Mittwoch, der 28. Mai 1975

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Mittwoch, 28. Mai 1975

Die Besprechung mit Unilever, Dir. Büttner, seinen Kalkulanten,
Schmidt, Gewerkschaftsbund, Blaha, Wais und mir hat kein Ergebnis
gebracht. Die Unilever hat anstelle der beabsichtigten Margarine-
preissenkung im September den 1. Juli vorgeschlagen, allerdings
nur mit 5 %. Schmidt glaubte, daß er 12 % erreichen kann. Nach einiger
Zeit machte ich den Vorschlag, Thea von 5.20 Schilling auf 5.–
Schilling, feine Thea auf 6.– Schilling, Rama auf 7.– und Vita
auf 8.– Schilling zu senken. Im letzteren Fall wäre dies eine
Preissenkung um 1.– Schilling gewesen, während die anderen Sorten
um 50–60 Groschen gesenkt werden. Büttner war mit dem Preis von
6.– Schilling für feine Thea, 7.– Schilling für Rama einver-
standen. Thea kann er nicht einmal um 10 Groschen senken, weil
dies für sie ein Verlustprodukt ist. Bei Vita erschien mir nach
stundenlanger Verhandlung die Senkung auf 8.– Schilling vielleicht
wirklich nicht möglich und ich schlug 8.20 Schilling vor. Büttner
hätte akzeptiert, Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund aber erklärten
sich außerstande. Die 5, 6, 7, 8, hätten sie natürlich akzeptiert,
ich selbst wollte damit Unilever die Möglichkeit einräumen, zu doku-
mentieren, daß hier gar nicht kalkuliert wurde, sondern es sich
wirklich um ein Preisdiktat, daß sie nur unter schwersten Bedin-
gungen angenommen hat, handelt. Büttner meinte anfangs, es wäre für
ihm nur Recht, wenn das Kartellgericht jetzt ihre Unterlagen prüft,
dann könnte man in der Öffentlichkeit feststellen, es handelt sich
um einen gerechtfertigten Preis den Unilever verlangt. In Wirklich-
keit irrt er hier, denn gibt ihm das Kartellgericht recht, heißt
es dann nur, daß Kartellgesetz ist schlecht und wird sicherlich
schärfer novelliert werden, gibt ihm das Kartellgericht nicht recht,
dann ist Unilever als Marktmißbraucherfirma gekennzeichnet.
Unilever profitiert also in keinem Fall von einem Verfahren.
Büttner behauptet sie sitzen auf einem riesigen Lager, ihre nor-
male Eindeckung ist 15 Wochen und muß zuerst dieses teure Lager
abverkaufen, bevor die billigeren Rohstoffe zum Einsatz kommen.
Dann wird selbstverständlich sofort der Preis gesenkt, möglicherweise
in einer zweiten Etappe Ende Oktober. Genau zu diesem Zeitpunkt
brauche ich aber die Senkung nicht, wenn, dann soll jetzt gesenkt
werden. Da ich die Vorbesprechung zur Gemischten Kommission mit
Patolitschew auf besonderen Wunsch der Handelskammer noch einmal
führen mußte, blieb nichts anderes übrig, als die Sitzung zu unter-


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brechen und zu bitten, daß sie im Wais-Zimmer fortgesetzt wird.
Zu meiner größten Verwunderung gelingt diesmal nicht Schmidt und
Büttner auf eine Linie einigen. Wais kam mir berichten, daß sie
sofort aufstehen wollten und nach Hause gehen, dann zwar auf mein
Verlangen noch einige Zeit weiterverhandelten, aber dann auch die
Verhandlungen abbrachen und als gescheitert erklärten. Ich werde
mich selbstverständlich neuerdings bemühen, zu einer Lösung zu
kommen.

ANMERKUNG für WAIS: Kontaktiere mit dem zweiten Mann, der Büttner
begleitet hat, und mit Schmidt. Ich muß erfahren, wo das Kompro-
miß liegen kann.

