Donnerstag, 29. Mai 1975
Da es sich bei uns um einen Feiertag handelt und wir in Wirk-
lichkeit ja kaum etwas besprechen können, war vorgesehen, dass ich
mit Patolitschew Laxenburg, Baden, Heiligenkreuz und Klosterneuburg
besichtige. Doch das russische Protokoll hatte einen Fehler ge-
macht und vergessen den Autobus, den sie selber stellen, ins
Intercontinental zu bestellen. Bukowski ist zeitgerecht draufge-
kommen und da Patolitschew sich um 10 Minuten verspätete, war
der Autobus auch schon hier. Wir fuhren nach Laxenburg, dort liess
man uns gleich ganz automatisch, was sonst nicht üblich ist,
mit den Autos und dem Autobus in den Park hineinfahren. Da ich
Laxenburg nicht kannte, folgten wir der Gendarmerie, die vor uns
Lotsendienst machte. Plötzlich blieb er mitten im Wald stehen,
ich stieg aus und fragte MR Ottahal was jetzt geschieht. Ottahal
meinte, er wollte spazieren-gehen, hier könnte er spazieren-gehen.
So etwas idiotisches habe ich in meinem Leben noch nie erlebt.
Selbst wenn Patolitschew wirklich nur spazieren gehen wollte, so
kann man ihn doch nicht mitten im Park irgendwo in einem Waldab-
schnitt stehen lassen, sondern muss einen vorbereiteten Weg haben
wo man sagt jetzt gehen wir dort und dort hin und die Autos kommen
dann dort an, oder man macht einen Rundkurs wo man sieht das und
jenes. Ich sagte sofort den dort zuständigen Gendarm, er möge uns
zur Franzensburg bringen. Patolitschew hat sich in der Zwischenzeit
schon wieder ins Auto gesetzt. Der Gendarm meinte es ginge ohne
weiteres, doch sollten wir mit dem Autobus fahren, damit die Park-
besucher nicht von der langen Autokolonne belästigt werden.
Patolitschew musste also wieder aussteigen und in den Autobus rein.
Bei der Franzensburg schickte ich sofort Bukowski, er müsse
jemand finden, der uns hier führt. Tatsächlich erschienen dann
zwei Leute von der Laxenburger Betriebsgesellschaft, entschuldigten
sich dass sie nicht zeitgerecht hier waren, denn sie hatten eigent-
lich gerechnet dass wir früher kommen, dass man sie verständigt
und in Wirklichkeit hat man ihnen wissen lassen im letzten Moment,
man braucht sie nicht. Wie machten dann die Führung, gingen durch
den Park bis zum blauen Hof, wo das Institut für Internationale
Systemanalyse untergebracht ist und dort erwartete uns sogar ein
russischer Wissenschaftler. Wenn es nach dem Protokoll von Ottahal
gegangen wäre, hätten wir ein wenig im Park herumgeirrt und die
beiden verständigten Institutionen hätten gar keine Gelegenheit
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gehabt, uns zu betreuen.
Durch die Laxenburger Betriebsgesellschaft bekam ich dann
entsprechendes Material über den Park von Laxenburg, Prospekte
und einen wirklich schönen Bildband, den ich allen austeilen
liess. Unser Dolmetsch hatte sogar vom Bundespressedienst eine
Broschüre über Österreich in russisch, die er Patolitschew über-
reichte. Er wird sich bemühen auch für die anderen russischen
Delegationsmitglieder entsprechende Prospekte zu bekommen. Ich bin
überzeugt, dass von Baden, Heiligenkreuz und Klosterneuburg über-
haupt nichts an Erinnerung von unserem Protokoll vorbereitet wurden.
Es wäre ein Leichtes von Wien, Laxenburg, Baden Klosterneuburg,
Heiligenkreuz usw. Material zu bekommen. Das kostet überhaupt nichts
ist nur eine Frage der Organisation. Bei uns im Ministerium kümmert
sich überhaupt niemand um diese Betreuung. Wenn er es wegwerfen will,
schön, dann wird er es nachher weggeben. Ich bin aber überzeugt,
dass die Russen sich dies sehr gerne aufheben. Ausserdem stelle ich
fest, dass sie gerne sich selbst fotografieren und auch gerne foto-
grafiert werden. Unter anderem hätte Patolitschew gerne Aufnahmen
bei der Besichtigung der Fabriken und anderen Städten gehabt.
In Hinkunft wäre ich auf alle Fälle die Firmen davon verständigen,
dass sie für Aufnahmen versorgen sollen. Das kostet uns nichts
und man kann ihm dann entsprechende Bilder überreichen. Patolitschew
selbst hat immer die neuesten Kameras, darunter jetzt auch eine
Polariod, mit der man sofort entwickelte Bilder bekommt. Sein
Mann, der ihm persönlich betreut, konnte nur sehr schwer diese
Kamera bedienen und er meinte, das sei ein G'scherter. Überhaupt
fiel mir auf, dass in der sowjetischen Delegation eine eiserne Zucht
herrscht. Beim Essen in Baden, kam Ottahal zu mir und meinte, die
Sowjets wollen, dass man den Rock auszieht, es war wirklich ein
wenig heiss. Selbstverständlich habe ich sofort meinen Rock aus-
gezogen und angenommen, dass die Sowjets dies auch machen werden.
