Sonntag, der 14. September 1975

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Sonntag, 14. September 1975

Bei der Gewerkschaftsfraktionssitzung der Bundeskongress-Delegierten
hat mir Ströer, der Finanzreferent des Gewerkschaftsbundes ganz
verwundert mitgeteilt, dass im Kurier ausser Sekanina und Dallinger
jetzt auch Wille und ich wieder in die Benya-Nachfolge mit einbezogen
wurden. Er meinte, wieso der Kurier zu solchen Informationen
kommt. Erich Hofstetter konnte sich auch nicht erklären, von wo und
wieso solche Informationen zustande kommen. Für mich ist dies ganz
selbstverständlich. Die Zeitungen nehmen an, dass Personenfragen am
meisten interessieren. Wenn sie keine endgültigen verlässlichen Be-
schlüsse haben, dann beginnen sie zu kombinieren. Selbst wenn end-
gültige Beschlüsse vorliegen, wie z.B. jetzt, dass Sekanina Fraktions-
obmann und Nachfolger von Weisz wird, so beginnen sie dann weiter
zu bauen, welche Konsequenzen dies bezüglich Benya-Nachfolge haben
kann. Dass sie dabei Informationen von dritter Stelle bekommen, ist
für mich vollkommen klar. Selbst wenn sie aber solche nicht haben,
sich irgendwelche Kombinationen ausrechnen, auch.

Kreisky hatte beim Flug nach Klagenfurt zum ersten Mal gehört, dass
z.B. auch die Kronen-Zeitung jetzt ein Steirer Parteiobmann-Nachfolge-
Spiel beginnt. Dort hat Mahr wieder, wie er sagte, aus verlässlicher
Quelle erfahren, dass Moser Sebastian nachfolgen wird. Kreisky konnte
sich auch nicht erklären, von wo diese Informationen herstammen. Für
mich sind diese Erscheinungen in einer sogenannten unabhängigen Presse
ganz klar. Entweder stehen dahinter politische Motivationen oder
was viel wahrscheinlicher ist, das Bedürfnis der Redakteure herum-
zufragen und natürlich jemanden zu finden, der Kombinationen, die
der Redakteur selbst macht entweder bestätigt oder zumindestens wieder
Detailinformationen gibt, oft auch mit der Absicht, gewisse Personal-
politik damit zu machen. Ich bin überzeugt, dass diese Methode bis
in de höchsten Spitzen hinauf getrieben wird. Wenn ich auch eine solche
Methode entschieden ablehne und mich niemals daran beteiligt habe,
so bin ich doch fest davon überzeugt, dass sie zum politischen Ränke-
spiel dazugehört und kaum aus der Welt geschaffen werden kann. Ob
sie allerdings immer den gewünschten Erfolg hat, bezweifle ich. Im
Falle von Benya ist alles nicht nur jetzt sondern wahrscheinlich auf
längere Zeit die Nachfolgefrage gar nicht akut.



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Kreisky unterstrich in seinem Referat vor der Fraktion ganz be-
sonders die Zusammenarbeit zwischen ÖGB und Partei wobei er natürlich
auch das gute Verhältnis zwischen ihm und Benya hinwies. Er meinte
und das zurecht, dass es in der Vergangenheit sehr oft starke Differenzen
zwischen den Gewerkschaften und der Partei gegeben hat. Der Ausspruch
Victor Adlers: Beide sind siamesische Zwillinge, lässt nämlich darauf
schliessen, dass auch schon zu dieser Zeit Differenzen ganz gewaltig
gewesen sind. Ich selbst habe ja auch diverse oftmals sehr hart geführte
Auseinandersetzungen in der Böhm-Zeit und Schärf-Periode mitgemacht.
Zu diesem persönlich verhältnismässig guten Klima kommt ja auch
dass die wirtschaftliche Entwicklung so günstig war, dass es automa-
tisch zu verhältnismässig geringen Reibungen kommen musste. Ausserdem
verstand Kreisky sehr geschickt, alles daranzusetzen, dass Benya
Präsident des NR wurde, Häuser Vizekanzler, Weisz Klubobmann und
selbst mich rechnet er zum Gewerkschaftsbestand, den er in entsprechende
Positionen geholt hat. Ich konnte dies nicht nur aus seiner Methode,
mich als einzigen bei der Ansprache namentlich zu erwähnen sondern
noch viel mehr dann aus einer Bemerkung gegenüber einem Schweizer
Reporter, den wir im Auto zum Flugplatz mitnehmen, feststellen.
Während wahrscheinlich in einer anderen Partei und unter einer anderen
Führung der soz. Partei es bei Postenbesetzungen doch viel mehr
darum gegangen wäre, Länder- und Parteiwünsche zu berücksichtigen,
hat Kreisky sich immer eine freie Hand verlangt und eben den ÖGB
entsprechend berücksichtigt.

