Mittwoch, 7. Jänner 1976
Botschafter Karski von Polen ruf an, um mir mitzuteilen, dass
am 12.1. die polnische Delegation wegen der Verhandlungen über
Junior Werke ankommt. Ich ersuche ihn, dass sie ins Ministerium
kommen sollen und verständige sofort Dipl.Ing. Weiß, den seinerzeitigen
Geschäftsführer der Junior Werke. In der Zwischenzeit wurde die
Sachwalterschaft errichtet, Dr. Kotolitsch aus Graz. Weiß teilt
mir mit, dass die Sachwalterschaft und er mit den Ungarn Verhand-
lungen führt, um die Maschinen zu verkaufen. Die Ungarn hätten
bereits einigemale auf Abschluss eines solchen Vertrages gedrängt,
der nächste Termin sei der 18. Jänner. Die Polen müssen deshalb
sehr schnell bei den Verhandlungen zu einem Ergebnis kommen, an-
sonsten würde Junior-Werke-Ausstattung nach Ungarn gehen. Auch die
Schweizer interessieren sich jetzt, allerdings nicht für die Schweiz,
sondern für einen Transfer dieser Maschinen nach der UdSSR oder
nach den Benelux-Ländern und Frankreich, Händlergruppen des Westens
haben also erkannt, dass es sich hier um ein Geschäft handeln kann
und wollen dabei entsprechend verdienen.
ANMERKUNG für WAIS und PLESCH: Was weiss das Haus über diese Ver-
kaufsverhandlungen.
Der Ministerrat beginnt um 10 Uhr unter Vorsitz von Häuser ohne
eine Vorbesprechung, da Kreisky nicht anwesend ist. Unter mündliche
Berichte gibt Häuser die Arbeitslosenziffern bekannt. Mitte Dezember
84.156, um 24.000 mehr als 1974 und 7.000 Ausländer sind arbeitslos
und 77.000 Inländer. Inländer sind auch um 21.000 mehr als 1974.
Im Jahresdurchschnitt und mit solchen Ziffern operiert Häuser mit
Recht gerne, betrug 1975 die Arbeitslosigkeit 55.461 gegenüber 1974
mit 41.306. Die Arbeitslosenrate ist von 1.5 % auf 2.1 % gestiegen,
da die Beschäftigung mit 2,657.000 fast gleichgeblieben ist. Die
Mobilität der Gastarbeiter, allerdings nicht freiwillig und auf
Grund von Arbeitsmarktverhältnissen, sondern durch behördliches
reglementieren, schafft für den Inländer eine gute Beschäftigungs-
möglichkeit. Derzeit sind wir vom Höchststand wie ich glaube
235.000 auf 177.000 Gastarbeiter zurückgegangen. Häuser möchte sie
noch weiter reduzieren, wenn die Beschäftigungslage es erforderlich
macht. Ich habe dafür volles Verständnis, obwohl ich sage als
Sozialisten müssten wir uns auch für diese Haltung schämen. Wenn
unser Wirtschaftssystem Arbeitskräfte braucht, werden Gastarbeiter
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hereingenommen und wenn wir in eine Rezession kommen, werfen
wir sie ganz brutal wieder hinaus. Welche persönlichen Beziehungen
diese Menschen in der Zwischenzeit hier aufgenommen haben, wie sie
sich eingelebt haben, ob sie zu Hause überhaupt noch entsprechende
Arbeitsplätze finden, kümmern wir uns überhaupt nicht. Welches per-
sönliche menschliche Schicksal auf jedem einzelnen Fall hängt,
interessiert scheinbar überhaupt niemanden. Meiner Auffassung nach
war es im Hochkapitalismus der Monarchie besser, dort konnte er zu-
mindestens in der Wienerstadt bleiben, wenn er als Tscheche z.B.
