Donnerstag, 1. Juli 1976
Präs. Lehner, LR Bierbaum, Ing. Altmann urgierten neuerdings
wegen der Verhandlungen über den Getreidepreis. Ihrer Meinung
nach müsste nächste Woche die Entscheidung fallen. Sie erwarten,
dass auch der Normalweizenpreis erhöht wird. Bierbaum meinte,
man kann doch nicht einer Gruppe überhaupt nichts geben. Ich
erklärte neuerdings, eine Lösung über die Exportfrage sei selbst
die Voraussetzung, um für den Qualitätsweizen und Durum-Weizen
eine Preiserhöhung in Aussicht zu nehmen. Der Landwirtschafts-
kammer ist es furchtbar peinlich, dass sie ihre jetzt vorgelegten
Kalkulationen in absolutem Betrag eine geringere Erhöhung ergeben
als im Vorjahr. Zu diesem Zweck korrigieren sie jetzt die Ver-
zinsung von 4 auf 5,5 % für Maschinenkosten. Der Zinsanspruch für
Boden wird als Alternativer Pachtnutzungswert mit 1.100 kg
mal 2.70 S Normalweizenpreis minus Grundsteuer 670.– S gerechnet.
Ich konnte mir nicht verkneifen der Landwirtschaftskammer zu
empfehlen, sie sollte versuchen, die gesamte Fläche zu verpachten,
dann ergibt sich nämlich ein phantastischer Erlös für den
Bauern. Mir ist es nur recht, dass das Kalkulationsschema
ein so typisch falsches Bild ergibt. Natürlich ist gegenüber dem
Vorjahr keine Produktionskostensenkung in dem Ausmass wie
die Kalkulation ergibt, festzustellen. Dringend notwendig wäre,
dass sich die Witterungsverhältnisse verbessern und Regen
kommt. Die Landwirtschaft wird nämlich sonst die öffentliche
Meinung auf ihrer Seite haben, dass dann durch die Trockenheit
bedingt die Bauern nicht weiter mit Exportmodellen, Überschuss-
problemen usw. malträtieren soll. Wahrscheinlich wird Lehner
dann letzten Endes mit einer Bauerndelegation bei Kreisky auf-
kreuzen. Mit Benya hat er gesprochen, aber Minkowitsch oder
er konnten scheinbar Benya bis jetzt nicht umstimmen. Benya
allerdings als Sozialpartner meint mit Recht, dies sei Angelegen-
heit der Bundesregierung. Ich fürchte, dass ich hier kaum einen
Akkord erzielen werde.
Im Konsumentenpolitischen Beirat ging alles programmgemäss
über die Bühne. Vizepräsident LAbg. Dr. Ebert ist nach wie
vor bestrebt, unter Wahrung der Interessen seiner Mitglieder zu
einem Akkord zu kommen. Er akzeptierte sofort, dass der Wettbewerbs-
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ausschuss die Frage des Konsumentenschutzgesetzes neuerdings
behandeln soll.Staatsanwalt Dr. Keller als Vorsitzender der
Unterausschussgruppe hat taktisch den Fehler begangen, einen
kompletten Gesetzentwurf jetzt bereits in der Öffentlichkeit
jetzt vorzustellen. Mussils Wunsch war, die Handelskammer noch
einmal im Wettbewerbsausschuss damit einzuschalten. Ich erklärte
Mussil dezidiert, wenn sie im Handelsministerium-Wettbewerbsaus-
schuss nicht mitarbeitet, fürchte ich dass Broda den Gesetzent-
wurf, so wie er jetzt von Keller vorgeschlagen wurde, in die Begut-
achtung schicken wird. Mussil und Ebert wussten also von ihrem
Standpunkt aus gesehen, zwischen zwei Übel wählen, sie wählten selbst-
verständlich das Kleinere. Seidelmann von der Arbeiterkammer regte
an, dass man das Nettopreissystem neu überdenken sollte. Die Verord-
nungen laufen mit September ab, werden von mir sicherlich noch ein-
mal verlängert. Ich hatte bereits in der Arbeiterkammer, als wir gegen
die Mondpreise agierten und das Nettopreissystem dann auch tatsäch-
lich durchsetzten, schon damals meine Bedenken angemeldet. Mit dem
Nettopreissystem wurde die Informationsmöglichkeit für den Konsumenten
stark beeinträchtigt. Weder auf den Messen noch sonst bei Vorführungen
oder Demonstrationen kann der Verbraucher erfahren, was das Gerät
oder der Artikel für ihm auch nicht annähernd im Geschäft kosten wird.
Dies ist laut Nettopreisverordnung verboten, da es ja keine einheit-
lichen Verbraucherpreise insbesondere nicht von dem Erzeugern em-
pfohlenen geben darf. Sklavisch hat die Arbeiterkammer aber an dem
System festgehalten, besonders so lange die wirtschaftswissenschaft-
liche Abteilung von Prof. März geführt war und dort Frau Szecsi
einen intransigenten Standpunkt vertrat. Jetzt dürfte man in der
Arbeiterkammer in diesem Punkt beweglicher sein.
ANMERKUNG FÜR TIEBER: Bitte die Gelegenheit nützen um zu einer besseren
Lösung zu kommen, solange noch die Arbeiterkammer verhandlungsbereit
ist.
