Mittwoch, der 28. Jänner 1976 bis Freitag, der 30. Jänner 1976

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Mittwoch, 28. Jänner 1976
bis Freitag, 30. Jänner 1976

Die 125-Jahr-Feier der Handelskammer Linz zerfiel wie auch die bisherig
in zwei Teile. Eine Vollversammlung und eine Festveranstaltung. Zu
meiner grössten Überraschung sprach ich aber in der Vollversammlung und
nicht bei der Festveranstaltung im Bruckner-Haus. Zuerst war ich
über diese Einteilung sehr überrascht, weil es sicherlich unge-
wöhnlich ist, dass bei einer Festveranstaltung ein anwesender Minister
nicht das Wort ergreift. Es war nur LH Wenzl und Präs. Sallinger
mit Begrüssungsadressen, nach der Begrüssungsansprache des Linzer
Präsidenten Schütz vorgesehen. Anschliessend gab es dann eine Ton-
bildschau. Wie sich aber dann herausstellte, war es sehr gut, dass
ich bei der Vollversammlung das Wort ergreifen konnte. Es waren zwar
weniger Festgäste dort, eben nur die Kammermitglieder, dafür aber
eine einmalige Möglichkeit, auf Ausführungen Sallingers zu repli-
zieren. Sallinger wieder hatte fest erwartet, dass ich nur zur
Festveranstaltung sprechen werde, und deshalb seine Rede in der Voll-
versammlung sehr aggressiv vom Blatt heruntergelesen. Der Rede-Schreiber
hatte ebenfalls angenommen, dass Sallinger als einziger dort reden
würde und die Regierung in allen möglichen Punkten hart attackiert,
als ich diesbezüglich dann erwiderte, kam es sogar zu Zwischenrufen
aus der Vollversammlung. Das war mir nur sehr recht, denn sie
sollten nur sehen, dass ich wohl unter gar keinen Umständen mir
ein Blatt vor dem Mund nehme, auch dann, wenn es sich um eine Fest-
sitzung handelt. Schütz bedankte sich dann bei mir und meinte unter
vier Augen, er müsse feststellen, dass ich mich jetzt doch immer
mehr zu einem richtigen Vertreter der Gewerbetreibenden entwickle.
Das hat er glaube ich deshalb auch empfunden, weil ich entgegen der
Behauptung Sallingers nachweisen konnte, dass sehr wohl in
den letzten Jahren für die kleineren auch sehr viel geschehen ist.

Die Handelskammer hat eine herrliche Festschrift herausgebracht
die insbesondere graphisch sehr schön gestaltet war. Unter den
vielen Bildern, selbst von Kamitz und Mock fand sich kein einziges
von Sallinger. Ich hatte vorher schon gehört, dass Sallinger darüber
so verärgert war, dass er gar nicht zur Festsitzung fahren wollte.
Als ich mit Schütz und ihm das Problem, wer die Kommerzialrats-
titel verteilen soll, besprechen wollte, war er nach Einladung des
Kammeramtsdirektors nicht bereit, in das Präsidentenzimmer zu gehen.



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Schütz gestand mir, dass es seine Schuld war, dass kein Bild
in dieser Festschrift war und war daher sehr erfreut, dass ich
mich hier insoferne einschaltete, als ich Sallinger dann persön-
lich hineinholte, was einer grossen Anstrengung bedurfte. Ich
weiss jetzt schon ganz genau, in den kommen Festschriften werde ich
niemals aufscheinen. Der Vergleich ist natürlich hinkend, aber
bei allen Veranstaltungen der Handelskammer werde ich immer nur
als notwendiges Übel betrachtet. Sallinger selbst legt grössten
Wert darauf, dass ich dort nicht in Erscheinung treten kann. Nur
wo es unumgänglich notwendig ist, werde ich eingeladen. Natürlich
sage ich das, wenn auch humorvoll stets bei allen Gelegenheiten.
In der Diskussion mit den Vorrednern und insbesondere aber mit den
wie ich glaube ganz geschickten Abwehrmethoden der Angriffe in solchen
Veranstaltungen kommt Mussil und Sallinger immer mehr glaube ich zu
der Überzeugung, mich unter keinen Umständen in ihre Organisationen
hineinzulassen. Sallinger gesteht immer freimütig, dass ich mich
sehr geschickt verhalte, während Mussil sarkastisch lächelnd dann
immer erklärt, ich hätte wieder unverantwortlich attackiert.
Sicherlich kann ich niemanden dort politisch überzeugen, aber neutra-
lisieren kann man wahrscheinlich eine grosse Anzahl von Teilnehmern.
Das bestätigt mir auch Heindl, der doch auch jetzt sehr stark in
Unternehmerkreisen verkehrt.

