Dienstag, 9. September 1975
Im Berufsausbildungsbeirat, wo derzeit über die Verhältniszahlen
diskutiert wird, bedankte ich mich für die objektive Mitarbeit
und ganz besonders, daß keiner die politischen Angriffe, daß zu
wenig Lehrstellen sind, dazu benützte um gegebenenfalls auch
von seitens der Interessensvertretungen bei dieser Kampagne mitzu-
machen. Dr. Meches, der Vorsitzende der Handelskammer, versicherte
mir, daß alle Lehrlinge untergebracht werden können. Ich kündigte
auch gleichzeitig an, daß ich das neue Berufsausbildungsgesetz, wo
die Gewerkschaftsjugend einen Entwurf gemacht hat, gemeinsam mit
beiden Interessenvertretungen verhandeln werde, so wie ich dies
seinerzeit auch mit der Gewerbeordnung getan habe.
ANMERKUNG für JAGODA und WAIS: Zuerst Punktation erstellen und mit
Mussil und Hofstetter eine gemeinsame Besprechung ausmachen.
Die Ausstellung Energiesparen im VKI gab mir Gelegenheit auf 2 Punkte
hinzuweisen, die in der jetzigen Wirtschaftssituation von Bedeutung
sind. Energiesparen ist nach wie vor aktuell, aber vom konjunkturellen
Standpunkt ist es besonders interessant soviel als möglich von den
1 Millionen schlechten Heizgeräten durch neue zu ersetzen und dadurch
die Konsumgüterindustrie auf diesem Sektor, sei es Öfen, Elektrogeräte
oder Gasgeräte, neu zu beleben. Mit den VKI-Fachleuten habe ich ver-
einbart, daß sie die Heizungsvergleichsberechnungen immer sofort an-
stellen wenn eine Änderung eines Brennstoffpreises eintritt.
ANMERKUNG für WAIS: Lasse bitte auch in unserem Haus diese Entwicklung
verfolgen und von der VKI entsprechende Aufzeichnungen geben.
Im Ministerrat berichtete Androsch über die 6.6 Milliarden Schilling
zusätzlicher Konjunkturbelebung. Kreisky war insbesonderes interessiert
ob dadurch auch verhindert wird, daß nicht eine Preiserhöhung auf
diesen Sektoren durch die stärkere Nachfrage eintritt. Androsch ver-
sicherte er hätte sowohl mit dem Fernsprechinvestitionsgesetz als
mit der Kraftfahrzeugbranche, aber ganz besonders bei dem Bausektor,
wo Moser erklärte wir hätten jetzt die Preise 1971 erreicht, Preis-
erhöhungen abgesichert.
Außerdem berichtete Androsch über die Jahrestagung zum Währungsfonds
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und daß jetzt mit der Gemeinde Wien ein Vertrag gemacht wird, wo
Bund und Gemeinde eine Bauausführungsgesellschaft für das Allgemeine
Krankenhaus schaffen werden und gleichzeitig auch Fremdmittel für
schnellere Fertigstellung aufnehmen werden. Häuser berichtete über
die Arbeitsmarktlage und verwies darauf, daß 16.800 Beschäftigte
mehr sind und damit 2,693.000 erreicht. Bei den Lehrstellen sind
jetzt um 46.000 Lehrstellensuchenden Ende Juni nur mehr 17.000 Ende
August und demgegenüber von 35.000 offenen Lehrstellen Ende Juni noch
immer 17.000 Ende August vorhanden. Somit ergibt sich, daß auch dieses
Jahr alle Lehrstellensuchenden untergebracht werden können. Die
Ziffer der offenen Lehrstellen stimmt nur insoferne gar nicht, als
mindestens 1/3 mehr offenen Lehrstellen hier sind, die ja auch, wenn
man Juni mit August vergleicht, klar und deutlich sich dokumentiert
die von den Unternehmern niemals beim Arbeitsamt angemeldet werden, weil
sie dort sowieso keine Lehrlinge bekommen.
Ich berichtete über die Briefunterzeichnung zwischen dem Minister
Wrzaszczyk und mir. Kreisky meinte, es müsse im Kommuniqué zum Ausdruck
kommen, daß dieses Vertragswerk besonders durch die Unterstützung
der Regierung, er, Staribacher und Androsch zustande gekommen ist.
Ich bin sehr gespannt was beim Bundespräsident dabei herauskommt.