zugewandert ist, um hier Arbeit und Brot zu finden. Er teilte das
Schicksal des österreichischen Proletariats wenn eine Krise ent-
stand. Die internationale Solidarität aber zwischen den Arbeitern
war damals grösser als heute. Die Vorstellungen, die ich in der
Arbeiterkammer immer mitvertreten habe, es ist viel zweckmässiger
anstelle die Arbeiter zu importieren, die Kapitalgüter in diese
Länder zu exportieren, beweist jetzt, dass dies das einzig
richtige sozialere System wäre. Die Entschuldigung, die ich damals
für mich hatte, um mein Gewissen einigermassen zu beruhigen, dass die
Gastarbeiter in Österreich erst durch entsprechende Information
und Lehrmöglichkeiten mit dem kapitalistischen System vertraut
werden müssen, gilt nicht. Wenn sie nämlich dann zu angelernten
Arbeitern ausgebildet sind, bleiben sie im Gastland, kommt es zur
Rezession, werden sie hinausgeschmissen und finden natürlich im
eigenen Land kaum eine entsprechende Beschäftigung. Dort fehlen näm-
lich dann die Fabriken. Soweit sie qualifiziertere Arbeiter sind,
kann es sogar vorkommen, dass sie in ihrem eigenen Land dann eine
entsprechende Beschäftigung finden, verdrängen dort aber natürlich
einen anderen. Ich bin überzeugt, dass bei den Gastarbeitern dasselbe
fast würde ich sagen Hass gegen die Österreicher wachgerufen werden
muss, als dies auch bei österreichischen Arbeitern der Fall war,
als sie als Gastarbeiter nach dem ersten Weltkrieg teilweise in
die anderen Länder ziehen mussten und dort auch bei der Rezession
sofort ihren Arbeitsplatz verloren haben. Wo sind die Ideale der
Internationalen Solidarität der Arbeiterschaft und wie hat sich
dies in der Praxis ganz anders entwickelt.
Nach dem Ministerrat hat Lütgendorf und Bielka das Problem von
Kürassierexporten nach Marokko besprochen. Steyr-Daimler-Puch
würde mit diesem Grossauftrag für 1 Milliarde Schillinge 2 Jahre
voll beschäftigt sein. Die Franzosen, die bis jetzt die Marokkaner
belieferten, müssten auf unsere Wannen die Panzerturmaufbauten
liefern. Dazu wäre Sofma auch bereit. Bielka erklärt und dies zu
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Recht, dass als neutraler Staat wir in das jetzige Spannungsfeld
unmöglich diese Panzer liefern könnten. Die Marokkaner wollen eine
Delegation schicken, wenn Lütgendorf sie einlädt. Klären will
Bielka, ob es möglich ist Sanitätsmaterial für 650 Millionen Schilling
zu liefern. Hier fürchte ich dass die Marokkaner wahrscheinlich nur be-
reit sein werden gekoppelt zu kaufen, wenn sie tatsächlich diese
Panzer jetzt so dringend brauchen. Hier sind meine Jugendideale
stark angeschlagen worden. Unsere Neutralität und darauf achtet
Bielka sehr, verbietet tatsächlich, dass wir uns in solche Ge-
schäfte einlassen können, auch dann wenn es vom Beschäftigungs-
standpunkt dringendst notwendig wäre. Die Schwierigkeit liegt ganz
besonders darin, dass die Steyr-Werke erst immer dann zum Zuge kämen,
wenn eben eine politisch kritische Situation herrscht. Wenn sich
sozusagen alle Grossmächte von den Waffenlieferungen zurückziehen
oder sie nur ganz dosiert vornehmen, dann suchen gewissen Staaten
Waffen von irgend jemand und sind auch bereit, die Steyr-Werke-
Produkte zu kaufen. Manchmal ist aber so, wie z.B. für die Pinzgauer
in die Schweiz, dass diese um 90.000 Schilling, fast einem Drittel
billiger verkauft werden, als es das Bundesheer kauft. Da muss man
besonders achten, dass diese Lieferung nicht an dritte Staaten von
der Schweiz getätigt werden. Eine solche Gefahr besteht jederzeit.Für
Haflinger und Pinzgauer-Transportauto, sogar noch mit Spezialaus-
rüstung für Sanität usw. hat Bielka keine neutralitätspolitischen
Bedenken zu exportieren. Die Steyr-Werke unter der alten Führung
Rabus waren hier nur zu unbeweglich. Alle drei kommen wir überein,
dass wir hoffen die neue Leitung der Steyr-Werke, insbesondere
unter Malzacher wird imstande sein den Betrieb zu reorganisieren
und hoffentlich auf eine gesündere Basis zu stellen als dies der-
zeit der Fall ist.