Die Klubtagung in Salzburg begann mit einem Festvortrag Waldbrunners
zum 25. Todestag von Renner. Eine sehr gut zusammengetragene Rede aus
Erlebnissen Renners, teilweise dann auch aus persönlichen Erfah-
rungen von Waldbrunner. Für ein solches Forum und auch für die
Nachwelt eine schöne Zusammenfassung. Hoffentlich werde niemals
ich solche Ansprache oder Festreden halten müssen. Dadurch, dass
man nachher bei solchen Feiern immer nur das positive herausstreicht,
kommt glaube ich die Wahrheit ein wenig zu kurz. Sicherlich war der
Kampf z.B. zwischen Renner und Bauer ein ideologischer, aber doch
wahrscheinlich vielmehr noch ein persönlicher. Es war damals
nicht anders als heute. Natürlich waren die damaligen Kontrahenten
Bauer und Renner von einer anderen geistigen Kapazität als die
heutigen politischen Kontrahenten, z.B. Androsch - Gratz. Man müsste
ja fast noch sagen, heutige Linke, die es ja fast nicht gibt und
Rechte, die ideologisch auch nicht annähernd an Renner herankommen.
Der persönliche Gegensatz war damals vielleicht sachlich mehr fundiert
als heute. Bestanden hat er aber. Das weiss ich noch aus den ersten


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Tagen 1945. Damals war die rechte Gruppe Renner - Schärf - Helmer
usw. sehr interessiert, von den Linken nicht überrannt zu werden.
Sie kannten die Linken auch nicht und waren daher unsicher, wer
eigentlich was ist. Ich kann mich noch erinnern, oder glaube mich
noch zu erinnern, dass damals Renner z.B. Helmer forschen liess,
wer eigentlich dieser Waldbrunner sei, der sich wie Waldbrunner dann
bei der Festsitzung berichtete, in Gloggnitz bei ihm meldete, um
die Industrieführung zu übernehmen. Schärf wieder hat dann durch
Jahrzehnte hindurch Pittermann und Waldbrunner mit Recht als grosse
Gegenpols betrachtet und sich nie genau entschieden, wer eigentlich
sehr Nachfolger werden sollte. Letzten Endes entschied er sich für
Pittermann und favorisierte ihn, was er angeblich, wie Waldbrunner
mir einmal sagte, nachher bereute. Für mich hier wieder ein typischer
Fall, wo für die Personalvorschlag abgebende Stelle die grösste Ver-
antwortung trägt. Dieselbe schwere Entscheidung wird Kreisky zu
treffen haben. Ich habe vollstes Verständnis, dass er entsprechend
zaudert und sich nicht endgültig deklariert. Andererseits wird es
von Zeitungen gefragt und gibt dann oft ausweichende aber doch
Antworten, die zu Anhaltspunkten und insbesondere Headlines genug
Stoff geben. Die Folge ist natürlich eine grosse Verärgerung, wie
ich sie bei der Klubtagung feststellen konnte. Bürgermeister Gratz
hat viel Sympathie gefunden, dass er der einzige war, der dort in
der Personalfrage eine klare Erklärung abgab. Er beabsichtige nicht
in dieses Kabinett einzutreten. Damit hat er allerdings gar nicht
gesagt, dass er nicht selbstverständlich bereit wäre, den Bundes-
kanzler und Parteiobmann nach Kreisky zu übernehmen. Das Nachfolge-
problem Kreiskys wird uns einmal sehr zu schaffen machen. Daher
bin ich umso mehr überzeugt, dass Kreisky nach 1979 neuerdings
Bundeskanzler sein wird. Wenn wir die absolute Mehrheit bekommen.

