Montag, der 1. September 1975

27-0924

Montag, 1. September 1975

Beim Jour fixe war nur Sallinger, weshalb auch kaum konkrete
Probleme besprochen wurden. Natürlich pflanzte ich ihn ein-
leitend und meinte, daß Helbich sich schon im Handelsministerium
erkundigt hat, wie es eigentlich mit dem Ministerposten aussieht. Daß
Sallinger nichts davon wußte, war mir vollkommen klar.

Ich brachte die neuerlichen Angriffe der ÖVP wegen der Lehrlings-
haltung zur Sprache. Sallinger ist darüber sehr unglücklich und
der Wirtschaftsbund selbst hat sich schon von dieser Aktion distan-
ziert. Trotzdem startete der ÖVP-Pressedienst auf Grund eines
Berichtes des Wirtschaftsforschungsinstitutes neuerdings die mangeln-
de Möglichkeit für Lehrlinge Lehrstellen zu finden. Wie mir Tommy
Lachs
dann in der Fraktion erklärte, war ursprünglich im Monats-
bericht tatsächlich geschrieben, daß die Lücke zwischen Lehr-
stellensuchenden und offenen Stellen mit 8.400, Ende Juni 11.000
mehr als doppelt so groß war wie im Vorjahr. Der folgende Neben-
satz, der jetzt im Bericht drinnen steht, doch ist auf Grund bis-
heriger Erfahrungen zu vermuten, daß sich diese Lücke bis September
weitgehend schließen wird, wurde erst auf Verlangen von Lachs in
den endgültigen Bericht dann aufgenommen. Diese Tatsache hatte ich
ja nicht gewußt und so gegen den ÖVP-Pressedienst mit einer Aus-
sendung polemisiert in der ich verlangte, daß mit der Verbreitung
von Halbwahrheiten aufgehört werden soll, um die konstruktive Arbeit
der Sozialpartner in dieser Frage nicht zu stören.

Mit den Jugendsekretär des ÖGB Verzetnitsch besprach ich abends
dann die derzeit geführten Verhandlungen über Verhältniszahlen und
den Jugendkongreß, wo ich ein Referat halten werde. Bezüglich der
Verhältniszahlen teilte er mir mit, daß die Verhandlungen sehr
zäh sind. Er selbst steht auf dem Standpunkt man sollte großzügiger
sein, die Gewerkschaften aber halten eine Änderung meistens gar
nicht für notwendig. Sie können angeblich beweisen, daß nicht
einmal jetzt alle Möglichkeiten ausgenützt sind, d.h. nach ihren
Erfahrungen könnten ohne weiteres Lehrlinge noch in die Betriebe aufge-
nommen werden und werden dort verlangt, weil nicht genug Lehrlinge
zur Verfügung stehen. Dies kann regional meiner Meinung nach in
Einzelfällen zutreffen. Im Großen und Ganzen aber appellierte ich


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an ihn,, man solle unter allen Umständen hier entsprechend groß-
zügiger verhandeln, denn im nächsten Jahr wird es große Schwierig-
keiten geben. Verzetnitsch ist dieser Meinung und versucht es ja
auch den Sekretären bei Fachgewerkschaften klarzumachen. Falls
es wider Erwarten zu keiner Einigung zwischen den Sozialpartnern
kommen sollte, werde ich auf alle Fälle entsprechende Verhandlungen
unter meinem Vorsitz führen. Ich würde es für falsch halten, wenn
man in diesem wichtigen Gebiet Entscheidungen trifft, die gegen
die Unternehmer gerichtet sind.