Der Einzige, der in der Diskussion das Wort ergriff war Benya, der
ebenfalls auf die gute Zusammenarbeit hinwies und neuerdings
unterstrich, dass alle Gerüchte oder irgendwelche Kombinationen in
Gewerkschaften oder in den Ländern draussen, die auf Spannungen hin-
arbeiten aus der Luft gegriffen sind. Dies gilt auch bezüglich der
Regierungsform nach dem 5. Oktober. Kreisky hat in seinem Referat
gesagt, wir wollen die absolute Mehrheit und Benya hat es mehr denn
je bestätigt, dass dies unser Ziel sein muss. Alles andere sind
Kombinationen, niemand ist irgendwie gebunden.

Im Flugzeug, wo Kreisky von seinem Pressereferenten Kunz und
Org.-Referaten Strache sowie dem Kriminalbeamten begleitet wurde,
hatte ich weil ich mehr sehen konnte, ganz rückwärts gesetzt und
Wais kam deshalb in eine gute Position. Für mich war es deshalb
wichtig, dass er mitfuhr, weil er Gelegenheit hatte, Kreisky in


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nächster Nähe agieren zu sehen. Er hatte glaube ich den richtigen
Eindruck, welch Vollblutpolitiker Kreisky ist. Zuallererst ist
er ein Mensch so wie wir alle. Er brauchte aus welchen Gründen weiss
ist nicht, dringend einen Hosenträger, fragte, ob man den im Flug-
hafen kaufen könnte, wollte aber natürlich nicht Duty-free-Shop
benützen. Tatsächlich gab es dann dort eine Art Boutique und er erstand
einen Ledergürtel um 220.– S. Der Preis erschien ihm sehr hoch
auch mir und er sagte, da wird er sich jetzt die ganze Zeit ärgern.
Im Flugzeug begann er dann natürlich den Gürtel zu studieren und
meinte, der sei doch auch innen ledergefüttert und vielleicht damit
preiswert. Ich stellte in diesem Punkt eine grosse Ähnlichkeit mit
mir fest. An und für sich interessiert ihn vielleicht Geld auch nicht
besonders, aber er ärgert sich genauso darüber wie ich, wenn er irgend-
welche unzweckmässige Ausgaben macht. Ich habe das Problem so gelöst,
dass ich seit 5 Jahren überhaupt nichts mehr kaufe sondern alles meiner
Frau überlasse. Wichtiger als diese Episode war aber, wie er sofort
auf die Wahlreisen zu sprechen kam und wie er sofort alle Details
wissen wollte. Er fragte mich, welchen Eindruck ich von der Steier-
mark hatte und als ich nur erwähnte, dass man dort vereinzelt auch
nicht einmal eine relative Mehrheit rechnet, wollte er von Wais, der
ja die Beobachtungen bei den Versammlungen durchführt, sofort nähere
Details wissen. Andererseits konnte Wais genau beobachten, wie er
den Wahlkampf bis ins letzte Details selbst führt. Er gibt sich
auch keiner Illusion hin, wie die einzelnen mit ihm Kämpfenden liegen.
Marsch, meinte er, hat leider ein negatives Image und man kann machen
was man will, das wir sich nie mehr verbessern. Jeder Fernsehdiskussion
und wenn sie noch von ihm so vorbereitet werden, so gut geführt wird,
wird zu seinem Minus nur dazu beitragen. Auch dann, wenn sie brillant
geführt ist und selbst dann, wenn er objektiverweise gewinnen würde.
Andererseits regelt Kreisky alle Details selbst. Er erzählt mit
Vergnügen, wie es früher im Parteivorstand war, wo die Plakate
für die Wahlen im einzelnen besprochen wurden und wo tatsächlich ein
jeder seinen Kren dazugab. Dass dies beim besten Willen nicht mög-
lich ist, weiss ich selbst und kenne auch die Zeit, bevor er alles
autoritär selbst entschieden hat. Um ein einheitliches Auftreten
zu gewährleisten und die Partei einheitlich auszurichten ist es im
Wahlkampf wahrscheinlich wichtig und notwendig, dass dies ein Mann
ausschliesslich macht. Liwanec, ein guter Bekannter von mir und
Freund Pittermanns, hat in der Pittermann-Ära die Propaganda gemacht
allerdings auch wieder nicht selbstständig sondern mit vielen Komitees