Die Referate brachten überhaupt nichts Neues, da sie bereits im
Sachsengang oder im Redoutensaal gehalten wurden. Heinz Fischer
brachte eine Vorschau, was der Klub alles in nächster Zeit zu
leisten haben wird. Auch das war weder eine zündende Rede noch
etwas Neues. Einmal mehr wurde ausserhalb des Saales über Personal-
fragen diskutiert, an die ich mich allerdings gewohnheitsgemäss
und meinem bisherigen Verhalten entsprechend gar nicht beteiligte.



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Ich nützte die Gelegenheit, um ein längst fälliges Gespräch mit dem
Leiter der Fremdenverkehrsschule Klessheim zu führen, wie weit
man Entwicklungsländern helfen könnten als derzeit, wo man 1 oder
2 Kandidaten aufnimmt. Dabei erfuhr ich, dass man ein Teacher-Training,
wie wir auf Deutsch immer sagen Ausbilder-Ausbilder-Kurs startet.
Vielleicht könnte dies die Lösung auch für Entwicklungsländer sein.

Da ich jetzt im Berufsausbildungsgesetz einen neuen Entwurf ausarbeiten
muss, habe ich

Fortsetzung auf nächstem Blatt


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die Gelegenheit benützt und die Lehrwerkstätte von
Porsche in Salzburg besucht. Zum Glück war auch der Jugendobmann
von der Gewerkschaftsjugend und gleichzeitig auch der Vertreter
der Arbeiterkammer für Jugendfragen anwesend. Die Porsche-Leute
haben nämlich im vergangenen Jahr wesentlich weniger Lehrlinge
aufnehmen können als sie wollten. Die Verhältniszahlen haben
dies verhindert. Ich ersuchte deshalb die beiden Vertreter sie
sollten doch beweglicher sein, um für die möglichen Ausbildungen
von Lehrlingen in den nächsten 2 Jahren sehr grosszügig die
Verhältniszahlen handhaben. Ich komme immer mehr zur Überzeugung,
dass wir hier gewisse Reserven haben, um die immerhin 2000 – 3000
mehr anfallenden Lehrlinge heuer und im nächsten Jahr unterbringen
zu können. Bei vollstem Verständnis, dass nicht eine Lehrlings-
schinderei von Kleinstbetrieben vorgenommen werden darf, müssen
wir in den nächsten 2 - 3 Jahren durch Lockerung aller Bestimmungen
alles daransetzen, um die Lehrlingswilligen auf Arbeitsplätze zu
bringen.

Zum Glück besuchte ich Donnerstag am späten Nachmittag auch das
Casino von Salzburg um dort den alten Casinobau bevor das neue
Casino bei Winkler am Mönchsberg eröffnet wird, meine Referenz
abzustatten. Gen.Dir. Wallner macht für den Fremdenverkehr sehr
viel und freut sich immer, wenn ich seine Kasinos besuche. Dies
trägt glaube ich auch zur Hebung seines Images bei, obwohl ich
ja noch niemals einen Schilling dort verloren habe. Dass man
nämlich in einem Kasino nicht gewinnen kann, bin ich fest über-
zeugt und bestätigt sich immer wieder neuerdings bei neueren und
älteren Casinohasen. Es ist und bleibt die Deppensteuer die man
dort bezahlen muss. Als ich nach dem Casinobesuch um 7 Uhr in
mein Hotel kam, hatte Sallinger und Mussil bereits angerufen,
der Redakteur Nagiller teilte mir mit, dass die Preiskommission
70 und 60 beschlossen hätte. Er wollte von mir wissen, ob ich
bereit bin, am Freitag zu unterschreiben. Herbert Tieber kam ganz
aufgeregt und meinte, ich sollte sofort Gott und die Welt telefo-
nisch kontaktieren, um festzustellen was hier passiert wäre. Ich
war selbst auch ein wenig überrascht, dass eine Preiskommission am
Donnerstag, noch dazu 70 und 60, Nagiller konnte nicht erklären
um was es sich dabei handelt, beschlossen haben sollte. Für mich


