Montag, 5. April 1976
Bei der Damenmodewochen-Eröffnung ging ich auf die Vorschläge
des Komm.Rat Elias vom Fachverband der Bekleidungsindustrie
nicht nur bei der Eröffnungsansprache, sondern auch dann bei
der Pressekonferenz im Detail ein. Eine Forderung konnte ich
nur beim besten Willen nicht erfüllen, nämlich die Entliberali-
sierung für alle Waren, wo Billigstimporte aus dem Fernen Osten
kommen. Das große Problem ist, daß jetzt aus der Bundesrepublik
aber auch aus Italien Billigstimporte über deutsche, resp.
Italienische Manipulanten als Made in Germany, Made in Italy
importiert werden. Hier handelt es sich um eine glatte Fälschung
der Ursprungszeugnisse. Zum Glück hatte ich nach der letzten
Damenmodewoche mit den Kindermodenerzeuger eine längere und wie
auch glaube für sie befriedigende Aussprache. Da ich sie anhörte
waren sie diesmal beim Rundgang sofort bereit, zu bestätigen,
daß ich mich um ihre Probleme sehr angenommen habe. Auch Komm.Rat
Elias hat bei der offiziellen Eröffnung lebend unterstrichen, daß
ich mich sehr um die Branche kümmere und sie daher mit mir sehr
zufrieden sind. Diese öffentliche Belobigung war für mich sehr
überraschend. Selbst beim politischen Gegner zeigt sich also,
wenn man sich um seine Probleme kümmert, wenn man ihn anhört,
wenn man ihm Gelegenheit gibt mit einem zu diskutieren, so ist
er schon teilweise zufrieden und nicht mehr so angriffsbereit
wie dies wahrscheinlich seine Parteiführung erwartet. Schön lang-
sam macht sich vielleicht doch die immer wieder Eröffnung der
Damenmodewochen und der Kontakt bemerkbar. Bei dieser Gelegenheit
habe ich natürlich sofort die Tätigkeit MR Dinzl im Rahmen der
internationalen Vereinbarungen auf Grund des Multifaser-Abkommens
und dann gleichzeitig seinen Nachfolger MR Grumbeck herausge-
strichen. Mit beide habe ich vorher unter vier Augen geredet
und Grumbeck erklärte mir, er sei bereit Dinzls Nachfolger zu
werden, wenn es nicht ausschließlich um die handelspolitische
Seite der Branchen geht. Dinzl bestätigte mir, daß Grumbeck sein
von ihm eingeschulter bester Mann sei. Ich weiß nicht ob die
beiden wußten, daß die Personalvertretung eigentlich Bock an
diese Stelle wünscht. Bei der Ausschreibung wird sicherlich
Grumbeck die größten Chancen haben.
Anmerkung für PLESCH: Grumbeck informieren und Ausschreibung
veranlassen.
NR Fiedler als Vizepräsident der Handelskammer hat mir das
Gremialmitglied der Bundeshandelskammer vom Textil-Handel
vorgestellt. (Sein Name ist Lauscha). Beide beklagten sich
dann bei mir, daß die Firma Schöps am besten informiert sei
und zwar durch Indiskretionen des Handelsministeriums, bevor
alle anderen Importeure etwas erfahren. Gleichzeitig wurde
behauptet, daß die Firma Schöps entsprechende Subventionen
vom Handelsministerium bekommt. Am meisten aber haben sie sich
aufgeregt, daß jetzt ein großes Textilzentrum in St. Marx er-
richtet wird. Beim Durchgang durch die Ausstellung habe ich
das Modell gesehen und dort sogar mit dem Vertreter der Firma
Schöps, Hrn. Stotz, einem alten Austria-Internationalen, gesprochen.
