Dienstag, 11. November 1975
Im Klub referierte Androsch über die Wirtschaftslage und ganz besonders
über seine Finanzgesetze. Interessant war nur, daß, obwohl er über
10 Minuten für die Diskussion mehr zur Verfügung hatte sich kein
einziger meldete. Die Geschlossenheit des Klubs ist unwahrscheinlich
und im Vergleich zur ÖVP traumhaft. Er kündigte seine Steuer- und
Tarifmaßnahmen an, die in einem ÖVP Gremium wahrscheinlich die
heftigsten Diskussionen ausgelöst hätte, bei uns werden sie einfach
hingenommen. Der Vorteil einer gewinnenden Partei und ein Wahlsieg
sind so bedeutend, daß Maßnahmen vorgeschlagen werden können, die
trotzdem von allen akzeptiert werden, die bei einer Niederlage nicht
möglich wären.
Ich hatte durch einen reinen Zufall mit Koren eine Diskussion nach
der Debatte über die Regierungserklärung. Bei dieser hatte ich fest-
gestellt, daß Busek genau der robuste Politiker ist, der durch ge-
schickte Formulierungen nun einige gute Gags zeigt, wie man Opposi-
tionsreden hält, ich glaube sogar bei den Leuten gut ankommt und
auf alle Fälle dokumentiert, wie auf lange Sicht Politik gemacht
wird, ohne daß man daran persönlich zugrunde geht. Ganz anders
Taus, der bestrebt ist, eine hochgestochene dialogisch verbrämte
Rede zu halten. Koren bestätigte mir, daß er auch der Meinung ist,
daß Taus für das Geschäft des Parteiobmanns zu sensibel ist.
Allerdings muss man bei Koren vorsichtig sein, weil er scheinbar doch
auch Hoffnungen gemacht hat, sich in seiner jetzigen Position als
Klubobmann doch auch gewissermaßen bedroht fühlte und deshalb,
selbst wenn er sich noch so bemühte, dadurch nicht vollkommen objektiv
sein kann. Richtig war nur seine Analyse, daß Taus als bisheriger
Denker einen anderen Stil entwickelte, als er als Parteiführer
braucht. Dort hatte er die Gelegenheit doch sehr autokratisch
zu regieren, jetzt geht dies nicht mehr. Dort hatte er die Bitt-
steller, die von ihm einen Kredit wollten, sich mit ihm gutstellen
mußten, jetzt hat er Fordernde, die von ihm das und jenes erwarten.
Dort konnte er einfach entscheiden aufgrund vorliegender Prüfungs-
berichte, ja oder nein, jetzt muß er bei jeder Entscheidung auf
dutzende Probleme Rücksicht nehmen und die Umstellung muß für Taus
ungeheuerlich gewesen sein. Am Anfang als er am Parteitag hochge-
jubelt durch die Presse und getragen von einer einmaligen Einigkeit
der Partei, nach außen hin zumindestens euphorisch in Erscheinung
trat und seinen jetzigen Auftreten, zeigt klar und deutlich, welch
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gigantischer Unterschied hier besteht. Einmal mehr habe ich wieder
bestätigt bekommen, wie Politik ein hartes Geschäft ist, das halt
auch gemacht werden muß, sich aber sicherlich in keiner Beziehung
lohnt.
Mit Kokail, dies ist der Vertreter der Bergarbeiter, und Schlager
besprach ich die weitere Vorgangsweise bei der Bergbauförderung.