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war es ganz klar, dass damit der Brotpreis und wahrscheinlich
der Mehlpreis darunter zu verstehen war. Allerdings hätte genauso
70 für den Laib oder Wecken und 60 für den Laib oder Wecken bedeuten
können. Auf alle Fälle habe ich meinen guten alten Grundsatz wieder
angewendet. Nagiller sagte ich, ich werde am Freitag die entspre-
chenden Informationen bekommen und ihm dann endgültig antworten.
Jetzt könnte ich weder sagen, ob das gerechtfertigt ist, noch dass
ich unterschreiben oder nicht unterschreiben werde. Wenn eine ein-
vernehmliche Regelung zustande kommt, bin ich bereit, diese zu
akzeptieren. Freitag früh rief mich dann Mussil an und ersuchte
mich, dass ich auch alles daransetzen sollte, noch vor dem 1.2.
die Preise festzusetzen. Ich kam ihm entgegen und erklärte, ich
wäre bereit Verhandlungen am Samstag zu führen. Mussil war darüber
sehr glücklich und ich hatte den Vorteil, der Handelskammer zu
beweisen, dass ich ihnen jederzeit entgegenkomme. Da ich dieses
Problem ja in absehbarer Zeit ja auf alle Fälle lösen muss, ist es
mir eigentlich ganz egal ob am Samstag oder erst nächste Woche
die Entscheidung getroffen wird.

Am Samstag erschienen zur Brot-und Mehlpreisfestsetzung von der
Handelskammer mindestens 2 Dutzend Vertreter. Die Arbeiterkammer
war durch Zöllner und Weihs vertreten, der Gewerkschaftsbund am
Anfang überhaupt nicht weil es sich um eine amtliche Preisfest-
setzung handelt. Insbesondere die Bäckerinnung war mit dem neuen
Innungsmeister und 4 Leuten aufgekreuzt. Die Brotindustrie war
mehr als überrepräsentiert. Der Funktionär war eigentlich Schön-
bichler
von der Sektion Handel, der gleichzeitig auch Präsidiums-
mitglied der Bundeshandelskammer ist. Zuerst ging es stundenlang
im normalen Preisprüfungsvorverfahren und im normalen Trott. Jeder
wiederholte immer wieder seinen Standpunkt. Auf diese Art und Weise
war es unmöglich zu einer Lösung zu kommen. Kurzel führte den Vor-
sitz, denn ich wollte ihn unter gar keinen Umständen des desavouie-
ren, sondern ganz im Gegenteil herausstreichen, dass er der Leiter
der Preiskommission ist und er daher die ganzen Verhandlungen
führt. Nach einiger Zeit schlug ich nur vor, man sollte nicht
mit den Mehlpreis beginnen, sondern mit dem Brot- und Semmelpreis.
Bei der letzten Preiserhöhung war vereinbart werden, dass die
Semmeln nicht um den rechnungsmässigen Kalkulationsbetrag von
6.2 Groschen, sondern eben von 10 Groschen erhöht wurden. Da man
um Groschenbeträge, auch Fünfgroschenbeträge heute nicht mehr ver-


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handelt, der Konsument versteht es nicht und er würde die Manipula-
tion mit den 5 Groschen oder Groschenbeträgen ablehnen. Gleich-
zeitig wurde damals aber erklärt, bei der nächsten Preiserhöhung
wird deshalb der Semmelpreis nicht erhöht werden. Dies stiess auf
entschiedenen Widerstand der Bäckervertreter. Der Innungsmeister
wollte von mir die schriftliche Unterlage für diese Vereinbarung.
Da sie aber in der Paritätischen Kommission beschlossen wurde
konnte nur dort etwas aufliegen. Dr. Rief von der Bundeskammer
musste allerdings zugeben, dass tatsächlich eine solche Vereinbarung
bestand. Er zog sich deshalb mit dem Innungsmeister und Heinrich
als Präsidenten der Brotindustrie zurück. Lange Rede kurzer Sinn,
nach 3 1/2 Stunden brachte ich dann doch alle auf einen gemeinsamen
Kompromissvorschlag. Ich hatte noch Generalsekretär Mussil im
Waldviertel angerufen und der war sehr erfreut von mir dann zu
hören, dass es doch gelungen ist ein Kompromiss zu erreichen.
Die Bäcker haben zwar nicht zugestimmt, wohl aber die Handels-
kammer. Die Bäcker hatten sich vorbehalten in absehbarer Zeit
bei der Paritätischen Kommission wegen dem Semmelpreis einen
neuen Preisantrag zu stellen. Sie wollten unbedingt die Semmel
von 90 Groschen auf 1 Schilling maschinengeformt erhöht haben.