Die Enquete über Altstoffe, von Gröger geleitet, war in einem wesent-
lich kleineren Rahmen als ich vermutete. Nur einige Landesregierungen
haben ihre Altstoffreferenten geschickt. Vom Handelsministerium waren
mehr Beamte als Enquete-Teilnehmer. Trotzdem erscheint mir diese Zu-
sammenkunft sehr wertvoll. Die Länderreferenten haben gesehen, dass
das Handelsministerium bereit ist, hier wirklich aktiv zu arbeiten
ohne ihnen die Kompetenz zu nehmen. Ich erklärte ausdrücklich, dass
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im Gegensatz zu manchen mir unterschoben zentralistischen Tendenzen
ich beabsichtige die Länder und Gemeinden in Hinkunft bei Rohstoff-
lenkung usw. viel stärker einzuschalten als ich dies müsste. Humor-
voll meinte ich, der Slogan sei, wir schaffen an, sie sollen die
Arbeit haben. Wenn es gelingt, dass das Handelsministerium weitesgehendst delegiert, dann haben wir zwei Fliegen auf einen Schlag.
Wir sind ersten die Sorge um die Durchführung los und zweitens
wird die Verantwortung dann auf mehrere verteilt. Mit den derzeitigen
Beamtenapparat könnte ich eine wirklich annähernde befriedigende
Lösung gar nicht anbieten. Dr. Mitterhauser, der als junger agiler
Mitarbeiter bei Schleifer sich über diese Probleme auch den Kopf
zerbrochen hat, meint mit Recht, auch er hätte schlaflose Nächte
wenn er an die Durchführung denkt.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte alle Aktivitäten in Hinkunft
auf Delegation, Länder und Gemeinden aufbauen.
Die fraktionelle Vorberatung des Freien Wirtschaftsverbandes zum
Kammertag gab mir Gelegenheit, neuerdings unsere Genossen zu infor-
mieren, dass wir sehr wohl für den Klein-und Mittelbetrieb einiges
leisten. Mühlbacher, der Vorsitzende, ist ja selbst im BÜRGES-Beirat
und sieht deshalb, wie sehr dort die Kreditzuschüsse ständig steigen.
Mühlbacher selbst bekommt jetzt auch schön langsam Angst, ob wir
tatsächlich das immer steigende Volumen werden finanzieren können.
Den Angriff Mussils, der jetzt in einer Voraussendung schon behauptet,
das Handelsministerium hätte nur für die Industrie, nicht aber für die
Klein-und Mittelbetriebe etwas übrig, kann einfach entkräftet werden.
Mussil kritisiert, dass wir nur für die Industriestudie einen Leistungs-
bericht vorgelegt haben. In derselben Sitzung habe ich ihm aber zuge-
sichert, dass wir auch für die Mittelstandsbetriebe entsprechende
Untersuchungen und Rechenschaft ablegen werden.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte auch für Klein- und Mittelbetriebe
eine ähnliche Zusammenstellung wie für die Industriestudie machen lassen.
In der Lebensmittelarbeiter-Vorstandssitzung wurde der Bericht über die
Änderung des Kollektivvertragsanbot der Unternehmer nicht zur Kenntnis
genommen, die Verhandlungen werden fortgeführt. Da wir ständig mit
unseren fast 4 Dutzend Lohnverträgen in Verhandlungen sind, wurde der
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Rahmenkollektivvertrag durch Jahre jetzt vernachlässigt. Die Industrie
sieht ein, dass jetzt hier Korrekturen notwendig sind, bieten aber
nur ganz geringe Änderungen der Abfertigung an. Nach ihrer Auf-
fassung haben wir schon an der Spitze aller anderen Gewerkschaften
zu viel erreicht. Unser Bestreben ist aber, den Kollektivvertrag
an die Angestellten heranzuführen.
Die AEZ-Diskussion mit der JG war die ganzen zwei Stunden hindurch
sehr friedlich. Natürlich wurde ich auch hart attackiert, insbesondere
wegen der Preise und der Einkommen. Zum Schluss aber kam es dann
wegen der Gastarbeiter fast zu Raufereien zwischen den Diskutanten
untereinander. Es nicht zu glauben, wie dieses Thema die Leute noch
immer berührt- Jeder will die Arbeitskraft, aber keiner möchte sie als
Menschen akzeptieren.
Beim Empfang des kanadischen Botschafters der zurückkehrt, traf
ich Hendricks von der Warentreuhand, Er beschwerte sich bei mir,
dass er, obwohl er jetzt aus Kairo zurückgekommen ist, keine Chance
hat den Vorstand der CA über die Situation zu berichten. Hendricks gibt
zu, dass mit den Ägyptern nur dann ein grösseres Geschäft gemacht
werden kann, wenn tatsächlich eine gewisse Beteiligung österreichischer
Firmen an den Projekten erfolgt. Hendricks sieht in der Lösung wie sie
Kreisky vorgeschlagen hat, ägyptisch-österreichische Gesellschaft, den
einzigen Weg.
Beim Heurigenabend mit dem Gemeinderat hatte ich Gelegenheit, mit
Schnell über die Konsumentenerziehung zu sprechen. Schnell teilte mir
vertraulich mit, dass zwar die Lehrpläne von ihm ausgearbeitet wurden,
Sinowatz aber noch nicht so weit ist, dass er sie tatsächlich jetzt
schon aufnimmt. Seine Beamten dürften hier noch grossen Widerstand
leisten. Da wir versprochen haben, die Lehrpläne dem Beirat zur
Verfügung zu stellen, wird Schnell sie und übermitteln.
ANMERKUNG FÜR TIEBER: Bitte die Lehrplanentwürfe dann den einzelnen
Beiratsmitgliedern zustellen.
Tagesprogramm, 1.7.1976
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)