Ich habe sofort MR Dinzl und Grumbeck zur Besprechung zugezogen
und vor allen erklären lassen, wie es tatsächlich im Handels-
ministerium mit den Kontingenten und der Zuteilung gehandhabt
wird. Beide Ministerialräte haben sich entschieden dagegen ge-
wehrt, daß hier eine Firma bevorzugt wird, sie bestätigten, und
das war für mich ungeheuer wichtig, daß ich als Minister über-
haupt nicht eingreife. In dem 6-Augen-Gespräch hatte ich ihnen
vorher erklärt, daß die Gerüchte nur dadurch entstehen können,
daß Dr. Heindl jetzt, nachdem er Abgeordneter wurde und von der
Gemeinde kündigen mußte, eben als Beschäftigung die Firma Schöps
gefunden hat, dadurch wird immer wieder die Verbindung hergestellt,
zwischen der normalen Konkurrenz und der angeblichen unfairen Art
von Schöps. NR Fiedler und das Gremialmitglied Lauscha waren über
die Aussprache sehr befriedigt und ich bin neugierig, ob sie tat-
sächlich ihre Mitglieder entsprechend aufklären werden. Nicht nur
in der Politik, sondern scheinbar auch in der Wirtschaft gibt es
den sogenannten Super-Verhaltenskodex. Der Tüchtige dürfte sich
nicht annähernd das erlauben was scheinbar bei allen anderen
selbstverständlich ist. Wer Erfolg hat, steht so in der Öffent-
lichkeit, daß er mit den härtesten Angriffen, ungerechtfertigsten
Kritiken usw. zu rechnen hat, daß sich dann trotzdem der Tüchtige
immer wieder durchsetzt und dieses Kampf aufnimmt ist etwas, was
mich mit der Zeit nicht nur fasziniert, sondern wie ich auch
glaube, fast ein Phänomen wäre. Was treibt den Tüchtigen dazu?
In der Pressekonferenz berichtete ich auch über die Autopreis-
verhandlungen, insbes. mit den ausländischen Muttergesellschaften.
Ob wir dabei in der Öffentlichkeit gut liegen, weiß ich nicht. Ich
weiß nicht einmal ob die Massenmedien irgendetwas bringen werden.
Hier kann sich auch nur auf lange Sicht gesehen, so wie bei
der Damenmodewoche, durch ständige Kontakte, mit der Zeit
ein spezifisches Klima und vielleicht dann auch spezifische
Erfolge einstellen. Als ist furchtbar langwierig und auf-
wendig.
Zur Eröffnung der Firma Eisner nach Wr. Neudorf bin ich so
spät gekommen, sie begann schon um 10 Uhr, daß ich nurmehr
beim Rundgang wunschgemäß einen Caterpillar fahren mußte, was
mir viel Spaß gemacht hat. Ich sah mir dann flüchtig das ganze
an und habe bei der Gelegenheit mit dem Gen.Dir. über die beab-
sichtigte Stiftung der Firma Eisner diskutiert. Herr Eisner,
der nicht anwesend war, hatte seinerzeit schon verfügt, daß
eine Auszeichnung für Millionenspenden an die Wissenschaft
durch die Universität dem Betriebsratsobmann als Arbeiterver-
treter gegeben wird. Dies hat, wie der Gen.Dir. mir sagte, eine
Mißstimmung hervorgerufen, weil man gesagt hat, dies müsse unbe-
dingt ein Akademiker sein, der diese Auszeichnung bekommt. Jetzt
hat Eisner die Absicht, eine Stiftung aus seinem Vermögen zu
machen. Ich ersuchte, daß man mich über die Idee und Durchführung
am laufenden hält.
Anmerkung für WANKE: Man soll diese Firmen wie Eisner, Ziegel-
fabrik Leitner usw. zusammenstellen und verfolgen.