Swarovski und sein Neffe, der jetzt scheinbar in immer stärkerem
Masse die Geschäfte führt, intervenierten wegen der Möglichkeit,
österreichischen Laser in Panzer einzubauen. Ich ließ mich sofort
mit Lütgendorf verbinden und erfuhr, daß er nach wie vor zu der
Vereinbarung mit mir steht, unbedingt österreichische Firmen heran-
zuziehen. Im speziellen Fall für die Ausrüstung der Panzer mit
österreichischem Laser. Die Steyr-Daimler-Puch hat nur mit
Sofner , der französischen Firma, die die Kürassiere im Ausland ver-
treibt, insbesondere im französischen Einflußbereich, eine Verein-
barung, daß sie französische Laser verwenden müssen. Trotzdem hat er
angeordnet, daß für die jetzt nach Tunis gehenden 60 Stück die
Optik von Swarovski verwendet werden soll. Dies bedeutet einen 20 %-igen
Anteil österreichischer Firmen an der Laserausrüstung. Die Firma
Swarovski vermutete aber, daß wesentlich mehr Panzer jetzt ausgerüstet
werden und hat deshalb ein Anbot gestellt auf 54 Stück je 824.000.–
Schilling oder dann 200 Stk., wo der Preis sofort auf 686.000.– zurück-
geht. Die Franzosen haben ein Anbot erstellt auf 797.000 Schilling,
ohne einen Preisabschlag bei größerer Stückanzahllieferung. Bis
jetzt hat das Bundesheer 12 Laser bei Swarovski bestellt, wovon
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die Hälfte schon ausgeliefert ist und die andere andere heuer
noch geliefert wird. Die Elektronik stammt von EOS, einer amerikanischen
Firma, doch möchte Swarovski jetzt mit einer österreichischen
Spezialfirma in Innsbruck diese Elektronik ebenfalls, zumindestens
teilweise selbst erzeugen. Die Mechanik und Optik wird sowieso
schon in Wattens gefertigt. Ich habe mich sofort mit Leibenfrost
von Steyr verbinden lassen und erfuhr, daß mit der französischen
Firma Sofner nicht ein solcher Exklusivertrag besteht. Die Steyr-
Werke sind bereit, sich zu bemühen größere Österreichanteile in die
Panzer unterzubringen, weil dadurch auch der Österreichanteil und
die Exportfinanzierung wesentlich erleichtert wird.
Anmerkung für REIM: Die Sektion muß sich auch um diese Probleme mehr
kümmern. Auch Lütgendorf dürfte über den letzten Stand nicht informiert
gewesen sein. Ich Swarovski und Leibenfrost zusammengebracht, die sich
gar nicht kannten.
Der Besuch bei Fischer in Ried, war für Reim sein erster, aber auch
für mich ein sehr schöner Flug, aber sonst eigentlich eher ent-
täuschend. Ich hatte angenommen, daß die Firma eine Versammlung
oder zumindestens die Übergabe in einer festlichen Form mit den
Belegschaftsmitgliedern machen wird. Statt dessen schlug Fischer
vor, wir sollten durch den Betrieb durchgehen und anschließend daran
hat er vor dem Betriebsratsobmann seiner Schwester und vier Direktoren
die Überreichung sich vorgestellt. Entweder kam es ihm darauf an,
daß die Belegschaft die Produktion nicht unterbricht, was ich mir
gar nicht vorstellen kann, oder daß wahrscheinlich er irgendwo
einen Wink herbekommen hat, man sollte mir nicht eine solche Mög-
lichkeit einer Ansprache in Wahlzeiten geben. Ich kann mir nicht
vorstellen, daß Fischer, der das letzte Mal, als ich seine Halle er-
öffnet hatte, ein riesiges Programm abgewickelt hat, dies diesmal
so still und leise geplant hat, wo nicht einmal Zeitungen usw. einge-
laden waren. Reim war auch sehr verwundert.
Auf dem Flug konnte ich aber feststellen, daß die Produktenpipeline
für das Lager an der Enns der ÖMV ziemlich weit fertig ist und auch
schon das Lager mit 4 großen Behältern sichtbare Formen annimmt.
Ebenso war es sehr interessant den Baufortschritt von Altenwörth und
die Fertigstellung vom Kernkraftwerk Tullnerfeld von oben zu bewundern.
Da der Hubschrauber nur über die Donau einfliegen darf, er darf das
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Stadtgebiet nicht überfliegen, nur mit Sondergenehmigung, konnten
wir auch das Einlaufwerk und vor allem dann entlang der Donau die
ganzen Bauten UNO-City und noch vielmehr die Ölanlagen der ÖMV
von oben einmal beobachten. Da sieht man erst in welch gigantischem
Maß hier sich die Ölindustrie rechts und links der Donau ausge-
breitet hat.
