Samstag, der 20. März 1976

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Samstag, 20. März 1976

S.Chef Meisl berichtet mir, daß die Verhandlungen über die Be-
stellung des Sektionschefs für die Industrie-Sektion sehr zögernd
und oft in kritischen Phasen geführt werden. Die Vertreter der
Gewerkschaft, insbes. Ing. Engelmayer versucht jetzt irgendwie
einen Eklat zu erreichen. Einmal drohte er bereits die Verhandlung
zu verlassen, d.h. die ganze Kommission platzen zu lassen, weil
er nicht mit seiner Idee durchgedrungen wäre. Engelmayer möchte
unbedingt eine Konstruktion erreichen, scheinbar wie im Unterrichts-
ministerium, daß ich gegen einen Kommissionsbeschluß entscheide.
Zuerst hat die Personalvertretung deutlich kenntlich den MR Steiger
favorisiert. Auch die Handelskammer hat bei mir einige Male nachdem
sie ursprünglich gefragt hat ob Gröger eine Aussicht hat, zuletzt
immer wieder darauf hingewiesen, daß Steiger der richtige Mann wäre.
Jetzt hat man ihm aber auch vonseiten der Gewerkschaftsvertreter
so schlecht klassifiziert und Punkte bewertet, daß er kaum eine
Chance hat. Nun konzentriert sich die Personalvertretung auf Gröger.
Meisl glaubt, daß sie angenommen haben Jagoda und er wollen aus-
schließlich Beelitz diese Sektionsleitung zuschanzen. Da Wanke
sehr spät erst eingereicht hat und man mir auch überall erzählte,
selbst Sallinger hat dies behauptet, Wanke sei dazu von mir ge-
zwungen worden, hat man scheinbar angenommen, es handelt sich hier
nur um eine Scheinbewerbung. Jetzt wo es ernst wird, glaubt Meisl,
Engelmayer wird es noch und noch rauszögern und wenn irgendwie
möglich, die Verhandlungen platzen lassen, dann könnte die Gewerk-
schaft resp. die ÖVP sagen, es sei wieder einmal eine Entscheidung
ausschließlich nach politischen Gesichtspunkten gefallen. Ich
persönlich bin überzeugt und hoffe, daß es Jagoda als Vorsitzendem
gelingen wird die Kommission zusammenzuhalten und letzten Endes
doch ein Gutachten wie im Gesetz vorgesehen zu erstellen. Jetzt
zeigt sich erst, wie wichtig die Zusammensetzung der Kommission
ist. Jetzt beweist sich erst wie notwendig diese Bestellung von
Jagoda als Vorsitzenden und Meisl als zweiten Vertreter des
Ministeriums war. Die ganze Bestellung von Abteilungsleitern und
Gruppen und vor allem Sektionsleitern ist auf Grund des Aus-
schreibungsgesetzes sehr mühsam geworden. Die Sektionsleiter, die


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damit betraut werden, müssen Stunden für Stunden mit dieser
Aufgabe verbringen. Wanke hat nur den Eindruck, daß ein solches
Hearing und eine solche Bestellungsmethode die einzig richtige
ist. Er meinte, jetzt könne er sich vorstellen, wie es einen zu-
künftigen Botschafter der Vereinigten Staaten bei der Prüfung
durch den Kongreß ergeht. Ich ersuchte ihn deshalb, seine Ein-
drücke und seine Meinung für ein Tagebuch festzuhalten.

Bei der Unterzeichnung des großen Papiermaschinenliefervertrages
Voith und Prommaschimport unterstrichen die sowjetischen Vertreter
und ganz besonders der Papierminister Galanschin die langfristigen
Auswirkungen der Importe von der Sowjetunion. Besonders wies man
auf die Gaslieferungen, die bis ins Jahr 2000 hineingehen und auch
die Öllieferungen hin. Andererseits erklärte man, daß die großen
Investitionen wie eben z.B. die 360 Mio. Schillinge Papiermaschine
eine gute Grundlage des sowjetisch-österreichischen Aussenhandels
sind. Ich versuchte ganz besonders dem sowjetischen Botschafter
Jefremow, der neben mir saß, auseinanderzusetzen, daß wir mit der
fast 1 Mia. Handelsbilanz-Überschuß kurzfristig doch ohne Bilaterali-
sten zu sein, gerne Konsumgüter liefern würden. Wenn die Sowjet-
union selbst keine ausgesprochenen Konsumgüter kaufen wollte so
gebe es noch immer die Möglichkeit für Kabel, Armaturen, Ketten usw.
sofortige Lieferungen die von Österreich ohneweiters möglich wären.
Jefremow ersuchte um eine Liste dieser Waren, er würde sich in Moskau
dafür einsetzen. Handelsrat Canisius wird eine solche Liste mit
Fälbl sofort fertig machen.

Anmerkung für WAIS: Bitte vorbereiten, damit ich diese Liste mit
einem persönlichen Brief von mir überreiche.