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und Leuten, die ihm Vorschriften machten. Jetzige System spitzt
sich ausschliesslich auf Kreisky zu und ist in meinen Augen ausser
der guten Politik, die er als Vollblutpolitiker sowieso macht die
Garantie, dass es gut gehen muss.

Die Versammlungen waren für Kärntner Verhältnisse, wie man mir
flüsterte, ganz gut aber nicht sehr gut besucht. Da ich reichlich
Zeit hatte, konnte ich sogar vorschlagen, dass man diskutieren soll.
In Ferlach meldete sich aber nur ein Pelzhändler, der mir vorher
schon eine Telegrammdurchschrift gegeben hat, wo er sich bei
Rhomberg über den guten Verlauf der Dornbirner Messe bedankte.
In der Versammlung hat er überschwenglich auch meine Tätigkeit
gelobt. Der Vertreter der soz. Tageszeitung in Klagenfurt hat mir
nachher gesagt, wahrscheinlich will er einen Kommerzialratstitel.

Der bulgarische Minister Kaltschew hat volles Verständnis, dass
ich mich um ihn kaum bemühen kann. Er meinte, es sie schon sehr
erfreulich, dass ich wenigstens das Abendessen für ihn arrangierte,
da er volles Verständnis hat, dass wir jetzt im Wahlkampf stehen.
Er war dann noch sehr erstaunt zu erfahren, dass nächste Woche der
Gewerkschaftskongress beginnt. Ich hatte ihm dieses Situation er-
klärt und er meinte, bei VÖEST würde er sehr gut aufgehoben sein.
Koller und Matthes aber auch Rohner andererseits wieder hatten ihn
seinerzeit eingeladen, weil sie hofften, die Etylen-Anlage zu bekommen
Gescheitert ist dies aber daran, dass die Franzosen dann für die
Anlage eine hundertprozentige Kompensation akzeptierten. Die VÖEST
war bereit, 40 % zu geben und wäre vielleicht noch bis 50 % oder 60 %
gegangen. Kaltschew selbst versicherte mir dass er aber gekommen sein.
trotzdem die Ethylen-Anlage nicht zustande gekommen sei, um andere Ge-
schäfte zu entrieren. Die VÖEST ist sehr skeptisch, wie ich nachher
mit einer Aussprache zwischen den drei und auch Gen.Dir.
Bayer von den Vereinigten Edelstahlwerken feststellen konnte. Wir
besprachen dann in diesem Kreis auch noch die polnischen Kredit-
wünsche bezüglich der Stahllieferungen. Bayer sagte, die verlangen
nur Baustahl, das die Edelstahlwerke gar nicht herstellen und Matthes
hat grosse Bedenken, ihnen besondere finanzielle Konditionen zu
geben. Er fürchtet, dass dann die Russen für ihre Lieferungen genau
dieselben Konditionen verlangen. Koller meinte, wir würden in dem
Fall den Russen sagen, dass es sich hier um Bankkredite handelt, mit
denen die VÖEST-Alpine nichts zu tun hat. Ich selbst schlug