Mussil hat mich in der früh verzweifelt angerufen und gemeint,
die Stelle im Protokoll, wo die Sowjets erklären sie wollen eine
Bereinigung der Diskriminierung, wie jetzt bei Autos endgültig
beseitigen, auch bei Werkzeugmaschinen, Geräten und einige andere
Produkte, sei für sie unannehmbar. Diese Formulierung wie wir sie
jetzt mit den Russen vereinbart haben, kam nach schweren Verhand-
lungen zustande und ich erklärte Mussil daher, daß es sehr schwer
sein wird. Seinen Wunsch aber noch eine Vorbesprechung zu führen,
habe ich selbstverständlich akzeptiert. Er erschien mit 4 Leuten
Gleißner, Ertl, Meier, Meisl und Fälbl setzten ihm die schwierige
Situation auseinander. Zuletzt einigten wir uns, daß ich Patolitschew
die gewünschte Formulierung der Handelskammer, die meiner Meinung nach
nicht wesentlich von der vereinbarten abwich, überreichen werde
und zwar nicht in der offiziellen Sitzung. Fälbl war sehr verärgert,
weil er – und dies glaube ich zu Recht – meinte, daß hätte man
alles viel früher schon verlangen können. Canisius teilte mir mit,
er hätte unmittelbar nachdem die Formulierung feststand, in der
Handelskammer den einzelnen, insbesondere sicherlich Gleißner und
der Zollabteilung die Formulierung gegeben, doch war niemand mehr
dort.

Als Patolitschew und seine Herren ankamen, habe ich ihm die neue
Formulierung gegeben, er hat, ohne daß er sie gelesen hat, gemeint,
aha, es wird eine schwächere Version gewünscht, was ich natürlich
sofort abstritt, sondern nur meinte in deutsch sei es fast
dasselbe. Beim Mittagessen ist dann Fälbl zu mir gekommen und er-
klärte die Russen hätten jetzt erklärt, sie müßten noch wesentlich


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andere Formulierungen finden, nachdem wir das gemeinsam erarbeitete
Protokoll umstoßen, deshalb sei er sehr verärgert und alles
könnte nur zu unseren Ungunsten ausgehen. Ich habe ihm sofort
mit Mussil konfrontiert, denn den soll er es sagen und nicht mir.
Zu meiner größten Verwunderung kam dann nach dem Essen Meisl zu
mir und meinte, die Russen hätten alles akzeptiert, er glaube wieder
dies sei schon zwischen der Handelskammer und der russischen Seite
abgesprochen gewesen. Beide haben unrecht. Canisius würde ein so
ein Doppelspiel niemals machen. Die sowjetische Seite hat eben
meinen Vorschlag akzeptiert, weil Patolitschew wegen solchen
Kleinigkeiten kaum mit mir einen Streit will. Ursprünglich war
beabsichtigt, daß ich ganz kurz einleite, Patolitschew dann
kurz repliziert und die einzelnen Referenten ganz kurze Berichte
geben, so daß wir längstens in 1 3/4 Stunden fertig sind. Zu meiner
größten Verwunderung verlangte nach meiner kurzen Einleitung
Patolitschew, daß ich jetzt laut Tagesordnung und wie er dies
in Moskau auch gemacht hat, denn in der Tagesordnung steht dies
gar nicht, eine längere Ausführung halte. Er meinte, sie hätten
sicherlich die ganze Nacht kaum schlafen können, um sich endlich
auf dieses Referat vorzubereiten. Natürlich war es spaßhalber gemeint
zeigt aber, daß scheinbar Patolitschew eine größere Rede halten
will. Ich habe deshalb ein paar Punkte, die mir wichtig erschienen,
wie Gas, Strom, die Benützung des südrussischen Kanalsystems,
Hotelneubauten die mir Canisius dann flüsterte und Sportstätten-
anlagen für die Olympiade und Geräte sowie auch Winteranlagen im
Kaukasus, besonders erwähnt. Auf die einzelnen Projekte brauchte
ich ja nicht einzugehen, weil ich auf die Liste verwies, die wir
Patolitschew bei der Vorbesprechung schon gestern übergeben hatten.
Da Mussil mir erklärte er würde ein Statement abgeben, auch
Hrdlitschka wollte reden, von Igler ganz zu schweigen und auch
Gatscha sich dann noch bei mir meldete, erklärte ich sofort, es
wird von den Interessenvertretungen meine Ausführungen noch er-
gänzt. Dadurch mußte natürlich mindestens eine 3/4 Stunde ver-
gehen. Dann kam Patolitschew und sprach wirklich übermäßig lang.
Nicht daß es mich störte, ganz im Gegenteil, es war für ihn so
ungewöhnlich, daß er zum Schluß selbst auch sich dafür entschul-
digte. Neuere Gesichtspunkte waren in der Regel für mich nicht
drinnen. Wohl aber bin ich überzeugt, hat es auch die große Zahl


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der Anwesenden, ich glaube auf der österreichischen Seite waren
es fast 40, sehr beeindruckt. Da wir so nicht wußten, was wir am
Freitag bei der Schlußsitzung von 10 bis theoretisch 1/2 1 Uhr
machen, paßte mir dieses System, denn dann können die Berichte
eben am Freitag erfolgen.

Bei der Fahrt nach Steyr, GFM, versuchte ich alle Fragen Patolitschews
wirklich gewissenhaftest zu beantworten. Allerdings habe ich nicht die
Methode, in so einem Fall wo ich mit ihm allein bin, irgendwelche
heiklen Themen anzuschneiden. Das gilt sowohl für die innenpoli-
tische Situation, als auch ganz besonders natürlich für unsere
Beziehungen zur Sowjetunion. Maximal lasse ich ihm in diesem Fall
von Brugger und Friderichs grüßen, wie mich diese ersucht haben,
gehe aber gar nicht auf die Gespräche die ich geführt habe ein.
Bei dem offiziellen Essen dagegen bin ich gerne bereit nicht nur
über die außenwirtschaftlichen Beziehungen zu reden, sondern mit
Mussil z.B. auch ein bißchen über den inneren österreichischen Wahl-
kampf. Patolitschew hat sich während der Sitzung ein wenig, aller-
dings künstlich aufgeregt wie ich hoffe, daß die Presse wieder
einmal eine sehr negative Berichterstattung brachte. Die Presse
war es auch die das letzte Mal von Patolitschew mit den leeren
Taschen schrieb. Mussil hat sich angeblich sehr darüber geärgert
und wird deshalb mit den Presseleuten eine ernste Auseinandersetzung
haben. Er meinte mir gegenüber, ununterbrochen ißt er mit Presse-
redakteuren zu Mittag, allerhand fragen sie ihn, nur das Wichtigste
nicht und dann passiert so etwas. In Wirklichkeit bin ich über-
zeugt sind die Pressegespräche, die er mit den Presseleuten beim
Sacher oder sonst wo führt, ausschließlich danach gerichtet, die
innenpolitische Situation für die Handelskammer und ganz besonders
für die ÖVP zu verbessern. Ich weiß zwar nicht genau wann er mit
den Presseleuten essen geht, fast aber erscheint dann immer wahr-
scheinlich zum selben Zeitpunkt am nächsten Tag eine entsprechende
Glosse über mich.

Bei GFM sahen wir eine Schmiedemaschine die in die Sowjetunion
geliefert wird und die seit 4 Jahren das erste Exemplar bei
Böhler in Kapfenberg arbeitet. Dort hatte ich mich ja schon im
einzelnen dafür interessiert und deshalb meinten die GFM-Leute
ich sei ein Spezialist. Dr. Kralowetz hat den Böhler-Direktor dort


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in seinem Vorstand jetzt genommen. Die Maschine ist wirklich
gigantisch. Der Riesenvorteil liegt darin, daß sie mit einer Hitze
durch Runddrehungen und durch vierseitigen Druck auf den Rohklotz
einen Stahl schmiedet, der in der Qualität einmalig ist. Als zweites
Beispiel zeigten sie uns eine Gewehrlaufschmiede. Hier bringen sie
ein Produkt das in der ganzen Welt gewünscht wird. Die Olympier
Gewehrschützen verwenden nur mehr GFM-Läufe. Diese Maschinen werden
in alle Staaten geliefert. Als drittes sahen wir eine Kurbelwellen-
schleifmaschine, eine gigantische Idee, wo die Kurbelwelle fix ist
und die Messer rundherum rotieren und die Fräsarbeit durchführen.
Kralowetz ist wirklich ein technisches Genie. Die Firma steht heute
auch, seitdem er sie alleine leitet, einmalig gut da. Die Krise
war vor etlichen Jahren als er seinen Kompagnon auszahlen mußte.
In diesem Fall hat damals die CA blöderweise Schwierigkeiten ge-
macht, worauf er über Nacht in die Giro-Zentrale überwechselte.
Taus hat sofort erkannt, daß es sich hier um einen zukunftsträcht-
igen Betrieb handelt und ist jetzt in diesem Betrieb fest drinnen.
Treichl und seine Leute haben das Nachsehen gehabt. Patolitschew
und insbesondere Manschulo waren von den Betrieb sehr beeindruckt.
Auch ich muß sagen, daß ich es mir nicht so gigantisch vorgestellt
habe. Beim Essen sagte mir dann der Besitzer, er hätte eigentlich
schon erwartet, daß ich früher einen Besuch abstatte. Meine Ent-
schuldigung allerdings hat er sofort akzeptiert, daß ich mich
doch mehr um schlechtgehende Betriebe kümmern müßte. Bei GFM sei
es Gott sei Dank während meiner Amtszeit immer aufwärts gegangen.
Die Firma hat auch keinerlei Schwierigkeiten mit der Produktion,
der Auftragsstand ist befriedigend, die Leute verdienen 75 Schilling
die Stunde wie man mir sagte, und sind auch sehr zufrieden. Aller-
dings kann er sich die besten Leute in Steyr holen und leisten.
Dadurch ist es sicherlich eine große Konkurrenz zu den Steyr-
Werken. Patolitschew hat abgelehnt einen anderen Betrieb zu be-
sichtigen, weil er sofort wieder nach Hause fahren wollte. Die
anderen sind noch wunschgemäß in Wieselburg ins Braustüberl ge-
fahren. Hier war unser Protokoll Gott sei Dank beweglich. Wenn sie
allerdings auf Draht gewesen wären, dann hätten sie, als der Wunsch
geäußert wurde, sofort eine Besichtigung der Brauerei von einer
viertel Stunde durchgeführt und anschließend daran hätten sie
dort auf Kosten der Brau AG, davon bin ich überzeugt, literweise
Bier trinken können. So ging es allerdings auf unsere Kosten, was
aber durch das gute Repräsentationsbudget leicht gedeckt werden
kann, da ja die großen Posten die Handelskammer nehmen muß.

26_0639_05

Tagesprogramm, 28.5.1975


GND ID: 1017902909


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    Tätigkeit: Außenhandel BWK


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      Tätigkeit: Beamter HM


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        Tätigkeit: Bankier


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          Tätigkeit: BRD-Wirtschaftsminister
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            Tätigkeit: AK


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              Tätigkeit: Leiter vw. Abt. ÖGB, SPÖ-NR-Abg.


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                  Tätigkeit: GFM-Gesellschaft Steyr


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                    Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


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                      Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


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                        Tätigkeit: sowj. Außenhandelsminister


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                          Tätigkeit: stv. sowj. Außenhandelsminister


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                                Tätigkeit: Dir. Unilever


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                                      Tätigkeit: Handelsdelegierter


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                                        Tätigkeit: IV, GD Wr. Schwachstromwerke (WSW)


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