Samstag, der 10. Jänner 1976 bis Sonntag, der 11. Jänner 1976

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Samstag, 10.1., Sonntag 11.1.1976

Sowohl in einer Aussprache mit Heindl als auch dann mit einer
grösseren Heindl, Tieber, Heinz Fischer und mir, ergab sich ein
einziges sehr interessantes Problem. Alle waren überrascht, dass
z.B. jetzt über die Regierungsumbildung niemand etwas konkretes
den entsprechenden Gremien weiss, sondern irgendwie über Zeitungen
sei es Kurier oder gar Kronen-Zeitung zumindestens Vermutungen
zu lesen waren. Kreisky hat zwar bei der letzten Meldung von der
Kronen-Zeitung, wonach er auf keinen Fall mehr beabsichtigt, ob
und inwieweit er nach 1979 noch einmal kandidiert, erklärt, die
Kronen-Zeitung hätte ein Interview von A – Z erlogen. Ich und auch
Heinz Fischer sind allerdings der Meinung, dass die Informationen
weitestgehend gestimmt haben. Kreisky hat einmal spöttisch er-
klärt, wenn man irgendwo aufs Klosett geht und den Klosett-Deckel
hebt, dann kommt garantiert Mahr der Redakteur der Kronenzeitung
heraus. Richtig ist, dass Mahr aber auch andre ausgesprochene
"Schlierferln" sind und doch irgendwo Gelegenheit bekommen, immer
wieder Informationen, die dann natürlich exklusiv für sie sind,
erhalten. Vielleicht hat Kreisky selbst jetzt das Gefühl,
dass mit dieser Methode viele Leute verärgert sind. Natürlich kann
man nicht verhindern, dass die Zeitungen kombinieren. Ich denke hier
z.B. an die Meldung der Presse am Freitag, dass ich wieder Bürger-
meister werden sollte. Dies stand noch dazu am Titelblatt. Inter-
essant war nur, dass viele, die das letzte Mal als es um die
Bürgermeisterfrage ging, viel mehr geglaubt haben, dass eine
solche Kombination möglich ist, während sie jetzt doch scheinbar
nur als ein Gerücht abgetan werden. Natürlich konnte auch ich
nicht verhindern, dass solche Kombinationen angestellt werden,
Mit ruhigem Gewissen kann ich aber sagen, dass ich mich daran über-
haupt nicht beteilige, keinerlei Informationen gebe und auch nie-
mand von uns, d.h. meine engeren Freunde sich in eine solche
Kombination einlassen. Wo anders dürfte dies aber scheinbar
der Fall sein. Für mich unerklärlich ist nur, wieso sich die
AZ auf die Dauer eine solche Vorgangsweise gefallen lässt und
sich ganz bewusst abseits hält. Natürlich kann das Parteiorgan
nicht Kombinationen, die die anderen anstellen, mitspielen,
solange sie aber überhaupt keinerlei Möglichkeit hat, irgendwelche
Informationen zu geben, zu allem schweigt, besteht die grosse


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Gefahr, dass man sagt, sie ist ja überhaupt nicht informiert.
Wahrscheinlich ergibt sich für die Arbeiterzeitung dasselbe Problem
wie unsere Diskussion erbrachte. Der Hauptpunkt nämlich war und
ist: wie weit muss und geht die Loyalität des Einzelnen gehen
gegenüber der Partei oder wie immer man das bezeichnen will, um
nicht insbesondere nach aussen hin einen Streit vom Zaune zu brechen
oder auch nur anzudeuten, der die Einheit der Partei und die Re-
gierungsführung gefährden würde, wieweit kann man als Einzelner
Mitglied eines Gremiums, Parteivorstand, Regierung usw. sich
abfinden mit der Erklärung, das ist nicht meine Kompetenz, das
ist nicht meine Angelegenheit. Wie weit soll man in einer Diskussion
systematisch ausweichen, um nicht eine erfolgreiche Politik zu
stören oder gar vielleicht eine erfolgreiche Politik zu verhindern?

Auf diese Fragen gibt es wahrscheinlich keine theoretische Antwort
sondern nur eine praktische Erfahrung. Für mich zumindestens gilt
dieser Satz. Ich konnte in der zweiten Republik feststellen,
dass solange eine Partei straff geführt war, wenn man will auch auto-
ritär, solange war diese Partei erfolgreich und konnte selbst im
Interesse der Idee viel leisten. Ich denke hier an die Führung von
Schärf, bevor er Bundespräsident wurde, an Raab, solange er der
starke Mann war und jetzt auch an Kreisky. In allen diesen Fällen
wurde sicherlich parteiintern autoritär entschieden und solange
die Politik von Erfolg begleitet war, hat sich niemand dagegen
aufgelehnt, ja selbst auch nur kritisiert. Natürlich hat es dann
sofort einen umso stärkeren Rückschlag gegeben, auch in der partei-
internen Diskussion, wenn diese Politik von Misserfolgen begleitet
war. Da es in einer Partei nur einen Erfolgsmasstab – nämlich Wahlen –
gibt, kann natürlich das ideologische Ziel oft weitestgehend ver-
nachlässigt werden und die Partei bemerkt es in den seltensten
Fällen, solange die entsprechenden positiven Wahlergebnisse vor-
liegen. Für Linke ist das sicherlich eine furchtbare Erkenntnis
für mich als Pragmatiker ist das weniger erschütternd. Dass in
einer solchen Politik aber eine grosse Gefahr steckt, habe ich
bereits in der Arbeiterkammer vor Jahrzehnten erkannt. Ich hatte
mir damals vorgenommen, wenn ich einmal Verantwortung tragen sollte,
würde ich zumindestens dafür sorgen, dass als Korrektiv zu meiner
pragmatischen Politik womöglich recht viele Linke, mit denen ich
freimütigst diskutieren würde und denen ich ja sogar Narrenfreiheit
geben würde, mich ständig korrigieren und kritisieren müssten.



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Wogegen ich mich auch jetzt noch ausspreche ist, wenn man eine
entsprechende personelle Entscheidung gefällt hat und dann diese
Person meine Meinung und Politik vertritt, man unglücklich ist,
dass es so gekommen ist. Hier bei der Personalbesetzung hat man in
Wirklichkeit grossen Einfluss zu entscheiden, wie in Hinkunft
Politik wahrscheinlich von dieser Person gemacht wird. Wenn dies
eine starke Persönlichkeit ist und dann keine starke Persön-
lichkeit mehr für Kritik und Korrektiv zur Verfügung steht, dann
sage ich hätte man das früher wissen müssen. Für mich gilt auf
Grund der jahrzehntelangen Erfahrung die Personalbesetzung, die
Personalpolitik ist alles.



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    Tätigkeit: -obmann


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          Tätigkeit: Bundeskanzler
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