Montag, 12. Jänner 1975
Beim Jour fixe teilte mir Sallinger mit, dass Androsch zustimmt,
dass aus AHF das Ausstellungszentrum in Moskau gebaut werden kann.
Sallinger meinte gleichzeitig wir müssten jetzt dann über die
Zuwendungen der Handelskammer zu Einladungen von ausländischen
Ministern, Essen, Geschenke usw. jetzt endlich mit Kandutsch
ebenfalls sprechen. Ich verwies darauf, dass ich dazu jederzeit be-
reit bin. Bezüglich des ägyptischen Besuches ist er bereit
das Essen zu bezahlen, lehnt aber ab, für 2 Opernlogen 3.000
Schillinge, die Ottahal angefordert hat, zu akzeptieren. Ich
erkläre, da das Jahr jetzt begonnen hat, bereit bin, diese Opern-
logen zu bezahlen. Es gibt in Wirklichkeit ja keine Vereinbarung
darüber, dass es die Handelskammer zahlen soll. Ottahal hat nun
die Gewohnheit alles automatische der Handelskammer mit Brief
vorzuschreiben. Kategorisch lehne ich aber den Wunsch von Sallinger
dass ich momentan alles bezahlen soll, bis Kandutsch entschieden
hat, ob und welche Ausgaben die Handelskammer verrechnen könnte.
Ich erkläre, dass ich darin ein gefährliches Präjudiz sehen würde.
Mussil frägt ob die Holzexporte aus Windwurfgebieten jetzt beson-
ders gefördert werden soll und spricht sich ganz entschieden gegen
eine Regelung aus, die eine Liberalisierung, oder gar überhaupt
die Liberalisierung der Holzexporte beinhalten würde. Ich beruhige
ihn und erkläre ihm, dass wir mit Staatssekretär Haiden vereinbart
haben, dass aus Windwurfgebieten in rollierenden Verfahren Lizenzen
den Firmen gegeben werden, die dort im Rahmen des Kontingentes
exportieren können. Mussil ist sehr beruhigt über diese Erklärung
und fragt ob auch der Fachverband zu dieser Besprechung zugezogen
wurde, was ich ihm bestätige.
Beim Journalistenfrühstück hat Bauer und Meszaros von der ÖMV
berichtet über den Abschluss des Russengasvertrages. Für das Jahr
1976 und 1977 haben uns die Russen 900 Millionen cbm verkauft.
Damit finden wir den Anschluss bis der dritte Erdgasvertrag 1980
mit 500 Millionen wirksam wird. Ab diesem Zeitpunkt beziehen wir
von der UdSSR 2.500 Millionen cbm Gas. Bauer streifte mit einem
Wort die Frage der Abhängigkeit, dies nützte ich um zu erklären,
dass ich mit der ÖMV konform gehe und darin aus den Ostlieferungen
keine stärkere Abhängigkeit sehe, als dies auch in der Vergangen-
29-0036
heit und in der ersten Republik bei Energielieferungen der Fall
war. Wir mussten damals entsprechende Mengen Energie importieren
und jetzt auch 2/3. Ich bin nach wie bestrebt, wenn es der Austro-
Ferngas gelingen sollte algerisches Gas tatsächlich zu kaufen,
dieses in die Energieversorgung einzubauen. Momentan sehe ich
allerdings keinen positiven Abschluss. Die Argumentation von
König , dass wir hier besonders abhängig sind und fahrlässig handeln
wies ich entschieden zurück. Bauer bestätigte ausführlich und
ausdrücklich meine Politik.
Jagoda berichtete über das neue Berufsausbildungsgesetz, zwar
über den Ausgleich der unterschiedlichen Belastung für jene Be-
triebe, die Lehrlinge ausbilden gegenüber denen die dies nicht
tun. Hier wurde gefragt nach welchem System der Ausgleich erfolgen
soll. Ich konnte erörtern dass der Gewerkschaftsbund eine Umlage
verlangt, während die Handelskammer steuerliche Erleichterungen
wünscht. Weiters wurde festgehalten dass ein paritätisch besetztes
Institut für Berufsbildungsforschung und auch die Ausbildung der
betrieblichen Ausbildner im Gesetz verankert werden soll. Darüber gab
es interessanterweise überhaupt keine Diskussion und nicht
einmal eine Anfrage. Im Laufe der Klausurtagung kam dann ein Re-
porter zu mir und nahm für den Rundfunk scheinbar ein Interview
über die Ausbildung der Ausbildner auf. Ansonsten verlief alles
harmlos.
Bei der Klausurtagung sprach ich mit Benya und Robert Weisz, der
noch immer als sozialistischer Gewerkschafter an diesen Tagungen
teilnimmt, über die Regierungsumbildung. Häuser hat seinerzeit
erklärt, er wird bis 77 verbleiben und nun erfahre ich aus den
Zeitungen, dass die Regierungsumbildung schon im Frühjahr erfolgt.
Benya meint, der Zeitpunkt zum Parteivorstand in Salzburg mit
Klubtagung wäre ein möglicher. Ursprünglich war aber nur die Rede
davon, Landwirtschaftsminister Weihs und Aussenminister Bielka,
die die Altersgrenze schon erreicht haben und auch erklärt haben,
sie wollen bereits gehen, allerdings vor der Wahl, auszutauschen.
Wie daher letzten Endes bei Häuser entschieden wird, weiss ich
noch nicht, ich bin allerdings überzeugt, dass letzten Endes wahr-
scheinlich doch in einem die Frage bereinigt wird. Über den Vize-
kanzler wurde wahrscheinlich auch heftigst diskutiert zwischen
den verschiedensten Gruppen der Teilnehmer. Ich persönlich habe
mich aber an keinem dieser Gespräche beteiligt, wurde allerdings
29-0037
auch von keinen nach meiner Meinung gefragt. Wenn man ein so
Aussenseiter in der Personalpolitik ist wie ich, hat das gewisse
Nachteile, man weiss nichts, aber sehr grossen Vorteil, man wird
in keine Gruppierung einbezogen.
Über den Tagesverlauf wird Tieber Aufzeichnungen machen.
Ich selbst habe nur folgendes zu berichten, dass Kreisky für mich
unwahrscheinlich ein konzentriertes und verhältnismässig kurzes
Referat hielt, für das er sogar maschingeschriebene Aufzeichnungen
verwendete. Die neue Linie ist, nicht mehr totale Konfrontation
mit der ÖVP, wie dies insbesondere die junge neue Garnitur auch nicht
mehr wünscht, sondern verhandeln aber keine Vereinbarung über
Proporz mit der FPÖ will man reden, man soll sie nicht wegschicken.
Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass jetzt eine quasi
grosse Koalition sich anbahnt. Schwierig ist nur, soll man
mit Taus, Koren oder mit den 3 von Tirol, das wäre Lanner, Mock
und Busek verhandeln, und wer von diesen ist verhandlungsfähig.
Selbstverständlich erwähnte er wieder die Wiesenthal-Sache und
meinte es hätte den ganzen Einsatz bedurft, weil Wiesenthal
letzten Endes Kreisky, Broda und Rösch umbringen wollte. Hätte Kreisky
Peter fallengelassen, wäre dies ein Minuspunkt gegen ihn gewesen,
weil man gesagt hätte, er hätte moralisch vor den Wahlen sich um
Peter gekümmert und jetzt lässt er ihn fallen. Derzeit gibt es noch
2 Klagen, Peter gegen Kurier und Kreisky gegen das Profil. Die
werden zumindestens was das Letztere betrifft positiv ausgehen.
In der Wirtschaftsfrage meinte er, neue Politik der Professoren,
typisch Kloten, gehe dahin zu sagen, die falschen Prognosen seien
nur zustande gekommen, weil die Politiker und die Gewerkschafter
sich falsch verhalten haben. Kreisky befürchtet noch immer die
Krise, denn die Orderbücher, insbesondere für die Tanker z.B.
sind noch leer. Er erwähnt aber z.B. die Autoproduktion gar nicht.
Für Eisen und Stahl wartet man noch immer auf die Hausse, die in
den letzten Jahren ja nicht normal war, sondern eine ausserordentliche.
Für Aluminium und insbesondere Textilien steht die Situation nach
wie vor sehr schlecht. Kreisky ist noch immer von der Krise über-
zeugt. Er gibt allerdings zu, dass sie nicht so katastrophal aus-
sehen muss wie in den 30er-Jahren. Pseudo-Marxisten haben damals
geglaubt es sei die letzte Krise, oder die nächste wenn es nicht
die letzte ist, müsste noch eine schwerere sein. Dies stimmt nicht,
es kann zu entsprechenden Krisenänderungen kommen. Im Prinzip ver-
29-0038
bleibt aber natürlich die Krisensituation bestehen. Schon allein
aus dem kapitalistischen Wirtschaftssystem. Das Timing der Krisen-
bekämpfung ist das wichtigste, die Deutschen haben zu spät einge-
setzt und trotzdem dann immer das Budget entsprechend belastet
Geholfen hat es weniger. In Österreich sagt man 1/2 Jahr bis 1 Jahr
später kommen dieselben Wirtschaftsentwicklungen, dies aber ist
ein Argument der Gegner. Der Beweis dafür, wir haben seit 1970
keine Krise, oder Abschwächung gehabt. Drei Punkte seien wichtig,
l. die Arbeitsplatzsicherung und die Strukturverbesserung, insbe-
sondere Textil als Beispiel, 2. die Investitionen dürften einen
neuen Produktionsapparat nur dann schaffen, wo auch Aufträge vor-
handen sind, wir in Österreich haben es hier besser. Durch die ERP-
Möglichkeiten haben wir eine selektive Investitionspolitik, die
die Deutschen nicht haben und deshalb darum kämpfen. Hier über-
schätzt Kreisky allerdings wesentlich die ERP-Funktion und Investi-
tionspolitik die dort gemacht wird. Ich selbst habe dies durch
Jahrzehnte in der Kommission beobachten können. 3. die Aussenhandels-
politik, die von der Regierung erfolgreich betrieben wird, ganz
besonders gegenüber dem Osten und dem arabischen Raum. Für den Westen
sei die Handelskammer zuständig, weil es sich hier um ein liberales
Wirtschaftssystem und Aussenhandelssystem handelt, auf das die
Regierung keinen Einfluss hat. Aus dieser Analyse ist klar und
deutlich zu ersehen, dass Kreisky der Handelskammer früher
oder später Schuld geben wird, wenn es dort nicht weitergeht, ob-
wohl natürlich die Handelskammer nichts dafür kann, wenn im
Rahmen der EFTA oder der EG die Exporte zurückgehen. Kreisky er-
wähnte ganz besonders jetzt, dass ich über dieses Problem referieren
werde und dass dies einer der wichtigsten Punkte der Tagung sein
wird. Ich war über diese Aufforderung selbst sehr überrascht, da
ich sie nicht erwartete.
