Bauer kam mit Gen.Dir. Mieling, weil die Internationalen
unbedingt jetzt mit mir über einen Preisantrag reden wollten. Die
Ölwirtschaft möchte in Hinkunft nicht mehr einen Preisantrag stellen,
wo sie sofort auf so grossen Widerstand stosst, dass dieser nicht
einmal behandelt wird. Eine Aussprache der Internationalen, aber
auch der ÖMV mit Präsident Benya hat ergeben, dass sie heuer nicht
mehr mit einer Preiserhöhung rechnen können. Benya hat ihnen klar ge-
macht, dass maximal maximal einmal im Jahr eine Preiskorrektur er-
folgen kann. Die Arbeiterkammer wird sich die Bilanzen genau an-
schauen. Mieling meinte aber die RAG hätte ihre Gewinne in Ägypten
investiert und die ÖMV in Persien und sonstigen afrikanischen Län-
der wo in anderen europäischen Staaten durchgeführt wurden. Ich
setzte beiden auseinander, dass die öffentliche Meinung, wenn sie
diesen Tatbestand einmal z.B. von Staberl erläutert bekommt, keines-
falls sehr positiv darauf reagieren wird. Gewinne bei den österrei-
chischen Ölbohrungen werden nicht den österreichischen Konsumenten
weitergegeben, sondern dazu benützt, um im Ausland Aktivitäten zu ent-
falten. Jedermann wird sagen, was interessieren uns die Bloßfüßigen.
Wenn man tatsächlich dort auf Öl oder Gas stosst hat man nur grosse
Schwierigkeiten seine Rechte dann einigermassen durchzusetzen. Mieling
richtete an mich die Frage, wie der Preisantrag der Volkswirtschaft
am besten begründet werden kann und welchen Antrag ich hier am meisten
bevorzugen würde. Da ich überzeugt bin, dass keine wie immer geartete
befriedigende Lösung jetzt in nächster Zeit gefunden werden kann,
meinte ich, am besten sei es die Preise frei zu geben und den Welt-
markt in Österreich auswirken zu lassen. In der Bundesrepublik ge-
schieht dies und die Preise sind dort annähernd so hoch wie bei
uns. Bauer war von dieser Mitteilung sehr erschüttert und meinte,
dann müsste man allerdings mit der Arbeitslosigkeit in der Ölbranche
rechnen. Als Ausgleich wollen die Ölgesellschaften, dass der Heizöl-
schwer-Preis von 1.350 auf 1.500 Schilling erhöht wird. Sie behaupten
sie könnten diese Preiserhöhung jetzt lukrieren, da Heizöl schwer
knapp wird. Derzeit wird nicht mehr unter den 1.350 verkauft. Da der
Heizöl-schwer-Preis von der Paritätischen Kommission bestimmt wird
und nicht von der Preisbehörde, werden sie sich jetzt neuerdings
an die Arbeiterkammer wenden.



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Mit Bauer besprach ich dann allein die Rohölpreise von der Sowjet-
union. Die Volksstimme hat auf Grund der Exportstatistik nachge-
wiesen, dass der Rohölpreis aus Russland wesentlich tiefer ist als
die Internationalen und auch die ÖMV von den anderen Ländern be-
kommen. Bauer musste zugeben, dass tatsächlich der sowjetische Preis
sich franko Grenze wesentlich tiefer ist. Diesen Preis führt er auf
die besonders tiefen Frachten der sowjetischen Schiffe, die franko
Triest angeblich mit alten Tankern liefern.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte von Elsinger Aufstellung und Aufklärung
der Rohölpreisdifferenzen verlangen.