Bei dieser Preisfestsetzung probierte ich gleich das System der
Wiener Schule theoretisch aus. Bei Prof. Mayer auf der Univer-
sität hatte ich seinerzeit die Grenznutzenschule einigermassen
studiert und verzapfte jetzt die Theorie, dass man in der National-
ökonomie nicht von den Kosten der Vorprodukte auszugehen hat, wie
dies die klassische Nationalökonomie immer wieder lehrt, sondern
von den Verbraucherpreisen und mit Zurechnung dann zu den einzelnen
Produktionsfaktoren kommt. Das Ganze ist natürlich ein theoretisches
Hasardspiel, aber zu meiner grössten Verwunderung haben die anderen
es akzeptiert. Ich brauche diese theoretische Begründung weniger
wegen des Brot- und Mehlpreises, sondern vor allem wenn es tatsäch-
lich zur einfachgesetzlichen Preisregelung kommt. Dann habe ich
nur mehr die Möglichkeit den Verbraucherpreis gesetzlich zu fixieren
und werde eben eine theoretische Begründung brauchen, dass es auch
auf diese Art und Weise möglich ist einen marktwirtschaftlich rich-
tigen Preis zu erstellen. Die theoretische Auseinandersetzung er-
innert mich auch ein wenig an den Streit, den ich im Parlament mit
Koren immer führte, als er noch Finanzminister war. Damals behauptete
er, es müssten nach der klassischen Theorie zuerst die Unternehmer


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entsprechende Gewinne haben, bis sie investieren und damit sie
investieren. Ich wieder verzapfte genau das Gegenteil auf Grund
der neoklassischen Vertreterin Dr. Robinson konnte ich beeindrucken
die immer wieder sagt, der Unternehmer müsste zuerst investieren,
dann ergibt sich aus diesen Investitionen der entsprechende Gewinn.
Ähnlich muss ich mich glaube ich in Hinkunft bei der Preisbildung
und Preiserstellung mit Hilfe der Grenznutzenschule verhalten.

Da wir bei der Regelung gleichzeitig den Semmelpreis unverändert,
aber dafür die anderen freien Produkte freikalkuliert lassen wollen,
musste auch Schmidt vom Gewerkschaftsbund kommen, damit die Pari-
tätische Kommission sozusagen vollzählig die entsprechenden Vor-
beschlüsse fasste. Die Brotindustrie und die Bäcker waren nämlich
nur bereit zuzustimmen, resp. zur Kenntnis zu nehmen, wenn sie
gleichzeitig ab Montag auch die anderen Produkte freikalkuliert
verkaufen können. Die Einigung lautete dann: Der Laib wird um
60 Groschen erhöht, damit die Differenz zum Wecken nicht allzu
gross wird, dieser nur mit 50 Groschen. Dadurch verringert sich
die Februar 75 um 10 Groschen vergrösserte Differenz von 60 zwischen
Laib und Wecken wieder auf 50 Groschen. Der Wecken kostet 9.30
Schilling, der Laib 8.80 Schilling. Mehl offen wurde um 40 Groschen
erhöht, ganz egal ob 440 d.h. Griess oder 700, der verpackte Mehl-
preis aber um 50 Groschen. Nur dieser spielt bei den Konsumenten
eine Rolle, weil man heute offenes Mehl kaum bekommt. ES kostet
jetzt 8.50 Schilling und Mehl 8.20 Schillinge. Wenn man bedenkt,
welche Forderungen zuerst gestellt wurden und teilweise sogar
wirklich kalkulationsmässig belegt, wenn man bedankt, wie gross der
Auftrieb der Handelskammer war um mit Gewalt mehr durchzusetzen,
so war dies ein ganz faires Kompromiss, wie ich auch Zeitungsver-
tretungen mitteilte. Am lustigsten war, dass während der Sitzung
Horn von der Presse erschien, sich in den Sitzungssaal reinbegab,
so machte wie wenn er dazu gehörte und vom Vorsitzenden dann wieder
mit aller Deutlichkeit und auch sehr verärgert rauskomplimentiert
wurde. Kurzel konnte nur sagen, eine ungeheure Frechheit.