Moser berichtete dann über drei wichtige Punkte. 1. Wasserwirtschafts-
fonds, Budget nur 3.3 Milliarden, neue Projekte können aber nur für
102 Millionen vergeben werden. Da der Bedarf mindestens 1 Milliarde
ist, einigte er sich mit dem Finanzminister, dass dieser für heuer
um 800 Millionen Anleihen gibt, allerdings dann von 3.3 Milliarden
aus dem Budget die 260 Millionen Mehrbedarf, die Moser angemeldet
hat und die 62 Millionen Konjunkturbelebung rausstreicht. Alle anderen
Sanierungsvorschläge werden vertagt. Für Strassenbau wünscht Moser
der in der Summe 24 Milliarden für die Bundesstrassen, 18 Milliarden
29-0039
für die Autobahn, plus 31 Milliarden noch für die Süd-Autobahn
und Pyhrn und was es sonst noch alles gibt, benötigt mindestens
50 Groschen Mineralölsteuer und so wird auch beschlossen. Lanc
möchte noch für den Nahverkehr ausser Mineralölsteuer noch
Wegbereitstellungsabgaben, inländische Belastung für den Strassen-
güterverkehr 2.7 Milliarden, für Transit 360 Millionen, Mineralöl-
steuer 10 %, das ergäbe nach seiner Theorie 1,4 Milliarden bei 32
bis 38 Groschen pro Liter, Personentarife 23.5 % ab Juli d.J.,
das sind 260 Millionen und Fernsprechgebührinvestitionen ab 1.1.67
mit 17 % ist plus 2 Milliarden. Androsch schlägt dagegen vor,
die KFZ-Steuer mit 1.10.76 zu erhöhen, das ergibt 1 Milliarde
Schillinge. Mit allen anderen Anträgen fällt Lanc um.
In der Wohnungsfrage kommt nur zustande, dass die Zinsen und die
Annuitäten von 1 % aus dem Wohnbauförderungsfond auf 0.5 % herab-
gesetzt werden Dadurch könnte der Zins um ÖS 3.- verbilligt werden.
Wenn es gelänge die Bausparkassenverzinsung auch für die Kapital-
verzinsung zu gewinnen, dann würde sich der Mietzins um ÖS 5.- pro
m² senken. Androsch wird sich bemühen, für die Verlängerung der
Prämien ab 1977 die Bausparkassen zu zwingen auch die mehrgeschossiger
Bauten zu finanzieren, d.h. also Genossenschaftswohnungen einzu-
beziehen. Die Sitzung wurde um 7 Uhr unterbrochen und dann letzten
Endes deshalb nicht mehr wieder aufgenommen, weil ich die Ägypter
vom Flughafen abholen muss und als nächster Punkt eben die Wirt-
schaftslage, insbesondere die Exportpolitik besprochen werden soll.
Der Ägyptische Botschafter hat mir am Flughafen mitgeteilt, dass
er von seiner Regierung jetzt die Mitteilung hat, die Idee Kreiskys
eine arabisch-österreichische Gesellschaft zu gründen, die die
entsprechenden Exporte jetzt forcieren soll, zuzustimmen. Auch der
Minister Chafei, den ich abholte und auf Wunsch des Botschafters
fragte hat mir diese Mitteilung bestätigt. Ich werde versuchen
mit Kreisky auf Wunsch der Ägypter einen Termin zwischen Chafei
und ihm zu vereinbaren.
Tagesprogramm, 12.1.1976
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)