Ich erklärte ihnen rundweg, daß ich keine Möglichkeit sehe das
steigende Defizit von Fohnsdorf durch die Bergbauförderung zu
tragen. Nicht zuletzt durch die Aufschließung von Köflach für
Voitsberg III werden ungeheure Mittel, auch der Bergbauförderung gebun-
den sein. Der Nachfolger von Nationalrat, Pay, der jetzt Bürgermeister
von Köflach ist, nämlich Nationalrat Modl hat mich bereits
interpelliert, daß wir ja nicht die zugesagte Aufschließung raus-
zögern, oder gar vielleicht nicht durchführen. Ich sehe deshalb
keine Möglichkeit Fohnsdorf weiter zu finanzieren und meinte dass
man sich zeitgerecht in den dafür zustehenden Organen mit der
Schließung Fohnsdorf befassen müsse. Kokail und Schlager waren
sehr überrascht und meinten genau das Gegenteil geschieht jetzt;
es werden nämlich Arbeiter in Fohnsdorf neu eingestellt. Ich rief
sofort Juvancic, den Vorstandsdirektor von der GKB, an und er bestä-
tigte tatsächlich, daß für Arbeiter, die entlassen werden mußten,
weil sie blau machten oder sonstige Tachinierer waren, immer wieder
Ersatzkräfte eingestellt werden. Er wollte mir erklären, daß es
sich hier um Schlüsselpositionen handelt, die unbedingt besetzt
werden müssen. Ich erwiderte sofort, daß wenn eine Schlüssel-
position mit einem Tachinierer besetzt war, dann kann es keine
Schlüsselposition gewesen sein, denn ansonsten hätte der Betrieb ja
zugrunde gehen müssen. Juvancic meinte, daß der Vorstandsbe-
schluß durch einen Aufsichtsratsauftrag und insbesondere durch die
VÖEST-Alpine und ÖIAG so lautet, daß 1978 der Zuschnitt, wie er
sich ausdrückte, erfolgt. Hier sagte Kokail mit Recht, und 1979
haben wir Wahlen. Wenn tatsächlich dieses Problem solange hinaus-
geschoben wird, dann befürchte ich, daß wieder eine unmögliche
Situation entsteht.
ANMERKUNG für GEHART: Was weiß Sterk über diese Entwicklung?
In der Beiratssitzung über die Richtpreise und Mindestpreise für
Strumpfhosen gelang zu meiner Überraschung tatsächlich ein Kompromiß
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Aus 4.– Schilling Arbeiterkammer, Gewerkschaftsbund, 5.55 Schilling
Handelskammer, wurde ein einvernehmlicher Preis mit 5.10 Schilling
festgelegt. Für die Verpackung, ob Einser oder Dreier , 70 Groschen
und für den Zwickel weitere 70 Groschen. Damit habe ich die innere
politische Diskussion weg. Jetzt bleibt nur mehr, wenn die Ver-
ordnung erlassen ist, die schwierige Auseinandersetzung mit den
internationalen Behörden, insbesondere GATT.
ANMERKUNG für REIM: Die Industriesektion, Dinzl, muß jetzt mit
der Außenhandelssektion die einwandfreiste Begründung gemeinsam
machen.
Da ich mir vorgenommen hatte die Ausschüsse auf Grund des Konsumenten-
forums und Beirats persönlich zu konstituieren, bin ich auch zu den
in den Konsumentenschutz, den Eva Preiß führt, gegangen. Hier be-
stätigte sich für mich wieder einmal, wie sehr es abhängt wer einen
solchen Ausschuß führt. Bei Präsident Schnell, Konsumentenerziehung,
haben sich wesentlich mehr Leute gemeldet gehabt, weil eben viele
vom Präsidenten des Stadtschulrates etwas wollten und daher mit ihm
zusammenarbeiten, oder zumindestens in seiner Nähe arbeiten wollen.
Da Eva Preiß "nur" die Obmännin des Vereins für Konsumenteninfor-
mation ist, war das Interesse dort wesentlich geringer. Trotzdem
bin ich überzeugt, daß auch hier sehr gute Arbeit geleistet werden
wird.
