Sonntag, der 8. Juni 1975

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Sonntag, 8. Juni 1975

Bei einem Essen Heindls frägt mich Gen.Dir. Stock von der Hofburg,
ob es möglich sein wird, die Haftung für die Miss Welt zustande
zu bringen. Ich erkläre ihm, dass bis jetzt ziemlich negative
Stellungnahmen mir bekannt sind. Trotzdem habe ich zur Besprechung
eingeladen um vielleicht doch eine positive Lösung zu ermöglichen.
Ich bin sehr verwundert, dass er von dieser Besprechung noch nichts
weiss.

ANMERKUNG für WIESINGER: Wer und wie wurden alle verständigt?

Komm.Rat Böhm, Schöps, ist interessiert zu erfahren, wie die
Strumpfhosensitzung ausgegangen ist. Er meint das Hauptübel besteht
darin, dass keine Handelsvertreter der etwas zu sagen hätte, in der
Bundeskammer existiert. Ich gebe ihm allerdings zu bedenken, dass
gerade der Handel so differente Auffassungen in jeden Punkt hat,
dass ein wirklich starker Funktionär kaum zu erwarten ist, der alle
Meinungen zumindestens koordinieren kann, oder dies versucht.
Wahrscheinlich müsste ein ganz starker Mann hier teilweise sogar
diktatorisch vorgehen. Ich kann mich noch an die Zeit Raabs
erinnern, wo dieser immer wieder, selbst in meiner Anwesenheit
die Handelswünsche, damals handelte es sich ja meistens um
Preise, Kraft seiner Autorität unberücksichtigt liess.

Heindl macht den Besuchern immer den Mund wässerig, indem er
erklärt, sie müssten das verbotene Glücksspiel, die Rote gewinnt
oder, wie es im Strafgesetzbuch angeblich heisst, Kümmelblättchen,
sehen. Ich warne alle und erkläre rundwegs, dass sie verlieren
müssen. Natürlich glaubt dies keiner. Um sie teilweise zu heilen
und aber dies dann mit einem nützlichen Zweck zu verbinden, spiele
ich unter folgenden Bedingungen. Wenn ich verliere, muss ich dies
aus meiner Tasche tragen, der Gewinn geht als Wahlspende in die
Sektion. Anfangs musste ich diesmal verlieren, da Walter gezinkt
hatte. Nach einiger Zeit kam ich darauf und dann hat jeder der
mitgespielt hat, einige hunderte Schilling Lehrgeld zahlen müssen.
Es ist für mich immer ein Phänomen, wie die Menschen, insbesondere
Kartenspieler von der Illusion leben, sie müssten gewinnen, auch
dann wenn man ihnen erklärt, wie das Spiel ist und dass sie verlieren
müssen, sie können es nicht glauben, dass auch sie bei den Verlierern


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sein müssen. Mein Ruf als Geschicklichkeitsspieler nimmt irrsinnig
zu, selbst wenn ich die Buße aber, welche ich als Tribut für ihre
Spielerleidenschaft der Partei zuwende, ich muss mich einmal erkundigen,
wie das strafgesetzlich trotzdem ist.

ANMERKUNG für BUKOWSKI: Erkundige Dich ob dies überhaupt noch im
neuen Strafgesetz strafbar ist.

MR Rischawy teilt mir mit, dass die Post jetzt eine Schule für ihre
Lehrlinge in Wien errichten will. Dieses Millionenprojekt soll jeweils
drei Lehrgänge, à 200 Lehrlinge umfassen. Die Post hat ja nicht
zuletzt deshalb, um ihren Nachwuchs zu sichern, den 304-ten Lehrberuf
während meiner Amtszeit, nämlich Fernmeldetechniker geschaffen.
Durch diesen Spezialberuf will sie verhindern dass Lehrlinge, wenn
sie ausgelernt sind, dann in die Industrie abwandern. Sie verweist
mit Recht darauf, dass die Post Millionenbeträge für die Lehrlings-
ausbildung ausgibt und dies auf das Zweckmässigste gestalten muss.
Sie hat deshalb entgegen ihren Vorgesetzten durchgesetzt, dass sich
die jetzigen Lehrausbildner mit dem Institut für Berufsforschung
Kowalski, Kopp usw. einen Kurs gemacht haben, den dieses Institut
und auch ich für alle Ausbildner anstrebe. Der Arbeitstitel lautet
"Ausbildung der Ausbildner". Am Anfang sagt sie war ein ungeheurer
Widerstand von den Werkmeistern die heute die Lehrlingsausbildung
durchführen. Zuletzt aber waren sie von dem Kurs und der Schulung
selbst sehr begeistert. Ein weiterer grosser Widerstand ist noch,
dass die Lehrlinge derzeit in NÖ bei Pitten in einem Schloss unter-
gebracht sind und deshalb die Ausbildner alle Tage dort hinfahren
und schöne Diäten haben. Wenn diese moderne Schule in Wien kommt,
dann fallen diese Kosten weg. Aus diesem Grund ist es erklärlich,
dass sich die Ausbildner sehr gegen diese neue Schule wehren. Da
die Vertreter der Berufsschule Dr. Schön und Ing. Wolf ihre schulischen
Programme mit der Post abstimmen wollen, informiere ich Wolf und
sowohl Rischawy als er versprechen gemeinsam vorzugehen.

ANMERKUNG für REIM und WAIS: Die Ausbildung der Lehrlinge muss in
Hinkunft von uns mit einem grösserem Augenmerk verfolgt werden.

Die Aufführung von Notre Dame war deshalb glaube ich ein grosser
Erfolg, weil nicht nur die Sänger gut waren, sondern nicht zuletzt


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auch wieder einmal Deutsch gesungen wurde. Die Volksoper ist hier
wesentlich geschickter als die Staatsoper. Dort legt man grössten
Wert darauf nur in Originalsprachen zu singen, natürlich versteht
dies nur ein Bruchteil der Zuschauer. Als ich das letzte Mal
Cosi fan tutte hörte, bemerkte ich, dass die Leute bei der leisesten
Mimikandeutung schon befreiend auflachten, weil sie endlich glaube
ich etwas davon verstanden, denn ausser der schönen Musik möchte
man beim Rezitativ zumindestens ein wenig verstehen. Natürlich
wird man mir jetzt sagen, ich sei ein Kulturbarbar, wie könne
man den höchsten Aufführungsstand erreichen, wenn man nicht die
Originalsprache singt und spricht. Da in die Staatsoper meistens
auch Ausländer gehen, ist es wahrscheinlich egal in welcher Sprache
dort agiert wird. Die Volksoper macht dies viel schlauer. Sie weiss
dass der grösste Teil ihres Publikums Wiener oder Österreicher sind,
soweit Gäste aus der Bundesrepublik kommen, sind auch sie glaube ich
sehr froh dass sie Deutsch hier hören. Ich glaube dass nicht zuletzt
aus diesem Grund die Volksoper diesen guten Erfolg hat. Zum Glück
bin ich für Kultur nicht verantwortlich.

Tätigkeit: Kongresszentrum, Verkehrsbüro, Hofburg


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