Samstag, 13. September 1975
Die Aussprache mit Snuderl ergab, dass die Entwicklung von den
Jugoslawen mit einiger Besorgnis betrachtet wird. Bereits in seinem
Papier, das er uns vorzeitig zukommen liess, verwies er, dass sich
die Ein- und Ausfuhrrelation von 1:3 auf 1:4 und jetzt sogar auf
1:5 verschlechtert hat. Die Jugoslawen glauben, dass es auf die Dauer
nicht möglich sein wird, so ein grosses Passivum im Handel zu haben.
In der Zahlungsbilanz, wo sie früher durch Gastarbeiter und insbesondere
Tourismus in Jugoslawien einen Ausgleich hatten, ist in der letzten
Zeit auch eine Änderung eingetreten. 40.000 Gastarbeiter weniger
und vor allem heuer ein wesentlich schlechteres Zuwachsen der
Österreich-Besuche in Jugoslawien. Tschach führt dies allerdings
darauf zurück, dass man sich in Österreich viel zu wenig um den Gast
gekümmert hat. Die Jugoslawen haben erst im letzten Moment im Mai
und Juni mit einer Propaganda für Österreich-Besuche am Meer ein-
gesetzt. Diese Meinung teilt übrigens auch Würzl.
Snuderl selbst hat, nachdem ich ihm unsere Meinung zu seinen Wünschen
auseinandergesetzt hatte und besonders darauf hinwies, dass von den
7 Mia. Exporten 1 Mia. Waren von Drittländern, insbesondere Deutschland
und Japan sind, gemeint, man müsse alle Details in der Gemischten
Kommission im November besprechen. Dies bezieht sich auf die Energie
und ganz besonders auf Möglichkeiten, Drittmärkte Jugoslawien Öster-
reich gemeinsam zu bearbeiten. Er meinte, hier könne man mit eigenem
Kapital Jugoslawiens aber auch mit internationalem Kapital rechnen.
Für mich neu war, dass er erklärte, die Zollsenkung sei für sie von
grosser Bedeutung, da Jug. keine bilateralen Abmachungen in nächster
Zeit erwarte. In der multilateralen Frage, ob Jug. der EFTA beitreten
kann, erklärte er dezidiert, dass dies nicht möglich ist. Sie wollen
keine wie immer geartete Bindung an Ost oder West. Um über das Zoll-
problem aber hinwegzukommen, könnte er sich vorstellen, dass ein Han-
delsvertrag ähnlich dem Jug. mit den EG zustande käme. Er verwies
auch dann auf die Zollbegünstigung, die wir der SU für Fahrzeuge gegeben
haben. Hier erwiderte ich, dass diese Fahrzeugzollsenkung auf den
Jugoslawen zugutekommt, wenn sie eben Autos produzieren mit 17 cm Radab-
stand. Genau dies aber ist weder bei den jug. Autos – Produktion auch
nicht dem Assembling - noch bei Amerikanern oder bei den Westeuropäern
der Fall. Dies war ja mit einer der Gründe – ohne dass ich es natürlich
sagte – warum wir dieses Zugeständnis an die SU wählten.
Der Botschafter hat es allerdings bemerkt und war nur nobel genug,
es nicht zu sagen. Auch Snuderl glaube ich, hat letzten Endes die
Taktik, die wir damit verfolgten klar erkannt. Ich erklärte deshalb,
wir könnten bezüglich der Zölle nur bei einzelnen grösseren Koopera-
tionen ein Ausnahmeverfahren versuchen, das sich nur auf Einzelwaren
beziehen könne. Eine generelle Regelung sehe ich derzeit nicht. Jug.
selbst hat auch nur für 22 Entwicklungsländer ein unilaterales Präferenz-
system. Bei uns wird Jug. als Entwicklungsland eingestuft und geniesst
deshalb die 50 %-ige Zollermässigung. Snuderl meinte dann, ob es
nicht möglich wäre, gegebenenfalls über spezielle Kontingente wie z.B.
Fleischimporte in Dosen für die jug. Gastarbeiter, gegebenenfalls nur
auf die Weihnachtszeit beschränkt oder für grössere Messekontingente
grösse Liefermöglichkeiten jug.seits möglich wären. Ich erklärte sofort,
dass auf agrarischem Sektor beim besten Willen keine Möglichkeit von
zusätzlichen Einfuhren besteht. Hier gibt es bereits jetzt mit unseren
Bauernvertretern aber auch mit der Nahrungsmittelindustrie die grössten
Schwierigkeiten. Möglich dagegen erscheint mit, dass wir das Messekon-
tingent, das besonders für die Grazer Messe eine grosse Rolle spielt,
vergrössern.
ANMERKUNG FÜR REIM: Bitte diese Kontingenterhöhung mit Arbeiterkammer
besprechen, damit im Viehverkehrsfonds doch ein grösseres Kontingent
freigemacht werden kann.
Tschach wies darauf hin, dass jug. Waren meistens über Drittstaaten
kommen. Ein besonders Beispiel war Pflaumen über Deutschland. Snuderl
selbst hat auch noch darauf hingewiesen, dass Heizplatten aus Jug.