Der Bürgermeister von Stockerau Blaboulin ersucht mich, ich soll
in der CSSR intervenieren, damit die Firma Muth, die Abfallschächte
in Häusern neben anderen Umweltschutzeinrichtungen produziert,
zum Zuge kommt. Die Firmenvertretung hätte ihm mitgeteilt, dass
ein Honorarkonsul eines anderen Staates dort intervenierte um den
Auftrag zu bekommen. Die Geschäftsführung dieses tschechischen Be-
triebes meint nun, dies sein ein Zeichen wie sich der Staat für
Einzelgeschäfte interessiert, während Österreich hier gar nichts tut.
Ich verlangte eine sofortige schriftliche Mitteilung und versprach
Ing. Bittner von Prag davon zu verständigen, damit auch dieser ent-
sprechende Interventionen vornimmt. Ein diesbezüglicher Brief wird
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kommen.
ANMERKUNG für WAIS: Nach Einlangen des Briefes sofort entsprechende
Schritte veranlassen.
S.Chef Frank kommt um mir vorzuschlagen, dass Gehart doch schön
langsam aus den Aufsichtsräten der Elektrizitätsgesellschaften
ausscheiden sollte. Wenn er die Aufsichtsräte, die das Bundeskanzler-
amt zu vergeben hat und wo Reiter selbst sein Vorgänger drinnen
war, von ihm besetzt werden. Er braucht - und dies zu Recht - die Bau-
aufsichtsratsposten um unsere Leute einzubauen. Ich habe dafür volles
Verständnis und habe Gehart auch schon diese Entwicklung angedeutet.
Gehart hat dies eingesehen, möchte nur vorher noch mit uns darüber
im Detail sprechen. Derzeit ist er in den Tauernkraftwerken und soll
daher noch vorübergehend drinnen bleiben. Das vorgesehene Reglement,
er kommt in die Verbundgesellschaft und Zluwa dafür in die Tauern-
kraftwerke, wird nicht mehr durchgeführt. Ich ersuchte Frank einen
Briefentwurf an die Partei so schnell als möglich vorzulegen, damit
dort geklärt wird, das beantragte Reglement soll nicht stattfinden,
sondern Zluwa soll in die Verbundgesellschaft entsendet werden.
S.Chef Meisl hat einen Brief von Botschafter Schmid in Djakarta
erhalten, wo dieser eklärt, er wird sich um die Sektionschefstelle
Industriesektion bewerben. Gleichzeitig aber regt er an, man solle
ihn im Stand des Aussenministeriums belassen. Ich erkläre sofort,
dass dies überhaupt nicht in Frage kommt. Wenn Schmid sich nicht
endgültig entscheidet für die Zukunft ins Handelsministerium zu
übersiedeln, dann soll er sich erst gar nicht um den Posten bewerben.
Meisl ist genau derselben Ansicht. Übrigens auch Bielka, den ich natür-
lich sofort über diese neue Entwicklung informiere. Ein Springen
zwischen den Ministerien für Schmid kommt überhaupt nicht in Frage.
Mein Referat bei den Monteuren bei Brown-Boveri, die den Saal
im Arbeiterheim vollfüllen, war für mich sehr interessant und lehr-
reich. Vorher hat der Gen.Dir. der Brown-Boveri, Mosbeck, über die
Situation 75 und die Aussicht 76 referiert. 75 war ein verhältnis-
mässig gutes Jahr. Wir haben mit 1,4 Milliarden Bestellungen um 9 %
mehr gehabt als im Vorjahr. Die Kosten sind allerdings um 15 % ge-
stiegen, der Umsatz nur um 8 %. 1974 war die Kostensteigerung aber
sogar 20 %. Er verwies darauf, dass die Umsatzsteigerung nur durch
Exportaufträge, Installationen in Polen und Prag möglich waren.
Der Export hat sich gegenüber 74 verdoppelt. Die Strukturänderung
ist gigantisch. Noch vor 3 Jahren hätten die Alpine Knüppelstrasse
für die Steuerung 24 Schaltschränke gebraucht, jetzt sind es 4.
Die neuen Touristerlok , die jetzt in Österreich produziert werden
sind technisch einwandfrei und werden angeblich von der Bundesbahn
nur deshalb nicht in so grossem Umfang gekauft, weil erst die Bahn-
steige mit den längeren Zügen danach ausgerichtet werden müssen.
