Dienstag, 3. Feber 1976
Bei der Ministerbesprechung Androsch - Moser und ich wegen der zweiten
Etappe zur Auftragsvergabe an die Bauwirtschaft hat Moser und
Androsch darauf gedrängt, dass ich die Mineralölsteuer sehr bald
erhöhen sollte. Androsch behauptet, er hätte mit Kreutler von
der ÖMV gesprochen und dieser hätte ihm erklärt, 50 Groschen Mineral-
ölsteuer sei möglich, 40 Groschen aber auf alle Fälle leicht un-
terzubringen. Ich fragte nachmittags dann sofort Kreutler, der
mir genau das Gegenteil sagte. Er hätte Androsch ausdrücklich ge-
warnt, eine so hohe Steuererhöhung vorzunehmen, weil sie im
Preis nur eine Chance hätten, maximal bei Superbenzin 70 – 75 Gr.
Verbraucherpreiserhöhung vorzunehmen. Moser drängt natürlich
auf eine sehr baldige Erhöhung, weil er mit jedem Monat ein Zwölf-
tel, wie er sich ausdrückte, verliert. Ich erklärte neuerdings,
ich müsste vorerst die Energiesicherung im Parlament durch haben.
Bei der Sitzung referierte dann Min.Rat Kaber, dass von den 4,3 Mia.
Bausofortprogramm in drei Etappen 1975 die erste Etappe bereits in
Abwicklung und eingehalten wurde. 2 Mia. Grundbudget tatsächliche
Abrechnung und Zuweisung 3,3 Mia. 1976 werden im Grundbudget 2 Mia.
179 Mill. sein, tatsächlich kommen noch 7 – 800 Mill. Auflösung der
Rücklagen dazu, plus die Stabilisierungsquote mit 800 Mill. ergä-
be 3,6 bis 3,8 Mia. S. Die privaten bauen aber derzeit um 5 Mia.
weniger. Der Tiefbau hat 1975 9,3 Mia. ausgemacht, 1976 sind 8,6 Mia.
im Grundbudget. Durch Erhöhung des Wasserwirtschaftsfonds wird es
zu einer Verbesserung dieser Situation kommen. 1971 betrug der
Bundeszuschuss zum Wasserwirtschaftsfonds nur 21 Mill. S und ist
1975 auf 691 Mill. angewachsen. 1976 sind 200 Mill. im Budget,
aber es kommt noch die Anleihe von 800 Mill. dazu. Für die Zukunft
muss aber mehr Einnahmen von 1 – 2 Mia. S gesucht werden. Am lieb-
sten hätte das Finanzministerium die 30.- S von den Arbeitern Miet-
abgeltung aus dem seinerzeitigen Lohn-Preisabkommen. Gewerkschafts-
sekretär Millendorfer beschwerte sich, dass noch immer nicht die
50 Groschen Mineralölsteuererhöhung durchgeführt wurden und appel-
liert an mich, so schnell als möglich diese Steuer im Preis einzu-
kalkulieren und den Preis zu erhöhen. Er bekannte sich auch ein-
deutig, wie er sich ausdrückte, bei sogenannten Kunstbauten, die
Mautpflicht auf den Autobahnen, d.h. am Wechsel und auf der Pack.
Gen.Dir. Herbeck von der Porr meinte, dass bei Bauimporten die Geräte
zollvormerkfrei hereinkommen und die deutschen Firmen noch Verlustrück-
tragsmöglichkeiten haben, sowie günstige AfA und Steuererleichterungen
deshalb würden für 3 Mia. S Bauvolumen Importfirmen in Österreich
getätigt. Was den Bauexport betrifft, meinte Herbeck, hier gäbe
es eine grosszügige Unterstützung Österreichs durch die Bundeshaftung
und durch die Kreditgewährung. Nur für die Errichtung der Bauhütten
sollte der Staatskredit von 3 Mill. auf 5 Mill. erhöht werden. In Iran
hat Porr im Vorjahr für 1,7 Mia. S Aufträge gehabt. Der städtische
Tiefbau mit den Grossprojekten wird 1977 zu Ende gehen, auch die grossen
Energieprojekte wie z.B. Malta werden um diese Zeit beendet sein.