über Deutschland nach Österreich exportiert werden. Unser Hinweis, dass
sich die jug. Firmen mehr um den österreichischen Markt kümmern müssen,
bestätigte Snuderl. Er sagt, erst in letzter Zeit ist es gelungen, daß
die Exporteure sich um den kleineren Importeur hier in Österreich
kümmern. Die Möbelexporteure z.B. gehen jetzt von Geschäft zu Geschäft
um das eine oder andre Schlafzimmer oder Möbelstück zu verkaufen. Bis
jetzt war die Taktik der jug. Firmen, lieber ein Zug als 30 Waggons.
zu verkaufen. Jetzt haben sie dies wahrscheinlich durch entsprechende
Schwierigkeiten beim Absatz geändert und kümmern sich auch um den
kleineren Importeur.
Dem Wunsch der jug. Seite, gegebenenfalls eine Art Accordino-
Abkomen zwischen Kroatien und der Steiermark und Slowenien und
Kärnten abzuschliessen, habe ich sofort abgelehnt, weil es erstens
aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geht und weil zweitens
das Accordino mit Italien eine spezifische Erscheinung des unmittel-
baren zweiten Weltkrieges waren, das allerdings jetzt durch den
EG-Vertrag immer mehr ausgehöhlt wird. Wenn alle Zölle und Ausfuhr-
beschränkungen fallen, durch den EG-Vertrag spätestens Ende der
Siebzigerjahre, dann hat das Accordino nur mehr platonische Bedeu-
tung. Snuderl hat dies auch eingesehen, schlägt allerdings vor,
dass trotzdem die unmittelbaren Regionen engeren Wirtschafts-
kontakt halten sollen. Dagegen ist von unserer Seite überhaupt nichts
einzuwenden. Der Besuch und die Aussprache hat mir einmal mehr be-
stätigt, dass die jug. Seite sehr wohl jetzt schön langsam wieder daran
interessiert ist, mit uns normalere Beziehungen aufzunehmen. Da
dies meistens über die Wirtschaftsbeziehungen geschieht, habe ich
diesen Besuch sehr gerne empfangen und mit Snuderl, der vor einigen
Jahren noch Minister für die Aussenwirtschaftsbeziehungen zuständig
war, die Gespräche geführt. Ich habe ihm auch beste Grüsse an den
derzeitigen Aussenhandelsminister aufgegeben. Der Botschafter hat
gemeint, er bemüht sich jetzt, dass der Gegenbesuch von Jugoslawien
jetzt endlich zustande kommt. Zum Glück hatten wir vor zwei Jahren
einen offiziellen Besuch in Jug. gemacht, sodass eben jetzt nach dem
Abbruch der normalen guten Beziehungen die Jugoslawen verpflichtet
sind, den Gegenbesuch zu organisieren.
Die Wahlversammlungen in der Steiermark waren für mich sehr lehr-
reich. Der ehemalige Nationalrat Scheibengraf hat für sich in Kapfen-
berg durchgesetzt, und verlangt, dass wir eine grosse Betriebsräte-
konferenz machen anstelle von Marktbesuchen und sonstigen even-
tuellen Aktivitäten, die wahrscheinlich politisch kaum etwas bringen.
Er wollte, dass die Betriebsräte eine eingehende Information bekommen
damit sie mit Argumenten bewappnet in den Betrieben Diskussionen füh-
ren können. Dadurch kam ich zu einem Frühschoppen, dem 5. Kapfenberger
ein bisschen zu spät. Die Kapelle war schon weggegangen, hat sich
dann neuerdings formiert und ich habe den Rest, der dort verblieben war
und schon ein wenig unter Alkoholeinfluss stand, glaube ich auch
noch einige befriedigende Worte oder Schmähs erzählt. Kapfenberg
nimmt innerhalb der steirischen Organisation eine eigene Stellung
ein. Die behaupten, sie seien die aktivsten, was wahrscheinlich
auch stimmt.
Um so mehr sind sie besorgt über die Entwicklung in der Steiermark.
Sie glauben, dass die Wahlen dort schlecht ausgehen werden. Manche
bezweifeln, dass wir die relative Mehrheit bekommen können. Ich
habe daher den kleinen Kreis von Funktionären, mit denen wir
dann essen gegangen sind versucht, auch in dieser Beziehung aufzurich-
ten. Die Besuche am Nachmittag waren dann für mich weniger enttäuschend
als ich eigentlich angenommen hatte. Die Versammlungen fanden zwar
in kleinsten Orten statt, die ich kaum kannte, doch waren sie alle sehr
gut besucht und die örtlichen Funktionäre waren dabei am meisten
überrascht. Andererseits kann ich feststellen, dass in der Steier-
mark wirklich fast die ganze Regierung ständig im Einsatz ist. In
meiner letzten Versammlung um 1/2 9 Uhr in Rein waren nicht weniger
als der Bundeskanzler und weitere 3 Minister in dieser Legislatur-
periode vor mir dort. Die Versammlung sollte eine Diskussion auch
haben, doch hat sich niemand zu Wort gemeldet, weil gleichzeitig auch
eine Feuerwehrfest stattfand und natürlich die Leute auch noch dorthin
gehen wollten. Ich bin sehr gespannt, wie es in der Steiermark wirklich
ausgehen wird.
Tagesprogramm, 13.9.1975
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Wahlreise Stmk., 13.9.1975
27_0989_03Politische Übersicht div. steir. Gemeinden mit hs. Notizen
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