Es ist also nicht nur eine Geldfrage der Bundesbahn ob sie mehr Loks
kaufen kann, oder nicht. Für das zweite Atomkraftwerk hat ein
Angebot 22 Ordner gefüllt. Für 1976 sind nur 2 % Bestellungseingang
Plus zu verzeichnen. Die Strukturänderung und Bereinigung muss
weitergehen. Ich konnte natürlich auf diese Informationen aufbauend
ein sehr auf Brown-Boveri zugeschnittenes Referat über die Wirt-
schaftslage und Preisentwicklung halten. Eine solche Kombination ist
wirklich optimal, nicht nur für mich als Vortragenden, sondern ich
glaube auch für die Zuhörer. Diskussion, erklärte mir der Be-
triebsratsobmann wird es keine geben, es war auch seinerzeit als
Androsch dort referierte genauso.
Anschliessend setzte ich Direktionsmitgliedern auseinander, warum
das 2. Atomkraftwerk nicht in der nächsten Zeit kommen wird. Mosbeck
und seine Mitarbeiter haben dies eingesehen. Kritisch ist die Be-
schäftigungslage für die Montage im Jänner und Feber. Dies ist
sicherlich teilweise konjunktur- als auch saisonal bedingt. Gut
in der Elektroindustrie war nur nach Meinung von Mosbeck nur die
Fernsehproduktion wegen der Olympischen Spiele, die anderen Haus-
geräte haben nicht so gut abgeschnitten und werden auch in Zukunft
nicht einen solchen Aufschwung erleben, wie gerade eben die soge-
nannte braune Ware.
ANMERKUNG für PLESCH: Wie liegen die Erfahrungen in den Branchen-
referat. Was weiss Reim?
Im Gewerkschaftsbund ersuchte mich Sekanina, nach vorherigen Anruf
durch Hofstetter, ich sollte über die Preisgesetze referieren. Ich
nützte die Gelegenheit, um darauf hinzuweisen, dass dieser einfach-
gesetzliche Entwurf ausschliesslich von mir deshalb von mir in die
Begutachtung ging, damit man die Landwirtschaft dazu zwingt, auch
für die Wirtschaftsgesetze, Marktordnungen entsprechende einfach-
gesetzliche Regelungen vorzubereiten. Es gibt jetzt verfassungs-
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rechtliche Bedenken von seiten der Universitätsprofessoren.
Deshalb werde ich jetzt im Frühjahr auf sozialpartnerschaftliche
Ebenen und interministeriell entsprechende Verhandlungen führen.
Die ursprüngliche Idee war, die Landwirtschaft zu Verhandlungen
über Marktordnungsgesetze zu zwingen. Auf dem Preissektor wird
jetzt durch die Regelung des Energiesicherungsgesetzes eine
neue Situation entstehen. Da ich noch im Jänner oder spätestens
Feber zu einem Abschluss über dieses Problem kommen werde, wird sich
zeigen ob die Handelskammer und die ÖVP eine Koppelung mit den anderen
Wirtschaftsgesetzen unbedingt durchsetzen will, wie dies Mussil immer
ankündigte. Ich hoffe und möchte für die Energiesicherung, damit
vor allem für die Vorratslagererrichtung auf dem Ölsektor eine
Regelung, die nicht an die anderen Wirtschaftsgesetze gebunden ist.
Die Stellungnahme der ÖVP wird sich deshalb in den nächsten Wochen
und Monaten ganz deutlich zeigen. Da es notwendig sein wird den
Benzinpreis zu erhöhen, ich aber dies nur mache, wenn eine generelle
Lösung für alle Probleme zustande kommt, ist die Handelskammer und
die Ölindustrie unter einem gewissen Druck.
Benya hat sich in der Diskussion sofort zu Wort gemeldet und er-
klärt, dass der Bundeskongress beschlossen hat, es dürften die
Marktordnungsgesetze nicht in der jetzigen Form verlängert werden.
Im Vorjahr sei man mit den Abänderungsanträgen zu spät gekommen
und er müsse darauf drängen, dass heuer alles zeitgerecht erfolgt,
damit mit 1.7. eine neue Lösung und Regelung in Kraft treten kann.