Beim Journalistenfrühstück hat Würzl zuerst über die Ergebnisse
der Fremdenverkehrsentwicklung referiert. Der Juli war mit 15.9 %,
wobei die Ausländer 20.4 % ausgemacht haben, ein gigantischer Erfolg
den niemand erwartet hat. Im heurigen Jahr sind deshalb vom Jänner
bis Juli die Steigerungen 12.6 % und die Devisenerträgnisse mit
20 Milliarden gigantisch. Außerdem berichtete ich, daß wir heuer insgesamt
300 Millionen aus ERP für 75/76 zur Verfügung haben, die ERP-Ersatz-
aktion 85 Millionen und jetzt noch ein Konjunkturstützungsprogramm
von 200 Millionen, insgesamt also 585 Millionen Schilling an
Krediten zur Verfügung stehen. Zur besten Zeit Mitterers hatte er
150 Millionen und eine vage Zusage wenn ein anderer verzichtet,
könnte er 20 Millionen verwenden. Daß niemals jemand verzichtet hat,
brauche ich hier nicht besonders erwähnen. Ursprünglich hatten wir
in der ERP-Ersatzaktion sogar ein Kreditvolumen von 100 Millionen
mit den Zinsenzuschüssen von 13.5 Millionen im Budget machen
können. Jetzt wurden die Zinsenzuschüsse erhöht auf 3.5 %, weshalb
sich das Volumen verkleinerte.

ANMERKUNG für GEHART und WAIS: Wir sollen in Hinkunft mit den Zinsen-
zuschüssen äußerst vorsichtig umgehen.

Sager berichtete über die leicht entflammbaren Textilien. Eine For-
derung des Konsumentenforums wurde dadurch zumindestens zur Sprache
gebracht, die Erledigung wird sicherlich längere Zeit dauern.
Trotzdem erscheint es mir zweckmäßig, gerade jetzt vor den Wahlen
jede Woche ein Konsumentenforumthema zu besprechen. Es müßte gelin-
gen durch solche Kurzreferate die ich für sehr zweckmäßig halte,
1.) Sager in der Presse stärker bekanntzumachen und
2.) Aktivitäten des Handelsministeriums gerade auf diesem Sektor


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vorzustellen. Die ÖVP hat in ihrem Wahlprogramm ganz vergessen
die Konsumentenpolitik zu erwähnen. Angeblich sollte ich von
jemanden wegen dieses Tatbestandes befragt werden. Natürlich hat
dies wieder einmal nicht geklappt. Zuerst sagen einige Journalisten
ja, ja, uns interessiert das sowieso, da werden wir fragen und dann
stellt sich heraus, daß diese entweder nicht hier sind, oder dann
doch nicht fragen. Das Endergebnis ist, wenn ich nicht eine Bemer-
kung aufgegriffen hätte und auf diese die entsprechenden Kritiken an
das ÖVP Wahlprogramm angehängt hätte, wäre es ganz untergegangen.

ANMERKUNG für WAIS: Mit Koppe und Sager ein langfristiges Infor-
mationsprogramm über das Konsumentenforum und Aktivitäten, die wir
jede Woche der Presse kurz mitteilen, vorbereiten.

In der Bundesfraktion des ÖGB wurde vorerst der Gewerkschaftskongreß
die Resolutionen usw. durchbesprochen. Benya war noch bei der Eisen-
bahnergewerkschaft und Kreisky kam auch wesentlich später. Beide
berichteten dann ganz knapp über die derzeitige Situation. Kreisky
meinte die Mobilisierung unserer Partei ist noch nicht voll gelungen.
Wo die Parteiorganisation gut ist klappt alles, wo es Probleme
innerer Art gibt wie z.B. in der Steiermark, Salzburg und Oberöster-
reich, dort herrscht eine gewisse Lähmung des Apparates. Benya
hat glaube ich insbesondere Angst wegen der Steiermark. Ich glaube,
daß hier aber besonders die Niederlagen bei den Landtagswahlen
den Ausschlag geben. Dadurch entsteht der Eindruck als ob in diesen
Landesorganisationen auch jetzt noch ein negativer Trend vorherrscht.
Ich glaube allerdings, daß dies nicht der Fall ist. Die mittleren
und kleineren Funktionäre werden sich dort genau so bemühen als
in den Ländern wo wir einen guten Wahlerfolg, wie z.B. in Wien
oder Kärnten gehabt haben. Ich bin schon sehr gespannt wie die
Wahlwerbung von mir in den einzelnen Ländern ankommen wird, wie
die Organisation ist und ob tatsächlich zwischen den einzelnen
Ländern eine Differenz festzustellen ist. Sicher ist, daß Taus
jetzt die ÖVP maximal mobilisiert hat. Bei der Waldheim-Kandidatur
waren es damals Außenstehende die einen starken Drive der Wahl-
propaganda gegeben haben. Beim Lugger-Wahlkampf waren es insbe-
sondere der Westen Österreichs. Jetzt aber hat Taus die gesamte
ÖVP mobilisiert. Außerdem hat er den Vorteil, daß die Zeitungen
und Organisationen, die den Kartellverband angehören oder vom
CV-lern geführt werden, die ihn natürlich auf alle Fälle unterstützen.