Einer am Ende des Tisches, von dem scheinbar die Idee ausging,
weil er sass neben Ottahal, hat auf meine Aufforderung dies tat-
sächlich auch getan. Manschulo hat ihm einen Blick zugeworfen und
der Betreffende hat sofort wieder den Rock angezogen. Patolitschew
sass genüsslich neben mir, ich fragte, ob nicht ihm auch heiss ist,
was er zugab, dann aber meinte, er bestimmte bis die anderen den
Rock ausziehen dürfen. Dies sagte er zwar spasshalber, aber es traf
wirklich zu. Als er ihn auszog, sind dann alle Russen nachgefolgt.
Das Institut für Systemanalyse im blauen Hof, ein Grossteil des
Schlosses von Laxenburg, ist phantastisch untergebracht und mit
60 Millionen Schilling wirklich einmalig schön renoviert werden.
Die 200 Beschäftigten dort haben den besten Arbeitsplatz, den ich
jemals gesehen habe. Ob sie allerdings so glücklich sind, in
Laxenburg und nicht in Wien stationiert zu sein, dass bezweifle
ich. Da es während des Fussweges, wir gingen ungefähr 20 Minuten,
sehr heiss war, hat Patolitschew auf meine Frage, ob wir die Besich-
tigungen verkürzen sollten, gebeten, man soll überhaupt nach dem
Essen sofort ins Hotel zurückfahren. Die Hitze strengt ihn sehr an.
Ich war natürlich sofort damit einverstanden. Er betrachtet dies
als ein grosse Entgegenkommen ihm gegenüber.
Bei Brugger hatte ich in der Schweiz offiziell, aber auch bei den
inoffiziellen Ausflug, immer wieder über das Problem gesprochen,
wieso wir einen so guten Erfolg im Osthandel haben. Für mich ist
dies, und das habe ich Brugger auch freimütig gesagt, eine Frage
nicht nur der Waren die man anbietet, sondern Fragen auch der
Beziehungen die man zu den sowjetischen Stellen hat. Ich persönlich
bemühe mich wirklich um Patolitschew deshalb, weil ich überzeugt bin,
dass diese persönliche Betreuung eine grosse Rolle bei seinen Ent-
scheidungen spielt. Natürlich kann er nicht den Korneuburgern
die Schiffe zuschlagen, wenn sie um 100 % zu teuer sind. Wenn es
sich dann um kleinere Differenzen noch handelt, bin ich überzeugt,
sagt er, geben wir Österreich dieses Geschäft weil er sich hier
wohl fühlt, weil er hier entsprechend betreut wird und weil vor allem
auch die Firma sich sehr darum bemüht und ständig Kontakt mit den
sowjetischen Stellen hat. Die Schweizer dagegen glauben, ein ein-
maliger Besuch Bruggers in Moskau war genug. Brugger hatte damals
grosse Bedenken, dass er wegen Ostanfälligkeit angegriffen wird.
Auch jetzt hat er mir gesagt hat sich die Situation wieder in
dieser Hinsicht verschlechtert. Unmittelbar nach seinem Besuch
hat man in der Schweiz mehr oder minder die Politik von ihm
akzeptiert, jetzt aber hört man schon wieder kritische Stimmen,
dass er sich zuviel mit den Sowjets einlässt. In Wirklichkeit war
er ein einziges Mal in Moskau und Patolitschew ein einziges Mal
in der Schweiz. Zum Glück haben die Schweizer diese Art entwickelt,
da sie uns dadurch weniger Konkurrenz machen. Nicht auf die Waren
allein kommt es an, sondern auch wie man mit den Russen in Kontakt
ist. Dabei, dass brauche ich nicht besonders zu betonen, bin ich weder
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bereit bei den offiziellen Verhandlungen, noch geschweige denn
bei den Vier-Augengesprächen irgendwie mich als Kommunistenfreund
anzubiedern. Ich schneide dieses Problem kommunistische Partei
weder im Inland, noch in der Sowjetunion oder der Welt an, eine
ideologische Auseinandersetzung hat nämlich meiner Meinung nach
sowieso keinen Wert. Meine Funktion ist es nur, den Warenverkehr
zu verbessern. Angeblich hat man mir erzählt, hat Mitterer einmal
bei einem Besuch in der Sowjetunion versucht, die sowjetische Seite
von ihren Wirtschaftssystem ideologisch abzubringen und ihnen einzu-
reden, wie gut die freie Marktwirtschaft ist. Eine grössere Zeit-
verschwendung kann man sich eigentlich nicht vorstellen.