Dienstag, der 4. Mai 1976

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Dienstag, 4. Mai 1976

Dr. Schmidt, ÖGB, behauptet bei der Vorbesprechung des Preis-
unterausschusses für die einfachgesetzliche Regelung im Parlament,
die Lebensmittelarbeiter hätte in ihrer Zeitung einen Artikel, wo
sie sich lobend über die bisherige Tätigkeit der Fonds aussprechen.
Er betrachtet dies als eine Erschwerung der Verhandlungen des
ÖGB mit der anderen Seite, weil diese sofort diesen Artikel zitiert
haben. Abgesehen davon, dass ich diesen Artikel nicht kenne, kann
ich mir nicht vorstellen, dass dies auf die Verhandlungen wirklich
einen Einfluss genommen hat. Bei einer Aussprache mit Hofstetter
und Sallinger über die weitere Vorgangsweise konnte ich dann fest-
stellen, dass der ÖGB schon im Prinzip bereit war, für die Auf-
lösung des Viehverkehrsfonds offiziell eine ähnliche Organisation
zu schaffen. Es wird eine Kommission gegründet, deren Aufgabe es
ist, beratend dem Landwirtschaftsminister bei Importen und Exporten
Vorschläge zu unterbreiten und die entscheidend die Abschöpfung fest-
zulegen hat. Mit dieser Regelung hat sich Mussil mit seinem Kompro-
miss durchgesetzt. Die Bauern leisten hinhaltenden Widerstand,
werden – davon bin ich überzeugt – früher oder später dieses Kom-
promiss ebenfalls akzeptieren. Nur in der Organisationsänderung
der Fonds wird es eine kleine Verbesserung für die Konsumenten-
vertreter geben. Ansonsten – und es wäre nicht Österreich, wie ich
immer sage – kommt es zu einem Kompromiss und es bleibt im Prinzip
doch vieles beim Alten.

Im Unterausschuss ergibt sich eine lange Diskussion über die ver-
fassungsmässige Begründung der einfachgesetzlichen Preisregelung,
die Mussil selbstverständlich bestreitet. Er spricht von einer Ein-
tagsfliege, die die ÖVP sofort mit entsprechendem Antrag an den Ver-
fassungsgerichtshof, dieses Gesetz aufzuheben, beantworten wird.
Er ist fest davon überzeugt, dass es zu dieser Aufhebung kommt. Da
auf Grund der gesetzlichen Verfassungsbestimmung Gewerbeordnungs-
kompetenz nur die Letztverteilerstufe preisgeregelt werden kann,
spricht er von einem "Einzelhandelsvernichtungsgesetz". Jetzt in
der derzeitigen Preisregelung seien alle Stufen vom Erzeuger bis
zum Letztverteiler geregelt. Er gibt allerdings selbst gleich zu,
dass die Handelsstufen auch im Rahmen der Paritätischen Kommission
nicht geregelt sind. Der Unterausschuss kann und will gar nicht


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zu irgendeiner Sachdiskussion kommen, weil jedermann weiss, es
muss zuerst das Problem mit den Marktordnungen gelöst sein. Dann
werden Experten, die die drei Parteien nominieren, versuchen, auf
dem Preissektor zu einer Einigung zu kommen. Man wird seitens der
ÖVP zugestehen, dass in das Preisgesetz aufgenommen wird, wenn
Rohstoffpreissenkungen zu verzeichnen sind, diese dann im Preis
weitergegeben werden müssen. Der Forderung, dass auch Währungsparitäts-
änderungen weitergegeben werden müssen, wird die Handelskammer nicht
zustimmen. Ich bin überzeugt, auch hier wird der ÖGB nachgeben.