Gen.Dir. Wolfsberger von der Firma Siemens kam um mir zu berichten,
dass er nicht 380 kündigen muss, wie er noch vor etlichen Wochen
befürchtete und mir ankündigte. Es ist ihm gelungen mit der Post
eine entsprechende Vereinbarung zu schliessen, dass nicht so
schnell auf Elektronik übergegangen wird als er es befürchtete.



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Dadurch kann er die Arbeitskräfte einigermassen noch eine Zeitlang
halten und muss nur 150 - 170 abbauen. Wenn man bedenkt, dass in der
Bundesrepublik allerdings 220.000, 12.000 jetzt gekündigt wurden,
so hat Österreich hier auch eine bessere Lösung gefunden. Von diesen
150 – 170 sind 50 Gastarbeiter. Den Rest ist er überzeugt, kann er
schön langsam durch Normalausscheiden, Pension, freiwilliger Aus-
tritt usw. abbauen. Ein einziges Problem wird nur bei dem Ausweich-
betrieb in Heiligeneich, d.h. bei Tulln, wo er doch im Laufe des
Jahres den Betrieb mit 60 Verbliebenen noch schliessen muss. Er
gibt jeden Einzelnen die Möglichkeit nach Wien zu übersiedeln.
Er rechnet allerdings damit, dass die Frauen dieses Anbot nicht
annehmen werden. Wolfsberger ersuchte mich auch, bei meinen Russ-
landbesuch neuerdings die Olympischen Zeit-und sonstigen elektro-
nischen Techniken mit Patolitschew zu besprechen, damit diese
Aufträge womöglich nach Österreich kommen. Ich sagte es ihm selbst-
verständlich zu. Wolfsberger war lange Zeit Handelsdelegierter
in Moskau und weiss daher sehr genau wie wichtig es dass dort
auch Minister intervenieren. Wolfsberger erklärte mir, dass ganze
System kann aber nur bezüglich der Beschäftigung aller Siemens-
Arbeiter in Österreich funktionieren, wenn der Postminister Lanc
einer Vereinbarung die er mit der Postverwaltung getroffen hat
zustimmt. Ich habe seinerzeit mit Min.Rat. Rischawy mich über diese
Elektronik bei der Post eingehend unterhalten und weiss, dass letzten
Endes die Entscheidung von Lanc abhängt. Sein Sekretär Dr. Holischek
hat Wolfsberger wissen lassen, dass 3 Direktoren zu dieser Aus-
sprache erwünscht sind. Ich hätte ja anstelle Wolfsberger auch einen
Betriebsrat mitgenommen. Wolfsberger hat auch diese Absicht gehabt,
nur hat Lanc eben angeblich über seinen Sekretär wissen lassen,
dass er nur mit den Direktoren verhandeln will. Ich sagte Wolfs-
berger
meine Unterstützung zu, wenn er bei Lanc auf Schwierigkeiten
stossen sollte.

Der Präsident der iranischen Handelskammer Ziai kam mit Sallinger
und Dr. Schimpf mir einen offiziellen Besuch abzustatten. Mit
Sallinger hat er besprochen, dass auch der Klein- und Mittelindu-
strie und Gewerbesektor stärker im Export nach Iran eingeschaltet
werden soll. Auch ich bin der Meinung, dass sich unsere Mittel-
betrieb noch viel zu wenig um Exporte bemühen. Ich unterstützte
deshalb auch diese Idee. Insbesondere verwies ich darauf, dass wir


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ausser den grossen Exportlieferungen von Maschinen und Anlagen,
auch versuchen sollten Konsumgüter zu exportieren, Ein typisches
Beispiel dafür ist Textil und Stickereiprodukte. Ziai war damit
einverstanden. Ich schlug vor, dass Dr. Schimpf von der Bundes-
handelskammer mit Fälbl, der ebenfalls anwesend war und sich um
dieses Problem annehmen wird, eine entsprechende Liste den
iranischen Handelsrat hier in Wien geben soll.