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Dies gilt z.B. ganz besonders von Feichtlbauer im Kurier. Außer-
dem kommt bei den Zeitungen noch dazu, daß viele eine Anti-Schleinzer-
Einstellung hatten. Jetzt sind sie diese Sorge los und können sich
mit Feuereifer auf die Wahlwerbung mit Taus stürzen. Taus attackiert
nicht nur Kreisky, sondern auch Androsch und Gratz. Benya meinte
dazu, man läßt ihm derzeit aus, in der Hoffnung, daß er eine andere
Politik macht. Er versicherte aber neuerdings, was in den letzten
Jahren sowieso schon zur Selbstverständlichkeit wurde, daß der
ÖGB die sozialistische Fraktion engstens mit der Partei kooperieren
wird und es derzeit so wie in der Vergangenheit unter seiner Führung
keine Probleme gegeben hat und geben wird. Kreisky will den Wahl-
kampf mit Taus nicht auf einem intellektuellen Top-Niveau führen.
Er meint mit Recht, man muß auf die Widersprüche Taus' hinweisen.
In einem Investorenbrief 1974 hat er Österreich noch positivst ge-
schildert, jetzt hat er sich der Schwarzmalerei der ÖVP angeschlos-
sen. Vor nicht allzulanger Zeit sprach er noch von einer Konzentra-
tionsregierung, jetzt ist er nur mehr auf Zusammenarbeit eingesprengt.
Diese Parole kommt allerdings sicherlich bei der Bevölkerung sehr gut
an. Man glaubt insbesondere Kreisky soll der Kanzler werden und als
Älterer dafür sorgen, daß die Zusammenarbeit funktioniert. Wie sehr
aber gerade in einer Koalition es schwierig war, zeigt die Vergangen-
heit. Niemals, oder ich glaube ein einziges Mal wurde eine volle
Legislaturperiode gemeinsam regiert. Meistens kamen nur 2 Budgets
normal zustande. Das erste war, da die Parteienverhandlungen lange
dauerten ein Provisorium, dann gab es zwei normale Budgets und
beim vierten konnte man sich schon nicht mehr einigen, weshalb dann
nach drei Jahren Neuwahlen vereinbart wurden. Zwei Programmpunkte
sind auch besonders anzugreifen. Wenn die Taus-Regelung bezüglich der
Kurzarbeit in ihrem Wahlprogramm kommt, würden die Mittel der Arbeits-
marktförderung sofort erschöpft sein und man würde dann verlangen,
die Regierung müßte mehr tun, oder sie hat versagt. In Deutschland
wird das derzeit so gehandhabt und Wolff von Amerongen hat Kreisky
bestätigt, daß die hohe Kurzarbeiterzahl von fast 1 Million nicht
zuletzt darauf zurückzuführen ist, daß eben der Staat einen großen
Teil davon den Unternehmern vergütet. Bei Kurzarbeit wird trotzdem
fast derselbe Ausstoß in den Fabriken erreicht. Kreisky deckt des-
halb 100 % die Politik Häusers bei der Kurzarbeiterregelung. Ein
weiteres Problem ist das Fangnetz, wo die Banken die zuerst gute
Geschäfte mit der Firma gemacht haben, dann das Risiko auf die
Öffentlichkeit überwälzen. Der Staat hat heute schon eine Menge