Der sowjetische Botschafter hat mir als Beispiel gesagt, zur Zeit
als die DDR von der sowjetischen Regierung anerkannt und vor allem
in ihrem Aufbau gefördert wurden, ist der sowjetische Aussenhandels-
minister Patolitschew und der DDR Aussenhandelsminister einmal
im Monat zusammengekommen. Jefremow hat hier auch besonders auf
die sowjetisch-österreichischen technischen Wochen verwiesen wo
er natürlich meinte ich müßte ebenfalls nach Moskau mit Sallinger
fahren. Ohne auf die DDR Beispiele näher einzugehen habe ich sofort
erklärt, ich würde auch liebend gern viel mehr in die Oststaaten
reisen, man darf aber nicht vergessen, daß ich eine ungeheure
Kompetenz in Österreich in meinem Ministerium habe, das eine Abwesen-


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heit kaum mehr zuläßt. Es ist für die Oststaatler immer sehr
beeindruckend, wenn ich aufzähle, daß ich neben dem Aussenhandel,
dem Binnenhandel, der Industrie, Gewerbe, Fremdenverkehr, Preis-
bildung alle Energie, Bergbau, Patente und Lizenzen habe, in
jeder dieser Sparten gibt es nämlich in den Oststaaten meistens
ein eigenes Ministerium. Der grosse Unterschied ist nur und Gott
sei Dank unterscheiden doch die wenigsten diese Differenz, dass ein
sowjetischer Minister bis in die letzten Details z.B. für Binnen-
handel auch wirklich in der Geschäftsabwicklung zuständig ist,
während ich maximal das legistische Problem der Nachversorgung
bearbeiten muss. Das sowjetische Regierungssystem auf Österreich
projiziert gäbe nämlich überhaupt keine Möglichkeit, diese Kompetenz-
vielfalt aufgabenmässig zu erfüllen. Hier gilt wirklich der Grund-
satz, mehr scheinen als sein. In Abwandlung eines Prinzips, das
ich sehr hoch halte "Mehr sein als scheinen".

Beim Tanz in den Frühling, einer Ballveranstaltung der BO Land-
strasse überreiche ich immer persönlich die Damenspenden beim Ein-
ritt Ballgäste und wünsche ihnen einen schönen, lustigen, erholsamen,
fröhlichen und ich weiss nicht, was sonst noch für einen Abend.
Diesmal hat das Einrichtungshaus Vösendorf Gläser mit einer Rose
aus Plastik gespendet. Der Wert betrug sicherlich 40.- S, bei einem
Eintrittpreis von 60.- S eine ganz schöne Damenspende. Gem.Rat Sevcik
hat mich einmal ersucht, Samstag sollte ich das Einrichtungshaus
besichtigen, dann könnte er sicherlich von der dortigen Geschäfts-
leitung eine solche Damenspende bekommen. An diesem Beispiel könnte
man fast demonstrieren, wie wichtig oft für Kleinigkeiten ein
doch einigermassen bedeutender Mann in gewissen Positionen ist. Ich
bin nicht so sicher, ob das Einrichtungshaus auch jemandem anderen
diese Spende geschenkt hätte. Nur weil er einmal offiziell in Vösen-
dorf einen Besuch gemacht hat. Auf alle Fälle bemerkten aber Begleiter
von Damen, es wäre ihnen lieber gewesen, ich hätte ihnen Benzin ge-
spendet. Aus der Begrüssung und letzten Endes dann aber auch aus
Gesprächen und Bemerkungen konnte ich doch entnehmen, dass man zu-
mindestens in diesem Kreis wegen der Benzinpreiserhöhung nicht
allzu böse mit mir ist. Ich gebe mich allerdings keiner Täuschung hin,
dass gerade das Publikum bei dieser Veranstaltung nicht allzu aggressiv
ist weil sie letzten Endes sich zu 90 % aus Genossen zusammensetzt.
Ich bin sehr neugierig, wieviele vom ÖAMTC die Protestaktion mit dem
Pickerl mitmachen werden und wieviele in den Tankstellen aufgelegte
Listen des Wirtschaftsbundes unterschreiben werden. Hier wäre es not-
wendig, genauer zu beobachten.



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ANMERKUNG FÜR HEINDL: Nächstes Jahr bitte Benzinmarken fürs
Tombola!

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte Informationen über die Wirtschaftsbund-
Aktion Protest-Unterschriften einholen.

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Tagesprogramm, 20.3.1976


Tätigkeit: SPÖ-GR-Abg. (Landstraße)


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    Tätigkeit: MR HM


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      Tätigkeit: Beamter HM


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        Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


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          Tätigkeit: Handelsdelegierter


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            GND ID: 1017902909


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              Tätigkeit: SChef HM
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                Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                GND ID: 102318379X


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                  Tätigkeit: MR HM


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                      Tätigkeit: Personalvertreter HM, Christgewerkschafter, ÖVP-Politiker


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                        Tätigkeit: sowj. Botschafter


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                          Tätigkeit: sowj. Außenhandelsminister


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                            Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


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                              Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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