ANMERKUNG für WAIS: Bitte entsprechende Vorschläge erstatten.

Die Handelskammer hat vereinbart eine Joint Commission d.h. eine
Gemischte Kommission von 5 - 7 Personen zu gründen, die den Kontakt
mit der iranischen Seite aufnehmen soll. Dagegen habe ich auch nichts
einzuwenden, da wir ja keine Gemischte Kommission mit dem Iran
derzeit haben. Ziai hat zugegeben, dass das grösste Problem noch
immer die Infrastruktur in ihren Land ist. Die Schiffe können in
Trabitsund nicht entladen werden, die Eisenbahn ist weitestgehend
verstopft und in der letzten Zeit hat sich nur der Grenzübergang
Tschulfa ein bisschen verbessert. Die Lastwagenkolonnen können als
einzige einigermassen zu den Endstellen kommen. Der Transport
hat sich jetzt deshalb auch von 120.000 Schilling pro Lastwagenzug-
lieferung auf 80.000 Schilling reduziert. Noch immer ein gigantisch
hoher Preis. Ziai war auch sehr erfreut zu hören, dass wir im
Tourismus ihnen eine weitestgehende Unterstützung gewähren wollen.
Ich hatte mit den Schulleiter von Kleßheim vereinbart, dass wenn
die Perser oder Ägypter oder sonstige Entwicklungsländer sich be-
sonders interessieren, wir die Teacher-Training-Kurse die jetzt
starten, auch den Entwicklungsländern zur Verfügung stellen werden.
Die Perser wünschen ausserdem Skilehrer in grösserer Anzahl für
ihre Skigebiete 20 Minuten von Teheran in den nördlichen Bergen.

ANMERKUNG für TIEBER: Würzl soll ein solches Projekt den Entwick-
lungsländern, die sich interessieren, ausarbeiten.

Beim Mittagessen in der ägyptischen Botschaft für Vizepremier-
minister Maghoub, den Parteisekretär der sozialistischen Einheits-
partei Ägyptens, war ich der Höchste. Rösch wollte mir vor einiger
Zeit einreden, scheinbar damit ich zusagte, auch Kreisky oder ein
anderes Präsidiumsmitglied würde kommen. In Wirklichkeit haben