Deshalb müsste man sich jetzt, obwohl der Tiefbau gut ausgelastet
ist, schon für das nächste Jahr den Kopf zerbrechen wie es weiter-
geht. Um die Baukapazität nicht allzu sehr zu erhöhen, wird bereits
jetzt festgehalten, dass von der zweiten Tranche nur 3 Hochbauten
nämlich in Klagenfurt die HTL, in Graz das musische und in Krems
eine dritte Schule neu begonnen werden.Sonst handelt es sich nur um
Fortsetzung schon begonnener Bauten. Die meistens auf 5 Jahre pro-
jektierten Bauten sollten verkürzt auf drei Jahre werden. Androsch
attackiert mit Recht den Abgeordneten Letmaier, der ein Bauvertreter
ist, dass hier die Bauwirtschaft immer Forderungen stellt und dann
im Parlament die ÖVP sich ganz entschieden gegen alle Massnahmen der
Regierung wehrt. Androsch ist insbesondere sehr verärgert über das
verhalten Niederls bezüglich der Mautstrecke der Südautobahn. Let-
maier behauptet, er wäre bei der Eröffnung des Gleinalm-Tunnels an-
wesend gewesen und hätte nicht herausgehört, dass Niederl dem zu-
stimmt. Androsch stellt fest, dass Niederl ihm vorher versichert hat,
dass er für die Gesellschaftsstrecke der Südautobahn ist, was auto-
matisch bedeutet, dass selbstverständlich eine Maut eingeführt werden
muss. Androsch erklärt, wenn keine Zustimmung zur Gesellschaftsstrecke
erfolgt, wird ganz einfach die Südautobahn nicht mehr forciert wei-
tergebaut. Vor der Nationalratswahl wurde ausdrücklich auf den Um-
stand hingewiesen, dass eine verstärkte und schnelle Ausbautätigkeit
nur durch eine Gesellschaftsstrecke möglich ist.
Millendorfer beschwerte sich dann auch besonders über die Bauimporte
und meinte, das Handelsministerium hätte die Gewerkschaft unter Druck
gesetzt, dass endlich die Genehmigung für die tschechische Bohrge-
sellschaft Geologie die Arbeitsgenehmigung für 20 Leute gegeben wird.
Ich erwiderte sofort, dass dafür aber hunderte von Montage- und
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Bauarbeiter Österreichs in der CSSR beschäftigt sind. Auch in
Hinkunft werden wir im engsten Einvernehmen mit der Baugewerk-
schaft vorgehen.
ANMERKUNG FÜR TIEBER: Bitte mit der Baugewerkschaft alle Details
besprechen und publizistisch eventuelle Angriffe abfangen.
In der Ministerratsvorbesprechung hat dann Androsch über die Bau-
situation berichtet und gleich angekündigt, dass er mit Niederl
diesbezüglich einen Krieg kriegen wird. Er erwartet eine Dringliche
Anfrage im steirischen Landtag, wo das Ganze riesig hochgespielt wird.
Firnberg teilte mit, dass in den Zeitungen behauptet wird, die Mini-
ster machen wegen der Maturantenberatung zu wenig. Sie schlug des-
halb vor, ein Komitee bestehend aus Wissenschaftsminister, Unter-
richtsminister, Sozialminister, Landesverteidigung und Handels-
minister einzusetzen. Der Ministerrat genehmigt dann auch dieses
Komitee zur intensivieren Tätigkeit und insbesondere die Beratung
auszuweiten.
ANMERKUNG FÜR TIEBER: Bitte setz Dich mit Büro Firnberg ins Einver-
nehmen, wie dieses Problem angegangen wird.
Die Genossen von Vorarlberg haben von Minister Firnberg verlangt,
dass eine eigene Universität in ihrem Land errichtet wird. Diese
Forderung stellen nicht einmal die ÖVP-ler. Firnberg hat glatt abge-
lehnt und schlägt jetzt nur zur Wahrung des Gesichtes für die Vor-
arlberger Genossen vor, man soll Management-Ausbildungskurse von
Innsbruck, Konstanz und St. Gallen in Vorarlberg abhalten.
Lausecker berichtet in der Vorbesprechung, dass jetzt die Gewerk-
schaften sich auf ein gemeinsames Vorgehen wegen der Gehaltsregelung
geeinigt haben. Die Extra-Touren der Hochschullehrer, die sagen, das
Stillhalteabkommen ist jetzt vorüber und sie verlangen ihre Sonder-
regelung so wie der Richter wegen Dienstpostenplänen wird Lausecker
immer so beantworten, dass er nur mit den zuständigen Gewerkschaften
darüber verhandelt. Auf dem Personalsektor werden wir wahrscheinlich
eine ganz schwere Auseinandersetzung bekommen. Auf der einen Seite
fürchte ich, wird die Gewerkschaft selbstverständlich ihre Gehalts-
regelung durchsetzen, wenn auch nicht 10 % wie Gasperschitz vom
öffentlichen Dienst verlangt, sondern sicherlich weniger, der
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Obmann der Eisenbahner, Prechtl, meinte, man müsse den Metall-
arbeiterabschluss zumindestens erreichen. Auch diese Höhe wird den
Staat sehr belasten, weil die Mindesteinkommen für die unteren einen
wesentlich höheren Prozentsatz geben, während auch noch so eine
kleine perzentuelle Erhöhung, die ja bei den Metallarbeitern immerhin
7,5 % ausgemacht hat, bei den Oberen natürlich viel kosten wird.
Androsch wird deshalb versuchen, neue Steuerbedeckungen dafür flüssig
zu machen.
Im Ministerrat hat dann Häuser über die Beschäftigungslage referiert.
Mit 97.000 Arbeitslosen Mitte Jänner liegen wir verhältnismässig
hoch, auch dann, wenn Häuser darauf hinweisen kann, dass 1969 137.000,
1970 115000 und 1971 91.000 Arbeitslose waren. Hätte Androsch nicht
so viel vom Budget in die Wirtschaft gepumpt, sähe die Situation noch
wesentlich schlimmer aus. Ich frage mich immer, ob auch ich als
Finanzminister diesen Mut gehabt hätte, bei der schlechten Budget-
situation so viele Milliarden Schilling zusätzlich übers Defizit
bereitzustellen. Dass es richtig war, kann ich immer wieder nur jetzt
bestätigen. Gott sei Dank bin ich nicht Finanzminister geworden,
denn dass er damit keine leichte Entscheidung hatte, muss ich neidlos
zugeben.
In der Fraktion des Unterausschusses hat Teschl sich bitter beschwert,
dass wir keine Zeit gehabt haben, um uns eingehend mit der Materie
zu beschäftigen. Die Ölwirtschaft hat jetzt einen neuen Gesetzentwurf
vorgelegt, wo sie ihre gemeinsame Gesellschaft, die jetzt zwischen
den Internationalen und der ÖMV vorsieht, eingebaut ist. Ich versuchte
Teschl zu beruhigen, dass auch ich diesen Entwurf erst jetzt sehe,
bei der Sitzung hat dann Dozent Romig von der ÖMV auch dezidiert er-
klärt, dass der Entwurf knapp vor der Sitzung erst fertig wurde.
Wenn ich einverstanden bin, wird er diesen Entwurf den Mitgliedern
des Unterausschusses geben. Ich erwiderte sofort, dass ich gar keine
Möglichkeit habe, dies zu bestimmen, denn hier entscheidet der Abge-
ordnete und nicht mehr der Minister. Diese verbale Erklärung war,
wie sich nachher herausstellte deshalb sehr wichtig, weil Mussil,
der um 5 Stunden später erst kam, eine Bemerkung von mir, ich stimme
einem Vorschlag der Ölwirtschaft zu und ziehe diesen Punkt der Re-
gierungsvorlage zurück, sofort erklärte, dazu hätte ich gar kein Recht
die Änderung der Regierungsvorlage könne von der Regierung nur so erfol-
gen, dass sie die ganze Regierungsvorlage zurückzieht. Abänderungs-
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anträge könnten nur die Abgeordneten stellen. Mussil hat es in seiner
gewohnten Art als einen Nachhilfeunterricht in der Demokratie
dargestellt, in Wirklichkeit aber, ärgert er sich sicherlich, dass
das Ministerium und ganz besonders der Minister auf den Lauf der
Verhandlungen doch so viel Einfluss nimmt. Andererseits kann ich
nur festhalten von dieser stundenlangen Sitzung, dass wenn wir im
Ministerium die Sache nicht in die Hand nehmen, im Parlament wahr-
scheinlich kaum etwas Positives einigermassen zeitgerecht herauskommt.
Die Ölwirtschaft drängt auf eine Lösung, weil sie ihren Benzinpreis
will. Die ÖVP wieder möchte am liebsten die ganze Materie bis zu den
Wirtschaftsgesetz-Verhandlungen verschieben. Vor allem aber solange
die ÖVP keinen Entwurf der ÖMV hatte, war sie im wahrsten Sinne des
Wortes Verhandlungsunfähig. Sie konnte und wollte zu keinen Bestim-
mungen des Energiesicherungsgesetzes konkret Stellung nehmen. Zu
diesem Zweck hat man auch die Enquete oder besser gesagt das Hearing
durchgeführt. Endergebnis war, dass Erbacher einen Vortrag hielt
über die Technik des Bundeslastverteilers, über die Möglichkeiten,
doch vielleicht noch einmal eine Stromkontingentierung für den Letzt-
verbraucher einzuführen usw. Auch über die Äusserungen von Klimesch
und anderer Experten beim Hearing war der Ausschuss letzten Endes
sehr unglücklich. Die Zeit verstrich und nichts ging weiter. Zum
Schluss hatte ich mich so geärgert, dass ich unmittelbar nach Ende
dieses Hearings verlangte, sofort in die Detailbesprechung – Para-
graph für Paragraph – einzutreten. König hat denn endlich zugestimmt
und wir konnten doch die ersten 13 Paragraphen durcharbeiten. Dadurch
kriegt jetzt Zluwa den Auftrag und die Information, wie der Ausschuss
in Anlehnung an unseren Entwurf aber doch durch die Abänderungen der
Ölwirtschaft bedingt, eine gemeinsame Lösung bis zur nächsten Sitzung
erarbeiten können. König und Mussil wollten aus dem Gesetzentwurf
jedweden Hinweis auch Energiesicherung herausbringen und ausschliesslich
nur die Durchführung des Internationalen Energieagentur-Vertrages in
dieses Spezialgesetz aufgenommen haben. Nach ÖVP-Vorstellung sollte
in diesem Gesetz nur die Lagerung von Öl und Ölprodukten vorgesehen
werden. Alle anderen Bestimmungen des Internationalen Energievertrages
sollen im Rohstofflenkungsgesetz und Lastverteiler-Gesetz eventuell
aufgenommen werden. dies bezieht sich ganz besonders auf die Lenkung
und auf die Information. Da es sich um Verfassungsbestimmungen handelt,
werde ich früher oder später nachgehen müssen. Ich habe in der Vorbespre-
chung unsere Genossen auf diesen Umstand ganz besonders aufmerksam gemacht.
Dkfm. Marsch teilte mir mit, dass er bei einer Besprechung mit der
Landwirtschaft über das Marktordnungsgesetz von Min.Rat Rogel ersucht
wurde, dass die Landwirtschaft erwartet, das Preisgesetz von mir nicht
früher im Ministerrat dem Parlament zugeleitet wird, bis auch die
Landwirtschaft mit dem Marktordnungsgesetz soweit ist. Ich habe Marsch
selbstverständlich zugesichert, dass er diesen Wunsch der Landwirtschaft
akzeptieren kann und soll.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte achte darauf, dass nicht früher aber auch
nicht später dann unser Entwurf mit Jagoda fertiggestellt ist.
Die Untersuchung, wieso Akt-Informationen ans Profil gelangen können,
hat nun zu folgendem Ergebnis geführt. Kieslich teilt in einer Infor-
mation mit, dass Min.Rat Böhm ihm gesagt hat, Engelmayer hätte ihm
gegenüber dezidiert erklärt, er werde auch weiterhin Informationen
an die Presse geben, wenn der Minister Massnahmen setzt, die nicht
seine Zustimmung finden. Er hätte hinter sich eine starke Presse.
Plesch wird diese Information einstweilen aktmässig bei uns im Büro
ablegen und gegebenenfalls zur richtigen Zeit Engelmayer damit kon-
frontieren.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte den Tatbestand aktmässig einwandfrei fest-
halten.
Im Finanzministerium hat mich Min.Rat Kaber aufmerksam gemacht, dass
er und Würzl die Grundsatzbesprechung zwischen Androsch und mir der
Bürges zu helfen und andererseits Mittel der Bürges der Hoteltreuhand
und Exportfonds zu geben, im Detail vorbesprochen und vereinbart hat.
Kaber hat erwartet, dass ich bereits im Besitz dieser Information hin.
Da dies nicht der Fall ist, hat er mir sogar eine Abschrift dieser
Vereinbarung gegeben. Ein solcher Zustand ist unmöglich! Da ich
nicht weiss, ob Tieber von Würzl schon entsprechend informiert wurde,
werde ich zuwarten, bis ich mit Tieber, der auf Urlaub ist, in dieser
Angelegenheit gesprochen habe.