75 hätte man Angst gehabt, dies noch durchzuziehen, weil die Wahlen
bevorstanden. Jetzt hat sich die Wirtschaftssituation auch zuun-
gunsten der Landwirtschaft gewendet durch die Rezession und er
sieht daher überhaupt keine Gefahr die Marktordnungsgesetze aus-
laufen zu lassen. Bezüglich des Benzinpreises ist er überzeugt, dass
er nicht sehr weit von 1 Schilling entfernt sein wird, da auch
die Mineralölsteuer erhöht werden muss. Diesbezüglich hat Androsch
bei ihm vorgesprochen. Sekretär Braun von den Privatangestellten
interessierte sich nur, ob Anträge auf Grund der seinerzeitigen
Novelle des Preisgesetzes erfolgten und ob ich mich nicht durch die
Erhöhung des 50 Groschen Heizölpreises extra leicht, desavouiert
fühle. Er meint es sei ein sozialistischer Direktor für die
kommerzielle Seite insbesondere für die Preise zuständig und die
Vorgangsweise sei ihm unerklärlich. Ich verteidigte indirekt den
Genossen Meszaros als ich erklärte, ich fühle mich nicht
desavouiert, sondern die ÖMV hätte dem Druck der Internationalen
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nachgegeben und eben die Rabatte auch aufgehoben. Scheinbar hat
sie nicht nur mir gegenüber früher erklärt, die Rabatte zu halten,
sondern der Gewerkschaft, denn ich habe das Gefühl, dass sich diese
Leute mehr desavouiert vorkommen, als ich. Ich erklärte die Stellung
der ÖMV dahingehend, dass sie ja erwarten musste, ihre Preisanträge
nicht so bald zu bekommen und deshalb eben den Druck der Internationa-
len nachgegeben hat, die Rabatte jetzt im Oktober des Vorjahres auf-
zuheben um hier eine gewissen Ausgleich für die Kostensteigerungen
zu bekommen. Dafür hat sie letzten Endes jetzt müssen die Mehrwert-
steuererhöhung übernehmen und nicht sofort auf die Letztverbraucher-
preise überwälzen können. Bei der zukünftigen Preisgestaltung er-
klärte ich werde ich mich bemühen, den Heizöl-Extra-Leicht-Preis,
der für die Ofenheizölbesitzer und das sind ja meistens ärmere
Leute, eine Rolle spielt, so weinig wie möglich zu erhöhen. Diese
Information wurde befriedigenden zur Kenntnis genommen.
Häuser berichtete über die Arbeitsmarktlage und Hofstetter über
den Parteitag. Die Gewerkschaftsfraktion und die einzelnen Gewerk-
schaften wurden aufgefordert eventuelle Abänderungswünsche unver-
züglich ihm mitzuteilen. Das Büro wird noch einen Entwurf über
Wirtschaftsprobleme resp. Reorganisationen auf dem Wirtschaftsgebiet
ausarbeiten. Ich habe mich in den vergangenen Jahrzehnten niemals
besonders angestrengt, weil ich alle Arbeiten, wie ich zu meiner
Schande gestehen muss, für Parteitage und Kongresse nicht für sehr
zweckmässig und zielführend halte. Wie ja auch die Wirtschaftspro-
gramme aus der Oppositionszeit deutlich zeigen, sind sie grössten-
teils wirklich nur Stückpapier geblieben. Wenn ich mir vorstelle
was wir alles vorgehabt haben auf dem Finanzsektor zu reorganisieren,
und was dann in der Wirklichkeit bis jetzt nur durchgeführt wurde,
so steht der Aufwand in keinem Verhältnis in dem Ergebnis. Ich
kann mir daher sehr gut vorstellen, dass viele Leute wie z.B.
Reithofer und andere noch frustriert sind, weil sie eben bemerken,
dass die theoretischen Überlegungen, die letzten Endes ja auch zu
unseren Vorschlägen im Wirtschaftsprogramm geführt haben, in der
Praxis nicht umgesetzt wurden. Ich halte aber Androsch zugute, dass
es wahrscheinlich wirklich gar nicht möglich ist, sie so schnell
umzusetzen. Was mich besonders interessiert ob es tatsächlich am
Parteitag zu einem Beschluss kommen wird, dass gegen die Ämter-
kumulierung auch die Regierungsmitglieder, sei es im Bund oder in
den Ländern, wenn sie Regierungsfunktionen haben, ihre Mandate zeit-
weise zurücklegen sollten. Überhaupt wird das Problem der Ämter-
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kumulierung glaube ich eine grosse Rolle spielen. In der letzten
Zeit wurde in Parteikreisen, aber vor allem in der Öffentlichkeit
nicht nur die Ämterkumulierung der bezahlten Posten, sondern auch der
unbezahlten immer wieder stark kritisiert. Wie weit tatsächlich es
möglich sein wird auf die Funktionäre einzuwirken, dass sie nur in
ihren Ebenen die entsprechenden Ämter annehmen, bezweifle ich.