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die sich ihren Samstag scheinbar nicht verderben lassen und so
kam ich allein mit Veselsky als dem zuständigen Verstaatlichungs-
Staatssekretär und vor allem den beiden Zentralsekretären Marsch
und Blecha. Die Aussprache erstreckte sich daher unter vier
Augen. Der ägyptische Botschafter hatte es so arrangiert. Für mich
interessant nur auf ökonomischem Gebiet. Ich machte Maghoub
neuerdings klar, dass es ungeheuer wichtig ist, das Tunnelprojekt
zu bekommen. Dies würde nicht nur eine bedeutende Investition
in Ägypten sein, sondern für die ägyptisch-österreichischen Zusammen-
arbeitsverträge und Praktiken ein eindeutig sichtbares Zeichen.
Wais hatte mir vorher ein Kabel gegeben, wo der österreichische
Botschafter in Ägypten mitteilt, dass sich Osman sehr für dieses
Tunnelprojekt einsetzt. Er hätte ihm erklärt, dass Österreich der-
zeit an zweiter Stelle liegt und dass er alles daransetzen wird,
dass wir dieses Tunnelprojekt bekommen. Der ägyptische Minister
Osman hat deshalb sogar den Botschafter aussernatürlich gut be-
handelt, informiert und zu entsprechenden Essen und Berichter-
stattung eingeladen. Diese Information ist strengst vertraulich
und sollte nicht einmal den österreichischen Firmen gesagt werden.
Ich bin neugierig wie lange ich warten muss, bis mich österreichische
Firmen über diesen Tatbestand informieren werden. Über Vertraulichkeit
der einzelnen Akte resp. Informationen habe ich mir im Laufe der 5
Jahre auch eine entsprechende Meinung gebildet. Sehr hoch war bei mir
ja niemals die Überlegung, dass tatsächlich wenn Kreisky oder sonst
irgendwer sagt, dies sei streng vertraulich, das auch dann tat-
sächlich eingehalten wird. Meistens ist es so, dass es nur als
Deckung dient, damit wenn es dann offiziell bekannt wird, man sagen
kann, dass ist nicht möglich, denn das war eine vertrauliche In-
formation. Vielleicht will und kann man dann auch jemand der diese
Vertraulichkeit bricht einen Strick drehen. Vielleicht ist es auch
manchmal eine gute Ausrede zu sagen, man hat das oder jenes nicht
erreicht, weil die Vertraulichkeit gebrochen wurde. Sicher ist für
mich nur eines, dass, wenn mehr als zwei Personen etwas wissen,
damit schon die Möglichkeit dass es auch ein dritter erfährt sehr
stark ist. Je mehr Personen dann von diesem strengst vertraulichen
Material Kenntnis erhalten umso sicherer kann man annehmen, dass
es dann sehr bald in grösseren Kreisen auch tatsächlich kolportiert
wird. Trotzdem sollte niemand unserem Büro oder Haus vorwerfen können,
dass wir nicht vertrauliche Informationen soweit als möglich, zu-
mindestens innerhalb unseres Büros als vertraulich behandelt haben.

29_0110_05

Tagesprogramm, 28.-31.1.1976


Tätigkeit: MR, Leiter Gruppe FV u. Gewerbeförd. HM


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: HK


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Sekr. JS, Tiroler SPÖ-Politiker


      Einträge mit Erwähnung:


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: sowj. Außenhandelsminister


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Finanzminister
            GND ID: 118503049


            Einträge mit Erwähnung:
              GND ID: 118761595


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Innenminister bis 1977, danach Verteidigungsminister


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: oö. LH (ÖVP), GD OKA
                  GND ID: 119017555


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: -obmann


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: AK


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: SPÖ-Zentralsekr.


                        Einträge mit Erwähnung:
                          GND ID: 129507873


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Finanzminister, ÖVP-NR-Abg., OeNB-Präs.


                            Einträge mit Erwähnung:


                              Einträge mit Erwähnung:


                                Einträge mit Erwähnung:


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: Abg. z. NR, Klubobmann, ÖVP


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        GND ID: 1017902909


                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          Tätigkeit: ORF


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                                            GND ID: 102318379X


                                            Einträge mit Erwähnung:
                                              Tätigkeit: GD Siemens Österreich


                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                Tätigkeit: GD Casinos Austria


                                                Einträge mit Erwähnung:
                                                  Tätigkeit: Obmann Sektion Handel BHK


                                                  Einträge mit Erwähnung:
                                                    Tätigkeit: Leiter vw. Abt. ÖGB, SPÖ-NR-Abg.


                                                    Einträge mit Erwähnung:
                                                      Tätigkeit: MR HM


                                                      Einträge mit Erwähnung:
                                                        Tätigkeit: Beamter HM


                                                        Einträge mit Erwähnung:
                                                          Tätigkeit: ehem. ÖVP-FM


                                                          Einträge mit Erwähnung:
                                                            Tätigkeit: Sprecher Brotindustrie


                                                            Einträge mit Erwähnung:
                                                              Tätigkeit: AK; evtl. Falschschreibung


                                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                                Tätigkeit: Unterrichtsminister, Bgm. Wien


                                                                Einträge mit Erwähnung:


                                                                  Einträge mit Erwähnung:
                                                                    Tätigkeit: Bundeskanzler
                                                                    GND ID: 118566512


                                                                    Einträge mit Erwähnung:
                                                                      GND ID: 114650888


                                                                      Einträge mit Erwähnung:
                                                                        GND ID: 12254711X


                                                                        Einträge mit Erwähnung:
                                                                          Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


                                                                          Einträge mit Erwähnung: