Montag, der 19. Jänner 1976

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Montag, 19. Jänner 1976

Ausser einem Besuch in der Gewerkschaft und dem Pressefrühstück
verwendete ich den ganzen Tag, um die wirtschaftliche Aussprache
vorzubereiten. Niemals hatte ich mich so intensiv über das Wochen-
ende und dann noch in einer Aussprache mit Wanke, Tieber, Wais
und Plesch für ein 20-Minuten-Referat vorbereitet. Bekanntlich
muss man aber, je weniger Zeit man hat, umso mehr sich mit der
Materie und vor allem mit dem Kürzen der Probleme sich befassen.
Wichtigste Frage und komplizierteste aber war, dass ich in Wirk-
lichkeit keine interessanten Zusagen oder Eröffnungen machen kann
und konnte. Kreisky wird in seinem Referat die Industriekommission
zur Strukturänderung und Konzentration ankündigen. Androsch wieder
hatte die Möglichkeit, einige sehr entscheidende steuerliche Erleich-
terungen mitzuteilen. Für mich blieb wirklich nur der Grundsatz,
fast 6 Jahre habe ich jetzt Schmäh geführt, auch die restlichen
3 1/2 wird dies noch möglich sein. Doch Spass beiseite: finanzielle
Versprechungen kann ich nicht machen, weil mein Budget dies
nicht zulässt. Grosse organisatorische Änderungen oder Ankündigun-
gen, die nicht finanzieller Natur sind, will ich nicht machen,
da ich die Durchführbarkeit nicht sehe.

Als ich die Anwesenheit dieses riesigen Kreises im Redoutensaal
dann bemerkte, war ich umso mehr überrascht und verwundert, wie
dies für mich ausgehen soll. Wie es für Kreisky ausging, war mir voll-
kommen klar. Kreisky hatte erstmalig zu dieser Aussprache die Par-
teien ebenfalls geladen, weshalb Taus und Peter, dies letzterer
sicherlich auch als Klubobmann der FPÖ erschienen waren. Dazu
alle Vertreter des Bankapparates, zwei Dutzend Hochschulprofessoren
starke Delegationen der Interessenvertretungen und natürlich Spitzen-
beamte, in Summa über hundertsechzig Personen. Kreisky erkannte
sofort, dass es unmöglich war, 5 Referate auf einmal zu halten,
weshalb er nach den Ausführungen des OECD-Abteilungsleiters für
Statistik und Wirtschaft Klaus und des Leiters des Wirtschafts-
forschungsinstituts Seidel über deren Referate eine Diskussion er-
öffnete. Die beiden Referenten analysierten die Wirtschaftssituation
und prognostizierten eine langsame und mässige aber stetig
sich aufwärts entwickelnden Konjunkturanstieg mit der zweiten
Hälfte 1976 selbsttragend sein kann. Die grosse Gefahr ist die In-
flationskomponente in dieser Prognose, die wenn man nicht äusserst


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zurückhaltend teilweise Gas gibt, teilweise aber bremst, sofort
wieder zu starker inflationärer Entwicklung führen kann. Das
weitere grosse Problem, ob es in dem Konjunkturaufschwung gelingt,
dass die Unternehmer entsprechende Gewinne machen und nicht ein
Verteilungskampf einsetzt auf nationalem Gebiet, in dem die Ge-
werkschaften dann sofort entsprechende stärkere Einkommen wünschen,
im internationalen Bereich die Rohstoffpreise sofort wieder erhöht
werden, wenn die Nachfrage sich verbessert. In 29 Wortmeldungen
wurde dann über diese beiden Referate diskutiert, wie Kreisky
genüsslich analysierte: 17 von Sozialpartnern, 8 von Hochschul-
professoren und 3 von den Parteivertretungen. Der erste Sieg
Kreiskys war seine Feststellung durch diese Wortmeldung ist er-
wiesen, wie notwendig diese Aussprache gewesen ist, die ja in
der ÖVP als "Kreisky-Show" usw. abqualifiziert werden sollte.
Dass es eine Kreisky-Show wird, war mir vollkommen klar, dass
die ÖVP und selbst die Handelskammer gar keine andere Möglichkeit
hatte als mitzutun, zeigt wieder einmal wie sehr er in jeder
Beziehung das Feld beherrscht. Er zwingt den Gegner zu den Stel-
lungnahmen, die ihm passen, auf dem Kampffeld und zu dem Zeit-
punkt, den er bestimmt. Taus als erster Diskussionsredner meinte
verzweifelt, damit könne er sich nicht abfinden und das Parlament
dürfe nicht ausgeschaltet werden. Natürlich erwiderte Kreisky
sofort, dass dies keinesfalls eintreten würde, weil natürlich das
Parlament als die in einer Demokratie wichtigste Stätte der Ausein-
andersetzung mit allen seinen Rechten unangetastet bleibt. Taus
hatte ausserdem behauptet, die Massnahmen der Regierung hätten
2 % Lebenshaltungskostenverteuerung gebracht, weshalb die von
der ÖVP angestrebten 6 % Inflationsrate 1976 eben nicht gehalten
werden kann, ersuchte mich Kreisky darauf zu replizieren. Zum
Glück hatte ich alle Ziffern greifbar und konnte ihm spielend
nachweisen, dass nicht nur die Beschlüsse vom Sachsengang, von
denen ja die ÖVP behauptet, dass sie 2 % ausmachen, sondern selbst
wenn ich alle Beschlüsse von der Tabakpreiserhöhung, die Mehr-
wertsteuererhöhung um 2 %, aber auch sogar die Gaspreis-Erhöhung
der Gemeinde Wien berücksichtige und alle Beschlüsse vom Sachsen-
gang, so macht es 1,4 % aus. Dabei ist diese Rechnung insoferne falsch
und ungünstig, wie ich dort erklärte, weil die KFZ-Steuer-Erhöhung
erst mit Oktober fällig und damit man sie nicht schon jetzt rechnen
kann und dürfte. Niemals also kommen in der direkten Belastung
also 1,4 % zustande. Wirklich interessante Attacke war nur von


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Mussil und Schoeller für mich zu verzeichnen. Beide wendeten sich
gegen Gesetzentwürfe, die, so Mussil, die Sozialpartnerschaft
gefährden. Niemand kann erwarten, dass die Landwirtschaft, wenn die
neuen Marktordnungsgesetze einfachgesetzliche Regelungen
kommen, dann noch an der Sozialpartnerschaft Interesse hätte. Da neue
Preisgesetz, so Mussil aber auch Schoeller, würde die Handelskammer-
sozialpartnerschaft zum Teil stören. Überraschend war, dass Schoeller
auch das Energiesicherungsgesetz als ein Störgesetz bezeichnete. Dass
das Arbeitsmarktförderungs- und das Arbeitsvermittlungsgesetz die
Handelskammer stört, habe ich noch Verständnis, dass Sallinger auch
sich gegen die Mindesturlaubs- und Pflegeurlaubsbestimmungen wendet,
die angeblich 4 Mia. und damit 1,5 % kosten, kann ich auch noch ver-
stehen, weitere konkrete Angriffe glaube ich werden erst nach den
Vorschlägen von der Regierung kommen, wie immer wieder bei den Dis-
kussionsteilnehmern herausklang. Zeitliche Trennung zwischen den
Einleitungsreferenten und den Erklärungen der Regierung am nächsten
Tag war von Kreisky ursprünglich gar nicht beabsichtigt, zeigte
sich jetzt aber als ungeheuer taktisch geschickt. Jetzt konnten durch
eine umfangreiche Diskussion alle ihre Meinung sagen, hatten aber
noch keine Möglichkeit zu kritisieren und zu den Vorträgen der Re-
gierung Stellung zu nehmen. Wenn ich die ÖVP-Strategie zu leiten
gehabt hätte und dies erklärte ich schon Vormittag meinen Freunden,
hätte ich weniger kritisiert sondern ganz konkret erklärt, dass das
und das notwendig ist. Wenn am nächsten Tag dann Androsch einen Teil
dieser Forderungen dann erfüllt hätte, wäre meine Headline gewesen,
Vorschläge der ÖVP zumindestens teilweise erfüllt. Aussprache brachte
vollen Erfolg der Förderungen und der Taktik und der Strategie der ÖVP.
So aber beschränkten sich die Interessenvertretungen ja selbst Taus
und Koren auf die Analyse und verzichten eigentlich auf diese positive
Politik und positive Stellungnahme und damit auch positiven Images,
das sie bei dieser Gelegenheit bekommen könnten. Vielleicht aber
und das ist dann wieder Glück für Kreisky, machen sie den Fehler, dass
sie auch dann wieder erklären, das ganze ist unzulänglich, hilft nichts
bringt uns nicht aus dem Konjunkturtief heraus und ich weiss nicht
was sonst noch alles, mit anderen Worten, dass sie an ihrer bisherigen
Taktik und Politik festhalten. Ob dies auf lange Zeit etwas bringt,
weiss ich nicht, kurzfristig sicherlich nicht. Wenn nämlich
der Konjunkturaufschwung kommt – und niemand zweifelt mehr daran –
ausser Kreisky selbst, dann fällt diese positive Entwicklung wieder
nur Kreisky in den Schoss. Als Kreisky auf die pessimistische Linie


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vor Monaten einschwenkte, hätte die ÖVP diesen Wandel sofort nützen
müssen, um sich selbst auf die optimistische Seite zu schlagen. Dies
war für sie eine einmalige Chance, die sie total versäumt hat.

Schipper und Böhm wollten am Wochenende von mir noch eine Aussprache,
da sie, wie sich jetzt herausstellte, die Dienstanweisung von Gehart,
Zanker ins Personalabteilung zu nehmen, nicht durchführten.
Schipper und Böhm erklärten aber wieder, Pleschiutschnig, der einige
Male urgierte, dass sie vorher mit mir reden wollten, ohne dass
sie ihm den Grund sagten. Bei der Aussprache an der ich auch
Plesch und Tieber aufforderte, unbedingt anwesend zu sein, war mir
dass die Taktik vollkommen klar. Beide waren im Besitz eines Aktes
aus dem Jahre 1963, wo sich ein Vater einer 21-jährigen Tochter
darüber beschwerte, dass diese mit Zanker Beziehungen hat. Dieser
Brief war an den Innenminister gerichtet und von dieser der Pol.Dion.
zur Stellungnahme übermittelt. Dort hat man, obwohl Zanker kein
Dienstvergehen nachgewiesen werden konnte, ihm einen Vermerk in
die Personalakte gegeben. Schipper begründet nun die Nichtdurchführung
eines Dienstauftrages, dass seiner Meinung nach im Personalbüro nur
ein moralisch ebenfalls einwandfreier Beamter tätig sein soll. Meine
erste Frage war, warum dann das Innenministerium nicht ein Disziplinar
gemacht hat. Schipper behauptete, im Handelsministerium wäre dies
der Fall gewesen. Böhm beschwerte sich wieder bei mir, dass ohne
dass mit ihm gesprochen wurde, jemand in seine Abteilung versetzt
wird. Dies ist ein berechtigter Vorwurf und ich entschuldigte mich
sofort, dass ich dies unterliess. In Wirklichkeit habe ich angenommen,
dass Gehart mit Böhm zumindestens darüber gesprochen hat. Der ganze
Fall demonstriert mir wieder einmal, wie Personalabteilung wichtig
ist, da nur sie über die Akteneinsicht verfügt und dann entsprechend
diesen Vorteil für ihre eigenen Interessen aber auch gegen Interessen
im Hause benützen kann. Böhm und Schipper wollen Zanker nicht und
finden daher eine gute Gelegenheit einer Dienstanweisung nicht
Rechnung zu tragen. Wenn ich jetzt die Weisung gebe, ihn trotzdem
einzustellen, bevor dieses Problem geklärt und wie ich hoffe berei-
nigt ist, wird man mir bei der erstbesten Gelegenheit vorwerfen,
man hätte mich gewarnt, aber ich hätte mich ja darüber leichtfertig
hinweggesetzt.

ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte mit erfahrenen Personalisten das
Problem besprechen.



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Bei der Wirtschaftskonferenz verständigte ich sowohl Bielka
als auch Lausecker, dass Schmid sich nicht bewerben wird und
nach eingehender Aussprache und Überlegung jetzt feststeht, dass
Wanke, wie ja ursprünglich auch beabsichtigt, sich um die Industrie-
sektion bewirbt. Wanke hat ein so unkonventionelles Bewerbungsschreiben
abgegeben, wodurch er sich schon als bester Mann präsentiert.

Bielka teilt mir mit, dass er mit dem portugiesischen Minister
gesprochen hat und auch einen Bericht jetzt besitzt, dass die port.
Regierung begeistert ist, dass wir die 100 Mill. $ Investitionshilfe
in der EFTA durchgeboxt haben. Jetzt aber gibt es bei der Durch-
führung grosse Schwierigkeiten. Die skandinavischen Staaten wünschen,
dass Portugal eine grössere Autonomie hat, die Schweizer dagegen
wollen auf jeden Fall und jede Höhe einzeln bestimmen und darüber
hinaus noch entsprechenden Einfluss ausüben. Andererseits will
Portugal, dass der Sitz des Fonds in ihrem Land ist aus Ersparnis-
gründen aber wäre es wahrscheinlich zweckmässig, ihn am Sitz
der EFTA in Genf zu belassen. Vom Finanzministerium ist ein Magister
Lust und von der ÖNB ein Dkfm. Dörfler in einer Arbeitsgruppe, die
von einem Mann, der in der EFTA-Delegation in Österreich ist, geführt
wird. Bielka möchte nun, dass ich eine Weisung gebe, dass man
expeditiver arbeiten soll. Ich teile diese Meinung, schlage aber
nur vor, dass man wegen Lust, dem Finanzministeriumsvertreter, sicher-
lich ein ganz junger Beamter, der sich überhaupt nichts getraut,
als Weisungen von seinem Haus zu befolgen, mit dem Finanzminister
sprechen soll. Wozu wir jemanden extra bei dieser Delegation vom
Finanzministerium und von der ÖNB dabei sein muss, ist mir nicht ganz
klar. Hauptaufgabe der österr. Delegation bei der EFTA müsste es
doch sein, expeditiv zu arbeiten und zu trachten, dass der österr.
Anteil an diesem Kredit dann wieder mit österreichischen Lieferungen
und womöglich noch darüber hinaus von Anteilen anderer Staaten
österr. Lieferungen erfolgen können.

ANMERKUNG FÜR MEISL UND WAIS: Bitte den Sachverhalt klären und so
schnell wie möglich mit Aussenministerium gemeinsam österr. Dele-
gation in Genf verständigen.

Die ENIT-Einladung zu einer gastronomischen Woche hätte ich garan-
tiert nicht angenommen, wenn nicht meine Frau als Italien-Fan
zu allen diesen Veranstaltungen gerne geht. Bei dieser Gelegenheit
traf ich auch die Vertreter des ÖAMTC Dr. Veith und Czuklich
und habe sie wegen ihrer Schreibeweise in ihrer Zeitung hart,


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mit lächelndem Gesicht, d.h. freundlicher Miene attackiert. Ob
es etwas hilft, weiss ich nicht, sicher ist für mich nur eines,
seitdem mit den beiden nicht so enger Kontakt gehalten wird wie
ich dies früher, solange die Strasse bei mir war, getan habe,
beginnen sie natürlich viel stärker die Regierung zu attackieren.
Schuppich meinte allerdings, dann beim Essen, dass sie in der Koali-
tionszeit viel aggressiver waren, damals haben sie eben einen roten
und einen schwarzen Minister gleichzeitig angegriffen. Jetzt meint er
würden alle Aktionen, die sie starten, sofort ins Politische gezerrt.

GND ID: 130327808


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: SChef HM
    GND ID: 12195126X


    Einträge mit Erwähnung:


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Personalvertretung HM


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          Tätigkeit: Verkehrsminister


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            Tätigkeit: Sekr. JS, Tiroler SPÖ-Politiker


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Finanzminister
              GND ID: 118503049


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: öst. Botschafter in Sri Lanka


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Finanzminister, ÖVP-NR-Abg., OeNB-Präs.


                  Einträge mit Erwähnung:
                    GND ID: 118756265


                    Einträge mit Erwähnung:


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Obmann Sekt. Ind. BHK


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


                          Einträge mit Erwähnung:
                            GND ID: 1017902909


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                              Tätigkeit: Ökonom, ab 1981 Sts.


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                                Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


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                                  Tätigkeit: Kabinett Staribacher


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                                    Tätigkeit: GS ÖAMTC


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                                      Tätigkeit: ÖAMTC


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                                        Tätigkeit: FPÖ-Obmann


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                                          Tätigkeit: Bundeskanzler
                                          GND ID: 118566512


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                                            Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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