In der Sitzung des Wiener Vorstandes ging es primär um die Auf-
teilung der Mitgliedsbeitragerhöhung. Bei dieser Gelegenheit
wurde auch beschlossen, daß die Frauen pro Mitglied in Wien nicht
mehr 7 1/2 Groschen, sondern 10 Groschen vom Mitgliedsbeitrag be-
kommen, auch die Sozialistische Jugendorganisation, Wiche, meldete
einen solchen Wunsch an, hat ihn allerdings nicht energisch ver-
treten. Die Soz. Jugend bekommt aus dem Bundes-Jugendring größere
Mittel, jetzt gibt sie sogar eine Schülerzeitung heraus, die ihr
250.000 Schilling kostet, und wo sie wegen der Religionsbücher
und einem Poster, der wirklich aus der Ersten Republik hätte
stammen können, einen Pressekrieg mit der Katholischen Kirche
hat. Der Grund dieses ganzen Artikels war, daß die Religions-
lehrer aufgefordert wurden, daß von den 700 S, die für die Schul-
bücher zur Verfügung stehen, ein größerer Teil für Religionsbücher
verwendet werden soll. Die Amtskirche stellte sich, so die Aussage
Wiches, 160 S vor. In der Art und Weise wie aber dieses Problem
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abgehandelt wurde ergibt sich jetzt ein Presseprozeß, wenn sie
nicht freiwillig die Richtigstellungen bringen. Überhaupt nimmt
die Entwicklung bei der Soz. Jugend einen, wie ich glaube, sehr
unguten Verlauf. Der neue Bundesobmann Ackerl aus OÖ ist mehr
denn je umstritten, nicht nur von den Alten, sondern auch von den
Jungen selbst auch in der Wiener Organisation beginnen sich lang-
sam in der Jungen Generation und in der SJ Tendenzen zu zeigen,
die ich als sehr gefährlich erachte. Immer schon hat natürlich
die Jugend links gestanden und radikalere Forderungen, nicht
nur erhoben, sondern versucht auch durchzusetzen. Manchmal, ja
sogar meistens mit ungeschickten Mitteln, wie ich selbst als ich
noch Obmann der Soz. Jugend Wiens war, zugestehen muß. Nach wie
vor halte ich den Ausspruch, wer in der Jugend nicht links war,
war nicht jung, für richtig, möchte aber sagen, wer im Alter
noch immer links steht, hat nichts dazu gelernt. Ich habe daher
für die jungen Leute verhältnismäßig sehr viel übrig und viel
Verständnis, was aber wirklich Not tut, ist, daß man sie doch
einigermaßen auf die Schwierigkeiten, durch die sie mit ihrer
Politik kommen können, hinweist, ob sie dann davon Gebrauch
machen oder abweichen ist eine zweite Sache. Der Kontakt mit
Jugendlichen war immer und wird es wahrscheinlich auch in Zukunft
sein, von den Alten aus gesehen, viel zu wenig gehandhabt und
gepflegt. Die jungen Leute vertreten nun auch ein neues Wahl-
system. Bei der Bildungskonferenz am Freitag wurde dies aber
auch von den alten Genossen übernommen, dort gibt es den Streit
zwischen Steininger und Nedwed, bei wollen Bildungsobmänner werden.
Das Wahlkomitee möchte nun wertfrei beide zur Diskussion stellen,
dies hat scheinbar den optischen Effekt, daß es sich hier um einen
demokratischen Vorgang handelt. In Wirklichkeit wird mit diesem
Wahlsystem in meinen Augen, und ich habe deshalb sehr heftig da-
gegen polemisiert, eine alte Struktur, die sich jahrzehntelang
bewährt hat, zerstört. Aufgabe des Wahlkomitees ist es eben,
strömungsmäßig festzuhalten, wer die größten Chancen hat, Obmann
zu werden. Damit soll eine Mehrheitsfindung erleichtert und vor
allem der neue Obmann durch entsprechendes Ergebnis bei der Wahl
gestärkt werden. Wenn eine Gruppe das Gefühl hat, daß sie einen
besseren Mann präsentieren kann, hat sie ja beim Wahlvorgang
jederzeit die Möglichkeit gegen den Wahlvorschlag aufzutreten
und ihren Kandidaten zu präsentieren, dies soll und wird aber
meistens die Ausnahme sein. Jetzt aus einer Situation heraus,
weil man sich nicht deklarieren will oder glaubt, daß dies demo-
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kratischer ist, wertfreie Vorschläge zu machen, muß dazu-
führen, daß wir in die selben Kämpfe reinkommen, wie dies
in der Bundesrepublik Deutschland jetzt gang und gebe ist,
das Ergebnis kann man jetzt schon feststellen. Eine bis in
die untersten Organe gehende zerstrittene SPD. Die Wahler-
folge werden danach sein und sind schon danach.
Stadtrat Fritz Hofmann ist nach der Sitzung zu mir gekommen
und hat mir großzügig, wie ich sagen muß, sein Mandat bei der
DoKW, Vizepräsident des Aufsichtsrates, angeboten. Er erklärte,
er hätte volles Verständnis dafür, daß im Zuge der Reorganisation
die Aufsichtsratsposten reduziert und natürlich dann auch anders
verteilt werden. Wenn es notwendig ist, verzichtet er gerne auf
den Vizepräsidenten, würde dann aber auch aus dem gesamten Auf-
sichtsrat ausscheiden und einen anderen Wiener Vertreter namhaft
machen. Durch dieses Verhalten, wofür ich mich beim ihm herzlichst
bedanke, hätte ich jetzt die Möglichkeit, die Wünsche der Arbeit-
nehmervertreter im Präsidium vertreten zu sein, aufnehmen zu
können.
Bei der Verhandlung mit Ministerpräsident Azevedo hat Kreisky
ihm vorgeschlagen, es soll jetzt eine EFTA-Gipfelkonferenz der
Regierungschefs in Wien stattfinden. Um erstens, festzustellen
was man für Portugal tun kann, zweitens, eine Verdichtung der
EFTA und EG zu erreichen und drittens, den Dintemann-Bericht über
die Zukunft der EG zu diskutieren. Ich war erstaunt, als Azevedo
ersuchte, die Sitzung zu unterbrechen, damit er mit seinen Dele-
gationsmitgliedern die Frage besprechen könne. Dies ist das erste
Mal, daß ich erlebt habe, daß ein Ministerpräsident nicht unver-
bindliche Antworten gibt, für das, was er nicht machen will oder
nicht glaubt, durchsetzen zu können, sondern tatsächlich sicher
mit seiner Delegation bei einer solchen Tour-d'horizon-Diskussion
bespricht. Nach einer längeren Unterbrechung hat dann Azevedo
in Wirklichkeit auch nichts anderes gesagt, als daß er der öst.
Außenpolitik sehr einverstanden ist, sich noch einmal bedankt
hat, daß wir im Rahmen der EFTA für diesen 100-Mio.-$-Kredit einge-
treten sind, daß der Vorschlag eines Regierungschef-Treffens
sehr ernst beraten wird und daß Portugal halt immer wieder darauf
hinweist, einen technischen Rückstand zu haben, weshalb es mit der
EG, Verhandlungen über eine Assoziierung führt und auch gleichzeitig
mit der EFTA entsprechende Unterstützungsgespräche führen möchte.
Portugal hofft auch, daß wenn die Banken zu einer Hilfe-
leistung aufgefordert werden, Österreich sich daran beteiligen
wird. Je mehr sich das Verhältnis EFTA–EG verdichtet, erklärte
dann noch der port. Außenminister, umso schwieriger wird es
für Portugal. Die Vorbedingung für ein solches Regierungsgipfel-
gespräch müßte daher sein, daß man vorher erst erklärt, daß
Portugal spezifische Bedingungen hat, die zu berücksichtigen
sind. Portugal ist jetzt einverstanden, mit dem schwedischen
Vorschlag, daß vom EFTA-Fonds 50 % Anteil dem Geberland ge-
sichert werden soll. Portugal wünscht auch Knowhow z.B.
auch Kooperation Fremdenverkehr um ihre Gleichgewichte in der
Zahlungsbilanz durch Fremdenverkehrseinnahmen zu sichern.
Kreisky hat bei der Unterbrechung mit Recht uns gesagt, zuerst
war das Problem, was man überhaupt an konkreten Fragen mit ihm
besprechen könne und jetzt stellt sich heraus, daß man nicht ein-
mal über die Tour d'horizon eine normale Verhandlung abwickeln
kann. Azevedo ist eben noch in der Politik verhältnismäßig
unerfahren, hat auch eine ganz besonders schwierige Situation
vor sich. Der Admiral glaubt, er kann die Politiker so lenken
wie seine Untergebenen in militärischer Hierarchie. Kreisky sieht
und dies mit Recht, große Schwierigkeiten in Portugal heraufkommen.
Bei der Ministerratsvorbesprechung wurde über die Verhaftung wegen
des Verrates militärischer Geheimnisse von Kreisky kurz berichtet.
Kreisky glaubte ein Landesverteidigungsplan sei verschwunden, der
die Gesamtraumverteidigung – also strengst vertraulich – beinhaltet.
Rösch stellte richtig, daß in Wirklichkeit ein Offizier
Photokopien von 124 Seiten gemacht hat, wie das Zählwerk eindeutig
nachweisen läßt, und niemand weiß, was darauf kopiert wurde. Der
Verteidigungsplan umfaßt 124 Seiten. Kreisky ist davon überzeugt
und auch ich muß sagen, glaube dies ohneweiters, daß Offiziere,
die Presse informieren um damit direkt oder indirekt Wehrpolitik
zu machen. Lütgendorf hat jetzt einmal durchgegriffen. Ich bin
persönlich sehr gespannt, wie die Öffentlichkeit darauf reagieren
wird, entweder sagt sie, in Österreich gibt es keine militärischen
Geheimnisse, warum macht man hier so viel Aufhebens oder, was ich
eher glaube, die Bevölkerung sagt, und dann werden die Massenmedien
sich früher oder später dem anschließen, daß es eine ungeheure
Sauerei ist, daß militärische Geheimnisse von Offizieren der
Zeitung gegeben werden. Ich bin schon sehr gespannt, in welche
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Richtung es läuft, da ich derzeit überhaupt nicht sagen
kann, wie es sich entwickeln wird.
Anmerkung für TIEBER: Ohne in Erscheinung zu treten, interessieren
mich sehr die Meinungen bei den Presseleuten.
Der Kurier hat angeblich eine Umfrage veröffentlicht, wo 45 % SPÖ,
30 % VP, 18 % unentschieden, d.h. 1/3 davon der SPÖ zuzurechnen
und damit die 51 % nach wie vor gesichert sind.
Anmerkung für TIEBER: Kennst Du diese Aussendung?
Die OPEC macht jetzt einen Schaden für den Überfall von 250–
300 Schilling geltend. Kreisky meint, der Betrag ist für die
OPEC unbedeutend, er soll aber sofort von Österreich bezahlt
werden, damit nicht neuerdings ein Anti-Wien-Stimmung entsteht.
Kreisky dürfte nicht genau informiert sein, daß das OPEC-Budget,
wie mir der vorherige Generalsekretär einmal bestätigte, äußerst
knapp gehalten ist. Ein wirklich anderes Problem könnte sich nur
ergeben, ohne daß wir natürlich überhaupt darüber geredet haben,
mir ist es jetzt nur eingefallen, wenn für die zwei getöteten
Araber dann ebenfalls die Österreichische Regierung für den
Schaden aufkommen müßte.
Neuerdings kam die Frage des Ombudsmann zur Diskussion. Jetzt
ist im Parlament die ÖVP und auch die FPÖ bereit, einem Dreier-
Gremiumvorschlag zuzustimmen. Fischer befürchtet nun, daß dieser
Ombudsmann nicht die Stelle für den kleinen Staatsbürger sind, der
Ungerechtigkeiten beseitigen soll, sondern ein ständiger Unter-
suchungsausschuß gegen die Regierung, insbes. fürchtet Fischer,
daß wenn ein Ombudsmann-Dreier-Vorschlag erstattet wurde und be-
stellt wurde, dann ein Mann z.B. von uns ausfällt, die beiden
anderen die Nachbestellung boykottieren können. Die ÖVP möchte
nämlich die Vorschlagsbestellung mit 2/3-Mehrheit. Ich sehe für
den Ombudsmann dasselbe heraufkommen wie bei der ORF-Reform. Dies
ganze wird furchtbar kasuistisch werden und die ursprüngliche
Idee. Kreisky's, der sich auch Broda dort angeschlossen hat, eine
echt wirkende Verwaltungskontrolle für den kleinen Mann, wird so
fürchte ich mit Fischer, letzten Endes eine Ersatzoppositionsmög-
lichkeit außerhalb des Parlaments für die ÖVP und FPÖ. Da jetzt
schon feststeht, daß Zeillinger dieser Ombudsmann von der FPÖ wird,
kann ich mir jetzt schon ausmalen, was sich hier abspielt, ich
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hätte, als die ÖVP und auch die FPÖ teilweise diesen Ombuds-
mann-Vorschlag ablehnten, mit 2/3-Mehrheit also nicht zu be-
schließen war, in den nächsten Jahren immer propagandistischer,
ohne daß ein Ombudsmann eben zustande gekommen ist, gegen die
ÖVP verwendet. Jetzt wird eine Krampflösung zustandekommen und
dann werden wir die Zores haben.
Staatssekr. Karl berichtet über die Erhöhung der Kinderbeihilfen
für 80 S für das erste und zweite Kind und dann abnehmend bis
50 S, dies wird, wie Kreisky richtig bemerkte, eine große Debatte
mit den katholischen Organisationen geben, da natürlich die, das
dritte und weitere Kind stärker erhöht haben wollen und nicht um-
gekehrt. Kreisky meinte dann noch, es werden jetzt mit der Kinder-
beihilfe und mit der Index-Abgeltung in den Löhnen alle Belastungen
die der Staat ihnen aufgebürdet hat mehr als abgegolten. Lanc be-
kommt eine Mia., Moser bekommt eine Mia. und der Staat muß allein
für die öffentl. Bediensteten um 700 Mio. aus diesen Titel schon
zahlen. Dazu kommen dann noch die Kinderbeihilfen, die 1 1/2 Mia.
betragen. Kreisky glaubt, man muß eben jetzt der Bevölkerung klar
machen, daß sie sehr wohl durch diese Regierung nicht benachteiligt
wird. Der intelligente Rechner, wie er sich ausdrückt, muß jetzt
herausgestrichen werden, damit er nicht auf die Angriffe der ÖVP
hereinfällt.
Häuser verwies darauf, daß diese intelligenten Rechner nirgends
zu finden sind, so verlangt man von ihm jetzt die Erhöhung der
Karenzurlaubszeit für Mütter von 1 Jahr auf 3 Jahre für die
Pensionsanrechnung der Mutter. Dies kostet im ersten Jahr nur
36 Mio. Schilling, wenn man aber dann summiert kommt man im
Endeffekt auf 1 1/2 Mia. Wenn man dann noch dazu berücksichtigt,
daß von 45.000 Müttern, die Arbeitnehmer sind, 40.000 in Karenz-
urlaub gehen und dies dann auf 3 Jahre ausgedehnt wird, so er-
gibt sich ein Entfall für die Sozialversicherung an Beiträgen
von ebenfalls 1,6 Mia. Schilling. In Summe kostet eben eine solche
Forderung von 1 auf 3 Jahre die Karenzmöglichkeit zu erhöhen und
anzurechnen auf die Pensionsversicherung über 3 Mia. Schilling und
jeder spricht von 36 Mio. pro Jahr.