Eine lustige Diskussion ergab sich nur, als ich von der ÖVP ver-
langte, sie soll ihren Entschliessungsantrag – man möge ein Preis-
gesetz vorlegen, welches die bewährte Preiskontrolle durch die
Paritätische Kommission weiterhin ermöglicht und absichert und
gleichzeitig der Wettbewerb in Österreich durch preisrechtliche
Normen verschärft wird – an Hand eines Beispiels erklären. Mussil
meinte, die ÖVP hätte 1974 den Vorschlag gemacht, man möge dem
Handelsminister dann ein Recht zur Preisregelung geben, wenn auf
bestimmten Gebieten der Wettbewerb nicht funktioniert. In diesem
Fall hätte ich einen simulierten Wettbewerbspreis erstellen sollen.
An Hand des Benzinpreises, des Antrages und der Verhandlung – ÖMV
stimmt zu, Internationale lehnen ab – trieb ich Mussil insofern in
eine Verzweiflungssituation, dass er meinte, den simulierten Wett-
bewerbspreis hätte ich mit einer Input-Output-Rechnung über Computer
zu erstellen gehabt. Er weiss ganz genau, dass dies nicht einmal
theoretisch funktioniert, dieses Modell also unzulänglich ist, um nicht
zu sagen, falsch ist und dass daher ein so kompliziertes System
überhaupt nicht funktionieren kann.

Mussil drohte – mehr oder minder stark – dass die ÖVP davor warnt,
das Rohstofflenkungsgesetz und das Lastverteilergesetz dadurch aus-
laufen zu lassen, dass es mit der ÖVP zu keiner Einigung kommt.
Er möchte natürlich dieses Wirtschaftspaket zusammengeschnürt lassen
und andererseits keine wirkliche Änderung auf diesem Gebiet vor-
nehmen. Ich bin daher überzeugt, die ÖVP wird der Verbesserung dieser
beiden Gesetze nur sehr unzulänglich zustimmen. Die Argumente,
dass wir im Rahmen der Internationalen Energieagentur eine wesentliche
Verstärkung brauchen, berücksichtigt er gar nicht oder nur in gering-
stem Ausmass. Die Forderung der wirtschaftlichen Landesverteidigung,


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dass wir die Liste mit den Rohstoffen, die gegebenenfalls in Krisen-
zeiten bewirtschaftet oder gelenkt werden können, lehnt er mit
der Argumentation ab, seit 10 Jahren haben wir das Rohstofflen-
kungsgesetz und eine Diskussion über die Wirtschaftliche Landesvertei-
digung und man hat bis zu dem heutigen Zeitpunkt auch noch keine
Änderung verlangt. Dass jetzt ein Wirtschaftliches Landesverteidi-
gungsdoktrin einstimmig im Parlament geschaffen wurde, berücksichtigt
er gar nicht. Die Diskussion über die im heutigen Ministerrat einge-
brachten und durchgegangenen Wirtschaftsgesetze, welche die notwen-
digen Ergänzungen resp. neuen Fassungen wie Energiesicherung an
stelle des Lastverteilergesetzes bringen soll, wird daher sehr hart
werden.

Staatssekretär Haiden habe ich vor dem Ministerrat über die Klage
Mussils, dass die Bundesforste jetzt den Export von Schnittholz
durchführen werden, besprochen. Haiden hat, wie er mir mitteilte,
tatsächlich dem Direktor der Bundesforste vorgeschlagen, er soll
überprüfen, ob eine solche Exportmöglichkeit für seinen Betrieb,
insbesondere in Länder, die Einhand-Gesellschaften haben, wie z.B.
Ägypten oder andere arabisch-afrikanisch oder asiatische Staaten
und vor allem wie der Osten, nicht mit dieser Einhand direkt
Kontakt aufnehmen sollten. Der Direktor dürfte brühwarm gleich mit
Firmen oder mit Vertreter der Handelskammer dieses Problem besprochen
haben. Dr. Stummer, der von Kreisky als Staatssekretär für die Bergbau-
ernfragen vorgesehen war und der jetzt in den Bundesforsten arbeitet,
hat mir als ich ihn zufällig beim AEZ getroffen habe, mitgeteilt,
dass die Bundesforste hier einen sehr guten Draht, wie er es be-
zeichnet, besitzen. Stummer selbst musst ja von der Präsidenten-
konferenz, wo er Bergbauernfragen bearbeitet hat, weggehen, weil
man ihn dort so wie er sich ausdrückte, unter Druck setzte. Er ist
mit seiner Beschäftigung im Rahmen der Bundesforste sehr zufrieden.
Haiden wird dieses Problem – Export Bundesforste – Einhandgesellschafts-
gefahr – mit Mussil besprechen.

Das erfreulichste bei der Ministerratssitzung war die Information
von Häuser, dass die Arbeitslosenziffer von 76.000 um 22.000 im
April zurückgegangen ist und nur mehr 54.000 beträgt. Damit liegen
wir um fast 2.000 unter der Vorjahresziffer und da die Beschäftigung
ebenfalls um 5.000 gegenüber dem Vorjahr gestiegen ist, haben wir
eine Arbeitslosenrate unter 2 %.



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Bei der Staatswappenverleihung an die Fa. Elin hat Direktor Kohlruss
sehr geschickt aufbauend auf den 3 Voraussetzungen im Gesetz
um zu dem Staatswappen zu kommen die Tätigkeit der Elin geschildert.
Für mich war es deshalb sehr interessant, weil man in Wirklich-
keit im Laufe der Jahre, ja hier der Jahrzehnte so viel vergisst.
Tatsächlich war die Elin als schlechter Betrieb, der kaum der inter-
nationalen Konkurrenz wird standhalten können, man dachte dabei immer
an Siemens, Philips, AEG durch Fusionierung mit österr. Teil dieser
Betriebe fest überzeugt, dass Elin kaum lebensfähig sein wird.
Bevor die Reorganisation auch durchgeführt und vor allem verkraftet
war, ging es Elin auch wirklich sehr schlecht. Jetzt haben sie im
Laufe der letzten 7 Jahre doch immerhin 1 Mia. S Reinvermögen neu
geschaffen, gegenüber Siemens Deutschland, AEG und vor allem Philips
ist dies natürlich herzlich wenig. Doch war es möglich, aus den
Verlust – roten – Ziffern herauszukommen. Igler benützte die Ge-
legenheit, um seine alte Forderung wieder anzumelden. Er ist davon
überzeugt und glaubt im Namen der ganzen Elin zu sprechen, dass Elin
direkt bei Siemens beteiligt werden soll. Derzeit vertritt ja
die ÖIAG die entsprechenden österreichischen Anteile. Bei einer
Besprechung mit dem Vorstand hat dann Zimmermann von der ÖIAG zwar
gemeint, dass diese Forderung nicht von allen geteilt wird. In
Wirklichkeit hat Igler aber vollkommen recht, wer in Elin – ausser
er ist Direktor wie Zimmermann der Vertreter der ÖIAG – sei es im
Vorstand, sei es im Aufsichtsrat, sei es im Management ja wahrschein-
lich sogar bis zu den Arbeiter hinab etwas zu reden hat, würde sofort
dafür sein, dass Elin die österr. Interessen bei Siemens direkt ver-
tritt.

ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Klärt bitte dieses Problem mit
Grünwald und Zöllner. Auf die Tagesordnung des nächsten Jour fixe
setzen!

Die Unterlagen zu meiner Information, die Wais von Elin bekommen hat,
wichen wesentlich von den Ziffern Kohlruss' ab. Irgendetwas stimmt dabei
nicht und Wais wird jetzt versuchen zu klären. wie die wirklichen Ver-
hältnisse sind. Entweder hat man mich falsch informiert oder
Direktor Kohlruss hatte die falschen Ziffern. Wenn man boshaft sein
will, kann man sagen, das sei auch typisch Elin. Ich verwendete zwar in
positivem Sinn bei meiner Ansprache den Slogan "Trau Schau ELIN"
kann ihn aber jetzt sofort im negativen Sinne bei dem Ziffernvergleich
ironisch zitieren. Bei der Besichtigung des zentralen Verwaltungs-
gebäudes in Penzing ist mir nur aufgefallen, dass die Räume


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überbelegt sind. Dadurch und da in den Grossraumbüros die Abteilungen
sich doch durch Trennwände versuchen zu isolieren, entsteht ein
verhältnismässig sehr schlechter Eindruck und wahrscheinlich auch
ein verhältnismässig kritisches Arbeitsklima.