Fischer selbst hat jetzt neben der Skiproduktion, wo er insbesondere
durch die Erfolge bei Langlaufski, aber auch jetzt bei Sprungski
nicht nur einen guten Namen hat, sondern auch noch gute Absätze, die
Produktion von Tennisschlägern aus Aluminium aufgenommen. Bis jetzt
hat er 40.000 Stück produziert und hätte mindestens die doppelte Anzahl
verkaufen können. Er weitet daher diese Produktion wesentlich aus.
Die 1 Million Stück Ski, die er als ich die Halle eröffnete anstrebte,
hat er bis jetzt nicht erreicht, glaubt aber sicher, daß er beim nächsten
Konjunkturaufschwung in der Welt auch diese Absatzziffer erreichen
wird. Außerdem hat er jetzt den vierten milden Winter zu verzeichnen
und meint, nur durch seine Rationalisierung und vor allem wissen-
schaftliche Auswertung der Produktion aber auch der Skifahrergebnisse,
haben ihm diesen Marktanteil sichern lassen. 77 % seiner Produktion
gehen nach wie vor in den Export. Fischer glaubt, daß mehrere
Skifabriken bereits in den roten Zahlen sind und kaum die neue Konjunk-
tur erleben werden.
Der polnische Maschinenbauminister Wrzaszczyk, der extra wegen der
Briefunterzeichnung nach Wien geflogen kam und seine zwei Vizeminister
die mit ihm kommen, waren sehr interessiert über die wirtschaftliche
Lage in Österreich einiges zu erfahren. Der Botschafter Karski hat
dann beim Abendessen im kleinsten Kreis immer wieder darauf hinge-
wiesen, wie sehr auch für ihn es ein Erfolg ist, daß dieses Koope-
rationsabkommen Steyr-Daimler-Puch und Pol-Mot zustande kam. Auch
ich verwies darauf, ja sogar auch bei meiner offiziellen Ansprache,
daß es für mich ein ganz besonderer Trumpf ist, weil dadurch bewiesen
ist, daß nicht nur verstaatlichte Betriebe, sondern auch private
Betriebe mit den Oststaaten zu großen Kooperationen kommen können.
Um dieses Abkommen hat sich auch der neue junge Vorstandsdirektor
Feichtinger, der unserer Fraktion angehört, verdient gemacht. Ich bin
überzeugt, daß ganz besonders die junge Garnitur, von Malzacher ange-
fangen, Leibenfrost und Feichtinger imstande sein werden, die Ver-
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pflichtung die sie übernommen haben, auch tatsächlich zu erfüllen.
Karski meinte, in Zukunft wird man auf Polens Straßen nur mehr
Steyr-LKW sehen. Dies glaube ich zwar kaum, aber sicherlich wird
jetzt eine größere Serie dort unterzubringen zu sein.
Bei der Vorstandssitzung diskutierten wir auf der Landstraße unsere
Wahlkampfprobleme. Die Wiener Organisation hat vorgeschlagen, daß
ab 15. September nur mehr einheitlich plakatiert werden soll und des-
halb nicht einmal die Bezirksveranstaltungen mehr auf den Ständern
angekündigt werden könnten. Tischler befürchtet, daß wir von der
Zentrale mit einer Papierflut zugedeckt werden. Diesen Eindruck
habe ich schon seit längerer Zeit. Sowohl die Bundespartei als auch
die Landespartei sieht ihre primäre Aufgabe darin, alles zu beschaffen,
alles zu machen und in Wirklichkeit nur Papier zu produzieren. Tischler
beschwerte sich z.B., daß die so wirksamen roten kleinen Einser nur
in ganz beschränkter Anzahl geliefert wurden. Ich glaube allerdings,
daß sie hier die Bereitschaft von Mitgliedern geschweige denn von
Wählern aber stark überschätzt, wenn sie glaubt, daß diese alle rote
Einser tragen würden. Die Zeit des demonstrativen Zeigens einer Partei
ist glaube ich für die große Masse vorüber. Früher einmal war es in
der sozialdemokratischen Partei gang und gäbe, daß man schon in
frühester Jugend sich mit dem Abzeichen der Partei gezeigt hat. Ich
selbst kann mich erinnern, daß ich mit dem Rote-Falken-Abzeichen,
obwohl es verboten war, in die Volksschule oder resp. Hauptschule
gegangen bin. Einen Gegner, der mich sehr geärgert hat, habe ich
damals sogar mit dem Falkenabzeichen in den Hintern gestochen. Ich
weiß, daß dies eine riesige Affaire ausgelöst hat. Die Zeiten haben
sich aber Gott sei Dank geändert und heute sind glaube ich bei uns
die Bevölkerung, ja nicht einmal die Funktionäre bereit, die Embleme
tatsächlich demonstrativ zu tragen.
Tagesprogramm, 9.9.1975
Tagesordnung 177. Ministerratssitzung, 9.9.1975