Ein Bürgermeister würde nur in der Gemeinde verankert sein, Landes-
politiker nur im Land und nur die Bundespolitiker wieder in Bundes-
kompetenzen. Extrem durchgedacht hiesse dies, dass wie vorgesehen,
ein neuer Bezirkssekretär nur als Bezirksvertreter agieren könnte.
Der Landessekretär im Landessekretär im Landesmaßstab und nur die Zen-
tralsekretäre oder Bundessekretäre im Bundesmaßstab. Dies mag
schematisch in der Theorie sehr gut sein, in der Praxis kann sich
so etwas überhaupt nie bewähren, da die Aufstiegsmöglichkeit dadurch
verrammelt wäre. Was wirklich nottut, ist etwas ganz anderes. Ich
selbst kann immer wieder feststellen, dass wenn jemand zu einer neuen
Aufgabe berufen wird, er aus Sicherungsgründen weil er nicht weiss
wie er dort ankommt, seine alte Aufgabe nicht nur beibehält,
sondern auch sogar diese Funktion für sich auf alle Fälle reservieren
möchte. Selbst wenn er in dieser alten Funktion gar nichts mehr
macht, er behält den Posten und blockiert ihn damit. Dadurch ent-
steht auch die Ämterkumulierung. Auf der einen Seite wird durch die
neue Funktion der Betreffende für viele interessant und man ver-
sucht ihn zu neuen Arbeiten und Funktionen heranzuziehen. Gleich-
zeitig aber versuchen ihn die bisherigen Organisationen unbedingt
zu halten, denn jetzt ist er ja ein bedeutender Mann, der auch für
die alte Organisation vielleicht durch seine Verbindungen mehr
leisten kann. Meistens stelle sich allerdings dann heraus, dass er
dann für alles nicht genug Zeit hat. Dies stört aber die Organisatio-
nen weniger, denn sie wollen ja hauptsächlich seine Verbindung
nützen um selbst gewissen Vorteile zu bekommen. Anstelle dass also
Funktionen abgebaut werden sollte, wachsen nur neue Funktionen den
einzelnen zu.Die einzige Möglichkeit, aus diesem Teufelskreis he-
rauszukommen ist eben wirklich vorzusehen, dass eben gewisse
Funktionen nicht in grösserer Anzahl angehäuft werden dürften.
Wenn ein gewisser Druck von aussen kommt, wird der einzelne auch
viel leichter oft seine Funktionen die er schon gerne abgeben wollte,
dann endgültig abgeben. Für mich z.B. trifft dies für die National-
ratsfunktion zu. Diese Doppelfunktion, Minister und Nationalrat,
halte ich für eh und je falsch. Ich fürchte allerdings, dass nachdem
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Kreisky schon geäussert hat, dass er dies für unzweckmässig hält,
im Parteitag aber kaum geändert wird. Wenn es aber dann zu einem
prinzipiellen Beschluss kommt, wird er auch so gefasst werden, dass
seine Durchführung wahrscheinlich Jahre, um nicht zu sagen jahr-
zehntelang auf sich warten lässt. Überhaupt bin ich schon sehr gespannt,
was aus dieser ganzen Reformarbeit der Partei herauskommen wird. Ich
verspreche mir persönlich nicht allzuviel. Kreisky hat nur glaube
ich ganz richtig erkannt, dass es notwendig ist jetzt auf diesem
Gebiet wieder einmal eine grössere Bewegung innerhalb unserer Partei
zu entfachen. Wenn man bedenkt, dass er am 22. Jänner 65 wird, so kann
ich mich nur immer über diese Aktivität von ihm wundern.
Tagesprogramm, 7.1.1976
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 9. Ministerratssitzung, 7.1.1976