Fischer fragte an, was mit der Forderung der Volkspartei auf Herab-
setzung des Wahlalters geschehen soll. Kreisky hat sofort Blecha
gefragt, um zu erörtern, daß die Jungwähler das letzte Mal auch kaum
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mit 50 % gewählt haben. Ein Test-Sprengel, wo Studenten haupt-
sächlich wohnten, hat ergeben, daß von 750 500 sich die Wahl-
karten sich besorgt haben, wobei es fraglich ist ob sie dann
auch tatsächlich wählen gegangen sind, von den 250 die sich
keine Wahlkarten besorgt haben, sind nur 30 wählen gegangen.
Kreisky glaubt daher, ein gutes Argument zu haben, daß die
Jugend an der Politik gar nicht so interessiert ist, daß man
eine Herabsetzung des Wahlalters weiter durchführen sollte.
Anmerkung für TIEBER: Versuche die wirkliche Situation zu erfahren.
Kreisky berichtete dann von der Industriekommission und meinte
nur, die Beiratstudie des Sozialbeirates müßte zum größten Teil
schon erfüllt sein. Die Reform über die Ausgleichs-und Konkurs-
Ordnung wird das Justizministerium jetzt in Angriff nehmen. Für
die Rationalisierung des EuE-Fonds und des ERP-Fonds wurde ihm
vorgeschlagen, nur Igler, Androsch und Veselsky und Kreisky sollen
dieses Problem besprechen, er selbst meint aber, daß unbedingt der
Handelsminister aber auch die anderen Sozialpartner zugezogen
werden sollten. Bezüglich der Strukturstudie hat er, wie er sich
ausdrückte, mir dies zugebeutelt weil er weiß, daß die Handels-
kammer mir in diesen Fragen immer Schwierigkeiten macht. Mir ist
zwar nicht bekannt, daß die Handelskammer mir deshalb besondere
Schwierigkeiten macht, ich weiß nur eher, daß die Handelskammer
es überhaupt gar nicht will. Ich erklärte daher sofort, Wanke als
neuer Sektionschef der Industriesektion, wird die entsprechenden
Vorarbeiten bezüglich der Beiratsstudie und dann insbes. der
weiteren Vorgangsweise so zeitgerecht abschließen, daß bei der
nächsten Sitzung entsprechende Vorschläge erstattet werden können.
Kreisky hat vom Gesundheitsinstitut einen Bericht, der im Vorjahr
erschienen ist, jetzt erst gelesen und meinte zu Leodolter, dies
sei ja erschütternd. Österreich liegt mit den Sterblichkeitsraten
in allen an der Spitze in Europa. Leodolter hat zugegeben, daß
nur bei der Kindersterblichkeit und bei dem Gebärmutterkrebs durch
die Vorsorgeuntersuchung eine wesentliche Senkung zu erreichen
ist. Interessanterweise ist es in Vorarlberg am besten bestellt
weil dort schon seit 6 Jahren eine Vorbeugeuntersuchung durchge-
führt wird. Ich fragte mich, wenn es bei uns um die Sterblichkeit
so schlecht bestellt ist, an was sterben dann die Leute in den
anderen Ländern. Leodolter erörterte, daß ungefähr 3/4 der Menschen
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in Spitälern sterben, dort 60 % obduziert werden, weshalb
also in Summe für 40 % ein ziemlich genauer Sterbegrund ange-
geben werden kann. In anderen Staaten, wo dies anders ist,
steht wahrscheinlich Altersschwäche oder irgend eine andere
Diagnose, die sicherlich in den wenigsten Fällen stimmt.
Unser ganzes Gesundheitssystem insbes. Spitalsaufenthalt, insbes.
der älteren Menschen als Pflegefälle und nicht als Krankheits-
fälle gehört dringendst reformiert, allerdings weiß auch nicht,
wie.
Die Hochschülerschaft möchte nun in der Uno-City einige Räume
mieten, zum Unterschied von früher, dies ganz kategorisch abge-
lehnt hat, er meinte, dies müsse für internationale Behörden
bleiben, rückt er jetzt solchen Ideen näher.
Tagesprogramm, 5.4.1976
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)