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ihnen auch vor, sie sollen sich ohne weiteres auf mich ausreden.
Lieferantenkredit gibt die VÖEST nicht, weshalb auch die Sowjets
keinen Lieferantenkredit verlangen können. Natürlich bekommen wir
dann den Druck auf die Bankkredite. Der Unterschied, sagte ich, ist
nur der, dass Polen jetzt im ersten Halbjahr bereits mit 1,5 Mia. S
passiv ist, während die Sowjetunion immer aktiv abschneidet. Die
Stahlflaute in der Welt veranlassen, die anderen Länder zu Konditionen
heute den Osten zu beliefern, der sowohl im Preis als auch in den
Kreditbedingungen sehr sehr schlecht ist. Hier meinen die österr.
Werke, dass sie darauf verzichten müssen. Ausserdem hoffen sie, dass
wenn mit diesen schlechten Konditionen der Osten zusätzlich beliefert wird
dann das Westgeschäft nicht noch weiter durch Preissenkungen ver-
dorben wird.

In Klagenfurt musste ich feststellen, dass die ÖDK noch immer nicht
konkrete Unterlagen von der GKB über den Kohlenpreis hat. Ich inter-
venierte deshalb bei den VÖEST-Leuten und diese versprachen mir
so schnell als möglich, gegebenenfalls mehrere Varianten end-
gültig jetzt vorzulegen. Hauptproblem ist auch hier, dass sie die
Finanzierung nicht gesichert haben und wissen wollen, wieviel
sie aus der Bergbauförderung und wieviel sie sonstige verbilligte
Kredite von Staat bekommen werden. Insgesamt benötigen sie 600 Mio. S.

Grosses Erstaunen hat ausgelöst, dass es Bukowski gelungen ist, in
der kurzen Zeit seitdem er weiss, dass er nach Bulgarien kommt, die
Sprache schon so weit zu lernen, dass er immerhin sich verständigen
kann. Kaltschew fragte, nach welchem System er eigentlich lernt
und hat angenommen, dass er vielleicht weiss Gott was für eine
moderne Methode anwendet. Er war sehr erstaunt, als er erfuhr, dass
sich Bukowski nur ein Lehrbuch gekauft hat und nach diesem jetzt
lernt. Für mich ist und bleibt er ein sprachliches Genie, das ich
nur bewundern kann und ich gestehe ehrlich, sehr sehr beneide.

Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
GND ID: 119083906


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      Tätigkeit: SPÖ-Politiker, Gewerkschafter, NR-Abg.


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        GND ID: 118761595


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          Tätigkeit: ZS GPA, ab 1980 Sozialminister


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            Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg.


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              Tätigkeit: FSG-Vors., SPÖ-Klubobmann, Volksanwalt


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                Tätigkeit: Präs. Dornbirner Messe


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                  Tätigkeit: Politiker, Arzt


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                    Tätigkeit: erster ÖGB-Präs.


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                      Tätigkeit: Kronen-Zeitung


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                        Tätigkeit: SPÖ-Zentralsekr.


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                                Tätigkeit: Landesparteisekretär SPÖ NÖ


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                                  Tätigkeit: VÖEST


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                                    Tätigkeit: Leitender Sekretär ÖGB, SPÖ-NR-Abg.
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                                      Tätigkeit: GD VÖEST


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                                        Tätigkeit: Dir., Leiter Generalrepräsentanz Wien VÖEST-Alpine


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                                          Tätigkeit: Bautenminister


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                                            Tätigkeit: GD Vereinigte Edelstahlwerke


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                                              Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


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                                                Tätigkeit: Bundeskanzler
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                                                    Tätigkeit: Straßburg


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