Der Elin-Vorstand hat dann bei einer Aussprache die Beschwerden der
E-Wirtschaft, dass Elin unzulänglich und verspätet liefert, dahin-
gehend beantwortet, dass dies nur im Rahmen der Umstellung und der
Investitionen, die sie in vergangenen Jahren tätigen mussten,
möglich war. Jetzt könne dies nicht mehr vorkommen. Ich habe den Elin-
Vorstand, wenn ich so sagen darf, darauf vereidigt. Ich bin sehr ge-
spannt, ob sie dieses Versprechen auch wirklich halten können.

ANMERKUNG FÜR FRANK UND TIEBER: Wenn entsprechende Gefahr der Ver-
spätung oder schlechten Lieferung besteht, bitte dann mir sofort
mitteilen, damit ich entsprechende Briefe schreiben kann.

Im Bezirksausschuss berichtete ich ausser über die Wirtschaftssituation
und die erfreuliche Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt natürlich
zuerst über die Auseinandersetzung Kreiskys mit der Soz. Jugend.
Sofort entwickelte sich darüber und ganz besonders über den
Fackelzug und 1. Mai eine lange und lebhafte Diskussion. Auch
innerhalb unseres Bezirkes gibt es Linke, SJ und vor allem
JG-Vertreter und Rechte repräsentiert durch die WAT und ASKÖ-
Vertreter. Auch bei uns entzündete sich die Diskussion, ob es
zweckmässig ist, die gehobene Faust heute noch als Gruss der
Sozialisten zu betrachten. Dies war für mich nicht nur eine
unbedeutende Frage, man könnte ja sagen, es ist ja ganz egal,
wie man grüsst, sondern zeigt nur, dass hinter Symbolen doch ge-
wisse Anschauungen stehen, auch dann, wenn sie nicht genau arti-
kuliert werden oder werden können. In einem waren wir uns alle einig:
In Österreich müsste es auch in Zukunft gelingen, die Gegensätze
innerhalb unserer Partei auszutragen und durch eine freie Aus-
sprache, wie wir sie auf der Landstrasse immer gepflogen haben,
auf ein Minimum zu reduzieren. Abgelehnt wird, wer immer letzten
Endes dafür verantwortlich ist, diese Diskussion oder Auseinander-
setzung über die Strasse, d.h. vor allem in der Öffentlichkeit auszu-
tragen.

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Tagesprogramm, 4.5.1976

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)

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Tagesordnung 25. Ministerratssitzung, 4.5.1976

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Nachtrag TO 25. Ministerratssitzung, 4.5.1976

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Einfügung Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz mit hs. Erläuterung, gez. Schwarz, HM, Sekt. I/5

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hs. Notizen BMfAA betr. Energiesicherungs-/-lenkungsgesetz


Tätigkeit: AR ÖIAG; evtl. Falschidentifikation [Mai 1971 bereits ÖIAG?; auch am 21.7. gemeint?]


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: GD Elin


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Kabinett Staribacher


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Büro Staribacher; ÖIAG
        GND ID: 1053195672


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Dir. Bundesforste, später Sts., dann LWM


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: IV, GD Wr. Schwachstromwerke (WSW)


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


              Einträge mit Erwähnung:
                GND ID: 1017902909


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: SChef HM
                    GND ID: 12195126X


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: AK


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Leitender Sekretär ÖGB, SPÖ-NR-Abg.
                        GND ID: 136895662


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Chef Energiesektion


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Bundeskanzler
                            GND ID: 118566512


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: Ref. für Bergbauernfragen in der Präsidentenkonferenz der LWK


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: Sekr. JS, Tiroler SPÖ-Politiker


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                                  Tätigkeit: Leiter vw. Abt. ÖGB, SPÖ-NR-Abg.


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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