ANMERKUNG FÜR TIEBER: Bitte stimme mit Würzl ab, damit in Hinkunft so
etwas nicht mehr passieren kann.
Die Bezirkskonferenz auf der Landstrasse, die sich mit den ausschliess-
lichen Anträgen an den Reformparteitag beschäftigt, war zuerst ver-
hältnismässig ganz ruhig. Die einzelnen Arbeitskreisleiter referierten
und die Abstimmung erfolgte ohne Wortmeldungen zu meinem grössten
Bedauern meist einstimmig. Plötzlich mitten unter dieser Vorgangsweise
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meldete sich ein Genosse der Seeböck-Sektion und beschwerte sich
bitter, dass die Unterlagen erst so spät den Delegierten, nämlich bei
Eintritt in den Saal ausgehändigt wurden. Natürlich konnten Heindl
und Tischler aber auch ich sofort erklären, dass es technisch gar
nicht anders möglich war. Befriedigend war der Zustand sicherlich nicht.
Zum Glück hatten wir vorige Woche extra eine Bezirksausschuss-
sitzung, an der weder Heindl noch ich wegen Parlament teilnehmen konnten,
mit den Abänderungsvorschlägen beschäftigt, so dass in jeder Sektion
darüber berichtet und auch diskutiert werden konnte. Der Genosse war
aber bei der letzten Sektionssitzung nicht dabei, weshalb bei ihm
der Eindruck entstand, er soll überfahren werden. Jetzt entwickelte
sich dann eine lebhafte Diskussion. Zuerst über die wie ich glaube
sogar teilweise berechtigte Kritik, die allerdings an der kurzen Zeit-
spanne, die zur Verfügung stand, sich dann doch als ungerechtfertigt
herausstellte und dann auch über den Inhalt der weiteren Arbeitskreise.
Die längste an einem Satz einer Resolution, dass das Ziel der sozia-
listischen Partei die klassenlose Gesellschaft ist. Unsere Vertreter
des Freien Wirtschaftsverbandes wollten, dass man dies streicht,
aber Arch. Reichel, der diesen Arbeitskreis führte, bestand mit
aller Entschiedenheit darauf. Ich konnte auch mein Kompromiss
nicht durchbringen, dass dieser Satz sowieso im Parteiprogramm steht,
er nicht geändert wird, weshalb wir ihn theoretisch streichen könnten
und dann die Resolution noch immer einen gewissen Sinn hat. Der
Arbeitskreis aber hat insbesondere eine Bestimmung des Vorschlages
von der Parteizentrale, wonach wir liberaler, d.h. womöglich eine
liberale Partei sein sollen, als Anstoss genommen, auf unsere der-
zeitige Parteistatutsbestimmung, dass wir eine klassenlose Gesell-
schaft anstreben, ganz besonders hinzuweisen. Über die Diskussion
nicht nur über diesen Punkt sondern auch über die anderen habe ich
mich nachher sehr gefreut. An der Programmdiskussion haben bei uns
im Bezirk zwar nur 22 Funktionäre und Mitglieder teilgenommen, bei
14.000 Mitgliedern wahrlich eine kleine Anzahl. Immerhin aber war
wenigstens überhaupt eine Diskussion in der Bezirkskonferenz und vor
allem vorher entsprechend der Abstimmung der einzelnen Vorschläge
in den Arbeitskreisen eine sehr lebhafte Diskussion. Mich würde weniger
interessieren wie es in anderen Bezirken gewesen ist oder ist, mich
interessiert viel mehr, was geschehen wäre, hätte Heindl nicht diese
Art der Diskussion bei uns im Bezirk sehr unterstützt und gefördert.
Ich fürchte, dann wäre auch dieser Parteitag ohne wesentliche Anträ-
ge von der Landstrasse über die Bühne gegangen. Wenn man nämlich eine
Reform in einer Partei will und dies vor allem bis in die letzten
Gliederungen, dann muss man dies nicht nur pflegen, sondern auch
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organisieren. Wo keine solche Diskussionsorganisation erfolgte,
hat sie sicherlich nicht stattgefunden. Eigentlich ein trauriges
Zeichen.
Tagesprogramm, 3.2.1976
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 13. Ministerratssitzung, 3.2.1976