Gestern hatte ich mir noch Gedanken gemacht, wie es mit der Diskussion
über die Regierungserklärung, die sicherlich bis um 9 Uhr dauern
würde, bei der Vorstellung, wenn sich die Minister einschalten,
funktionieren sollte. Es kam für mich auch ganz unerwartet ganz
anders. Kreisky der nach der ersten Runde replizieren wollte, hat
heute sich entschlossen überhaupt nicht zu reden. Hätte Lanner mich
nicht ausdrücklich zitiert und provoziert, hätte ich auch gar keinen
Grund gehabt mich zu melden. Nicht nur weil Kreisky gestern meinte,
auf Angriffe sollten die Minister sofort antworten, sondern weil der
nächste sozialistische Redner Kittl, obwohl ich ihm vorschlug, mir
alle Unterlagen zu geben, nicht bereit war auch nur auf seinen
Vorredner Lanner einzugehen, habe ich mich entschlossen dann
selbst mich zu melden. Mein Prinzip war und dabei möchte ich bleiben,
wenn ich angegriffen werde, mich auf alle Fälle selbst zu wehren.
Denn wie Lanner dabei auf meine Zwischenrufe, die ich zuerst machte,
überhaupt nicht einging, blieb mir keine andere Wahl als mich eben
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zum Wort zu melden. Lanner meldete sich dann noch einmal und war
allerdings sehr zahm. Dabei konnte ich feststellen, wie innerhalb
der ÖVP er sich förmlich nachher entschuldigen mußte, weil er
dadurch die Sitzung ein wenig verlängerte. Wenn die Opposition,
obwohl am nächsten Tag noch eine Sitzung stattfindet, schon jetzt
mit der Zeit so knausert, dann kann ich nur sagen, wird sie sich
in den nächsten 4 Jahren sehr hart tun. Als wir in der Oppositions-
zeit waren, hat in einem solchen Fall niemand, oder vielleicht sich
wirklich höchsten Einzelne aufgeregt, daß es dann länger dauert,
sondern alle waren wir erfüllt von der Absicht, man kann die Re-
gierung gar nicht genug und lange attackieren. Auch hier zeigt sich
für mich klar und deutlich der große Unterschied zwischen den beiden
Parteien.
Spät abends kam Gehart, um sich glaube ich mit Recht darüber aufzu-
regen, daß Böhm bezüglich der Ausschreibung den Wunsch der Per-
sonalvertretung mitzureden, dahingehend lenkt, daß er die Schuld,
daß es noch zu keiner Ausschreibung gekommen ist, Gehart resp. mir
in die Schuhe schieben möchte. Gehart meint, er hätte ihm seinerzeit
darauf aufmerksam gemacht, was eigentlich jetzt mit den Ausschrei-
bungen sei, bei dieser Gelegenheit erfahren, daß Böhm ernstlich
geglaubt habe, er könne dies allein machen und jetzt in einen Akten-
vermerk feststellen muß, daß Böhm sagt, der Minister hätte dies
und jenes verlangt. Gehart meinte, er hätte ihm nur seine Meinung
gesagt und Böhm legt das jetzt so aus, als wenn es meine gewesen
wäre. Wenn auch Böhm natürlich sich jetzt reinwaschen will, so ist
für mich erfreulich, daß er annimmt, alles was Gehart sagt, sagt er
im Namen des Ministers und gilt daher als Ministerwort. Genau dies
erklärte ich Gehart ist die Politik, die uns seinerzeit, als wir
ins Ministerium gekommen sind, stark gemacht hat und zu der wir wie-
der zurückkehren müssen. Wenn es den Beamten des Hauses in den Kram
paßt, werden sie immer wieder erklären, das Büro hat ihnen das
oder jenes gesagt und das haben sie angenommen, ist die Meinung
des Ministers. Was wir verhindern müssen, und scheinbar kommt das
jetzt schön langsam wieder, ist, daß in wichtigen Fragen selbst-
ständig ohne Rücksprache mit dem Büro oder gar wie Gehart sagt in
diesem Fall gegen die Meinung von ihm, Abteilungen handeln und
entscheiden. In der Ausschreibung haben wir noch Zeit, auch dann
wenn die Personalvertretung meint, wir hätten schon 3 Monate vorher
entscheiden können, sehe ich dazu im konkreten Fall vor Durchführung
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der Personalvertretungswahlen keinen wirklich triftigen Ent-
scheidungsgrund.
Tagesprogramm, 11.11.1975
hs. Notiz (Tagesprogramm Rückseite)