Gen.Dir. Seefranz von der Unilever kam mit den beiden Betriebsräten
vom Atzgersdorfer Werk Bayer und von der chemischen Fabrik in Simme-
ring, um offene Fragen gemeinsam zu besprechen. Seefranz versuchte
mit Recht und die Betriebsräte stimmen dem zu, die Selbstständigkeit
der Unilever Österreich im Rahmen des internationalen Konzernes soweit
als möglich zu erhalten. Bayer hat eine französische Betriebsrats-
delegation eingeladen, die übrigens dann beim 1. Mai die KP-Bühne
schmückte. Seefranz hat meiner Meinung nach zu Recht, und ich habe
damals mich auch eingeschaltet und dies unseren Betriebsräten klarge-
macht, diese Delegation nicht in Werken empfangen. Die österreichi-
schen Betriebsräte fürchteten nun, dass in Hinkunft kein Kollege von
ihnen die österreichischen Betriebe betreten dürfe. Unter anderem
kommt jetzt vom Konzernbetrieb in Deutschland der Betriebsratsobmann
Hopf. Selbstverständlich hat Seefranz keine Bedenken diesen Mann überall
hinzulassen. Seefranz ist es aber geglückt Exporte insbesondere nach
Afrika aufzubauen. In Nigeria z.B. haben sie eine Fabrik, die
28.000 Tonnen Bedarf nur mit 12.000 derzeit eigene Produktion be-
friedigen kann. Deshalb werden dort 6.000 Tonnen Waschpulver von
Österreich hin exportiert.. Nach Singapur, Hongkong, ja selbst nach
Italien wird derzeit cif exportiert. Die Exporte machen jetzt schon
180 Mio. Schilling aus. Die Waschmittelfabrik braucht diese Exporte,
denn der Marktanteil ist von 68 % auf 20 % in Österreich gesunken.
Persil hat in der Zwischenzeit 35 % erreicht und die grösste Konkurrenz
ist von Procter & Gamble der als reine Importfirma sich ebenfalls
schon den Marktanteil von 35% erkämpft hat. Seefranz hat ein schweres
Erbe angetreten, denn das Jahr 1974, für das er nicht verantwortlich
war, aber schon Generaldirektor, hat schlecht abgeschnitten. Im Jahre


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1975 schaut es jetzt besser aus. Die Unileverkonzernspitze möchte
die Multinationalisierung fortsetzen. Die sogenannte internationale
Produktkoordination und Errichtung von Profizenter fürchtet Seefranz
die Eigenständigkeit zu verlieren. Derzeit kommt ihm noch zugute,
dass Österreich ein neutrales Land ist, dass dort eine spezifische
österreichische Szene mit der Paritätischen Kommission und mit der
Sozialpartnerschaft besteht und dass deshalb österreichische Unilever-
betriebe als gigantisch im Verhältnis zu anderen Staaten gelten,
weil doch immerhin mit 5 Mia. Umsatz und 5.000 Beschäftigten diese
einen übergrossen Anteil an der österreichischen Wirtschaft dar-
stellen. Die drei grossen neuen Werke, Chemie in Simmering, Allpack
die Verpackungsindustrie in Atzgersdorf, die z.B. imstande ist nach
Irak Papierbecher zu exportieren und vor allem aber Eskimo ganz
neue Tiefkühlfabrik sind Betriebe, die sich nicht nur sehen-lassen
können, sondern die auch im internationalen Rahmen Unilevers eine
Rolle spielen. Natürlich haben sowohl ich, aber auch die Betriebs-
räte Seefranz versichert, dass wir ihn in diesen Bemühungen ständig
unterstützen werden. Die Sprache kam auch auf die Ölextraktion,
welche Unilever doch früher oder später glaube ich errichten wird.
Seefranz versicherte, dass der früheste Zeitpunkt die Eröffnung
des Rhein-Main-Donau-Kanales sei. Wenn er auf österreichische Saaten
aufbauend eine 100.000 Tonnen-Fabrik errichtet, ist sie zu klein.
Eine grössere Einheit braucht aber dann einen entsprechenden Schutz.
Ich ersuchte Seefranz schon jetzt alles vorzubereiten, damit die
Grundstücke dann im Wasserweg zur Verfügung stehen und die notwendigen
Vorarbeiten vorangetrieben werden. Derzeit errechnet die Unilever
noch eine 30%ige Erhöhung der Speisefette und Ölpreise, wenn eine
österreichische Fabrik errichtet wird gegenüber den jetzt freien
Importen. Natürlich ist die Arbeiterkammer ganz entschieden gegen
diese Verteuerung. Ich habe nach einer Aussprache mit Zöllner und
Blaha den Eindruck, dass sie noch mit sich reden lassen, weil ich
ihnen auseinandersetzte, wir müssten diese 50.000 ha für die Land-
wirtschaft erschliessen, weil wir die Getreideproduktion umschichten
müssen und Ölfrüchte nicht nur wegen der Wirtschaftlichen Landesver-
teidigung, sondern allein schon aus agrarpolitischen Verhältnissen
früher oder später werden anbauen müssen.

Die Verhandlungen zwischen der GKB und der ÖDK über einen Kohlen-
liefervertrag ziehen sich seit Monaten dahin und es war mir voll-
kommen klar, dass ich jetzt die letzte Entscheidung treffen musste.



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Die Elektrizitätswirtschaft ist nicht bereit Kalkulationen von
der GKB anzuerkennen. Im Oktober hatte die GKB bereits die Unter-
lagen geliefert und war 112.71 Schilling Wärmepreis gekommen. Dem-
gegenüber hat die ÖDK selbst unter Anerkennung eines 12%igen Ge-
winnes, 97.7 berechnet. In der GKB-Kalkulation sind 17% kalkula-
torische Abschreibung, 23% kalkulatorische Zinsen und andere Reserven
meint die ÖDK. Ich schaltete mich jetzt in die Verhandlungen ein,
indem ich bilateral einmal mit der Elektrizitätswirtschaft, dann mit
den Kohlenleuten Besprechungen führte. Ich charakterisierte die
Lage, dass die GKB zwar sehr gute Kalkulationsrichtlinien hat, dafür
aber schlechte Erträge. Die Elektrizitätswirtschaft schlechte Kal-
kulationen von der Preisbehörde, d.h. von mir genehmigt bekommt, dafür
aber gute Bilanzen hat. Entscheidend ist für mich und auch wie die
Erfolge zeigen, eben nicht die Kalkulation sondern welches Produkt
man erzeugt. Bergbau ist sehr riskant und bringt normalerweise keine
Supergewinne, sondern ganz im Gegenteil rote Zahlen. Da die Produk-
tion erst 1986, vielleicht schon 1983 aufgenommen wird, ist es sehr
schwer für diesen Liefertermin dann jetzt schon Preise festzulegen
und auch wenn mit Gleitklausel versehen die richtige Höhe und Vor-
gangsweise zu treffen. Nachdem keiner der Beteiligten von seinem
Standpunkt abweichen konnte, erwarteten sie von mir, dass ich natür-
lich irgendwo ein Kompromiss finde, das beide akzeptieren konnten.
Wir einigten uns dann interessanterweise auf die 112.71, die be-
reits in meinen Ministerratsvortrag vor Jahren erwähnt wurden. Das
Entgegenkommen der GKB bestand darin, dass sie den damaligen Preis
auf die jetzige Juli-Basis transparierte. Die Verbundgesellschaft
hatte mir bereits vorher gesagt, dass sie diesen Preis akzeptieren
kann und will. Die Bankbreite von plus oder minus 5% war der ÖDK
zu hoch. Ich entschied dann auf plus oder minus 2.5%. Um die
1,250.000 Tonnen Jahresproduktion wird die ÖDK 1 Mio. abnehmen, die
STEWEAG hat Interesse an 300.000 Tonnen. Derzeit bezieht die STEWEAG
nur 180.000 plus 70.000 Option, also 250.000 bis 1983 vertraglich
abgesichert. Da die Kohle derzeit in einem Oberdorfer Revier aber
unter der Erde gewonnen wird, entstehen hohen Kosten. 1981 spätestens
muss daher diese Kohle auch für die STEWEAG durch Obertagbau ersetzt
werden. Die GKB braucht deshalb heute für Materialbestellung um
Errichtung von Bandanlagen usw. 6–7 Mio. Schilling. 1976 werden die


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Abräumgeräte 20% Anzahlung, 30 Mio. Schilling, fällig. 1977 dann
250 und in den Jahren 1978, 1979 je 150 bis 1980 dann 130 Mio
Schilling mitfinanziert sein wird. Mit 1.1.1979 soll der Abraum mit
10 Mio. Tonnen Tonnenwert. Die STEWEAG hat derzeit eine Frachtrefaktie
auf den Kohlenpreis, den sie selbstverständlich auch beim neuen
Vertrag bekommen muss. Derzeit zahlt die ÖDK 103.– die STEWEAG
aber nur 95.–. Eine Meistbegünstigung konnte nicht vereinbart werden,
doch wurde festgelegt, dass die ÖDK mitbestimmen kann wie der STEWEAG
Preis ausschauen soll, damit dieser nicht tiefer ist als sie be-
zahlt. Der Frachtbonus würde ca. 8 Schilling für die STEWEAG betragen.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Wenn die Verhandlungen mit der STEWEAG nicht
positiv abgeschlossen werden könnten, müssen wir uns einschalten.

Ein weiteres Problem, das der Bergbau gemeinsam mit der ÖDK lösen
muss, ist die Entschweflungsanlage. Die steirischen Luftreinhalte-
gesetze sehen so geringen Schwefelgehalt vor, dass die 0.5 bis 1.5%igen
Schwefelanteile durch eine Anlage, die 500 Mio. Schilling kosten würde,
entschwefelt gehörten. Dies würde 15 Groschen für die kW-Stunde be-
deuten, was allein vom Preis gar nicht möglich ist. Darüber hinaus aber
ist nicht genug Wasser vorhanden um eine Entschwefelungsanlage dort
bauen zu können. Ich bin überzeugt, dass wir für das Krisengebiet
Köflach eine Ausnahme bekommen können, trotzdem wird sich die GKB
jetzt sofort mit der Steirischen Landesregierung in Verbindung setzen.
Falls auf Betriebsebene nichts zu erreichen ist, werde ich mich mit
Niederl diesbezüglich auseinandersetzen. Ich zweifle nicht, dass ich eine
solche Ausnahmegenehmigung bekommen kann. Schlimmstenfalls werden
wird in dem Gebiet eine Umfrage machen, ob die Leute einverstanden
sind, dass ein Kraftwerk errichtet wird. In Notstandsgebieten haben
nämlich die Umweltschützer kaum Chancen mit ihren zwar richtigen und
sicherlich auch in Zukunft noch stärker einschränkenden Gesetzen
durchzudringen.

Zum grössten Teil die schwierigsten Verhandlungen waren aber die
Agrarpreise. Die Vorbesprechung ergab, zu der Androsch zu spät kam,
dass Kreisky unter gar keinen Umständen eine Konfrontation mit den
Bauern möchte. Er sagt mit Recht, dass die ausländischen Beispiele
zeigen, dass einer Regierung, der es nicht gelingt die Bauern einiger-
massen zu befriedigen, ungeheure Schwierigkeiten erwachsen. In


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Frankreich wird, nicht zuletzt durch die Dürre, Milliardenbeträge
jetzt im Budget bereitgestellt werden müssen. In der Bundesrepublik und
in der EG, überhaupt wird eine Agrarpolitik betrieben, die jetzt von den
Staaten ungeheure Zuschüsse verlangt. Trotzdem gibt es dort eine
irrsinnig aufgebrachte Bauernschaft, während es in Österreich noch
verhältnismässig ruhig ist. Nur der Allgemeine Bauernverband hat jetzt
die Kärntner Bauernkammer besetzt und versucht die Bauern zu radikali-
sieren. Es müsste gelingen eine einvernehmliche Lösung zu erzielen.
Kreisky hat mit Benya gesprochen und dieser meint, dass höchstens
der Verbraucherpreis um 1 Schilling erhöht werden darf. Die Preise
dürften auch für Brot und Gebäck erst mit Feber festgelegt werden.
Hier kommen wir überein, dass es unmöglich ist, mit 1 Schilling
durchzukommen. Der Finanzminister hat auch keine Möglichkeiten im
nächsten Jahr weitere Stützungsmittel zur Verfügung zu stellen, wes-
halb mit Anfang des Jahres die Preiserhöhung durchgeführt werden soll.
Krämer von der Arbeiterkammer, der den Index auch am besten kennt,
meint dass der 1. Jänner auf alle Fälle der günstigste Zeitpunkt ist.
Ich selbst habe immer dafür plädiert, weil im Jänner die Leute auf
Urlaub sind und daher Preiserhöhungen am wenigsten in der Öffentlich-
keit diskutiert werden.

Weihs will, um die Agrarpolitik den Konsumenten auch einigermassen ver-
ständlich zu machen, im Oktober 5.000 Tonnen Fleisch verbilligt
abgeben. Ebenso soll eine Emmentaler-Verbilligungsaktion gestartet
werden. Im Jänner glaubt er 2–3000 Tonnen Butter wieder um 14.–
Schilling verbilligt abgeben zu können. Ebenso soll eine Rindfleisch-
aktion 14 Tage nach Ostern gestartet werden. Weihs schlägt Kreisky
sofort die Erzeugermilchpreiserhöhung von 20 Groschen I. Qualität und
10 Groschen II.Qualität vor. Da ich bei einer Vorbesprechung mit der
Arbeiterkammer ebenfalls diese Variante als letztmögliche errechnet
habe und die Arbeiterkammer und der GEWERKSCHAFTSBUND dem zustimmten,
habe ich mich dagegen nicht gewehrt. Der Finanzminister war dann aber
bei der Sitzung, wo Kreisky sofort mit diesen Vorschlag gekommen ist,
sehr erbost. Insbesondere bei einer Schillingverbraucherpreiserhöhung
hätte er nur mehr, wie er ausrechnete, 150 Mio. Schilling Stützungs-
abbau gehabt. Unter diesen Umständen sagte er, verzichtet er lieber
gleich darauf, wenn man die Preiserhöhung letzten Endes den Finanz-
minister in die Schuhe schiebt und er hat in Wirklichkeit gar nichts
davon. Sehr zum Unterschied von 1968, wo von 1 Schilling Milchpreis-
erhöhung der Bund grössten Anteil hatte. Damals wurde die staatliche


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Stützung von 90 Groschen auf 48 Groschen erhöht und der Finanz-
minister hat 450 Mio. Schilling ohne Spannen eingespart.

Da die Auswirkungen der Milchpreis und Getreidepreiserhöhung auf
die Verbraucher überwälzt wird, haben wir in der Vorbesprechung auch fest-
gelegt, dass der Finanzminister für die Ausgleichszulagenempfänger
mindestens 50 Schilling pro Monat, d.s. mal 14.700 Schilling,
mal 360.000 Empfänger, nach Berechnungen von Schranz 250–300 Mio.,
und interessanterweise vom Finanzminister berechnet, über 300 Mio.
Schilling, die er aufbringen müsste. Die Bergbauern möchte Kreisky
die Direkthilfe von derzeit 3.000 Schilling ebenfalls erhöhen.Derzeit
sind 44.000 Bergbauern in dieser dritten Kategorie.Politisch gesehen
wird Kreisky natürlich nicht die Stützungsabbauerträgnisse dafür
verwenden, sondern ausdrücklich sagen, dafür wird die Vermögenssteuer
erhöht. Wenn sich die Handelskammer aufregt, wird man glaube ich rich-
tig argumentieren, der ÖAAB sagt ja immer, die Reichen werden reicher
und die Armen ärmer. Die Vermögenssteuer soll daher zur Abstützung
der Belastung der Rentner und auch der Bergbauern herangezogen werden.
Solange Kreisky so eine geschickte Politik macht, habe ich das Ge-
fühl hat die ÖVP wirklich keine Chance Boden zu gewinnen.

Die Verhandlungen gestalteten sich sehr schwierig, waren aber doch
in einem verhältnismässig guten Klima. Vor der Sitzung ist Minkowitsch
zu mir gekommen und meinte, wir sollten die kritische Situation nicht
unterschätzen. Sie sind unter einem ungeheuren Druck, die Bauernführer
sind noch im Bauernbund versammelt um letzten Endes zu entscheiden,
ob die Verhandler annehmen können. Ich sicherte Minkowitsch zu, dass
ich ihre Situation vollkommen verstehe, das Maximum aber ist, das ich
nichts reden werde. Natürlich konnte ich mich dann selbst an diese
Erklärung nicht halten. Ich hätte nicht erwartet, dass es Kreisky ge-
lingt, letzten Endes eine Zustimmung der Bauern zu den ganzen Paket
zu erhalten. Bis jetzt haben die Bauern immer in den Verhandlungen
optimales herausgeholt und dann erklärt, sie nehmen dieses Diktat der
Regierung mehr oder minder zur Kenntnis. Diesmal ist erstmalig ein-
deutig festgehalten werden, dass dieses Kompromiss, was wir dann er-
zielten, auch ihre Zustimmung findet. Neu war auch, dass in der letzten
Phase, wo Kreisky noch immer für den Normalweizen nur 7–8 Groschen
angeboten hatte, Benya Kreisky ersuchte, unter vier Augen mit ihm
sprechen zu können. Bis jetzt war es immer so, dass Minkowitsch eigent-
lich der Wortführer war. Die Bauern waren diesmal auch viel gemässigter


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als sonst. Ganz besonders der sonst so radikale Bierbaum, war
für mich fast nicht wiederzuerkennen. Als ich ihm nach der Sitzung
vorschlug jetzt müssen wir über das Exportmodell reden, war er nicht
nur sofort dafür, sondern meinte, er werde alles daransetzen, damit
wir nur mehr Qualitätsweizen erzeugen, dass die DURUM-Produktion
wesentlich erhöht wird und dass er bittet, nicht wir sollen warten
was sie vorschlagen, sondern wir sollen uns sofort zusammensetzen
um gemeinsam ein Modell zu erstellen.

ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte sofort die Verhandlungen mit allen
Interessenvertretungen und Landwirtschaftsministerium einleiten.

Die grösste Schwierigkeit war der Milchpreis. Selbst bei 1.20 Schil-
ling rechnete Wejwoda aus, kann es sich nicht ausgehen. Der Trink-
milcherlös ist 486 Mio. Die Produkte bringen 507 Mio. Insgesamt also
993 Mio Schilling. Dem steht gegenüber, dass der Milchwirtschafts-
fonds 458 Mio. Schilling Subvention verliert. 120 Mio. Schilling muss
durch 7 Groschen Qualitätszuschlagsstützung eingespart werden, dies
sind 580 Mio. Schilling allein. Der Finanzminister erklärte sich be-
reit, die 30 Mio. Schulmilchstützung, die jetzt vom Milchwirtschafts-
fonds bezahlt wird, in Hinkunft im Budget besonders zu veranschlagen
und zu dotieren. Dadurch verringert sich der Einsparungsbetrag auf
550 Mio. Schilling. Die Schulmilchaktion ist gesichert. Die Arbeiter-
kammer ist mit dieser Vorgangsweise sehr einverstanden gewesen, weil
bis jetzt wurde immer von den Agrariern im Milchfonds dafür eine
Kompensation verlangt. Schon zu meiner Zeit, als ich die Schul-
milchaktion einführte, musste ich entsprechende Zugeständnisse dafür
den Bauern auf anderen Gebieten machen. Blaha, der mein Erbe ange-
treten hat, bestätigt mir, dass die Schulmilchaktion unter allen
Umständen erhalten bleiben muss, gleichzeitig aber eben eine finan-
zielle Bedeckung jetzt durch das Budget gefunden werden soll. Wejwoda
rechnete dann noch nur 18 Groschen Erzeugerpreiserhöhung dazu, das
macht 380 Mio. Schilling, insgesamt also 930 schon, ohne dass die
Löhne und der Sachaufwand gedeckt werden. Dafür stünden nach seiner
Berechnung nur mehr 63 Mio Schilling zur Verfügung. Abgesehen davon,
dass der Erzeugerpreis mehr wie 18 Groschen, nämlich 18.2 ausmacht,
die Landwirtschaft nur 75 Mio. Schilling für die Löhne veranschlagt.
Der Finanzminister hat aber erklärt, dass 200 Mio. Schilling dafür
notwendig sein werden. Die Sachkosten 40 Mio und die Transportkosten-


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erhöhung 3 Groschen pro Kilogramm von 64 Mio. ist ebenfalls noch
unberücksichtigt. Dazu kam, dass Brandstätter unter gar keinen Um-
ständen die Finanzierung zwischen 20 und 10 Groschen für II. Qualität
akzeptieren wollte. Er meinte, er hätte seinerzeit-für die Qualitäts-
milch plädiert, aber nun sei die Differenz zwischen I. und II.Qualität
schon viel zu gross. Ich erklärte, dass eben die Erhöhungen der Ver-
braucherpreise, die letzten Endes höher festgesetzt wurden als die
Landwirtschaftskammern beabsichtigt hatten, sicherlich nicht die
Deckung bringen können. Im Milchwirtschaftsfonds wird es notwendig
sein, daher neue Berechnungen anzustellen. Insbesondere wird man die
Magermilch und Vollmilch, die zur Vertrocknung resp. zur Kondens-
milcherzeugung geht, wesentlich mehr erhöhen müssen, als die Bauern
mit 5 Groschen und 15 Groschen vorgesehen haben. Allein bei der Mager-
milch sind 364 Mio. Schilling Stützungen, die eben zum grössten
Teil abgebaut werden müssen. Diese §3-Preisstützungen, die wie
Wejwoda richtig sagt, aus dem Ausgleichssystem sich ergeben, werden
in Hinkunft eben nicht mehr annähernd bezahlt werden können. Letzten
Endes akzeptierten die Bauern aber doch den Erzeugermilchpreisvor-
schlag, wobei allerdings Schmotzer nachher zu mir kam und meinte,
diese Lösung kostet den Bauern gleichzeitig eine wesentliche Er-
höhung des Krisengroschens. Nach seiner Berechnung wird die 2.400 To
Butterexport mit 4.74, 11.4 Mio. Schilling, die 18.500 To Käse mit
2.92 Schilling, 54 Mio. Schilling, die 7.900 To Weichkäse mit 2.60
Schilling, 20.5 Mio. Schilling, die 12.000 To Vollmilchpulver mit
2.– Schilling, 24 Mio. Schilling, die 8.200 To Magermilchpulver mit
2.16 Schilling, 0.4 Mio. Schilling, insgesamt also 126.3 Mio. Schilling
Mehrerfordernis für den Export bringen. Die Landwirtschaft ist
davon überzeugt, dass sie keine höheren Exportpreise erzielen wird.
Daher die höheren Erzeugerpreise und damit resultierende Verbrau-
cherpreise bei den Export entsprechend herabgestützt werden müssen.
Die Krisengroschenregelung sieht vor, dass die Krisengroschenerhöhung
zur Hälfte vom Finanzminister und zur Hälfte von den Bauern getragen
werden müssen. Jeder hat daher 3 Groschen zu tragen, was je 63 Mio.,
insgesamt also 126 Mio. erbringt. Da der Finanzminister überzeugt
ist, dass er mit den 3 Groschen Maximalsprung nicht auskommt, hat
er gleichzeitig vorgeschlagen, dass die neue Vereinbarung über den
Krisengroschen von maximal 3 auf maximal 5 Groschen erhöht wird.
Mein Einwand, dass vielleicht durch die Viehabschlachtung jetzt dann
die Milchanlieferung nicht steigen wird und dadurch nicht allzu grosse


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Mittel für den Krisengroschen mehr zusätzlich aufgebracht werden
müssen, stimmt, doch bedeutet dies, wie Wejwoda richtig meinte,
gleichzeitig auch eine entsprechende Ertragsminderung durch keine
Erlössteigerung für den Bauern. Wenn die Lieferung zurückgeht, ent-
steht sogar eine Ertragsminderung. Die Situation für die Bauern ist
auf dem Milchsektor wirklich nicht sehr angenehm. Die Vereinbarung
die letzten Endes dann aber die Zustimmung aller fand, hat folgenden
Wortlaut, ohne dass diese Vereinbarung unterschrieben, ja nicht ein-
mal geschrieben wurde. Der Getreidepreis für Weizen und Roggen wird
um 10 Groschen erhöht, für Qualitätsweizen 15, für Durum 25. Die
Bauern bekommen als Ausgleich heuer zu den Kontrakt, die dieses Jahr
auf der vereinbarten Fläche gebaut haben, die Möglichkeit 10% zu über-
decken. Berechnet wird diese Menge von der Kontraktfläche und diese
Überdeckung können nur die Kontraktweizenbauern in Anspruch nehmen.
Ausdrücklich wird festgehalten, dass Fläche zur Berechnung herangezogen
wird, dass aber auf diese theoretisch errechneten Mengen dann 10%
zusätzlich zugeschlagen werden können. Dieser Kontraktweizen kommt
selbstverständlich von Flächen, die nicht in die Kontraktweizenaktion
einbezogen wurden. Für nächstes Jahr nimmt Weihs in Aussicht, die
Kontraktweizenfläche von 71.000 um 15.000 ha zu erhöhen. Bierbaum
erklärt ausdrücklich, dass sie imstande sind, nächstes Jahr wesent-
lich mehr Kontraktweizen zu liefern und auch anzubauen. Die Land-
wirtschaftskammer verpflichtet sich ausserdem, dass die Füllweizen
"Grand" und sonstige Sorten mit Höchsterträgen nicht in die pannonischen
Anbaugebiete gebracht werden sollen. Die Füllweizenproduktion soll
maximal auf die jetzigen Anbauflächen beschränkt bleiben. Die Land-
wirtschaftskammer wird alles daransetzen, dass die Qualitätsweizen-
produktion nicht nur gefördert, sondern auch wesentlich erhöht wird.
Die Landwirtschaftskammer nimmt zur Kenntnis, dass es nur möglich ist,
Qualitätsweizen zu exportieren und deshalb so schnell als möglich gemein-
sam ein Exportmodell erstellt werden soll. Die Roggenpreiserhöhung
erfolgt ausschliesslich, um den Bauern im Waldviertel und Mühlviertel
Einkommensverbesserungen zu geben.

Der Milchpreis wird mit 20 Groschen für die I. Qualität und mit 10
Groschen für die II.Qualität festgesetzt. Der Verbrauchermilchpreis
darf um 1.20 Schilling erhöht werden. Die anderen Preise werden nicht
exakt festgelegt. Die Landwirtschaft rechnet aber, dass sie 6.– Schil-
ling für Butter, 4.– Schilling für Käse, wie für Topfen, Schlagobers
und Kaffeeobers erzielen kann. Trotzdem wird dieser Erlös nicht an-


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nähernd die notwendigen Kosten des Milchwirtschaftsfonds
decken. Da der Finanzminister nicht nur die 458 Mio. Schilling des
Fonds streichen wird, sondern auch die 7 Groschen Qualitätssubven-
tion, die 120 Mio. Schilling ausmacht. Der Finanzminister ist bereit,
30 Mio. Schilling für die Schulmilch, die bis jetzt den Defizit des
Fonds von ihm gedeckt wurde, in das Budget zu übernehmen. Damit ist
die Schulmilchaktion gesichert und der Milchwirtschaftsfonds damit
nicht mehr belastet.

Die Regierung wird, wie die Bauern verlangen und sich ausdrücken,
eine positive Viehabsatzstrategie betreiben. Der Finanzminister
ist sich vollkommen klar, dass er dadurch und dafür entsprechende
Budgetmittel wird zur Verfügung stellen müssen. Über die Höhe
sind keinerlei Aussagen möglich. Die Regierung wird durch geringe Impor-
te und durch Inlandsaktionen den Viehmarkt entlasten. Durch Fleisch-
verbilligung wird versucht den Überschuss wegzubringen. Durch den ge-
ringen Viehbestand hofft man, dass die Milchproduktion nicht weiter
steigt. Trotzdem wird es notwendig, die Krisengroschenvereinbarung,
die neu geschlossen werden wird, zu ändern. Der dort vorgesehene
3-Groschen-Maximalsprung wird auf 5 Groschen erhöht.

Die Mehrwertsteuer für die pauschalierten Betriebe wird von 6 auf 8%
erhöht. Das ganze ist ein Paket und tritt mit 1.1. in Kraft. Nur
die Getreidepreise werden sofort erhöht. Die Verbraucherpreise wer-
den mit Anfang des Jahres festgelegt. Die Verhandlungen darüber wer-
den im Herbst aufgenommen, da sie sich sehr schwierig gestalten
werden. Alle Beteiligten stimmen diesem Paket als Kompromiss zu.

31_0852_01

Tagesprogramm, 14.7.1976

31_0852_02

hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
GND ID: 119083906


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    Tätigkeit: GD ÖMV


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      Tätigkeit: GD Shell


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        Tätigkeit: Finanzminister
        GND ID: 118503049


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          Tätigkeit: AK


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            Tätigkeit: Beamter HM


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              Tätigkeit: Präs. Bauernbund
              GND ID: 118894366


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                Tätigkeit: LWK, Obmann Milchwirtschaftsfonds


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                  Tätigkeit: nö. ÖVP-LR, Präs. LWK NÖ


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                      GND ID: 1017902909


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: GS Präs.konf. LWK AR Verbund
                        GND ID: 12906288X


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Statistiker AK


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Kabinett Staribacher


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                              Tätigkeit: Unilever


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                                Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
                                GND ID: 130620351


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: AK


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg.


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: steir. LH, ÖVP


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: Bundeskanzler
                                        GND ID: 118566512


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