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Ausfallhaftungen für die Sondergesellschaften, Autobahnen, Export-
haftungen usw. Zuletzt kam natürlich auch die Sprache auf die
Angelegenheit von Helbich. Kreisky erklärte, und ich bin überzeugt
daß dies stimmt, er könne sich nicht erinnern, ob er und wann er
mit Nowotny Gespräche geführt hätte, daß er bei der Sozialistischen
Partei unterkommen könne oder dort schreiben sollte. Wenn dies
aber der Fall war, so sagt dies noch gar nichts, denn es werden
oft Journalisten von Zeitungen an die Arbeiterzeitung verpflichtet,
z.B. hätte man mit Dibold und Olschewski, die nicht Mitglieder unserer
Partei sind, gute Erfahrungen gemacht. Dagegen sei auch kaum etwas
einzuwenden. Daß Busek die Äußerung Nowotny dazu benützte um den
Verdacht zu erwecken, daß auch die sozialistische Partei Journa-
listen anwirbt, ist wirklich nicht ganz fair. Interessanterweise
hat sich auch beim Jour fixe Sallinger davon distanziert. Helbich
hat in der Art wie er es tat und noch vielmehr wie er es beabsichtigte
eine glatte Bestechung versucht. Busek hat dabei den Fehler gemacht,
zu erklären, daß er auch von anderen Journalisten ähnliche Unterla-
gen besitzt. Wenn er jetzt nicht mit den Details herausrückt,
bleibt natürlich der Verdacht, daß noch andere Journalisten eben-
falls Geld genommen haben, wenn sie über Taus positiv schreiben.
Kreisky hat sofort erfaßt, daß dies für die ÖVP eine vertrackte
Situation ist. Trotzdem fürchte ich, wenn tatsächlich ein Taus-Trend
jetzt herrscht, man sagen wird, na ja das ist eben ein unzulänglicher
Abgeordneter gewesen, auch dann wenn er Bautensprecher der ÖVP war
und vorgesehener Bautenminister und wenn Kreisky mit Recht jetzt dem-
gegenüber Moser besonders herausstreicht, so wird Taus, wenn er
Helbich fallen läßt, und das steht für mich fest, dann als der
Saubermann in der ÖVP gelten. Derzeit allerdings dürfte Taus dies
noch nicht im Detail so erkannt haben oder nicht spielen wollen,
denn sonst hätte er meiner Meinung nach sich hier viel stärker
eingeschaltet. Er hat dies aber dem Landeshauptmann Wenzl, dem
Parteiobmann von OÖ überlassen.

27_0923_04

Tagesprogramm, 1.9.1975

27_0923_05

hs. Notiz (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: MR, Leiter Gruppe FV u. Gewerbeförd. HM


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      Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
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          Tätigkeit: Finanzminister
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            Tätigkeit: ÖGB


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              Tätigkeit: oö. LH (ÖVP), GD OKA
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                Tätigkeit: Bundesrat OÖ, ÖVP


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                      Tätigkeit: dt. Unternehmer


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                        Tätigkeit: Innsbrucker Bgm., BP-Kandidat 1974


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                              Tätigkeit: UNO-Generalsekretär


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                                Tätigkeit: CR "Die Furche"


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                                  Tätigkeit: Bautenminister


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                                    Tätigkeit: AZ


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                                      Tätigkeit: Vizekanzler, Sozialminister


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                                        Tätigkeit: Unterrichtsminister, Bgm. Wien


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                                          Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


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                                            Tätigkeit: Bundeskanzler
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                                              Tätigkeit: Handelsminister, ÖVP, Präs. HK Wien


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                                                Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


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